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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960915021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-15
- Monat1896-09
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675tz Der Jubilar erfreute sich auch am heutigen Tage einer seltenen Frische. Die überaus zablreichen Beweise persönlicher Sympathie, die ihm vvn den früheren Fraktionsgenossen und auch von politischen Gegnern brieflich und telegraphisch dar gebracht wurde», haben, wie er wiederholt versichert, ganz wesentlich dazu beigetragen, den heutigen Tag ihm besonders zu verschonen. * Berlin, 14. September. Die Schließung einiger deutscher Transit lager für Getreide, sowie das mit Rücksicht auf die Gesundheit des Biehstandeö erfolgte zeitweilige Verbot der Einfuhr frischen Schweinefleisches aus Rußland hat dort Anlaß zu Klagen über eine Verletzung dcö deutsch russischen Handelsvertrages gegeben. Es ist zur Be- urtheilung der Frage, inwieweit diese Klagen berechtigt sind, festzustellen, daß die setzt von deutscher Seite erlassene Beiordnung, alle zur Einfuhr gelangenden Pferde, Wiederkäuer und Schweine aus ihren Gesundheitszustand gegen bestimmte Gebühren zu unter suchen, bereits aus dem Jahre 1893 stammt, also keine Ver letzung des später abgeschlossenen Handelsvertrages ent halten kann. Zudem giebt der deutsch-russische Handels vertrag beiden Theilen bas Recht, Verbolömaßregeln gegen die Einfuhr zur ergreifen, wenn solche aus Rücksicht auf die Gesundheit u. s. w. nothwendig erscheinen. Was nun die Schließung einiger Transitlager für Getreide betrifft, die doch vor Allem der Durchfuhr fremden Getreides dienen sollen, so weist die „Köln. Ztg." nach, daß ledig lich die 45 Transitlager geschlossen wurden, die seit ihrer Genehmigung entweder gar nicht oder nur in ganz ge ringen Mengen Getreide iti das Ausland weiter befördert haben. 74 Transitlager, nicht nur in den Ostseestädten, sondern auch in Breslau, Altona, Lübeck, Köln, Frank furt a. M., Düsseldorf, Ludwigshafen, München, Lindau, Mannheim u. s. w., sind in Thätigkeit geblieben. Die Schädigung der russischen Landwirlhschaft durch diese Maß regel kann mithin nickt groß sein. Während nun bisher blos von „drohenden" Repressivmaßnahmen der russischen Regierung die Rede war, liegt jetzt bereits ein Fall vor, in welchem die Wiedcrvcrgcltungstendenz thatsächlich zur Aus führung gebracht wird. Diese neue Maßnahme richtet sich gegen die Einfuhr deutscher Led erw a ar en und ist geeignet, die deutsche Lederindustrie sehr schwer zu schädigen. Die „Franks. Ztg." berichtet hierüber: „Art. 57 Nr. 5 des russischen Tarifs setzt bekanntlich einen Zollsatz von 70 Kopeken per Pfund fest für: „Lederne Notizbücher und Portefeuilles, auch solche aus Sämisch-, Glacä-Leder, Saffian, Pergament". Dagegen bestimmt Nr. 3 desselben Artikels für „Fabrikate aus Sämisch-, Glacö-Leder, Saffian, Pergament mit Ausnahme von Schuhwerk und chirurgischen Apparaten" einen Zoll von 2 Rubel per Pfund. ES liegt auf der Hand, daß die beiden Nummern in einem gewissen Widerspruch miteinander stehen und zu einer Willkür in der Tarisanwenduna eine nur zu bequeme Handhabe bieten. Die deutsche Lederindustrie hatte auch bald nach Inkrafttreten des Tarifs die Zwei deutigkeit dieser Zollpositiouen zu spüren, indem eine Reihe von russischen Zollämtern auch Portemonnaies, Cigarettentaschen rc. nach Nr. 3 des Artikel 57, also zu dem höheren Zollsatz von 2 Rubel, tarifirten. Da dieser hohe Zollsatz eine Einfuhr der betreffenden Lederwaaren so gut wie ausschloß, wurden alsbald dringende Vorstellungen dagegen erhoben, die dann auch den Erfolg hatten, daß das russische Zolldepartement durch Circulair Nr. 21510 von 1894 und Nr. 1403 von 1895 den Zollsatz von 70 Kopeken für anwendbar erklärte. Jetzt sind aber, wie uns mitgetheilt wird, durch eine» Ukas vom 25. August/6. September laut Circular des Zolldepartements an die Zollämter jene Circulare wieder aufgehoben worden und das Finanzministerium hat bestimmt, daß „Leder fabrikate aller Art (Taschen, Portemonnaies, Cigaretten taschen u. s. NQ aus Saffian, Sämisch-Leder, Glace-Leder gemäß Art. 57 Nr. 3, also mit 2 Rubel, zu verzollen sind." Diese Zollerhöhung kommt fast einem Einfuhrverbot gleich. Die deutsche Regierung wird hoffentlich nichts versäumen, auf ihre Rückgängigmachung hinzuwirken. — Der Kaiser hat dem Commandirenden General des 4. Armeecorps General der Cavallerie von Hänisch den Schwarzen Adlerorden verliehen. — Aus Rominten wird berichtet: Der Kaiser wird nach dem 20. September auf dem Jagdschloß Rominten ein treffen und dort etwa 14 Tage verweilen. Während dieser Zeit soll ein Abstecher nach der Jbenhorster Forst bei Tilsit zur Elchjagd gemacht werden. In der dortigen Obersörsterei werden schon Vorbereitungen hierfür getroffen. — Herr v. Kotze hat, wie die Blätter melden, von der Festung Glatz auS daS Gesuch an den Kaiser gerichtet, ibn von seinem Amt als Ceremonienmeister zu entbinden. Der Kaiser hat dieses Gesuch bewilligt. Herr v. Kotze bleibt aber Kammerherr und Rittmeister der Reserve. — Ueber die deutschen Manöver läßt sich ein mili- tairischer Mitarbeiter des „Standard" mit dem seinem Volke eigenthümlichen Dünkel wie folgt aus: „Es ist unnöthig, die prächtige Genauigkeit und Präcision aller Waffengattungen zu schildern. In England besteht ein großer Unterschied zwischen dem einen Regiment und dem andern. Hier in Deutschland, wo die Truppen stets in derselben Garnison bleiben, wo sie nie in Colonien verwandt werden, wo die Ofsiciere weder jagen noch fischen, keinen Sport kennen, ist es leicht, die erwähnte Präcision zu erlangen. Ob die dentscken Soldaten so gut im Schießen und in der Benutzung des Terrains sind wie die englischen, darüber kann ick besser am Schluffe der jetzigen Manöver urtbeilen. Ich glaube aber, daß unsere englische Infanterie in beiderlei Beziehung der deutschen mehr als gewachsen ist. In der Organisation haben wir Engländer allerdings immens viel zu lernen. Die deutsche Cavallerie z. B. reitet nickt halb so gut wie die unsrige. Aber sie besitzt viel bessere Pferde, weil diese alle aus dem staatlichen Gestüt kommen. Im Reiten können die deutschen Cavallerislen unseren nicht das Wasser reichen (eauuot tiotck a cauclle)." — Jetzt wissen wir, was unserem Heere noth thut! — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Die bis vor Kurzem noch bestandene Absicht, den preußischen Land tag sür Ende October oder Ansangs November einzuberufen, scheint neuerdings aufgegeben worden zu sein. Man glaubt, unbeschadet der rechtzeitigen Verabschiedung der die schließ liche Gestaltung des preußischen Staatshaushaltsetats be einflussenden großen Gesetzesvorlagen die Einberufung des Landtags für die erste Wocke deS Januar etwa in Aussicht nehmen zu können." — Das Reichs-Versicherungsamt hat immer besonderen Werth auf statistische Erhebungen aus dem Gebiete der staatlichen Arbeiterversicherung gelegt. Zur Zeit ist eine Ausnahme über die Ursachen der Invalidität in Arbeit. Das Material ist schon vor längerer Zeit im Reichs-Versicherungsamte vollständig eingegangen. Diese Arbeit ist nunmehr dem Abschluß nahe und wird in nicht allzu ferner Zeit veröffentlicht werden. — Die „Franks. Ztg." macht darauf aufmerksam, daß die Posttaxe für Briefe mit Gewicht bis zu 15 Gramm reichsgesetzlich festgelegt ist. Soll also die Gewichtsgrenze für den einfachen frankirten Brief aus 20 Gramm erhöht werden, so müßte sich der Reichstag mit dieser Aenderung des Reichsgesetzes befassen. Es wird aber Wohl vor der Hand nicht dazu kommen. — Wegen Majestätsbeleidigung stand beute der 28 Iabre alte Kaufmann Isidor von Grabowski vor der ersten Ferienstrafkammer des Landgerichts I. Der Angeklagte, der den Eindruck eines herabgekommenen Menschen macht, prahlt seit einiger Zeit mit seiner Anhängerschaft für seine unklaren Umstnrziceen. Eines Tages, als er aus einer Volks versammlung kam, gerieth er auf der Straße mit einigen Personen in Zwistigkeiten und da er dabei verschiedene Drohungen aussprach, mußte ein Schutzmann zur Hilfe herbeigeholt werden. Nun gerieth der Angeklagte in Auf regung und stieß eine ganze Reihe von beschimpfenden Aeußerungen gegen den Kaiser aus. Der Staatsanwalt be antragte 1'/2 Jahre Gefängniß. Der Gerichtshof ging mit Rücksicht auf die Vorstrafen des Angeklagten über dieses Strafmaß noch hinaus und erkannte auf zwei Jahre Ge- sängniß. — Eine gestern abgehaltene Buchdruckerversammlung stellte Candidaten für die Wahlen zum Ortsvorstand auf, der in voriger Woche wegen des dort beschlossenen Miß trauensvotums demissionirt hatte. Diesmal waren die An hänger des Vorstandes in der Majorität. Wahrscheinlich, meint die „Post", werden die bisherigen Vorstandsmitglieder wiedergewählt werden. — Die „Post" berichtet: „Die Lohncommission der Maurer ihres Amtes zu entheben, weil sie systematisch die Organisation localer Richtung geschädigt, auch die Beschlüsse öffentlicher Versammlungen, belr. Stempelung der Streik- und Arbeitsberechtigungskarten, offen umgangen habe, wurde in einer gestern stattgehabten Versammlung beantragt. Der Vorsitzende der Commission gab zu, daß ein Verstoß gegen die Versammlungsbeschlüsse vorgekommen sei; man habe jedoch, um die Zabl der Streikbrecher möglichst zu reduciren, so ver fahren müssen. Mit Rücksicht darauf, daß die Neunstunden bewegung der Maurer durch eine Absetzung bez. Neuwahl der Lohncommission einen empfindlichen Rückschlag erleiden würde, einigte man sich schließlich nach längeren heftigen Debatten dahin, die Commission für die Dauer des Jahres 1896 im Amte zu belassen. DaS System der Bausperren hat sich bei der diesjährigen Lohnbewegung anscheinend nicht bewährt. In ver letzten Baudepntirtensitzung wurde vor unüberlegten Sperren gewarnt, die Tausende kosteten, ohne der Collezen- schaft entsprechend zu nützen." — Das Befinden des Prinzen Eitel Friedrich ist befriedigend und giebt zu Besorgnissen keinen Anlaß. — Ter Chef Les Generalstabcs General v. Schliessen ist in Berlin wieder angekommcn. Er wurde L la ouito des 1. Garde- Ulanen-Regiments gestellt. — Der ehemalige KricgSminister General Bronsart von Schellendorfs sollte nach einer Meldung aus Blankenese dort eine Billa gekauft haben. Von unterrichteter Seite wird jetzt erklärt, daß er dies nicht gethan bat und auch nicht daran denkt, sich dort oder in Altona niederzulassen. — Der Director der Colonialabtheilung im Auswärtigen Amt Wirkl. Geh. Leg.-Rath vr. Kayser ist vom Urlaub zurückgekehrt. — vr. I. H. Senner, der Einwanderungs-Commissar der Vereinigten Staaten im Hafen von New Jork, ist in Berlin ein- getroffen. Der Commissar hat eine Reihe europäischer Staaten bereist, um sich an Ort und Stelle über das Auswanderungswesen gründlich zu informiren. — Die Fischer, denen zum Besuch der deutschen Fischerei ausstellung zu Berlin vom deutschen Fischereiverein Stipendien aus dem vom Kaiser bewilligten Gnadengeschenke ertheilt wurden, werden sich in den Tagen vom 30. September bis 2. Oktober in Berlin cinfinden. * Königsberg, 12. September. Zur Börsengarten- Angelegenheil theilt die „Hart. Ztg." noch mit, daß der höhere Beamte, der die gegen AmtsgerichtSrath A. gerichteten Ausgleichsversuche unternommen hat, vor Jahren in seiner früheren Stellung dem Vorgesetzten deS AmtsgerichtSrathS A. das Material unterbreitete über eine Rede, die Herr A. im Wahlverein der freisinnigen Partei gehalten hatte. ES wurde in Folge dessen gegen den AmtsgerichtSrath A. auf dessen Verlangen ein Disciplinarverfahren eingeleitet, daS aber mit Freisprechung endete. Zugleich meldet das Blatt noch, daß auch den Officieren a. D.. und zwar sowohl den ehe maligen acliven als auch den Reserve- und Landwehrofficieren a. D., nahegelegt worden sei, den Besuch deS Börsengartens möglichst zu meiden. * Hamburg, 14. September. DaS hiesige Landgericht verurtheilte den Redacteur des socialdemokratischen „Echo" Reinhold Stengel wegen Beleidigung des Grafen Waldersee zu 300 Geldstrafe, erkannte aber wegen angeblicher Beleidigung des Frankfurter Polizei- Präsidenten auf Freisprechung. Der Staatsanwalt hatte 1 Monat, resp. 14 Tage, Gefängniß beantragt. * Wilhelmshaven, 14. September. Nach dem „B. L.-A." wurden bis zum 2. August d. 1.19 Leichname von den mit dem Kanonenboote „Iltis" untergegangenen Seeleuten gesunden. Die s. Z. Geretteten wurden auf S. M. S. „Kaiser" commandirt. * Vssen, 13. September. Am 5. dS. MtS. meldete die „Rheinisch-Westfälische Zeitung", daß die Firma Fried. Krupp allen Ausländern, die, sei es als höhere oder als untere Beamte oder als Arbeiter in ihren Diensten ständen, gekündigt hätte. Diese Meldung wurde von anderer Seite dahin ergänzt, daß man einem Verrathe von Fabrikationsgeheimnissen durch ausländische Angestellte auf die Spur gekommen wäre. Jetzt sieht sich die „Rhein.-Westf. Z." zu der Mittheilung veranlaßt, daß ihre Meldung unbe gründet sei. Die Kündigungen haben also nicht statt gefunden. * Solingen, 13. September. Eine von etwa 1000 Per sonen besuchte, in der Kirchs tagende evangelische Versamm lung nahm nach einem Vorträge des armenischen Prof. Thumajan eine Resolution gegen die Verfolgung der Armenier an, die dem Reichskanzler mit der Bitte über mittelt wurde, die Stimme des christlichen Deutschlands bei der Türkei zu erheben. * Bonn, 13. September. Die Ferien-Strafkammer sprach in ihrer Sitzung vom 10. dss., nachdem die Verhand lungen bereits am Mittwoch Nachmittag begonnen hatten, das Urtheil über den Pfarrer Becker aus Weidesheim bei Kuchenbeim, gegen den wegen Beleidigung deS Lehrers Hambach die Staatsanwaltschaft und als Nebenkläger der Beleidigte Klage erhoben hatten. 40 Personen waren als Zeugen aufgetreten. Der Thatbestand war, wie der „Bonner Gen.-Anz." berichtet,folgender: Eine Verkürzung des Organisten gehalts hatte den Anlaß zu gespannten Beziehungen zwischen Lehrer und Pfarrer gegeben. Als der Pfarrer nun anordnete, daß in den als „still" gestifteten Todtenmeffen nicht mehr wie bisher das von den Angehörigen eigens dem Lehrer bestellte und vergütete Orgelspiel stattsinden dürfe, verbot der Lehrer den Kindern, ohne Orgel zu singen, und zwar angeb lich aus Besorgniß, daß der lateinische Kirchengesang ohne Orgel schlecht ausfallen und ihm als dem Lehrer daher zur Unehre gereichen würde. Dies erregte den Pfarrer so sehr, daß er, als trotz wiederholter Aufforderung die Kinder in den Gesang nicht einstimmten, vom Altar auS die Kinder aus der Kircbe sich entfernen hieß. Am darauf folgenden Sonntag verkündete er dann, daß dem Lehrer das Orgelspiel entzogen sei. Dies geschah in Ausdrücken, die eine schwere Beleidigung deS Lehrers enthielten. Dasselbe wiederholte sich des Nachmittags in einer eigens vom Pfarrer einberufenen Volksversammlung. Das Gericht erkannte auf 100 Geld strafe und legte dem Pfarrer die erheblichen Kosten des Ver fahrens, sowie die der Nebenklage zur Last. * Amberg, 14. September. Die „Amb. Volksztg." meldet: Aus Anlaß des gestern in Amberg abgehaltenen sechsten Dele- girtentages des Verbandes katholischer Arbeiter vereine Süddeutschlands veranstalteten gestern Nach mittag die acht katholischen Vereine Ambergs eine Fest versammlung, worin vr. Schädler über daS Centrum, Gymnasiallehrer Heim-Ansbach über die Aufgaben der katholiscken Arbeitervereine und Beneficiator Beer über die nationale Stellung in der Arbeiterfrage gegenüber der Social demokratie sprachen, vr. Schädler erklärte u. A., er persön lich stehe der Handwerkervorlage des Äundesraths günstig gegenüber. Wenn auch die Vorlage einer der beiden Hauptforderungen der katholischen Arbeitervereine, nämlich vem Befähigungsnachweis, nur zum Theil gerecht werde, so rathe er doch, wegen des vom BundeSrath acceptirten PrincipS der Innungen, die Vorlage mit Verbesserungen anzunehmen. Bei der Erörterung der föderativen Grundlage des Reiches wieS vr. Schädler aus das unerwünschte Regentschaf ts- thum in mehreren deutschen Bundesstaaten hin und sprach ich entschieden für die Umwandlung der bayerischen Regentschaft in ein Königtbum aus, das erstens dem Interesse des Königtbums von Gottes Gnaden, zweitens dem Interesse der Autorität und drittens als Bollwerk gegen unitarische Bestrebungen diene. Oesterreich -Ungar». * Wien, 14. September. Die Fürstin Milena von Montenegro ist mit der Prinzessin Anna und dem Prinzen Mirko hier eingetroffen. * Wien, 14. September. Gestern fand km Arcadenhofe des Rathhauses in Anwesenheit von etwa 10000 Bauern der erste niedrrösterreichische Bauerntag statt. Namens der Re gierung begrüßte Statthalter Gras Kielmansegg, mit stürmischem Beifall empfangen, die Versammlung und erklärte Namens des zu feinem Bedauern am Erscheinen verhinderten Ackerbau ministers, daß die Regierung die Bedeutung des Bauernstandes als eines der wichtigsten voll würdige (Beifall) und stets bestrebt ein werde, die berechtigten Interessen dieses Standes nachhaltig zu fördern und mit denen der übrigen Bevölkerungsgruppeu in Einklang zu bringen. Die Regierung bringe insbesondere dem ersten Gegenstände der Tagesordnung, dem landwirthschaft- lichcn Berussgenossenschaftswesen, über welches ein Gesetz entwurf bereits im Parlamente Angebracht wurde, besonderes Interessen entgegen, wünsche aber auch allen übrigen Berathungen des Baurrntages besten Erfolg. (Stürmischer Beifall, dreimalige Hochrufe auf den Statthalter). Vicebürgermeister vr. Lueger be grüßte den Äauerntag Namens der Stadt Wien, worauf Resolutionen, betreffend die landwirthschastlichen Berufsgenossenschasten, die Grund- steuer, das Jagdgesetz, dir Wildschadenentschädigung, das Armengesetz, Heimathrecht, das landwirthschaftliche Schulwesen, die Weinbau frage rc, nach den bereits bekannten Forderungen der Antiliberalen sämmtlich angenommen wurden. Eine weitere Resolution betraf die strenge Ueberwachung der privaten Versicherungsanstalten, das Ver- bot deS Getreideterminspieles und bis zur Erreichung desselben die möglichste Einschränkung des Börsenspieles mit Getreide, sowie die Aushebung des MahlverkehrS. vr. Lueger referirte hierauf über die Handelsverträge, welche eine Verschlechterung der Handelsbilanz zur Folge hatten, und besprach unter heftigen Ausfällen gegen Ungarn die Erneuerung des Ausgleiches, worauf eine Resolution an genommen wurde, des Inhalts, daß der Au-gleich mit Ungarn nur dann zu erneuern sei, wenn die ungarische Quote in bedeutender Weise erhöht und die nöthige Garantie dafür geboten werde, daß das eventuell abzuschließende Zoll- und Handelsbündniß von Ungarn in ehrlicher Weise gehalten werde. Endlich spricht sich der Bauerntag sür die Schaffung einer österreichischen Staatsbank aus. Ein Telegramm des Ackerbauministers Grafen Ledebur, in welchem er seinem Be dauern Ausdruck giebt, durch eine Dienstreise nach der Bukowina am Erscheinen verhindert zu sein, und unter theilnehmenden Grüßen versichert, daß er jederzeit den Kundgebungen des hartbedränglen, schwergeprüften BauernvolkeS Rechnung tragen werde, wurde mit einem Danktelegramm beantwortet und unter stürmischen Hoch rufen auf den Kaiser beschlossen, das Präsidium des Bauerntages als Deputation zum Kaiser zu entsenden. * Troppau, 14. September. Die heutige Landtags wahl des Großgrundbesitzes ergab die Wiederwahl der bis herigen Vertreter mit Ausnahme des Barons Pillerstorff, für den Gutsbesitzer Bayer gewählt wurde. Frankreich. * In der letzten Zeit haben sich die Unfälle allf den Panzersckiffen der französischen Marine in so besorgniß- errcgender Weise vermehrt, daß in Marinekreisen das Vertrauen auf die Kriegstüchtigkeit stark im Sinken begriffen ist. Bei den letzten Manövern des Nordgeschwaders mußten die beiden Panzer „Bouvmes" und „Admiral Trshouart" nach kurzen Versuchen in den Brester Hafen zurückkehren, um dort die an den Dampfkesseln erlittenen Beschädigungen ausbessern zu lasse». Die französische Marine hat für ihre Schiffe die Röhrenkessel an genommen, mit diesem System aber durchaus keine Erfolge erzielt, wie die häufigen Havarien zur Genüge beweisen. Ein höherer Marineofficier äußert sich im „Eclair" u. A. folgendermaßen über diese Wahrnehmungen: „Man kann sicher nur ein mäßiges Vertrauen zu einer Seemacht haben, wenn von den 6 Panzerschiffen des Nordgeschwaders gleich zu Anfang der Manöver deren 2 ihre Hebungen einstellen müssen. Im Verlauf der Manöver haben die Schiffe eine Schnelligkeit von 12 Knoten nie überschritten. Es ist heute festgestellt, daß die Untbätigkeit der vorgenannten beiden Panzer lediglich auf Beschädigungen an den Dampfkesseln zurück zuführen ist. Es ist dies gleichsam eine Krankheit, von der die meisten Schiffe der Marine betroffen worden sind. Nach dem „Jauröguiberry" war es der „Carnot", dann der „Iemmapes", der „Bruix" u. s. w., die alle die gleichen Unfälle zu verzeichnen haben. Auf dem „Bouvines" wurde man noch zur rechten Zeit des abnormen Zustandes einer Anzahl Röhren gewahr, und durch schnellen Ersatz derselben wurde eine Explosion vermieden, wie sie sich un längst auf dem „Jauröguiberry" ereignete. Trotz der schlechten Resultate, die das auf diesem Panzer angewandte Kesselsystem ergab, fährt die französische Marine fort, die neuen Panzer „Chüteaurenault", „Guichon", „d'Eftröes" und „L. 3" mit Kesseln derselben Construction auszurüsten. Die italienische Marine, die die Einführung der Nöhrenkessel beabsichtigte, ist nach den mit dem „Iaursguiberry" gemachten nicht klagen, eS ist ja Dein Glück, was uns in S. erwartet, und Du weißt ja, wie ich mich freue, meine Tochter Therese als Braut zu sehen." In die Wangen der Prinzessin war eine hohe Rötbe ge stiegen, sie stand auf und trat an eines der Fenster, ein Blatt von dem davorstehenden Epbeugitter brechend, das ihre Finger in nervöser Erregung zerpflückten. „Ob wohl Prinz Edgar noch immer nicht an den Hof zurückgekehrt ist?" setzte die Fürstin ihren Gedankengana fort, „eS ist doch sonderbar, daß er sich fortwährend aus Reisen befindet." „Ich kann das nicht sonderbar finden, liebe Mutter," ent gegnete die Prinzessin, „Fürst Edgar ist eine feurige, Hock strebende Natur, die kleinlichen Verhältnisse am Hose zu S. mit ihrer lächerlichen Etiquettenstrenge können ihm unmöglich genügen, ich kann eS ihm nicht verdenken, daß er aus dem starren Formenwesen zu dem ewig jungen und reinen Quell der Künste und Wissenschaften flüchtet." „Du scheinst ihn ja sehr genau beobachtet zu haben während unseres damaligen Aufenthaltes in S", neckte die Mutter. „Freilich, Ihr paßt gut zusammen. Du und er. Du bist ja auch eine halbe Gelehrte und kennst nichts Höheres als Deine Bücher. Es ist aber doch schon eine ganze Weile her, daß wir dort waren", fuhr sie sinnend fort, „Du warst fast noch ein Kind, und Edgar, wenn auch in seiner Er scheinung bereits männlich und entwickelt, doch den Jahren nach noch ein Jüngling; ihr werdet einander doch sehr ver ändert finden." Ihr Auge ruhte dabei mit dem AuSdrucke zärtlicher Sorge auf der Tochter, die noch immer abgewandt am Fenster stand. Ueber Prinzeß Theresen'S Antlitz zuckte es wie heimlich nagender Schmerz, ein tiefer Schatten batte sich bei den letzten Worten der Fürstin auf ihre klare Sirne gelegt. Die Wendung, die das Gespräch genommen, war ihr peinlich. Plötzlich wandte sie sich hastig um: ein Lächeln auf ihre Lippen zwingend, eilte sie zu der Mutter, und neben ihr niederknieend, küßte sie ihr zärtlich die Augen zu. „Sprich nickt mehr r:con, Mütterchen", bat sie, „es regt Dich auf und Du mußt De ne Kräfte schonen, schlaf lieber rin wenig, dann bist Du be^'r Abend wieder frisch." „Da werde ich ja wobl v u^-n", lächelte die Fürstin. Es währte nicht lange, b,e r el-lbe wirklich in sanften Schlummer sank. Leise trat die P:-.n;ei'sin von ihr weg zu dem Tische, der die Mitte des Zimmers einnabm. Hastig zog sie «in frineS Elfenbeinetui aus einer Schublade, das, als sie es öffnete, das Bild eines jungen Mannes zeigte, strahlend in der Fülle jugendlicher Kraft und Schönheit. Fast scheu blickte sie sich um, dann flüsterte sie in einem zärtlichen Tone: „Edgar!" Es waren in der That Prinz Evgar'S Züge, etwas jugendlicher zwar als der Gast des Forsthauses sie zeigte, aber doch unverkennbar dieselben. Prinzeß Therese hatte sich damals, als sie, selbst noch Kind, ihren Verlobten kennen lernte, das kleine Portrait zu verschaffen gewußt und sie batte es seitdem wie einen Schatz vor Aller Blicken behütet. In jungfräulicher Scheu verbarg sie selbst vor der Mutter ihre Liebe zu dem ihr bestimmten Manne, von dem sie ja nock nicht wußte, ob er je im Stande sein würde, dieselbe zu erwidern! . . Sie legte das Bild vor sich auf den Tisch und blickte, die Hände gefaltet, feuchten Auges darauf nieder. „Wird er Dick lieben können?" Das war die lange Frage, die sie sich doch zum wievielsten Male während dieses Anschauens stellte. Sie hatte ihren Geist zu bilden gesucht in mannigfachster Weise alle die Jahre hindurch, um ibm zu genügen; sie wollte ihm ja so gerne eine ebenbürtige Gefährtin sein. Doch den Funken, der zündend vom Herzen zum Herzen fliegt, den konnte sie damit nicht erwecken. Wenn ihm nun die aufgezwungene Gattin eine unerträgliche Last war? — War es nicht, als ob die Züge des Bildes sich belebten, als ob die Augen aufblitzten in zorniger Abwehr? Würde sie es ertragen, wenn diese schwarzen Feueraugen kalt und abweisend, ja vielleicht voll Abneigung auf ihr ruhten? Nun und nimmermehr! — Sie schüttelte heftig den blonden Kopf und preßte wie im voraus empfundenen Schmerz die Hände aufs Herz. Der Förster Erkens hatte Recht gehabt; für eine Con- venienzehe war Prinzeß Therese nicht geschaffen, dazu war sie auch zu stolz. Lieber wollte sie dem still Geliebten entsagen. Ein Zug von Energie legte sich um ihren Mund, wie sie daS bedachte, ja sie war entschlossen, wenn sie erkannte, daß er sie nicht würde lieben können, ihn frei zu geben, und lieber den Zorn ihres Vaters und alle Kämpfe, die ein Widerstand ihrerseits gegen die fest beschlossene Verbindung Hervorrufen mußte, auf sich zu nehmen, als an der Seite des Mannes, sür besten Glück sie tropfenweise ihr Herzblut vergießen würde, ein liebeleeres Dasein zu führen. Die Arme über den Tisch stützend, legte sie schmerzlich auf weinend den Kopf darauf. Nach einer Weile richtete sie sich empor. „Wie kindisch ich bin!" flüsterte sie vor sich selber erröthend; „wenn mich so Jemand gesehen hätte!" Sie warf einen hastigen Blick nach der Mutter hinüber. Dieselbe schlief aber noch immer ruhig wie zuvor. Prinzessin Tberese barg das Etui sorgfältig in ihrer Tasche und ein feines Batisttuch hervorziehend, hauchte sie darauf und preßte es an die gerötheten Augen. „Ich will hinaus in den Wald", fuhr sie dabei in ihrem Selbstgespräch fort, „hier drinnen wirkt die Schwüle so be klemmend." Geräuschlos öffnete sie die Thür zu dem Vorzimmer, „Susanne, Susanne", rief sie mit gedämpfter Stimme hinaus. Die Gerufene, eine treue Kammerfrau der Fürstin, erschien auf der Schwelle. „Susanne", sagte die Prinzessin. „Die Mutter schläft, ich will einen Spaziergang in den Wald machen, bringe mir Hut und Sonnenschirm und bleibe Du indessen hier bei der Fürstin." „Hoheit wollen ausgehen, — jetzt?" — fragte die Dienerin besorgt, „wir bekommen sicher noch vor Abend ein Gewitter, sehen Sie doch nur, dort hinten braut eS schon wie in einem Hexenkessel: wenn das losbricht, wird es sicher furchtbar werden nach der Gluth der letzten Tage." In der That ballten sich am äußersten Rande des west lichen Horizonts dunkle Wolkenmassen zusammen, die ein fahler, schwefelgelber Streifen umsäumte; sonst aber war der ganze Himmel noch blau und heiter. Die Prinzessin hatte einen schnellen Blick durch daS nächste Fenster geworfen; „bis das Gewitter heraufgezogen ist, bin ich längst wieder hier", sagte sie ganz sorglos. „Aber, wollen Hoheit denn nicht wenigstens den Diener Friedrich mitnehmen?" „Nein, ich möchte allein auSgeben", entschied Prinzeß Therese, „wir sind hier ja nicht am Hofe." „Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin wird sich sicher äng stigen, wenn sie erwacht und hört, daß die gnädigste Prinzeß draußen sind", machte Susanne einen letzten Versuch, ihre junge Herrin zurückzuhalten. „Aber Susanne, was fällt Dir nur ein? Du thust ja ge rade, als ob ich mich anstatt auf einen harmlosen Spaziergang in die größte Gefahr begeben wollte", sagte diese jetzt mit leichter Ungeduld im Ton, „geh nur jetzt und hole meinen Hut, ich komme bald zurück." Die Dienerin entfernte sich seufzend, den erhaltenen Auftrag auszuführen. „Wenn das nur kein Unglück giebt" murmelte sie vor sich hin. XI. Die Prinzessin befand sich tief im Walde. In Gedanken verloren vorwärts schreitend, sinnend über ihr Lebensgeschick in die Zukunft denkend, war sie viel weiter gegangen, als sie beabsichligt hatte. Sie bemerkte auch nicht, daß es um sie her dunkler und dunkler wurde, bis sie, an einem Kreuzweg angekommen, plötzlich stehen blieb und sich ganz erschrocken umsab. War es möglich? Konnte eS schon so spät sein? Sie zog eine kleine, brillantenbesetzte Uhr aus dem Gürtel. Erft fünf Uhr? Unmöglich! WaS war venn die Ursache der schwarzen Finsterniß, die sie umgab? Sie sah prüfend zum Himmel auf; da fand sie nun zwar die Erklärung, aber beruhigend war dieselbe nicht. Das drohende Wolkengebirge, daS vorhin in der Ferne ausgestiegen, hatte sich, riesenhaft wachsend, über den ganzen Horizont verbreitet, nur zuweilen untervrochen von jenen halben, unheilverkündenden Streifen, die einem nahen Unwetter vorherzugehen pflegen, und diese dunkle, unheilschwangere Masse hatte sich schwer und bleifarben saft bis auf die Wipfel der Bäume herab gesenkt, so daß es aussah, als könnte sie jeden Augenblick zermalmend auf die Erde herabstürzen. Das sah sich in der That bedrohlich genug an. „Ich hätte doch am Ende besser gethan, Susannen's Warnung zu folgen", dachte Prinzeß Therese. Sie mußte nun wohl schleunigst an den Heimweg denken. Ja, aber wo war sie denn nur, die Gegend war ihr völlig fremd, mehrere Wege liefen an dem Puncte zusammen, an dem sie stand. So in sich versunken war sie gewesen, daß sie nicht einmal mehr wußte, welchen Weg sie denn gekommen war. Wo waren nun ihre Gedanken gewesen? Sie erröthete, trotzdem sie ganz allein war: Planeten gleicb, hatten sie sich um die Sonne gedreht, die ihre ganze Seele durchleuchtete; — um Edgar! Unschlüssig blickte sie umher und versuchte vergebens, sich zu orientiren. Endlich schlug sie aufs Gerathewohl einen der Wege ein und eilte nun beflügelten Schrittes — wie sie meinte — dem Schlöffe zu, sie ahnte nicht, daß sie sich immer weiter von demselben entfernte. (Fortsetzung folgt.)
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