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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-10
- Monat1896-09
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6626 sanier Festmahl. Montag, 5. Oktober, bleibt der Dormittag frei für die Beendigung der Verhandlungen. Nachmittags gemeinsamer Ausflug. — Betreffs der Lokalitäten für die verschiedenen Veranstaltungen wird das Nähere zu Anfang nächster Woche bekannt gegeben. Die Anmeldungen zum Lelegirtentag sind heute bereits so zahlreich, daß anstatt der ursprünglich inö Auge gefaßten durchweg größere Räumlichkeiten gewählt werden muffen, damit der aus allen Landschaften des Reiches gleich lebhaften Betheiligung sicher entsprochen wird. * Berlin, 9. September. Die „Neue Zürcher Zeitung" schließt eine» Leitartikel überden Großherzoa von Baden folgendermaßen: „Wir stehen dem heutigen Feste nicht bloS als Tagesberichterstatter gegenüber, sondern wir nehmen mit unfern Landsleuten, besonders der Nord- und Nordostschweiz, auch herzlichen Antheil an dem schönen Tage; denn wir haben an Baden unter der Regierung des Größherzogs Friedrich immer einen guten Nachbar gehabt, mit dem unser Volk und unsere Negierungen leicht und freundschaftlich verkehren konnten. Las liberale Regiment in Bade» hat bei uns fortwährend die lebhaftesten Sympathien erweckt und den energischen Kampf des badischen Landes gegen den UltramontaniSmus, der gern das Heft in die Hand nehmen möchte, haben wir jeweilen mit großer Tbcilnahme verfolgt. Auch die Herrschertugenden und persönlichen Charaktereigenschaften des heutigen Jubilars finden bei uns die vollste Anerkennung. Ein Republikaner, der von der Vortrcfslichkeil seiner heimifchenStaatSform überzeugt ist, ist nicht leicht geneigt, einem monarchisch regierten Lande zu feinem Fürsten zu gratuliren. Hier aber geschieht es mit vollem Herzen: Möge der Großherzog Friedrich noch ein langes glückliches Leben führen und unser Nachbarland Baven, mit dem wir in der deutschen Schweiz durch gleiche Abstammung, gleiche Culturzustände und Culturbestrebungen so eng ver bunden sind, immer solche Regenten haben, wie Großherzog Friedrich I. einer ist!" * Berlin, 9. September. In der „Post" lesen wir: „Der antisemitische deutsche BolkSverein „Ost-Berlin" hielt gestern eine gut besuchte Mitgliederversammlung ab, in welcher der jetzige Führer der freiheitlichen Antisemiten, HanS v. Mosch, über „Die gegenwärtige Situation in der anti semitischen Bewegung und die Neuorganisation der anti- semilischen Volkspartei" referirte. Der Redner bemerkte zu nächst zur Kennzeichnung der Parteibewegung, daß innerhalb der fraktionellen Antisemiten in letzter Zeit eine große Lauheit und Zerfahrenheit geherrscht habe. Mit der Organisation sei es so schlecht bestellt, daß er dreist sagen könne: Die Heilsarmee ist gegenwärtig besser organisirt, als die Nesormpartei. Es müsse nach einem einheitlichen Plan gearbeitet werden, auch dürfe es nicht vor- lviumen, daß ein Redner für einen Abend 50, 100 ja 200 Honorar beanspruche. DaS werde aber nur anders werden, wenn besoldete Agitatoren angestellt würden, die vor materiellen Sorgen sicher gestellt seien. Doch dürfe Laö Gehalt nicht mehr als 3000 „L betragen, sonst fühlten die Herren nicht mehr mit dem Bolle. Innerhalb der Fracuon der Nesormpartei seien zwei Drittel der Abgeordnete», welche die heutigen Zustände in der Partei nicht billigten und auf volksthümlichem Boden ständen. Nur die Richtung v. Liebermann, Jökraut und Bielhaben neige immer zu den „Junkern" und der Regierung! Die Zeit sei gar nicht so fern, wo man die Aussicht hatte, eine Partei Hammerstein, Stöcker, v. Liebermann und Jskraut zu bekommen. Die Neuorganisation in der antisemitischen Volks partei werde „unverzüglich" in Angriff genommen werden. Der alte Stamm der Gesinnungsgenossen solle sich zu Zehn- Männerschaften zufammenthun, der Vorsteher einer solchen Gruppe sei als Schöffe zu betrachten und habe im Vorstande seine Stimme abzugeben. Andere wieder solle» einen kleineren Kreis von 3 Mitarbeitern, die sogenannten BundeSbrüder- s ch asten, bilden, in denen dann gemeinschaftlich gearbeitet wird. Demnächst wird das Programm in Flugblattform zu Hundert tausenden verbreitet werben. Alle unsauberen Elemente sollen ohne viel Umstände aus der Partei entfernt und, wer ein Amt übernimmt, erst auf seine Gesinnungstüchtigkeit geprüft werden. Die Agitatoren werden mit einem Gehalt r on 3000 fest angestellt und haben dann nach bestimmten Vorschriften zu arbeiten. Noch in diesem Winter soll eine großartige Agitation entfaltet werden, einer unermüdlichen Agitation müste es gelingen, den freiheitlichen Antisemitismus wieder volle lhümlich zu machen. Als VercinSfarbe sollte schwarz- roth-gold gewählt werden. Die Bersammlung faßte gemäß den Ausführungen des Referenten den Beschluß, in nächster Zeit agitatorisch vorzugehen. Mit der Ausführung wurde der Vorstand beauftragt. In der Debatte erklärten sich sämmtliche Redner, darunter auch ein Vorstandsmitglied eines Bürgervereins, mit der Neuorganisation einverstanden. Auf eine an v. Mosch gerichtete Anfrage, ob er in Ahlwardt's Wahlkreise Friedeberg-Arnswalde für den Reichstag candidiren werde, erklärte v. Mosch, er werde auf Jahre hinaus überhaupt nicht candidiren. Es komme auch gar nicht darauf an, ob ein Abgeordneter mehr im Reichs tage sitze, er werde zunächst agitatorisch wirken." — Der Kaiser empfing gestern Nachmittag nach der Rückkehr aus dem Manövergclände den Kriegsminister Generallieutenant v. Goß le r und den Cbef dcS General tabes General der Cavallerie Grasen v. Sch liessen zum Vortrage. — Auf die Verminderung des Schreibwerke« bei den einzelnen Dienststellen wird jetzt besonders von der rreußischen Eisenbahn-Verwaltung gehalten. Wie eine >ieser Tage an die Dienststellen ergangene Rundverfügung besagt, ist bemerkt worden, daß „die Schriftstücke noch immer nicht kurz genug abgefaßt und daß namentlich auch bei Vor- agen und Aktenvermerken, sowie bei der Angabe deS Datums, der Firma rc. die Abkürzungen bestimmter bekannter Worte nicht genügend angewendet werden". Es wird daher ««geordnet, daß in Zukunft alle Schrifstücke so kurz zu fassen sind, wie es die nothwendige Klarheit der Darstellung irgend zuläßt. Und außerdem sollen in allen Schriftstücken, die bei der Direktion, Inspektion, wie den Nachgeordneten Dienststellen innerhalb des Direclionsbezirks bleiben, stets die von der Direktion fest» gesetzten Abkürzungen gebraucht werden, wie z. B. für Eisenbahn: E., für Minister: M., Königliche Eisenbabn- Direction: K. Dir., Präsident: Pr., VerlehrS-Jnspection: V.- Jnsp., Bahnhof: Bhf., Zugführer: Zf., Acten: A. u. s. w. Im Uebrigen soll den schon früher erlassenen Bestimmungen betreffs der Fortlassung der Eurialien rc. erhöhte Beachtung zugewendet werden. — Die pommersche Provinzialsynode wird nach der „N. Pr. Ztg." ihre diesjährige Tagung in Stettin am 10. October beginnen. An demselben Tage wird auch die sächsische Provinzialsynode in Merseburg zusammenlreten. — Gegen die Zwangsorganisation des Handwerks hat sich, wie die „Post" berichtet, die Berliner Droschken besitzer-Vereinigung ausgesprochen und den Verband deutscher Lohnsuhrunternehmer ersucht, in gleichem Sinne bei der Regierung vorstellig zu werden. — Im „Volk" erklärt Herr Stöcker, daß ihn der Ver zicht Goehre'S auf sein Pfarramt nicht überrascht habe; er müsse ihm auch durchaus Recht geben. Wer mit dem vierten Stand gemeinsam den Elassenkampf durchkämpfcn wolle, der könne nicht Pfarrer bleiben. Aber er warne die Pastoren, sich nicht von Goehre'S Anschauung auf falsche Bahnen treiben zu lassen. — Auf dem socialdemokratischenPartcitag werden in diesem Jahre mehrere ostpreußische Ritterguts besitzer als Delegiere erscheinen. Ueber die Persönlichkeit des einen dieser Rittergutsbesitzer, des Herrn Ebhardt auf Komorowen, entnehmen wir der Berliner „Volkszeitung" Folgendes: Herr Ebhardt ist der älteste Sohn des bereits verstorbenen Rittergutsbesitzers Ebhardl-Oblewen, der lange Jahre hindurch — obwohl politisch mehr dem Standpunkt der süddeutsche» Demokratie zuneigend — Führer der frei sinnigen Partei im Kreise Johannisburz war. Nach seinem Tode vereinigte sein Sohn beide Güter, die einen Complex von drei bis vier Tausend Morgen repräsentier». Herr Ebhadt heirathete eine Arbeiterin, seine Kinder besuchen die Volksschule des nahen Städtchens Bialla. Er ist ein ziel bewußter Anhänger der Socialdemokratie, von ihm rührte bespielsweise im vorigen Jahre der Antrag für den Partei tag her, der sich gegen die Verwendung von Ammen aussprach. In Len monatlichen Partciabrechnungen erscheint Herr Ebhardt sehr oft unter dem Zeichen: E. Komorowen mit einem beträchtlichen Beitrag. — Unter der Ueberschrift: „Ein socialdemokratischer Märtyrer eigener Art" schreibt die „Eons. Corr.": „In dem Märtyrerverzeichniß, das der „Vorwärts" allmonatlich unter der Rubrik: „Unterm neuesten CurS" veröffentlicht, fallen einzelne Namen auf, die immer wiederkehren. Der Drang zum socialdemokratischen Märtyrerthum muß also bei diesen „Genossen" ein unbezähmbarer sein. Wir finden beispielsweise einen solchen ruhmreichen Märtyrer in den die Monate Juni, Juli und August umfassenden Verzeichnissen des „Vorwärts" (Nr. 157, 187 und 208) nicht weniger als achtmal. DaS Strafregister dieses Märtyrers, deS Erfurter „Genossen" Wiertelarz, lautet wie folgt: 11. Juni wegen Beleidigung eines FriedhosSwärters 400.6Geldstrafe, 11. » » Bürgerincister-Belcidigung 2 Monate Gejängniß, 16. » » Beleidigung 2 Monate Gefängniß, 26. « » groben Unfugs 50 Geldstrafe, 30. » » groben Unfugs in 2 Fällen 60 ^l Geldstrafe, 15. Juli » Beleidigung zweier Staatsanwälte 50 ./L Geldstrafe, 22. « » groben Unfugs in 3 Fällen 50 Geldstrafe, 4.August » BeleidigungeinesStaatsanwaltS2MonateGefängniß. DaS ist, wie eS scheint, ein Märtyrer, auf den die Social demokratie stolz sein kann. Die Arbeiterschaft wird sich aber doch Wohl fragen müssen, ob ein Mann, der innerhalb dreier Monate dreimal wegen groben Unfugs (in zusammen sechs Fällen) und fünfmal wegen Beleidigung verurtheilt ist, als Opfer der „Classenjustiz" oder nicht vielmehr als gemein gefährlicher Nandalist betrachtet werden müsse. Durch diesen „eigenartigen" Märtyrer wird vaS betreffende MonatS- verzeichniß des „Vorwärts" auf das Zutreffendste illuslrirt." — Das Akademikerthum in der socialdemokra tischen Partei wurde gestern in zwei öffentlichen Ver ¬ sammlungen besprochen. Der Cigarrenhändler Antrik äußerte sich, der „Voss. Ztg." zufolge, in der einen Versamm lung dahin, daß mit Recht unter den Genossen große Un zufriedenheit über die Candidatenaufstellung zum Reichstag herrsche. Bei Zählcandidaturen stelle man einen Arbeiter aus, habe er dann das Mandat errungen, dann schiebe man ihn einfach bei Seite und ersetze ihn durch einen Gelehrten mit dem Doctortitel. In dieser Beziehung müsse eine Aendcrnng eimreten. Als „Bettmacher" für Akademiker obne Stellung sollten sich die Arbeiter nicht mehr gebrauchen lassen. — Um die sociale Lage der Kellnerinnen zu bessern, bat sich neuerdings ein Comitö edeldenkender Frauen gebildet. In einer gestern stattgehabten constituirenden Sitzung wurde laut der „Post" zunächst über Mittel und Wege berathen, wodurch die durch die Entlassung der Kellnerinnen beim Schluß der Gewerbe-Auöstellung entstehenden Mißstände zu beseitigen sind. — Die Lohnbewegung der Drechsler nimmt einen günstigen Verlauf. Von den 126 Werkstätten, in Lene» die Forderungen ge- teilt wurden, haben bereits 64 Arbeitgeber, die 352 Mann bcfchäf. iarn, bewilligt: im Ausstande befinden sich 2L2.Gehiljeu in 62 Werk- tätten. — Prinz Eitel Friedrich ist von seinem Unfall beim Reiten noch nicht völlig wieder hergestellt und muß das Zimmer hüten. Aus diesem Grunde hat er den Kronprinzen zur Begrüßung des russischen Kaiserpaares nicht nach Kiel begleiten können. — Vom Urlaub kehrten zurück: der Finanzminister vr. Miquel, der Minister für Landwirthschast Freiherr von Hammrrstein, der Unterstaatssecretair im Staatsministerium Wirkliche Geheime Rath Humbert und der Unterstaatssecretair im Ministerium deSInnern Braunbehren s. — Der deutsche Botschafter in St. Petersburg Fürst Radolin st aus Görlitz hier angekommen. * Kiel, 9. September. Prinz und Prinzessin Heinrich ind hente Nachmittag mit dem Prinzeu Waldemar und ihrem Hos- wate nach Hemmelmark übergesiedelt. * Hannover, 9. September. Der officiöse Telegraph hat, wie sich nachträglich herauSstcllt, über die vor einigen Tagen hier vollzogene Grundsteinlegung zu der neuen reformirien Kirche nicht vollständig berichtet. Er wußte nur zu melden, daß bei dieser Feier für den deutschen Kaiser und die Königin von England durch besondere Vertreter die drei üblichen Hammerschläge auf den Grundstein vollzogen wurden. Nach der „Rh.-Westf. Z." haben sich unmittelbar daran auch Hammerschläge für den Herzog von Cumberland, für die Exkönigin Marie von Hannover und für die Prinzessin Friederike anaeschlossen. Früher haben sich die Mitglieder dcS WclfenhauseS grundsätzlich von allen amtlichen Vorgängen in ihrer früheren Haupt- und Residenzstadt fern gehallen, gleichviel ob es sich um Vorgänge politischer, kirch licher oder sonstiger Art handelte. * Braunschweig, 8. September. Binnen Kurzem stehen hier Neuwahlen zur Synode bevor, ans deren Ausgang man mit Recht gespannt ist. Ist doch in den letzten Jahren dir liberale Mehr- heil der Synode immer kleiner geworden, Dank der jetzt in unserm Lande statlfindeiiden Begünstigung und Förderung der orthodoxen Bestrebungen. Was wir von Len Orthodoxen zu erwarten haben, falls sie ganz das Regiment bekommen sollten, darüber giebt ein Artikel der „Ev.-luty. Wochenblätter" „über wunjcheuswerthe Aende» rungen der Kirchenzucht in unserer Landeskirche" deutlichen Aus schluß. Dem Wunschzettel entnimmt die „Weser-Zgt." Folgendes: Der Geistliche soll berechtigt sein, einem GeincinLeinitgliedr öffentlich von der Kanzel herab oder privatim seine Sünden vorzuhalten, ohne dadurch der jetzigen Gefahr einer gerichtlichen Bestrafung wegen Beleidigung, beziehungsweise Hausfriedensbruchs, anSgesetzt zu sein. Diejenigen, die sich öffentlich gegebenen Aergernisses schuldig gemacht, ohne ihre Reue erklärt zu haben, sollen vom Abendmahl zurückgewiesen werden dürfen. Kirchenglieder, dir sich trotz Warnung und Mahnung dauernd als Unchristen halten, sollen aus der Landes kirche ausgeschlossen werden. Der Geistliche soll berechtigt sein, durch Hausbesuche auf die Mütter dahin zu wirken, daß sie sich zur Einsegnung in der Kirche eiusinden. Die confirmirte Jngend soll noch mindestens zwei Jahre nach der Confirmation zum Besuche der Christenlehre verpflichtet bleiben, aber weiter soll auch jedes bürgerliche minorenne Kirchenglied dem CitationSrechte des Kirchen- vornandes unterworfen werden. Endlich fallen bezüglich der Trau zucht strenge Bestimmungen getrosten werden. * Wiesbaden, 9. September. Generalsuperintendent vr. Ernst, ein Vertreter der orthodoxen Richtung, reichte sein Entlassungs gesuch ein, angeblich wegen Differenzen mit dem neuen Coujislorial- Präsidenten vr. Stockmann. (M. Z.) * Karlsruhe, 9. September. Heute Nachmittag ver anstaltete die Stadt zu Ehren des Größherzogs ein glänzendes Festmahl. Anwesend waren die Spitze» der städtischen, staatlichen und MilUairbehörtcn, sowie zahlreiche Ehren gäste. Oberbürgermeister Schnetzler hielt die Festrede auf den Großherzog, welche in «in begeistert auf- genommeneS Hoch auf denselben auSklang. Der Comman- dant des 14. ArmeecorpS General der Cavallerie v. Bülow toastete auf das großherzogliche Haus; hierauf brachte der Prorector der Universität Heidelberg Professor Büsser in ann ein Hoch auf den Kaiser aus. Die Stadt ist festlich beleuchtet. Eine zahlreiche Menschenmenge durchfluthet die Straßen. — Durch landesherrliche Entschließung ist der Orden Bertholds I. von Zähringen aus seiner bis herigen Verbindung mit dem Zähringer Löwenorden gelöst und bei Schaffung dreier weiterer Ordensstufen unter dem bisher allein bestehenden Großkrcuz al- selbstständiger Orden erklärt worden. * München, 8. September. In den letzten Tagen brachte das bayerische „Vaterland" bekanntlich einen ausführlichen Artikel über Mißstände bei der Aufnahme von Kloster frauen. In diesem Artikel ward zunächst darauf hin gewiesen, daß seit Jahren nur solche Mädchen in die Kloster ausgenommen werden, welche eine gewisse Mitgift milbringen; es werde also weniger auf die Würdigkeit der Aufzunebmenden gesehen, als auf ihr Vermögen. Der Artikel erhoffte eine Aenderung aus kirchlichen Gründen; liberale Blätter weisen nun darauf hin, daß eine solche noch viel mehr aus wirth- schaftlichen Gründen für notbwendig zu erachten sei. ES ist nämlich der Mißstand zu Tage getreten, der heute von so vielen sogen, freien Arbeiterinnen so stark gefühlt wird und welcher klösterliche Arbeit mit Unterbietung deS Arbeitslohnes heißt. Der Umfang der Klosterarbeit in Bayern ist zum Mindesten ein so umfassender wie jener in den Strafanstalten. Die Klöster liefern aber nicht nur Hand arbeiten au Private, sondern auch an Geschäfte und zu Preisen, welche inne zu halte» eine freie Arbeiterin nicht ui der Lage ist. Ein Frauenkloster in München halt sich bei spielsweise für seine GeschäftSclientel sogar ein eigenes Fuhr werk für Zustellungen. Mit Recht wird ferner bemerkt, daß die Ultramvutanen ost über Strafanstaltsarbeit rc. lo-ziehen, über Klosterarbeit aber wirb kein Wort gesprochen. Oesterreich «Ungarn. * Wien, 9. September. Heute begannen die osficiellen Berathungen der 17. Synode der Alt-Katholiken Oesterreichs in Anwesenheit des Vertreters des Unter richtsministeriums. Die Synode beschloß, den Wohnsitz des BiSthumSverweserS von Wien nach Warnsdorfs zu verlegen. * Krysowizc, 9. September. Das heutige Manöver bot interessante, wechselnde Bilder. Der Kaiser verfolgte den Verlauf der siebenstündigen Uebungen mit unausgesetztem Interesse und sprach sich wiederholt in sehr lobender Weise über das schöne, ruhige Vorgehen der Fußtruppen auS. Nach Abbruch dcS Gefechts kehrte der Kaiser nach Krysowizc zurück. Die Truppen überwanden die bedeutenden An strengungen mit Leichtigkeit und sehen sehr gut auS. — Das Wetter ist schön. * Troppau, 9. September. Bei den heute stattgehabten Landtagswahlen verloren die Liberalen ein Mandat an die Deurschnationalen. Die Böhmen und Polen behielten ihre früheren Sitze. Frankreich. * Attgoulöme, 9. September. (Telegramm.) DieCon- centration der Truppen des XII. und XVII. Armee corps ist vollendet. Die eigentlichen Manöver haben heute begonnen. Der Commandant des XII. ArmeecorpS General Poillone de St. MarS erlitt gestern Abend einen schweren asthmatischen Anfall und ist nach Limoges tranSportirt worden. Der Commandant der XIV. Division General Guioth hat vorläufig das Commando des XII. ArmeecorpS übernommen. Italien. * Rom, 9. September. (Telegramm.) Die Nach richten, daß Bataillone auf Kriegsfuß gesetzt und bereit wären, nach Afrika abzugeben, sind der „Agenzia Stefani" zufolge unbegründet. Auch das Gerücht, daß General Baldissera zu dem heutigen Minislerrathe zu gezogen worden sei, wird von der „Agenzia Stefani" als durchaus unbegründet bezeichnet. — General Baldissera wird demnächst abreise», um de» Oberbefehl in der Erythräischen Colonie zu übernehmen, wie das bereits früher bestimmt war. In Bezug auf die Gerüchte von einer Verlegung der Truppen Menelik's an den Borumieda sagt das Journal „Esercito": Diese Ver legung hat ebenso wie mehrere andere, früher vorgenommene Verlegungen den Zweck, die Truppenverpflegung zu erleichtern, ohne jedoch eine eventuelle Bewegung zu dem Zwecke aus- zuschlicßen, unseren Truppen die Spitze zu bieten, wenn diese gegen Tigre vorrücken sollten. Aber, fügt „Esercito" hinzu, da dies nicht in den Absichten der Negierung liegt, so existiren die düsteren Voraussetzungen von neuen Feldzügen lediglich in dem Geiste derjenigen, welche einem Kriege bis zum Aeußerstea das Wort reden. — „Esercito" meldet ferner, mit dem General Baldissera werde am 23. September die Mission unter General Valles ab reisen, denn eS wäre überflüssig, daß diese sich früher ein schiffe, ehe sie mit freiem Geleit, das Major Nerazzini be schaffen werde, in Abessinien hineingclangen könne. Spanien. * Madrid, 9. September. (Telegramm.) Eine amt liche Depesche aus Manila meldet, daß die spanischen Truppen die Aufständischen in Magalang versprengten, in Pampanga die Ruhe wieder herstellten und nach einem Gefechte die Aufständischen aus Silang vertrieben, wobei die Letztere» 58 Todte und zahlreiche Verwundete, die Spanier 8 Todte Sie mich nicht mehr „gnädige Frau", eine solche giebt'S im Jorstbause nicht", erwiderte die Oberförster!» bestimmt. „Das kannst Du ein ander Mal mit unserem Gast auS- machen, Mutter, für jetzt bitte ich um Aufmerksamkeit für meine Ueberraschung, der zu Liebe wir so lange auf Walter's Besuch verzichtet haben", rief der Oberförster lebhaft. Die beiden Männer wandten gleichzeitig die Köpfe nach der hohen eichenen Zimmerthüre, die der Oberförster ge öffnet hatte. Dort stand sie ja, die liebliche Waldfee, wie vorhin unter der Nothbuche, nur daß die Rosen, die sie dort im Gewände gehalten, jetzt als duftiger Willkommengruß für den Er warteten in reichem Kranzgeflicht die Tbüroffnung umspannten und zugleich einen blühenden Rahmen für die auf der Schwelle stehende weiße Gestalt bildeten. Der Oberförster weidete sich einen Moment an der Be wunderung, die unverhohlen aus den Blicken der Freunde sprach, dann trat er neben das junge Mädchen und ihre schmale weiße Hand fast behutsam in seine braunen, kräftigen Finger nehmend, sagte er: „Sieh' Walter, das ist unser Kleinod, unsere Lia Rose, Dein holdes Schwesterlein, mit dem Du und Dein Freund zwar schon ganz gegen mein Programm Bekanntschaft ge macht habt, da- ich Dir aber doch, obschon, hier lächelte er schalkhaft. Feenkinder eigentlich keine Namen haben, in aller Form richtig vorstellen will als Cäcilia Rose Goldini, die Tochter der Jugendfreundin meiner Frau. So, und nun be grüßt Euch, Kinder." Fast feierlich legte er deS Mädchen- Hand in die deS Sohnes, während er schmunzelnd zur Obersörsteria hinüber blickte. — „Willst Du die neue Schwester ein wenig lieb haben?" fragte Lia'S süße Stimme. „Ob ich das will!" klang eS fröhlich zurück, — er wollte noch mehr sagen, aber der Oberförster schnitt ihm da- Wort ab: „Laßt es gut sein, Kinder, wir vergessen, daß unsere Gäste einen tüchtigen Marsch hinter sich haben und gewiß nach einem kräftigen Frühstück verlangen. Kommt herein und laßt uns bei einem Glase edlen Rebensaftes das Wiedersehen feiern." Sie traten durch die bekränzte Thür in ein tiefes, kühle- Gemach, das Familienzimmer, von dem man au- drei Hellen Fenstern in den Wald hinein sah. Die Gesellschaft nahm ans den hochlehnigen Stühlen um den länglichen, gedeckten Tisch Platz, in dessen Mitte ein mächtiger Rosenstrauß prangte. Lia faß zwischen den beiden Herren, den Eltern gegenüber, und sorgte mit anmuthiger Geschäftigkeit dafür, daß es den Wanderern an nichts mangelte, die denn auch den vielen guten Sachen kräftig zusprachen. Sie erzählten abwechselnd von ihrem Studentenleben, vom Examen und von ihrer Wanderung durch den kühlen, morgen frischen Wald, und wie sie dann am Weiher Lia Rose ge troffen und Anfangs für eine Waldfee gehalten hätten. „Das nimmt mich nicht Wunder", schmunzelte der Ober förster, „ich fürchte auch immer, daß sie einmal auf einem Sonnenstrahle davongleitet, oder sich vom Abendwiud mit nehmen läßt, gelt, Waldprinzcßchen?" Sie lächelte zu ihm auf: „Das glaubst Du selbst nicht, Onkel Moritz, bei Dir und Tante Martha bin ich ja so glücklich — so glücklich — wie —" „Ja wie denn, kleine Elfe?" „Wie man cs eben nur im Walde sein kann!" „Da hast Du Recht. Aber nun geh und hole unS noch eine Flasche alten Rheinwein, vom Besten, weißt Du, damit wir auf daS Wiedersehen noch einmal feierlich anstoßen können." Sie eilte fort — der Oberförster blickte ibr schmunzelnd nach, dann wandte er sich zu seinem Sohne: „Nun, was sagst Du denn zu Deinem Schwesterchen?" „Daß es ein Engel ist", rief der Angeredete enthusiastisch, „aber Mutter, warum habt Ihr mir denn nie ein Wort von ihr geschrieben?" „Du solltest sie sehen, beschreiben laßt sie sich ja nicht," erwiderte Frau Martha. „Darf ich fragen, welcher Nation Fräulein Lia an gehört?" ertönte jetzt die Stimme deS Fürsten, „ihr Name klingt italienisch." „Ganz recht!" versetzte die Oberförsteriu. „Ihr Vater ist Italiener. Er ist Geigenspieler und kam al- solcher auf einer Kunstreise nach D., wo er Lia'S Mutter, meine beste Jugendfreundin kennen lernte. Er liebte daS sanfte, blonde Mädchen bald und wurde von ibr schwärmerisch wiedergeliebt. Sie verließ ihren Wald, ihre Eltern und folgte ihm als sein Weib nach Pari-, wo er eine Anstellung erhallen hatte. Dort wurde Lia Rose geboren und ist somit eigentlich da- Kind dreier Länder, deren Eigenthümlichkeiten sie wunderbar ia sich verewigt; sie besitzt den Kunstsinn und das Feuer der Italiener, die Grazie der Franzosen und daS treue Herz ihrer deutschen Mutter. Diese konnte ihren geliebten Thüringer Wald nicht ver gessen, das Heimweh zehrte sie auf, und nach einigen Jabren mußte der arme Künstler sein junges Weib in fremder Erde betten. Nun litt eS ihn nicht mehr in Paris: er zog mit seiner kleinen „Cecilia", die er zärtlich liebte, von Stadt zu Stadt. — Das Glück war ihm nicht günstig, er verstand sich eben nicht auf den Erwerb; seine Kunst war ihm heilig, und er war zu stolz, um sie zur Sclavin des Goldes zu er niedrigen. Er batte daher während seines Nomadenlebens fast beständig mit Notb und Sorge zu kämpfen und konnte oft, obschon, oder vielleicht eben weil er ein echter Künstler von Gottes Gnaden war, sich und sein Kind nicht einmal vor Mangel schützen. Da, als Lia in ihrem dreizehnten Lebensjahre stand, er hielt er von einem Impresario eine Aufforderung zu einer Kunstreise nach Amerika. Er nahm sie an, in der Hoffnung, in der neuen Welt sein Glück zu machen, aber das Kind konnte er nicht mitnehmen überS Meer. — Da erinnerte er sich der Jugendfreundin seiner verstorbenen Gattin im fernen Dentschland, und schnell entschlossen, brachte er mir sein Kleinod, seine Cecila, mit der Bitte, sie aufzunehmeu und zu erziehen, bis er selbst die Schätze gesammelt hätte, nach denen er um seines Kinde» willen so leidenschaftlich verlangte. Dann wollte er wiederkommen und sie zu sich holen. Wir waren allein (unser Sohn hatte damals gerade die Universität bezogen) und nahmen die Kieme auf; wir würden sie auch ausgenommen haben, wenn sie weniger lieb und herz gewinnend gewesen wäre, schon um der traurigen Augen ihres Vaters willen. Wir haben eS auch niemals zu bereuen gehabt, sie ist der Sonnenstrahl unseres Hauses geworden, und wir wünschen deshalb auch nichts sehnlicher, al- daß sie immer bei uns bleiben möge." Sie warf bei den letzten Worten einen bedeutungsvollen Blick auf ihren Sohn, den dieser jedoch nicht verstand — erst später sollte ihm der Sinn derselben klar werden. „Und Sie babeo von Signor Goldini nicht- wieder ge hört?" fragte Edgar. „Nein", erwiderte Frau Martha ernst. „Ich fürchte, er ist todt oder hat auch dort mit seinen stolzen Hoffnungen Schiffbruch gelitten. DaS darf aber Lia Rose nicht erfahren; sie liebt ihren Vater leidenschaftlich und leine Wiederkehr ist rhre stet« Hoffnung." Der Wiedereintritt Lia'S unterbrach die momentane Stille, welche nach der Erzählung der Oberförsterin eingetreten war. Sie ahnte nichts von dem Gespräch, dessen Gegenstand sie gewesen; unbefangen stellte sie das Tablet bin. goß die duftende, goldgelbe Flüssigkeit in die grünen Römer und reichte sie den Herren. Hell klangen die Gläser aneinander, als jetzt der Ober förster einen kernigen Trinkspruch sprach. Nach dem Frühstück nahm derselbe die beiden jungen Männer mit in den Wald, um, wie er sagte, die Frauen in ihren häuslichen Verrichtungen nicht zu stören. Als sie um Mittag zurückkehrten, wartete ihrer ein festliches Mahl, an welchem auch zwei junge Forsteleven Theil nahmen, deren einer, ein junger Mann von neunzehn Jahren, Lia Rose seine schüchterne Huldigung widmete. Der Oberförster pflegte nach Tisch sein kurzes Pfeifchen zu rauchen und dann seinen AmtSgeschäften nachzugchcn, die ihn meist bis Abends, oft auch bis in die Nacht hinein fern hielten. Dieser Gewohnheit blieb er auch beute treu, ver sprach aber, bis zum Abend zurück zu sein. Lia winkte ihm freundlich zu, rückte der Oberförsterin ihren Lehnstuhl zurecht und luv dann die beiden jungen Männer zu einem Spazier gang in den Garten ein. „Ich habe mir nämlich heute Dir zu Ehren, Walter, einen freien Nachmittag gegeben", setzt« sie lächelnd hinzu. „Einen freien Nachmittag?" „Nun ja, die kleinen Kinder auS dem Dorfe", erklärte sie, „kommen zweimal in der Woche einige Stunden zu mir, und ich unterrichte sie, soweit ich dies selbst vermag. Ich habe die Kleinen so gern: sie kommen auch gern zu mir und sind sehr fleißig", setzte sie mit einigem Stolz hinzu. Edgar konnte nickt umhin, sich, indem sie sprach, da reizende Bild mit lebhaften Farben auszumalen: die junge Lehrerin unter der Kinterschaar. „Dürften wir einmal zuhören, Walter und ich, wenn Sie Schule halten?" „Wenn Sie mir versprechen wollen, nicht zu lachen und dadurch meine kleine Schaar zu verschüchtern, warum nicht?" Beide versprachen^ es und erhielten dann die Erlaubniß, da» nächste Mal am Schulzimiuer anzuklopfen. Dann traten die Drei in den wohlgepflegteu Garten hinaus, der Lia Rose'« eigenstes Reich war. (Fortsetzung folgt.)
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