Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-10
- Monat1896-09
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS i>r der tzauptexpeditiou oder den im Stadt» veziick und den Vororten errichteten AuS» aabestrllen ab geholt: vierteljährlich^-.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.L0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in- Ausland: monatlich 7.ö0. Die Mvrgen»A»Sgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abeud-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr, Le-utto» «ad Lrvedition: Johanne-,aste 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen S<8net Po« früh g bis Abruh^ 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemms Sortim. (Alfred Hahn), UviversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, lsotbanneustr. 14, Part, und KönigSplah L TKHeNd-AusMbe. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Nnzeigett-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pjg. Reckamen unter dem RedactionSstrich (-ge spalten) LO^L, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40/^,. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 UhL Marge «»Ausgabe: Nachmittag- - Uhu Bei den Filialen und Annahmestelle« je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets a» die Expedition -u richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 10. September 1896. 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, lO. September. Wir haben schon betont, daß einen der wichtigsten Puncte bei der Erörterung über die HaudtvcrkSorganisatiouSvorlage die Abgrenzung zwischen Handwerks- und fabrik mäßigem Betriebe bilden wird. Zn dem Entwürfe, welcher vom preußischen Handelsministerium im Sommer 1893 durch den „Reichsanzeiger" veröffentlicht wurde, war wenigstens der Versuch gemacht, ein gesetzliches Kriterium für die Abgrenzung festzustellen. Man hatte in Aussicht genommen, alle diejenigen Gewerbtreibeuden in die Organisation einzubeziehen, welche regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeiter beschäftigen. Nun war diese Ab messung für eine ganze Anzahl von Gewerbszweigen, in denen schon ein Betrieb mit 7 oder 8 Arbeitern unbedingt zu den industriellen gezählt werden muß, unzweckmäßig, aber es war doch wenigstens der Versuch zu einer gesetzlichen Lösung der Frage gemacht. Wäre man auf dem einmal betretenen Wege weitergcgangen, so wäre man sicherlich auch, vielleicht unter Absetzung von der Arbeiterzahl und unter Zugrunde legung des Anlagekapitals, zum Ziele gelangt. Jedoch der letzthin veröffentlichte Organisationsentwurs hat sich darauf beschränkt, der Verwaltungsbehörde die Voll macht der Entscheidung über die Natur der Betriebe in die Hand zu geben uno die (Zentralbehörde als letzte Instanz cinzusetzen. Eine solche Regelung kann namentlich in den jenigen industriellen Kreisen, welche befürchten müssen, in die Handwerksorganisation hineingezogen zu werden, obwohl sie selbst sich als Handwerker durchaus nicht betrachten, keine Zustimmung finden. Zn recht vielen Industriezweigen rührt man sich daher schon, um ein gesetzliches Kriterium für die Unterscheidung der beiden Betriebsarten herbeizuführen. Wie nöthig ein Vorgehen nach dieser Richtung ist, hat die Verhandlung der Berliner Handwerkerconfereuz vom Dienstag gezeigt. Dabei wurden Anträge verhandelt, nach denen bestimmt werden sollte, daß die Verwendung von Maschinen und die Anzahl der beschäftigten Personen allein noch nicht genügen sollten, um einen Betrieb zu einem fabrik mäßigen zu stempeln. Mit anderen Worten, es sollte sogar gesetzlich festgclegt werden, daß ein Theil der Industrie in die Organisation einbezogen werden müsse. Die Anträge wurden zwar abgelehnt, man erkennt daraus jedoch die Richtung, in welcher ein Theil der Handwerksvertreter vorzugehen geneigt ist, und man kann nicht wissen, ob dieses Vorgehen im Reichstage nicht erfolgreicher sein wird, als auf der Berliner Conferenz. Die Industrie hat daher um so mehr Anlaß, sich für ein gesetzliches Kriterium zur Unterscheidung der beiden Betriebsarten ins Zeug zu legen, als in der Vorlage die Bestimmung enthalten ist, daß die Bcilragshöhe nach der Leistungsfähigkeit der ein zelnen der Organisation angehörigen Personen bemessen werden kann. Und die weiter schauenden Elemente des Hand werks sollten die Industrie in ihrem Bestreben nach Auf findung und Einfügung eines gesetzlichen Kriteriums unter stützen. Ze zahlreichere industrielle Elemente in die Organi sation hineingczwängt würden, um so zahlreichere wider willige Elemente würde die Organisallon umfassen. Man würde diese Elemente wohl eine Zeit lang majorisiren, aber jedenfalls nicht von Versuchen zur Sprengung der Organi sation abhalten können. Zur so heiß ersehnten Ruhe käme dann das Handwerk sicherlich nicht. Zm Leitartikel des heutigen Morgenblattes baben wir die Ansicht der „Köln. Ztg." erwähnt, die einzige Folge, welche die Großmächte dem Blutbade in der türkische» Haupt stadt geben könnten und würden, sei ein energischer Druck auf den Sultan, daß er die Genehmigung zur Vermehrung der Stativ nsschiffe ertheile und dadurch den Botschaftern vie Möglichkeit gebe, in Zukunft ein Machtwort gegen die Ausbietung des „Landsturmes" zum Zwecke einer allgemeinen Schlächterei zu sprechen. Wir bezeichneten einen solchen Schritt als wiinschenSwcrlh, aber nicht genügend, der „Nordo. Allgem. Ztg." dagegen würde er viel zu weit gehen. Sie behauptet, von zuverlässigster Seite zu erfahren, daß der Gedanke, über eine weitere Acnderung oder gar Abschaffung des Dardanellen- Vertrags in Beratbung zu treten, den Ansichten der maßgebenden Kreise nicht entspreche; die bestehenden Verhältnisse bezüglich der Meerengen zu ändern, würde Len bekannten Grundsätzen der deutschen Politik Widerstreiten. Unseres Wissens ist cs allerdings Grundsatz der deutschen Politik, eine Aenderung von Verhältnissen und Verträgen, die uns nicht dircel berühren, nicht anzuregen, aber es ist nicht Grundsatz der deutschen Politik, in solche Aenderungen, wenn sie von nächstbethciligter Seite angeregt werden und eine Besserung unerträglicher Zustände verbeißen, aus bloßer Vorliebe für das Bestehende nicht zu willigen. Wir zweifeln daher trotz der „Nordd. Allgem. Ztg." nicht daran, daß die Lenker unserer auswärtigen Politik bereit sein werden, für eine Abänderung des Dardanellen-Vertrags in der von dcr„KLln.Ztg." befürworteten Richtung mit Nachdruck bei der Pforte einzutreten, wenn von russischer und österreichischer Seile die Anregung dazu gegehen wird. Ob das geschieht und ob nicht von dieser Seite andere und noch tiefere Wirkungen versprechende Schritte in Anregung gebracht werden, wird allerdings abzu warten sein. Aber daß in den Kreisen der deutschen Diplo matie die Einsicht in die Nothwcndigkcit, Vorkehrungen gegen den Ausbruch neuer Wirren in der Türkei zu treffen resp. zu unterstützen, herrscht, dafür liefert eine heute in den „Bcrl. Pol. Nachr." vorliegende Auslassung den Beweis. Sie be ginnt folgendermaßen: „Wenn eine Feuersbrunst bewältigt ist, so wird mit den Aufräumungsarbeiten begonnen. Dieselben können unter Umständen zeitraubend und mühselig sein, dennoch wird Niemand im Zweifel bleiben, daß sie nur das Nachspiel bilden und daß die eigentliche Gefahr überwunden ist. Aus den heutigen Stand der Orientk'rise übertragen, bedeutet dieser Ver gleich, daß auch dort der Höhepunct der Gefahr überschritten ist und die großmächtliche Diplomatie sich im Stadium der Aufräumnngsarbeiten besindet. Wenn sie schon während der Wirren, die nun seit JahrcSsrist Lein ottomanijchen Staatsorganismus scharf zusetzen, alle Hände voll zu thun hatten, so treten an den Pflichteifer und die Arbeitskraft der europäischen Repräsentanten in Konstantinopel jetzt womöglich noch gesteigerte Forderungen heran. Tie armenischen, kretensischen, makedonischen Wirren haben erst recht eigentlich gezeigt, welche Unmassen von Schutt und Gerümpel in Gestalt ver rotteter Zustände, überlebter Institutionen und anachronistischer Anschauungen in allen Ecken und Winkeln der Türkenherrschaft Herumliegen, deren Beseitigung das unumgängliche H aupt- erforderniß für erfolgreiche Durchführung systematischer Reformen bildet. So schwer es den Vertretern der Mächte gefallen sein mag, von der Pforte die Zustimmung zu dem kretensischen Reform programm zu erlangen, so war Liese Aufgabe noch eine Verhältnis mäßig leichte im Vergleich mit dem, was nunmehr zu voll bringen erübrigt." Es wird dann betont, daß trotz der den Kretensern gemachten Neformzusagen die Aufmerksamkeit Europas sich fürs Erste nicht von den kretensischen Dingen werde abwenden dürfen; dann wird hervorgehoben, daß die Sympathien Europas für die Armenier nicht so weit gehen dürfen, „um ihretwegen das Risico einer Aufrollung des ganzen Orientproblems und damit eine Gefährdung der Sache des Völkerfriedens in den Kauf zu nehmen"; zum Schluffe aber heißt es: „Auch in vernünftiger Beschränkung aufdas zunächst Erreichbare wird eS bei allseitigem guten Willen möglich sein, den Armeniern unter türkischer Oberhoheit ein mit dem Berliner Vertrage in besserem Ein klänge als bisher stehendes staatsbürgerliches Loos zu erwirken. Die Emancipatiou der christlichen Unterthanen desSultans im Wege allmählicher Reformen wird überhaupt Las Zeichen sein, in welchem sich die von dec europäischen Diplomatie begonnenen AufräumuugSarbeiten um so sicherer vollziehen werden, je strenger darauf gehalten wird,, daß unberufene Rathgeber und Besser wisser mit ihrer aufdringlichen Weisheit in sicherer Entfernung von den so äußerst subtilen Kreisen der grvßmächtlichen Orientaction verbleiben." Daß man die „Emaucipativn der christlichen Unterthanen des Sultans im Wege allmählicher Reformen" unmöglich herbeiführen kann, ohne sich durch Aenderung des Dardanellen vertrages die Möglichkeit eines energischeren Druckes auf den Sultan zu sichern, liegt doch Wohl auf der Hand. Ist es also das Ziel der uächstbetheiligten Mächte, eine solche Emaucipativn in die Wege zu leiten, so müssen sie auch entschlossen sein, das rechte Mittel zum Zwecke zu wählen. Und eine solche Eman- cipation ist der erste Schritt zum Zerfall der Türkei. Was also die „Bcrl. Pol. Nachr." das Zeichen nennen, „in welchem sich die von der europäischen Diplomatie begonnenen Auf- räumungSarbeiten vollziehen werden", das ist im Grunde nichts Anderes als das, waS wir heute früh als „voraus schauende Politik" bezeichneten, die bei Zeiten Vorsorge für eine glatt verlaufende Erbregulirung trifft. Daß bei einer solchen vorausschauenden Politik der uächstbetheiligten Mächte Deutschland nicht den stummen Zuschauer oder gar das hemmende Rad spielen kann, ist schon durch sein Verhältniß zu Oesterreich-Ungarn und seine in Breslau aufs Neue be festigten Beziehungen zu Rußland ausgeschlossen. Viel ruhiger, als man erwart-n dnrffe, besprechen dir französischen soeialistischen Blätter die energische Maßregel des Ministers des Innern Barthou, der ohne viel Feder lesens die beiden deutschen Socialdemokraten an der Grenze aufhalten und buchstäblich hinausschicken ließ. Die beiden Deputirten Zulss Guesde und Ehauvin baben allerdings bereits eine Interpellation über die Ausweisung Bebel's und Bueb's angemeldet, allein der Ausgang dieser Debatte kann schon jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Herr Barthou braucht nur die Auslassungen der Presse zu lesen, um sich davon zu überzeugen, daß er die große Mehrheit des Landes und fast die ganze Kammer für sich hat. Die Gründe, die ihn zu der Ausweisung der beiden socialdemokratischen Reichstagsabge ordneten veranlaßten, sind aller Welt klar. Nach den Vorgängen in Lille, für die die deutschen Socialistenführer nicht verantwort lich gemacht werden konnten, weil sie von den französischen Eollectivisten zu dem Besuch eingeladen worden waren, und der heftigen Agitation, die sich seither im Nord und im Pas-de-Calais fühlbar macht, war es die Pflicht des Ministers des Innern, der Wiederkehr derartiger Zwischenfälle vor- zubcugen, deren Tragweite die ofsiciellen Kreise diesseits und jenseits der Grenze zwar richtig benrtheilen, deren Wieder holung aber nur vom Uebel sein kann. Ter erste Grund, den der Minister des Innern geltend macht, um die angeorvnete Ausweisung zu rechtfertigen, ist offenbar der. Laß Frankreich an seinen eigenen Agitatoren mehr als genug hat und nicht erst noch die des Auslandes aufzunehmcn braucht. Und dann spielen auch die internationalen Beziehungen mit Deutschland eine bedeutende Rolle. Die deutschen Behörden haben von einem ihnen gesetzlich zustehenden Rechte Gebrauch gemacht und die Wählerversammlungen der Abgeordneten Bebel und Bueb verboten; unter solchen Umständen konnte es nicht Sache der französischen Regierung sein, den beiden Abgeordneten und deren Wählern die Möglichkeit zu bieten, ein gesetzliches Verbot auf französischem Boden zu umgehen. Zn der innern Politik Italiens ist daö TageSereigniß die Rede, die Eavallotti Ende August vor seinen Wählern in Eorteolona gehalten hat. Eine Rede Cavallotti's über die Lage ist deshalb ein bemerkenswerthes Ereigniß, weil er seit Jahren als das Haupt der äußersten Linken gilt und weil er, wie aus manchen Kundgebungen der jüngsten Monate erinnerlich ist, sogar vielfach schon als regierungsfähig an- gesehen wird. Diese letztere Ansicht ist darauf zurückzuführcn, daß er zum Schrecken zahlreicher Gesinnungsgenossen dem conservativen Ministerium Rudini seine Unterstützung ge liehen Hal. Daß dadurch die äußerste Linke nicht cnv- giltig gespalten oder in Haufen von ihm abgefallen ist, geht schon daraus hervor, daß in Eorteolona zu den Füßen des Redners sich 20 radicale Abgeordnete versammelten und lO andere telegraphisch ihre Zustimmung aussprachen. AuS dem Inhalt der Rede seien einige Puncte hervorgehobcu. Gegen die Dreibundspolitik führt er nicht mehr die unbedingt feindselige Sprache von ehedem; er nimmt jetzt die Bündniß- verhältnisse Italiens als unvermeidliche Thatsachen hin und beschränkt sich darauf, dieser Politik nach Möglichkeit die Klauen zu beschneiden. Eavallotti wird natürlich auch damit so wenig Glück haben wie mit seinen ehemaligen Bemühungen, die Erneuerung des Dreibundes zu verhindern. Seine Er klärungen hierüber machen den Eindruck von bloßen Pbrasen, bestimmt, sich vor den Wählern von der schweren Schuld zu reinigen, für das Ministerium Rudini gestimmt zu haben. Dieser Absicht war ein wesentlicher Theil seiner Rede gewidmet und der Grundton war der, daß es nöthig sei, die jetzige Regierung zu unterstützen, um das Wiederauf leben des EriSpismus zu verhüten, der an dem afrikanischen Unglück, an der Entsittlichung in der öffentlichen Ver waltung und noch vielem anderen Unheil d» Schuld tragen soll. DaS afrikanische Abenteuer betrachtet Eavallotti aus schließlich als eine persönliche Unternehmung Erispi's, mit Hilfe deren derselbe die Augen des Volkes von der moralischen Frage habe ablenken wollen. Um die Rückkehr der durch die Niederlage von Abba Garima gestürzten Machthaber und der von ihnen vertretenen Richtung weiterhin zu verhindern, hält Eavallotti parlamentarische Neuwahlen für durchaus nolb- wendig. Er glaubt nicht, daß Rudini sich dauernd auf die von und für Erispi gewählte Kammer werde stützen tonnen ; hingegen werde die allgemeine Neuwahl dem jetzigen Mini sterium auf einige Jahre ein ungestörtes Dasein sichern. Deutsches Reich. Berlin, 9. September. Für den Delegirtentag der nationalliberalen Partei ist vorläufig Folgendes festgesetzt: Am Freitag, den 2. October findet Abends eine gesellige Zusammenkunft und die Begrüßung der Delegirten statt. Der Delegirtentag wird am Sonnabend, den 3. October, Vormittags 10 Uhr eröffnet. Tie Verhand lungen werden, mit Unterbrechung durch eine Frühstückspause, bis Nachmittags fortgesührt. Abends gesellige Zusammen kunft. Sonntag, den 1. October, Vormittags 11 Uhr, nehmen die Verhandlungen ihren Fortgang. Nachmittags gemein- Feuilleton. Oie Tochter des Geigers. 2j Roman von A. Brüning. Nachtruck verboten. Sie bemerkte in ihrer unbefangenen Freude Walters ver wunderten Blick nicht; augenscheinlich dachte sie nicht daran, daß ihre eigene Erscheinung ihm ein Räthsel sein mußte. Wie im Traume hatte er die dargebotenen schlanken Hände genommen, „und wie darf ich diejenige nennen, die mir so freundlich Willkomm bietet?" „Ich heiße Eäcilia Rose", erwiderte sie einfach, aber man nennt mich immer Lia, oder Lia Rose, und das höre ich am liebsten; die Mutter nannte mich so", setzte sie leise hinzu, indem der leuchtende Blick sich senkte und ein Schatten von Trauer die holden Züge überflog. Als sie das Auge wieder erhob, sah sie in das Antlitz des Fürsten, der sich während der kleinen Scene schweigend ver halten, jetzt aber unwillkürlich in lebhaftem Znteresse sich genähert heckte. „Mein Freund Edgar Norden", stellte Walter diesen vor, „den ich als lieben Gast meinen Eltern bringe." DcS Fürsten hohe Gestalt neigte sich tief vor dem jungen Mädchen, daS, seinen Gruß leicht und anmuthig erwidernd, freundlich sagte: „Wie schön von Ihnen, Herr Norden, daß Sie mit- gckommen sind! Wie werden sich die alten Leute freuen, dem Lebensretter ihres einzigen Sohnes für seine muthige That danken zu können!" „Sie beschämen mich, Fräulein Lia, der kleine Dienst ist gar nicht Werth, so lange im Gedächtniß behalten zu werden; ich hatte ihn fast schon vergessen." „Es ist auch nicht deßwegen allein", sagte Lia, „wir freuen unS so sehr, den Freund Walter's kennen zu lernen, von dem er stets so viel LicbcS unv Schönes geschrieben hat." „Ich danke Ihnen, Fräulein Lia", kam es von Edgar'S Lippen, während ein Strahl aus seinem dunklen Auge brach. Sie schlug verwirrt die ihren zu Boden; die freimüthige Unbefangenheit, die der Wald seinen Bewohnern verleiht, und die ihr Walter gegenüber so natürlich erschien, ließ sie vor der aristokratisch fremdartigen Erscheinung seines Freundes plötzlich im Stich. Zum ersten Mal während der ganzen BegegyuU -Mete sich eP Hgzrch vo^BerljkAsphtzt Ltzer^ihre Züge und eine dunkle Blutwelle stieg langsam unter der feinen Haut empor. „Ach meine armen Rosen", ries sie Plötzlich, und froh, ihr Gesicht wegwenden zu können, kniete sie nieder und begann eifrig, die duftenden Blüthen vom Boden zu sammeln, wobei die Herren ihr behilflich waren. Edgar hob die Letzte auf, sie wollte darnach greifen, aber er zog die Hand zurück. „Darf ich?" frug er bittend, indem er die Rose an seinen Rock steckte. Lia Rose verstand die Huldigung nicht, die für sie in seinem Thun lag; sie verstand nur das Wohlgefallen an ihren holden Lieblingen, den Blumen, und schnell einen ganzen Strauß davon zusammenraffend, bot sie ihm denselben dar, indem sie, zu Walter gewandt, lächelnd sagte: „Du erlaubst ja, Walter, daß ich von dem für Dich be stimmten Vorrath verschenke? Es sind so noch übergenug. Aber ach", unterbrach sie sich in plötzlichem Schrecken, „nun bist Du ja schon hier, und Dein Kranz ist »och nicht fertig; da muß ich eilen, daS Versäumte nachzuholen." Und schnell die Rosen zusammennehmend und das angefangene Gewinde über den Arm hängend, erhob sie sich aus ihrer knieenden Stellung und eilte mit einem freundlichen: „Auf Wiedersehen im Forsthause", schwebenden Schrittes einen schmalen Fuß pfad hinab, der von der Nothbucke guer durch den Wald lief. Noch einmal wandte sie den Kopf zurück und rief zu den Herren hinüber: „Waldmann mag Ihnen den Weg zeigen," indem sie zu gleich dem Hunde, der ihr folgen wollte, ein Zeichen machte, zurückzubleiben, ein Befehl, dem derselbe, für diesmal wenigstens, nicht ungern nachzukommen schien. Er eilte in frohen Sprüngen zu den beiden Herren zurück, die noch immer wie traumverloren nach der Richtung starrten, wo Lia's weißes Gewand zwischen den Bäumen verschwunden war. Edgar war der Erste, der sich dem Banne entriß; er richtete die schwarzen Augen auf den Freund und sagte enthusiastisch: „Wahrhaftig, Walter, daS war daS lieblichste Waldwunder, von dem mir jemals geträumt hat. Mir ist zu Muth wie einem Märchenprinzen; ich stehe vor einem Räthsel, zu dem ich vergebens den Schlüssel suche. Doch halt! Du mußt ja Alles erklären können, denn nach Allem, was ich vernommen, ist sie ja Deine Hausgenossin! O, Du Heuchler, daß Du mir niemals von ihr gesprochen! Wer hätte hinter. DWer ehrlichen Miene ein Gebeimniß ver- muthet! Aber nun heraus mit der Sprache, geschwind, wer ist sie, was weißt Du von ihr?" „Nicht mehr als Du selber: nämlich, daß sie Lia Rosa beißt und in unserem Hause weilt, meine Eltern haben in ihren Briefen ihrer nienials erwähnt." „Und wir," rief Edgar unmuthig, „wir wissen nichts Besseres zu thun, als das Wunder anzustaunen wie ein paar Schulknaben, und es uns entschlüpfen zu lassen, ehe wir uns Aufklärung verschafft; ich glaube, Freund, wir haben uns recht albern benommen." „Ich fürchte auch," gab dieser lachend zurück, „doch es hilft nichts, darüber zu philosophiren, laß uns lieber eilen, daß wir nach Hause kommen, dort muß uns ja Aufklärung werden." „So gehen wir," pflichtete der Andere bei, und mit be schleunigten Schrillen eilten sie, gefolgt von dem Hunde, dem Ziel ihrer Wanderung entgegen. IV. Eine Viertelstunde mochte seit der Begegnung am Weiher verstossen sein, als die beiden jungen Männer vor der freund lichen Oberförsterei standen, die mit ihrem blanken, rothen Ziegeldach und den epheuumrankten Fenstern sich leuchtend von dem dunklen Waldhintergrund abhob. Es lag freudiger Stolz in Walter's blauen Augen, als er, auf das stattliche HauS weisend, mit weichem Tone zu seinem fürstlichen Freunde sagte: „Sieh, Edgar, das ist mein Elternhaus, von dem ich Dir so viel gesprochen." „Welch' freundliche Heimath", erwiderte dieser warm, „fast könnte ich Dich darum beneiden. Wie prächtig muß es sich hier wohnen!" Sie schritten die Steinstufen hinan zur Hausthüre, die in demselben Augenblick von innen geöffnet wurde. Der Oberförster erschien auf der Schwelle, eine herkulische Gestalt, fest und knorrig wie die Bäume in seinem Revier. Ein freudiger Blitz flog über jein wettergebräuntes Ge sicht, als er den Sobn erkannte, und mit einem kräftigen „Willkommen in der Heimath!" zog er ihn an seine breite Brust. Dann ihn bei der Schulter fastend und mit beiden Armen von sich abhaltend, um ihn besser betrachten zu können, rief er: „Potz Tausend, Zunge, wie Du groß und stattlich ge worden bist! Du hast das Zeug zu einem richtigen Forst mann«!" „Ei, sieh da", unterbrach er sich, „da hast Du ja wohl Deinen Freund mitgebracht, von dem Du uns so viel ge schrieben, Herr Norden, nicht wahr?" Und auf diesen zu tretend, reichte er ihm mit offener Herzlichkeit die Hand, während Walter rasch erwiderte: „Ja, lieber Vater, Edgar- Hat eingewilligt, mich zu begleiten und unseren schönen Wald einmal gründlich kennen zu lernen." „Das ist schön von Ihnen, junger Herr, welch' an genehme Ueberraschung! Das bringt Leben in das alte HauS!" Und nochmals schüttelte der Oberförster seinem Gaste kräftig die Hand. „Ich sehe", sagte dieser lächelnd, „daß Walter nicht zu viel gesagt, als er mir auch ohne vorherige Anmeldung eine freundliche Aufnahme in Ihrem gastlichen Hause versprach — nehmen Sie meinen herzlichsten Dank dafür." „Nur keine Umstände", wehrte dieser freundlich ab, „bei uns ist Zeder willkommen, der Liebe zum Wald mikbringt, und nun herein zur Mutter, die vor Begierde brennt, ihren Einzigen zu umarmen." Der war schon längst die paar Stufen hinangceilt in die ausgebreiteten Mutterarme, die sich ihm auf der Schwelle sehnend enlgegenstreckten, und hielt nun zärtlich die kleine, zarte Gestalt der alten Frau umfangen, deren Antlitz sich jetzt von der breiten Brust des SohneS hob, wo es eine Weile geruht, um ihm selig lächelnd in das treue Auge zu schauen. „Nun, Mutter," rief der Oberförster, „was sagst Du zu ihm? Ist er nicht ein Prachtjunge geworden?" „Wie sein Vater," flüsterte die Oberförsterin bewegt, indem sie die Hand des Gatten innig drückte und die Augen, in denen Freudenthränen perlten, auf die beiden kräftigen Männergestalten richtete, die für sie das Theuerste auf Erden waren. Es war ein schönes Bild häuslichen Glückes, das die strahlenden Augen des jungen Fürsten einsogen, den der Oberförster jetzt mit wenigen Worten seiner Frau vorstellte. Sie begrüßte ihn in derselben gewinnend-freundlichen Weise, wie ihr Gatte, wenn auch weniger derb und ge räuschvoll. „Hoffentlich fühlen Sie sich recht bald und lange heimisch in unserem kleinen Kreise", sagte sie, „für uns sind Sie kein Fremder mehr: wir kennen und lieben Sie schon lange aus Walter's Briefen". „Sie erzeigen mir zu viel unverdiente Güte", gnädige Frau", entgegnete Edgar. - „Wenn wir gute Freunde bleiben sollen, dann nennen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite