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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960923029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-23
- Monat1896-09
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SS70 stehen. Aber die DiSciplin unserer Freunde ist eine sichere Bürgschaft dafür, daß sie nur da- thun werden, was Spanien zum Guten gereicht, daß sie, wenn der Patriotismus dies er fordern sollte, vor keinem Opfer zurückschreckcn, daß sie aber auch nicht zögern werden, ihre heißesten Wünsche zu zügeln, wenn sie glauben, damit den nationalen Interessen besser zu dienen." Diesen carlistischen Umtrieben gegenüber setzt man, wie auS den Ausführungen des augenblicklich in San Sebastian sich aushalteuben spanischen Botschafters beim Batica» hervor geht, in ministeriellen Kreisen seine ganze Hoffnung auf den Papst und die höhere Geistlichkeit, für deren Treue der Bot schafter sich verbürgt, waS freilich etwas viel behauptet ist. Deutsches Reich. * Leipzig, 23. September. Mehrere Blätter hatten ge meldet, Herr Geh. Kirchenrath Professor v. Fricke habe in Dessau aus der Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Vercins gesagt, König Humbert von Italien sei Protestant, „man dürfe eS nur nicht sagen". Die ultramontane „Kölnische Volkszeitung" hat diese angebliche Aeußerung benutzt, sich von „protestantisch-kirchlicher Seite" den Nebertritt des Königs von Italien bestätigen zu lassen und dadurch König Humbert bei seinen katholischen Unter- thanen zu verdächtigen; die „Kreuzztg." hat die Gelegen heit ergriffen, Herrn Prof. v. Fricke der Taktlosigkeit zu beschuldigen. Der ganzen Polemik wird der Boden ent zogen durch die uns zugehende telegraphische Mittheilung de- Herrn Prof. v. Fricke aus Charlottenburg, daß er in Dessau „selbstverständlich nur gesagt und gemeint habe, König Humbert sei in seiner Gesinnung und Haltung Protestant". * Berlin, 22. September. Die socialdemokrati sche Parteileitung veröffentlicht im „Vorwärts" ihren Bericht über die seit dem Breslauer Parteitage verflossene Zeit. Der Bericht ist nach der Schablone der früheren Rechen schaftsberichte gearbeitet; eS fehlen weder die üblichen Phrasen über die „wachsende Bedeutung" der Socialdemokratie, die Bereitwilligkeit der Partei, „für die Befreiung der Arbeiter klasse jedes Opfer zu bringen", noch die gewobnten Bemerkungen über „reactionaires BourgeoiSthum", „Krautjunker" und „Schlotbarone". Uns interessirt zunächst der Passus, der den Mißerfolg in der sächsischen Wahlrechtsbewegung einräumt. Er lautet: „Leider fand die Wahlrechtsagitation einen die Genossen nicht allseitig befriedigenden Abschluß. Während der eine Tdeit der säch sischen Genossen es für zweckmäßig und notwendig erachtete, auch unter den verschlechterten Verhältnissen den parlamentarischen Kampf unentwegt weiter zu führen, hielt es der andere Theil für am ge- rathensten, die Verschlechterung des Wahlrecht- mit der sofortigen Niederlegung der im Besitz der Partei befindlichen Mandate zu beantworten." Im Gegensätze zu den eingangs erwähnten bombastischen Redensarten steht die Berichterstattung über die Erfolge der Agitation. Weit über Flugblattvertheilungen ist man nicht hinausgekommen. Die Landagitalion steht noch immer auf dem todien Punkte; selbst eine Agitation gegen die Ge sinde-Ordnung ist gescheitert. Die vor zwei Jahren mit großen Hoffnungen in Angriff genommene Decentralisation und Gründung von Kreis- und ProvinzialcomitsS hat sich als zweischneidig erwiesen; wohl sind viele Provinzialpartei tage abgehalteu worben, aber darüber haben auch, wie der Bericht mit tadelndem Sperrdruck bei dem Cassenabschluß hervorhebt, Organisationen ganzer Orte und Wahlkreise „ihre parteigenössischen Pflichten in der gröblichsten Weise vernachlässigt". Seit Jahr und Tag haben sie keinen Pfennig mehr an die Parteicasse abgeführt. Die Beschwerde lautet weiter: „Leider sind eS vielfach gerade die ältesten Parteiorte, die in dieser Beziehung mit schlechtem Beispiel vorangehen. So haben nach der diesjährigen Aufstellung zwei zusammenhängende Wahlkreis», in denen bei der letzten Reichstag-Wahl 47 500 socialdemokratische Stimmen abgegeben wurden, einen gemeinsamen Jahresbeitrag von 6 — sechs — Mark, ein anderer Wahlkreis, der bei der letzten Reichstagswahl 18000 socialdemokratische Stimmen ausbrachte, hat einen Jahresbeitrag von 4 — vier — Mark und 35 Pfennigen, und zwei weitere Wahlkreise mit 14 000 resp. 12 000 socialdemokratischen Stimmen haben Jahresbeiträge von 0,00 abgeliefert. Diese Beispiele könnten noch um viel« weitere vermehrt werden, doch wird das Borgeführte hoffentlich genügen, um die Genossen allerorts auf einen sehr wunden Punkt in unserem Parteileben aufmerksam zu machen." Die zwei zusammenhängenden Wahlkreise mit 47 500 socialdemokratischen Stimmen und 6 Beitrag sind bekannt lich die Wahlkreise Leipzig-Stadt und Leipzig-Land, die erst jüngst beschlossen haben, 1000 an die Parteicasse nicht abzusenden. Wir brauchen wohl nicht daran zu er innern, daß die in Bezug auf die Partei-Hauptcasse hier ge ¬ sparten Arbeitergroschen in der „Leipziger Volkszeitung" angelegt worden sind. Die socialdemokratische Parteileitung findet diesen Punkt „sehr wund"; die redigirrnden Leipziger Herren werden ihn anders diagnosticircn. — Die Partei presse hat im abgelaufenen Jahre eine Verminderung erfahren. Die Zahl der politischen Blätter ist von 76 auf 73 und die der Gewerkschaftsorgane von 53 auf 50 ge sunken. Der Umstand, daß trotzdem in manchen Orten an Gründung von neuen Parteizeitungen gedacht wird, giebt dem Parteivorstande zu ernsten Bedenken Anlaß; er warnt ausdrücklich vor diesen Operationen. Wie der Abonnentenstand der Presse gegenwärtig ist, erfährt man nicht, da sich der Bericht darüber vorsorglich ausschweigt. Die Zuwendungen der Parteicasse an inländische und ausländische Preßorgane sind diesmal sehr erheblich. Die Breslauer „Volksmacht" erhielt über 17 000, die Kölner „Rheinische Zeitung" 10 000, der „Socialdemokrat", der in zwischen eingegangen ist, 6000 u. s. w. Die Agramer Parteizeitung bekam von den deutschen Socialisten 1000 ebenso viel die Bukarester, und die „Wiener Arbeiter- Zeitung" wurde gar mit 10 000 subventionirt. Zusammen sind ca. 70000^2surUnterstützung derPresse verausgabt worden. Insgesammt verfügte die Parier wie gesagt über 73 politische und 50 gewerkschaftliche Blätter. Der „Vorwärts" hat auch in diesem Jahre mit einem Ueberschuß von rund 52 000 daS Meiste für die Parteicasse beitragen müssen. Immerhin hat er 3000 weniger als im Vorjahr erbracht, denn seine Unkosten sind gestiegen. Auch hat die Parteibuchhandlung „Vorwärts" eine Mindereinnahme gegen das Vorjahr aufzuweisen, sowohl am Waarenumsatz, wie am Geschäftsgewinn. „Dieser Rückgang deS Warenumsatzes", so bemerkt der Bericht, „erklärt sich einerseits aus der Ueberfüllung des socialistischen Büchermarktes überhaupt, hauptsächlich aber daraus, daß die Neupublicationen des letzten Jahres vorwiegend billige, auf den Massenabsatz berechnete Broschüren waren." Der innere Grund wird wohl der sein, daß vielen, selbst „ziel bewußten" Genossen die ewige Wiederholung derselben Schlag worte Unbehagen verursacht. Um den Massenabsatz zu illustriren, wird berichtet, es wurden 926 000 Exemplare abge setzt; sieht man genauer hin, dann erfährt man, daß 320 000 Exemplare davon auf die Mai-Zeitung kommen, 130 000 auf den „Märkischen Landboten". DaS Uebrige sind kleinere Flugschriften und Abdrücke von Reden bevorzugter Genossen. Eine, welche daS Thema behandelt: „Wie die Junker den Bauern helfen", erreichte die Höhe von 130 000 Exemplaren. Der Cassenabschluß für das letzte Jahr ergiebt Ein nahmen von 270 171 und Ausgaben von 230 000 Die ReichStagSfraction kostete 24 147 die allgemeine Agitation 41 500 die Gehälter und Verwaltungskosten beim Partei vorstand betrugen 15 058 — In Betreff derMaifeier, die natürlich wieder als ein Sieg der classrnbewußten Arbeiter auSposaunt wird, sagt der Bericht: „Der von Berliner Genossen ringeführte ModuS, den Gewerk schaften den Vormittag und der politischen Partei den Abend zu überlassen, hat sich bewährt und wird zur Nachachtung empfohlen." In dem Abschnitt, der die Wahlen behandelt, wird vor geführt, daß von Reichstagswahlkreisen Halle uub Dortmund erobert worden; für die klerikale Hilfe, die in Dortmund den „Schlag auf das Haupt der Schlotbarone" aussübren half, giebt es kein Wort des DankeS. Dann wird auf die Gotbaer Landtagswahlen verwiesen, wo die Partei, Dank der Zerrissen heit der bürgerlichen Parteien, die bekannten Erfolge errungen hat, und auf die Erfolge bei Gemeindewahlen: daß man in Berlin di« alten Sitze behauptet, in Leipzig 6 neue, in Karlsruhe 12, in Pforzheim 16 Sitze erobert, daß in den Reichslanden in Mülhausen 2, Morkirch 5, Kolmar 1, Straß burg 3 und Saargemünd 3 Genossen gewählt worven sind. Aufs Neue werden zum Schluß die „Genossen" gemahnt, auch bei den Gewerbegerichtswahlen weiter energisch ihre Kraft zu beweisen. — Der Schluß ist wie üblich die Zusam menrechnung der Gefängnißstrafen, welche Partei angehörigen angeblich um ihrer Ueberzeugung willen zu erkannt worden; in-gesammt sind es 84 Jahre 8 Monate 1 Woche und 1 Tag. Die Geldbußen betrugen 31 773 — Die von dem Major v. Wissmann mit dem Direktor der Colonialabtheilung deS Auswärtigen Amte vr. Kayser geführten Verhandlungen haben dem Vernehmen der „Post" nach zu dem Ergebniß geführt, daß Herr v. Wissmann sich entschlossen hat, noch einmal auf seinen Posten zurück- z »kehren. — Diese Nachricht wird allgemein mit Befrie digung ausgenommen werden. Hoffentlich sind nunmehr die Hindernisse, die dem Wirken unseres hervorragendsten Afri kaners im Wege standen, endgiltig beseitigt. Uebrigens lehrt auch dieser Fall wieder, was auf die Informationen gewisser Blätter zu geben ist, die vor Monaten nicht müde wurden, zu versichern, eS stehe endgiltig fest, daß v. Wissmann nicht nach Afrika zurückkehre. — Für ein Reichsgesetz, „das den Einzelnen wie den Behörden die Pflicht auferlegt, ihre Kun st sch ätze zu er halten und vor Schaden zu wahren", tritt die „Deutsche Bauzeitung" ein. Veranlassung dazu giebt dem Fach- »latte der Umstand, daß eine- der merkwürdigsten Bauwerke »ürgerlicker Kunst auS dem dreizehnten Jahrhundert, das »erühmte Goliath-HauS in Regensburg, in Gefahr ist, von der Erde zu verschwinden. Die Bauzeitung sagt von dem verlangten Reichsgesetz, dies sei ebenso wenig ein Eingriff in die Rechte Einzelner wie z. B. das Gesetz, daß jedes HauS vor Feuersgefahr versichert sein muß, oder wie daS Gesetz der Erhaltung von Deichen durch die Anwohner u. s. w. „Alle diese Gesetze bezwecken die Erhaltung de- National vermögens. Und dazn gehört doch wohl in erster Linie die Zahl der Kunsterzeugnisse vergangener Zeiten auf deutschem Boden. Sie zu hüten, ist ein volkswirthschaftlicher Grund- atz ersten Ranges." — Nach einer Mittheilung der „Zeitschrift für lateinlose höhere Schulen" (Herausgeber Professor vr. Holzmüllrr, Hagen) soll die Verleihung der Berechtigung zur sdfficierSlaufbahn in Heer und Marine an die Ober realschulen demnächst im günstigen Sinne geregelt werden. — Die von der RemontirungS-Abtheilung deS preußischen Kriegsministeriums eingeleiteten diesjährigen Remonten- Ankäufe können einen um so flotteren Verlauf nehmen, als nach dem ReichShaushaltSetat für 1896/97 der Durchschnitts preis für ein Remontepferd gegen daS Vorjahr nicht un erheblich in die Höhe gesetzt ist. Man nimmt an, daß diese Erhöhung viel zur Förderung der Pferdezucht in Deutschland beitragen wird. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat auf eine Eingabe des ProvinzialvertinS für Hebung der Fluß- und Canalschifffahrt in der Provinz Posen, betreffend die Vornahme der Vorarbeiten für einen Oder-Warthe- Canal, geantwortet, daß er mit dem LandwirtbschaftS- minister wegen der Bedeutung des Canals für die Melioration der von ihm durchschnittenen Gebiete in Verbindung getreten sei und in Gemeinschaft mit diesem nach Anhörung der be« theiligten Provinzialinstanzen weiteren Bescheid ertheilen werde. — Der Chef deS Versicherungswesens in Schweden und Decernent für die dort geplante Arbeiterversiche- rungSgesetzgebung, Prof. vr. Lindstedt, hält sich gegen wärtig zum Studium in Berlin auf. — DaS Berliner Polizeipräsidium läßt, der „Kreuzztg." zufolge, neuerdings grundsätzlich nicht den Schankbetrieb in Vorgärten zu, wenn da- betreffende Local eine Destil lation ist und vorzugsweise oder ausschließlich von Arbeitern besucht wird. Zu diesem Standpunkt sei die Behörde auf Grund der Erfahrung gekommen, daß durch Gäste in der artigen Vorgärten eine Belästigung des vorübergehenden Publikums nicht ausgeschlossen sei. So untersagte das Polizeipräsidium durch Verfügung vom 20. Mai 1896 dem Schankwirth Sch. in der Schlesischen Straße die Verwendung des Vorgartens zu Schankzwecken, nach dem der Stadtausschuß ihn hierfür concessionirt hatte, vorbehaltlich der Befugniß deS Polizeipräsidiums, den Ausschank aus Verkehrs- und ordnungspolrzeilichen Rücksichten nicht zuzulassen. Auf Aufhebung der polizeilichen Verfügung wurde Sch. klagbar. Der Bezirksausschuß wies die Klage ab. Die Polizeiverordnung vom 27. Oktober 1885 stellt es in das Ermessen deS Polizeipräsidiums, ausnahmsweise die Benutzung des Vorgartenterrains zu anderen als den be stimmungsmäßigen Zwecken zu gestatten. Der Bezirksaus schuß hielt unter den obwaltenden Umständen dafür, daß die angefochtene Verfügung nur dann der Aufhebung unterliegen könne, wenn für das Ermessen des Beklagten nicht objektive polizeiliche Gesichtspunkte, sondern Chikane und Willkür be stimmend gewesen. Daß dies aber der Fall sei, lasse sich durchaus nicht anerkennen. — Der allgemeine Ausstand der Schlosser wurde gestern in Cohn'S Sälen für beendet erklärt. Ueber acht Werkstätten, wo die Forderungen der Schlosser noch nicht be willigt sind, wurde die Sperre verhängt. — Der Ausstand der Glaser ist durch gütliche Ver einbarung bei gelegt; ein Tbeil der Arbeitgeber hat die Forderungen der Gehilfen bewilligt. — Die Kaiserin ist heute Abend 10»/i Uhr nach Plön abgereist. — Die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar traf gestern Abend hier ein und nahm im Hotel „Der Reichshof" Wohnung. — Staatsminister vr. von Boetticher ist von seinem Urlaube nach Berlin zurückgekehrt. — Kreisdirector Pöhlmann in Schlettstadt wurde zum kaiser lichen Ober-Regierungs-Rath ernannt. — Der französische zweite Botjchaftssecretair Ri bau ist von seinem hiesigen Posten abbrrusen und in das Auswärtige Amt in Paris versetzt worden. — Dem Berghauvtmann und Ober-Bergamts-Director Wirk lichen Geheimen Ober-Bergrath Freiherrn von der Heyden- Ry n s ch zu Halle a. S. wurde der Stern zum Rothen Adler-Orden zweiter Classe mit Eichenlaub verliehen. * Kiel, 22. September. DaS Landgericht verurtheilte den Redakteur Schwan er von den „Kieler Neuesten Nachrichten" wegen Beleidigung des ProvinzialschulrathS vr. Kammer- Schleswig zu 200 Geldstrafe. * Etettiii, 22. September. Zu der Verhaftung de» AnarchistenMachner ist vom hiesigen Polizeipräsidenten der „N. Stettiner Zeitung" folgendes Schreiben zugegangen: „Die Mittheilung in verschiedenen Abendblättern, daß bei dem am Montage in polizeiliches Gewahrsam genommenen Anarchisten Machner Dynamit gefunden worden sei, beruht vollständig auf Erfindung. Machner ist vielmehr heute früh nach Erbringung des Beweises auS den bei ihm gefundenen Skripturen rc., daß er keine nach deutschen Strafgesetzen strafbare Handlung in Deutschland geplant hat, wieder auf freien Fuß gesetzt worden. ES war demselben nur eine w eitverzweigte Verbindung mit anarchistischen Kreisen de- In- und Auslandes nachzuweisen." * Detmold, 21. September. In der „Lippiscken Landes zeitung", die sehr lebhaft für die Erbfolge der Biesterfelder Linie eintritt^giebt ein offenbar der Mehrheit des Landtages angehöriges Mitglied einen Commentar zu den bereits mit- getheilten Beschlüssen über Schiedsgericht und Regent schaft. Er meint, was die Novelle zum Regentschaftsgesetz betreffe, so wolle sie Vorsorge treffen für den Fall, 1) daß bis zum Ablebe» des Fürsten Alexander der Thronstreit unentschieden bleibt, 2) daß nachträglich durch eine Störung im Bestanoe deS Schiedsgericht- eine Einigung der drei Par teien nothwendig wird. Wenn bei einem Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse die Nothwendigkeit einer Einigung eintritt, setzt der Beschluß eine Frist von drei Monaten fest. Innerhalb dieser Frist muß die neue Einigung der Parteien herbeigesührt sein, sonst endigt die gegen- wärtige Regentschaft, und es tritt Regentenwahl ein. . . . Wir haben die feste Zuversicht, daß der Schiedsspruch in ab sehbarer Zeit und hoffentlich noch vor dem Ableben des Fürsten Alexander ergehen werde, wenn wir auch die lautaewordene Hoffnung, binnen sechs Monaten sei Alles in Ordnung, für etwas zu sanguinisch halten. . . . Daß der Landtag auf das Recht der Mgentenwahl sofort nach dem Tode des Fürsten Alexander ver zichtet bat, können wir für ein besonderes Unglück nicht halten. Die Regentenwahl war in dem Regentschaftsgesetze vom 24. April v. I. nicht gerade als wünschenswerthe Lösung, sondern als Be- schleunigungs- und Druckmittel gegenüber der bestehenden Regent schaft ins Auge gefaßt. Als solches Beschleunigungsmittel besteht es auch jetzt. Der Eintritt ist nur etwas hinausgeschoben und be schränkt auf den Fall voraussehbarer Nothwendigkeit. Zum Schluffe seiner Ausführungen meint der Gewährs mann deS Blattes: „Wirklich unzufrieden mit der jetzigen Haltung der Fünfzehnermajorität dürfen nur Diejenigen sein, die von Anfang an einen andern Weg einschlagen, jede Vereinbarung mit der gegenwärtigen Regentschaft ablehnen und eS aus den Conslict mit derselben ankommen lassen wollten. Ob die Kraftprobe geglückt und die jetzige Regent schaft auf diesem Wege weggevrängelt wäre, steht dahin. Jedenfalls entsprach diese Lösung nicht dem ruhigen Sinne unserer Bevölkerung, die in ihrer großen Mehrheit die An nahme deS Regentschaftsgesetzes und die Haltung der Fünf zehnermajorität billigt." Zu erwähnen ist noch, daß der CabinetSminister erklärt hat, er nehme an, die fürstliche Re gierung werde die Genehmigung des Landtagsbeschlusses in Sachen der Regentschaft an höchster Stelle befürworten können. * vreslau, 22. September. Auf das von dem Verein deutscher Eisen- und Hüttenleute in Gleiwitz an den Fürsten Bismarck abgesandte Huldigungstelegramm ist an Herrn Commerzienrath Lueg nachstehendes Dank- und Antwort- Telegramm eingetroffen: „Ich bitte Sie, der Festversammlung für die ehrenvolle Be- grüßung und für das Festhalten an der Interesse ngemein- schäft aller heimischen Erwerbsstände meinen verbindlichsten Dank auSzusprechen. von Bismarck." * Neuwied, 21. September. Die Rheinische Pro vinzial-Synode nahm in ihrer heutigen Sitzung den Antrag ihrer Commission zur Professorenfrage mit allen gegen zwei Stimmen in nachstehender Fassung an: „Gegenüber der Beunruhigung in den Gemeinden, daß dieser Bekenntnißstand durch den in unserer Zeit mehrfach hervortretenden Zwiespalt zwischen dem Glauben der Gemeinde und der theologischen Wissenschaft gefährdet fei, hofft und vertraut die Provinzialsynode, daß der Minister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten nach wie vor, wie er es auch im Abgeordnetenhause am 12. März d. I. als j einen Grundsatz ausdrücklich dargelegt hat, bei der Berufung theo logischer Professoren die Bedürfnisse der Kirche sorgsam im Auge behalten, aus Beachtung des evangelischen Bekenntnisses hinwirken und insbesondere über der vollen Geltung des 8 3 des Statuts der Bonner Facultät wachen werde, unbeschadet der Wahrung der Frei heit der theologischen Wissenschaft." Mit allen gegen eine Stimme nahm die Synode ferner eine Erklärung gegen das Duell an, in der eS nach der „Köln. Ztg." heißt: „Die Provinzialsynode beantragt bei der hochwürdigen General- synode, dahin zu wirken, daß aus kirchengesetzlichem Wege Kirchen- zuchtmaßregeln gegen Duellanten getroffen werden, und ersucht den evangtlijchrn Oberkirchrnrath, auf dem Wege kirchenregimentlicher Verordnung Bestimmungen darüber zu treffen, wie die Kirche sich bei Beerdigung der im Duell Gefallenen zu verhalten habe. Die Provinzialsynode richtet an die hochwürdige Generalsynode die Bitte, bei Sr. Majestät dahin vorstellig zu werden, daß durch ein könig liches Wort das Duell verurtheilt und eine gesetzliche Einrichtung, etwa durch Schaffung von Ehrengerichten, gefunden werde, die die grundlos angegriffene Mannesehre ebenso wirksam zu schützen als Len ruchlosen Angreifer seiner Ehre zu entkleiden vermag, damit der auf dem christlichen und sittlichen Gewissen des Volkes lastende zudem hinterließ ihm sein Vater eine nicht unbedeutende Schuldenlast. Sein starker Geist wurde indeß dadurch keines wegs eatmuthigt; hatte er doch in seinem Innern eine mäch tige Triebfeder, die all' sein Thun regierte; jene Worte der Waldsee: „Schütze Deinem Volke seine edelsten Güter, seine Religion und seine Rechte — sei ihm ein edler Fürst", hatten sich wie Flammenschrift in sein Herz eingegraben, sie waren die Richtschnur seines Handelns geworden. — Da er mit klarem Blick erkannte, daß das Land in mancher Be ziehung unter einem schweren Druck seufzte, so beschenkte er eS mit wirklichen Reformen, die seinem Wohle nur förderlich sein konnten. Mit aller Entschiedenheit trat er auch der religions feindlichen Strömung entgegen, die, von einer mächtigen Hof partei ausgehend, ihren verderblichen Einfluß auf daS Land nur zu lange auSgeübt hatte. — Jene sogenannte Aufklärung, die die Religion entbehren zu können meint, ja, sogar sich mit Verachtung derselben brüstet, war ihm verhaßt; er erkannte in der Religion keine Feindin der Wissenschaft, erblickte viel mehr in dem völligen Handinhandaehen beider die Basis, auf der allein eines Volkes wahres Wohl gegründet werden kann, und hob, von dieser Erkenntniß durchdrungen, jede Be schränkung ans, welche die kirchliche Freiheit unter seinem Vater erlitten hatte. Seine stolze Mutter hatte sich bitter getäuscht, al- sie triumphirend über die Lösung des Bande-, da- ihren Sohn an „jene Unwürdige" geknüpft, glaubte, denselben wie seinen Vater beherrschen zu können. Fürst Edgar zollte ihr un eingeschränkt die Ächtung und Rücksicht, die sie al« seine Mutter beanspruchen konnte, aber ebenso wußte er auch al- FUrst seine Rechte zu wahren und verstattete ihr nicht den mindesten Einfluß auf die Regierung seines Landes. — Als die herrschsüchtige Frau endlich erkennen mußte, daß alle ihre Versuche, die frühere Machtstellung wiederzuerlangen, an der unbeugsamen Charakterfestigkeit ihres Sohnes scheiterten, verließ sie grollend seinen Hof und zog sich auf ihren Wittwensitz zurück. Fürst Edgar batte ihr Scheiden nicht zu bedauern ver mocht, er konnte sich nun frei von dem steten, aufreibenden Kampfe um seine Selbstständigkeit, mit vollster Hingabe seiner Aufaabe widmen. In der Aufmerksamkeit, die Fürst Edgar dem Heerwesen schenkte, bekundete sich sein Verständniß für die Aufgabe deS Heerwesen- in heutiger Zeit, ein Verständniß, daS Herr von Wendelstein einstmals angezweiselt hatte. Er fand auch darin Manche» zu Keffern. Dank den Vorurtheilrn seines Vater- gegen den Bürgerstand war gerade hier die schrankenloseste Parteilichkeit zu Gunsten des Adels ein- geriffen. DaS Avancement richtete sich nicht nack dem Ver dienst, sondern nach der Zahl der Ahnen. Diese Mißbräuche abzustellen und dem bürgerlichen Elemente zu seinem Rechte zu verhelfen, war deS jungen Fürsten erste Sorge; er setzte überhaupt hier wie überall den lebendigen Geist an Stelle der todten Forn, und wenn er auch weit entfernt war, seinem Lande eine über dessen Mittel binau-gehende Militairlast auf zubürden, so ging doch sein eifriges Bestreben dahin, inner halb der gegebenen Grenzen sich eine Armee zu schaffen, die al- musterziltig gelten durfte, und auf die im Sturme der Zeiten jeglicher Verlaß war. Den Luxus und die unsinnige Verschwendung, die bei Hofe geherrscht hatten, führte er auf da- nothwendigste Maß zurück. Er ersparte dadurch große Summen, die er nützlicher im Interesse seiner Unterthanen verwenden konnte. Kunst und Wissenschaft fanden an ihm einen warmen Freund und Förderer, und freigebig unterstützte er die Schulen und Kunstinstitute seine-Landes, daS unter der Leitung seine edlen Fürsten sichtlich aufblühte. Die Pflege der eigenen reichen Talente, mit denen ihn die Natur bedacht hatte, schien er gänzlich aufgeßeben zu haben. Die goldgeschmückten Wände der hohen Sale seines Schlöffe» zitterten nicht mehr unter den Klängen seiner Stimme, die einst das Entzücken der Hofgesellschaft gewesen war. Der prächtige Flügel im fürstlichen Musiksalon blieb ge schlossen, und Pinsel und Palette rührte er nicht mehr an. Jene schöne, genußreiche Zeit, wo er gleich dem strahlenden Schmetterling, der von Blume zu Blume flattert, sein Können auf allen Gebieten erprobt hatte, schien weit — weit hinter ihm zu liegen. AuS dem lebensfrohen, gesellig heiteren Erb prinzen war überraschend schnell ein ernster Mann und Fürst geworden, dem von des Ersteren stürmischem Iugendübermuth wenig oder nicht- geblieben zu sein schien. — Nur selten er hellte ein Lächeln seine ernsten Züge, auf der hohen Stirn lag eS oft wie trüber Schatten. Herr von Wendelstein blieb nach wie vor der Freund und Rathgeber seines jungen Gebieters, der ihm bald jenen Schritt vergeben batte, zu dem ihn, wie Fürst Edgar erkannte, die beste Absicht getrieben und dessen Unterbleiben ja auch an der Sache nichts geändert hätte. Nicht selten betrachtete Herr von Wendelstein jetzt den jungen Fürsten mit geheimer Sorge. Mehr als einmal war er schon geneigt gewesen, die Wendung der Dinge zu beklagen, die er einst selbst hatte herbeiführen helfen, weil sie seinen jungen Herrn um jeden Antheil an Glück und Lebensfreude betrog. — Indessen Geschehene- läßt sich nicht ändern, und der schein bare Gleichmuth, mit dem Fürst Edgar sein Schicksal trug, machte jedes Wort deS Tröste- und der Theilnahme zur Un möglichkeit. * * * In der Residenz wie im Lande herrschte freudige Auf regung. Der junge Fürst weilte seit einigen Tagen an dem befreundeten Hofe zu R., und man hoffte und erwartete all gemein, daß dieser Besuch zur officiellen Proclamiruna der längst geplanten Verlobung mit der Prinzessin Therese fuhren würde, ein Ereigniß, daS von der ganzen Bevölkerung mit lebhafter Sympathie begrüßt werden würde. Die glänzenden Räume deS alten Fürstenschlosses zu R. strahlten in voller Beleuchtung; zu Ehren de» erlauchten Gaste» wurde ein großer Hofball gegeben. Im Glanze der kostbaren Kronleuchter, deren zahllose Flammen von deckenhohen Spiegeln blendend zurückgeworfen wurden, be wegte sich eine auserlesene Gesellschaft, deren Mittelpunkt da- junge fürstliche Paar bildete. Als Prinzeß Therese vorher an der Seite ihre- fürstlichen Gastes eingetreten war, dessen hohe Gestalt in der Gala-Uniform seine- Lieb- lingSregimentS noch imposanter erschien als gewöhnlich, sagte sich im Stillen ein Jeder, daß die muthmaßlichen Ver lobten wie für einander geschaffen waren. Die Erscheinung der Prinzessin Therese zeigte die edle Einfachheit, die sie stet» auSzeichnete; sie trug ein schleppendes Gewand von schwerer, weißer Seide, um Hals und Arm hatte sie, jede bunte Steinpracht verschmähend, Schnüre von kostbaren, bläulich weißen Perlen gelegt. Eine solche Schnur schlang sich auch durch die reichen Wellen deS aschblonden Haares, das an der linken Seite durch einen vollen Strauß frischer Resedablütben emporgehoben wurde. Fürst Edgar überkam in ihrer Nähe ein Gefühl fast friedensvoller Ruhe, die junge Prinzessin übte eine sym pathische Wirkung auf ihn; er empfand mit tiefer Er leichterung, daß sie wenigstens einen Zauber mit Lia Rose gemein besaß — den Zauber echter Weiblichkeit, und indem er erkannte, daß er diesem jungen Wesen, wenn auch nicht Liebe, so doch ein Gefühl achtungsvoller Freundschaft ent gegenbringen konnte, fühlte er auch den Abscheu schwinden, den er bisher gegen die geplante Verbindung gehegt hatte. In einer Pause de» Tanze» führte er die Prinzessin in eia für den Hof reservirtr« Seiteagemach, da» durch eine Fülle von Blumen und Topfgewächsen in einen blühenden Garten verwandelt erschien. „Ah, hier ist es kühl und still!" sagte der Fürst aufathmend, indem er seine Begleiterin zu einer unter Palmenbäumen halb verborgenen Causeuse führte, „wollen Sie mir hier eine kurze Unterredung gewähren?" Die Prinzessin bog eine eben erschlossene Kalablüthe zu sich nieder und neigte ihr Antlitz über den weißen Kelch, um ihm die Gluth zu verbergen, die langsam über dasselbe auf- Aestiegen war. „Sprechen Sie", sagte sie leise; sie fühlte instinktiv, daß sie zu dem bevorstehenden Gespräch ihrer vollen Selbstbeherrschung bedürfen würde. „Prinzessin", begann Fürst Edgar, der ihr gegenüber stehen geblieben war und die Arme über die Brust gekreuzt hatte, „ich darf wohl annehmen, daß Ihnen die Bestimmungen nicht unbekannt geblieben, die man über unsere beiderseitige Zukunft getroffen hatte. WaS mich anbetrifft", fuhr er auf eine Bejahung ihrerseits fort, „so ehre ich diese Bestimmungen und bin entschlossen, sie zu erfüllen, aber ich achte Sie zu hoch, um mich nicht, indem ich Ihnen meine Hand anbiete, zu voller Aufrichtigkeit Ihnen gegenüber für verpflichtet zu halten!" „Ich werde Ihnen dankbar dafür sein", entgegnete sie einfach. Kein Zucken ihrer Lippen verrieth, daß sie litt. „Ich weiß es und fühle eS noch tiefer, seitdem ich Sie kennen gelernt, daß Sie berechtigt sind, die Liebe, das volle ungetheilte Herz Ihre- künftigen Gatten zu fordern. Beides habe ich nicht mehr zu bieten. DaS Einzige, was ich dem Weibe zu geben vermag, daS sich nach diesem Geständniß entschließen könnte, seine Hand in die meine zu legen, ist warme, treueste, hingebende Freundschaft. Ich würde Ihnen sehr, sehr dankbar sein, wenn Sie sich daran genügen lassen und die Gefährtin de» Einsamen werden wollten, der, Sie dürfen es glauben, von den Damen fürstlichen Standes Niemanden lieber al» Sie an seiner Seite sehen würde; aber ich habe auch kein Recht, Ihnen zu zürnen, wenn Sie sich dazu außer Stande fühlen. Entscheiden Sie jetzt noch nicht«", bat er, als sie sprechen wollte, „die Frage, die jich an Sie gerichtet habe, fordert ernste Ueberlegung, und ich will mit der Antwort gern warten, bi» Sie Ihr Herz ge prüft haben. Fürchte ich doch fast, daß Ihr erster Impuls sein möchte, mich zurückzuweisen!" (Fortsetzung folgt.)
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