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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960924012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-24
- Monat1896-09
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Ztg." in Madrid mit schwerem Herzen zu — die volle Wahrheit gesprochen; wohin man auch blicken mag — so fährt dieser Berichterstatter fort — überall herrscht trostlose Ver- zweiflunz. DaS Vertrauen in die Waffenerfolge auf Cuba ist vollständig geschwunden und man macht sich mit dem Gedanken vertraut, daß die „Perle der Antillen" verloren geben werde. Die neuesten Kraftanstrengungen der Regierung: die Entsendung von 100 000 Mann nach Cuba und die Anleibe von ungezählten Millionen, vermögen da» Mißtrauen des Volkes nickt mehr zu beben: mit Re signation schaut es der traurigen Lösung der kubanischen Frage entgegen. Bisher hat man freilich noch nichts von Ruhestörungen anläßlich der Truppeneinsckiffung vernommen. DaS darf nicht verwundern, da die Regierung in allen Hafenpläyen die härtesten Maßregeln getroffen hat, um jegliche feindselige Kundgebung im Keime zu ersticken. Nach vielen Hunderten zählen die Verhafteten, welche man aus purer Furcht vor etwaigen Ausschreitungen festnahm. Diese willkürlichen Ver haftungen haben einen Ausnahmezustand geschaffen, wie er nur vor dem Ausbruche einer Revoluton denkbar ist; die persönliche Sicherheit des Individuums ist volländig in Frage gestellt und jegliche Kritik an den Handlungen der Regierung und mehr noch an ihren Unterlassungen ist auf daS Strengste verboten. Man scheut sich, mit ehrcnwertben Männern, welche freilich wegen ihrer frei heitlichen Gesinnung der Regierung unbequem sind, zusammen- zutreffen und muß in steter Furcht leben, daß da» Bries» geheimniß verletzt werde; kurz, man lebt in Spanien gegen wärtig in Verhältnissen, dir geradezu unerträglich sind. Die willkürliche Verhaftung der wieder freigelassenen Republikaner in Barcelona ließ sich durch nichts rechtfertigen und die jüngsten Erklärungen des CultuSministerS im Con- greffe hießen die rücksichtsloseste Willkürherrschaft gut; denn der genannte Minister meinte, daß die Verhaftung von Republikanern in einem Lande, welches an PronunciamentoS und Ausstände unter Beihilfe von politischen Persönlichkeiten gewöhnt sei, nicht befremden dürfe. Der Minister hat Recht; eS darf in Spanien nicht« mehr befremden. Man muß auf die unerhörtesten Rücksichtslosig keiten der Regierung gefaßt sein. Aber die Regierung darf auch nicht überrascht lhun, wenn der von Tag zu Tag sich steigernde Unwille des Volkes in elementarer Weise sich Luft macht. Der Unwille des Volkes ist nur zu sehr berechtigt. In erster Linie richtet er sich gegen das gegenwärtige Heer wesen, bei dem nur die Söhne der ärmeren Bevölkerungsclasse die Blutsteuer zu entrichten haben, da die Söhne der Wohl habenden vom Militairdienste sich sreikaufen oder einen Stellvertreter stellen. Mehr al« 20 000 Mann haben sich loSgekauft, wie aus amtlichen Mittheilungen hervorgeht, und wie groß die Zahl der gekauften Stellvertreter ist, vermag man nicht anzugeben, da darüber jegliche Statistik fehlt. Der Handel mit Menschen, wie er in Spanien jetzt an der Tagesordnung ist, bildet ein gar trauriges Bild. Mütter verkaufen und versetzen ihr Letztes, um ihre Söhne zu be freien, und arme Teufel bieten sich zu jedem Preise an, um auf die Schlachtfelder vdn Cuba geschickt zu werden. Die unsauberen Agenten werden reich bei diesem schändlichen Menschenhandel und di« Männer, welche ihrem gerechten Zorne über diese Infamie in harten Worten Luft machen, wandern ins Gefängniß. Wie „El Heraldo" zu be richten in der Lage ist, haben sich arme Teujel für fünfundzwanzig, für fünfzehn, ja sc»§ar für seckS Pesetas verschachert, um nicht vor Hunger zu sterben. Ueberall im ganzen Lande pocht der Hunger schon jetzt an den Thüren der Armen. Das ist keine Uebertreibung; man braucht nur einmal durch die Dörfer und die armen Skadttheile zu geben, um Scenen des schrecklichsten Elends zu erleben. Bewaffnete Räuberbanden zeigen sich an verschiedenen Orten Andalusiens und die Zeitungen wissen auch schon von einzelnen Raub anfällen zu berichten. So sieht es schon jetzt auS, wo der Sommer noch er möglicht, den Lebensunterhalt auf ein Minimum herab- znkrücken. Mit Augst und Bangen muß man dem kommenden Winter entgegensehen; in allen Städten bereitet man sich auf den Winter vor, aber die Mittel werden nicht auöreicken, um nur der ärgsten Nolh zu steuern. Handel und Industrie liegen völlig darnieder, so daß die Steuern nicht mehr ein gehen. Einzelne Gewerkschaften denken schon daran, sich zahlungsunfähig zu erklären. Die Gastwirthe von Barcelona haben bas schon gethan und ihre Locale geschlossen; in anderen Städten wird man ihrem Beispiele folgen. Die Regierung weiß weder au«, noch > ein. Sie vermag die ungeheuren Ausgaben nicht mehr auszubrinzen und muß sich für Finanzprojecte entschließen, welche dem Lande schweren Schaden verursachen; man denke nur an den Vertrag mit dem Hause Rothschild in Bezug auf die Ausbeutung der Minen von Almaven, an daS Tabak monopol, an die Subvention der Eisenbahn-Gesellschaften rc. Die Regierung ist genöthigt, die schmählichsten Bedingungen anrunehmen, damit man ihr Gelder vorstreckt. Jetzt will die Regierung noch die Eonsumsteuer erhöhen, obwohl sie nur zu gut weiß, daß bei dem verarmten Volke nichts mehr zu holen ist. Die Erhöhung der genannten Steuer wird die Ursache vieler Aufstände fein, zumal diese Steuer in einer überaus harten Weise eingrtrieben und fast nur von dem ärmeren Tbeil der Bevölkerung getragen wird. Aber mit dem unseligen Kriege auf Cuba und mit seinen entsetzlichen Folgen für da» spanische Volk ist eS noch nicht genug; e» kommt noch eine weitere schwere Prüfung für das arme Golk hinzu; der Aufstand auf den Philippinen, der immer mehr al» ein sehr ernster sich herauSstellt. Die spanischen Truppen trafen in unmittelbarer Nähe von Manilla mit den Aufständischen, dir 2500 Mann stark waren, zusammen. Freilich gelang r» ihnen, diese unter großen Verlusten - in die Flucht zu schlagen: aber der neue Zwischenfall zwingt die Regierung, Verstärkungen nach den Philippinen zu senden. Am 3. und 7. dieses Monats wurden 2000 Mann ringesckifft und der Kreuzer „J»la de Cuba" begirbt sich ebenfalls nach Manilla. Sollte der Aufstand auf den Philippinen größeren Umfang annehmen, so müssen weitere Verstärkungen entsendet werden. Der spanische Consul in Hongkong, welcher sich sehr gut über die Vorgänge auf den Philippinen unterrichtet erweist, hält 6000 Mann für unbedingt notbwendig, da die Regierung in der genannten Eolonie nur über 18 000 Mann verfügt und von diesen über 11000 Mann Eingeborene sind. Weiter ist der General-Gouverneur der Philippinen beauftragt. Frei» willigencorp» zu formiren. Auf alle Fälle kosten aber die Operationen auf den Philippinen, und mögen sie noch so unbedeutend sein im Ver ¬ gleich zu dem kubanischen Feldzüge, große Summen und das Land ist kaum noch im Stande, die ungeheuren Ausgaben anfzubringen. Die Ausgaben auf Cuba steigern sich mit der Vermehrung der dort stationirten Truppen und werden schon vom nächsten Monate ab monatlich sechzig Millionen Pesetas betragen. DaS Steigen der Geldnotb merkt man immer deutlicher: der Umlauf von Banknoten obne Deckung nimmt von Woche zu Woche um Millionen Pesetas zu und der Cours der spanischen Werthe wird immer geringer. Hundert Franken kosten schon mebr al« l20 Peseta« und das Pfund Sterling wird mit 30, 50 Peseta« bezahlt. Wohin soll das führen, wenn Handel und Industrie fast vollständig labm liegen, da die Kaufkraft des Volkes immer schwächer wird? Mag daS Volk sich auch noch so sehr einschränken, so wird sich das allgemeine Elend doch nicht mebr lange aufhalten lassen. Die Brodpreise steigen rasch. Dasselbe gilt für das Fleisch. Um sich einen Begriff von dem niedrigen Fleischkonsum zu machen, braucht man nur die statistischen Angaben der Schlachthäuser rinzusehen. So wurden z. B. in Granada am 26. August nur 4 Kälber, 5 Rinder und 116 Schafe geschlachtet, d. i. in einer Stadt mit mehr den 70 000 Einwohnern. Man mache einen Ueberschlag und man wird finden, daß auf den Kops der Be völkerung ein ganz erbärmlicher Fleischkonsum kommt! In den Dörfern sieht eö noch viel schrecklicher au«; es werden in einer Woche oft nicht mehr als zwei oder drei Schase geschlachtet und dabei zählen die in Frage stehenden Dörfer oft mehr al« 1000 Einwohner. Ein Städtchen, GuejaS, mit mehr denn 5000 Einwohnern hat nur «inen Metzger ohne Gesellen; der arme Teufel verdient nichts und muß fast ver hungern. DaS sind einige Einzelheiten, au« denen man sich einen Begriff von dem Elend in Spanien machen kann. Das Elend wird zunehmen und das Volk zu Thaten der Verzweiflung treiben, und diese Thaten der Verzweiflung werden in dem bevorstehenden Winter eine ganz andere Aus dehnung annehmen, al« in früheren Jahren. Wenn nicht bald eine Wendung zum Besseren eintritt, so geht Spanien dem sicheren Ruine entgegen. Aber leider ist keine Besserung zu erhoffen, wenigstens nicht auf Cuba, wo der Aufstand immer größere Ausdehnung gewinnt. Der neueste Befehl General Wcyler'S in Bezug auf die Unter brechung der Arbeiten auf den Zucker- und Kaffeeplantagen wird den Aufständischen bedeutende Kräfte zuführen, da mehr als 100 000 Mann in Folge des Befehls arbeitslos werden. Freilich ist nicht daran zu denken, daß eS den Aufständischen gelingen werde, die Spanier mit Waffengewalt aus der Insel zu vertreiben; dagegen werden die Mittel der Spanier sich erschöpfen, wenn der Krieg noch lange in der gegenwärtigen Weise geführt wird, die den Spaniern nicht den allergeringsten posiliven Erfolg sichert und die Aufständischen zu thaljächlichen Herren der Insel gemacht hat. Deutsches Reich. u Berlin, 23. September. Zur Verhütung des Zu- sammenstoßenS der Schiffe auf See wird bekanntlich schon seit langer Zeit eine internationale Vereinbarung und namentlich eine gemeinsame Festsetzung der Schallstgnale bei Nebel angestrebt. In Washington ist vor Jahren auf einer inter nationalen Conferenz ein Entwurf hierzu ausgearbeitet worden. Indessen hatte die NeichSregierung schon früher auf eine Anfrage England« bezüglich der vorgeschlagenen Nrbelsignale erklärt, daß dieselben viel zu complicirt seien und Anforderungen an da« Gr- dächtniß der SckiffSfübrer stellten, welche nicht gerechtfertigt seien. Auch die britische Regierung war gegen diesen Punct des Entwurfs. Sie batte eine Commission eingesetzt und diese batte eine erhebliche Verminderung der Schallstgnale empfohlen. Aber auch gegen die Einführung dieser neuen, gegen die Washingtoner Vorschläge vereinfachten Ncbelsignale, die übrigens von der britischen Regierung den Seestaaten zur Kennlnißnabme mitgethrilt worden sind, macht fick nicht blos in englischen, sondern auch in deutschen und skandi navischen Rhederkreisen eine lebhafte Bewegung geltend. Inden Kreisen ter Sachverständigen behauptet man, daß die jetzigen Nebelsignale einfach seien und daß jede Vermehrung derselben die Gesahr und Unsicherheit vergrößern könne. Der Verein Hamburger Rheder und der Nautische Verein haben Eingaben gegen jede Complicirung des jetzigen Systems der Nebel signale an den Reichskanzler gelangen lassen. Bei dieser Meinungsverschiedenbeit wird e« wohl noch lange dauern, bis eine internationale Einigung über die Schallsignale bei Nebel und über die Verhütung de« Zusammenstoßens der Schiffe auf See erzielt sein wird. im Jahr« 1SV5 im Jahre ISS-t 0,89 v. H. 0,26 v. H. 1395 — 1285 6,85 7,47 33 303 -- 36 574 19,97 97 028 21,10 103271 -- 16,68 81068 — 81 549 --- 16,66 887 212 48,49 46,43 3,74 3,90 19110 4,17 8,98 100 80 387 -- 489 388 -- 100 * Berlin, 23. September. Uebrr die Tauglichkeit des deutschen HeereSersaye« in den Jahren 1894 und 1895 giebt die „Statist. Corresp." eine Zusammenstellung, die ziemlich genau die allgemeine Kriegstauglichkeit in Deutsch land erkennen läßt, da seit dem Militairgesetz von 1893 alle Tauglichen allmählich zur Einstellung gelangen. Aus den dem Reichstage mitgetbeilten endgiltigen Entscheidungen über die Gestellungspflichtigen der Jahre 1894 und 1895 ergiebt sich, daß ») als unwürdig ausgeschlossen wurden . . . b) als dauernd untauglich au-gemustert e) dem Land sturm I.Aufg. überwiesen. . ä) der Ersatz-Res. oder Marine- Ersatz-Reserv« e) au-gehoben wurden . . . 235 649 k) freiwillig ein traten .... 18161 x) desgl. vorBe- glnnd.militair« pflicht. Alters eintraten... 19 345 zusammen 485 949 Ueberzählig und für spätere Einstellung verfügbar blieben außerdem noch im Jabre 1894 11 439, 1895 4997 zwanzig jährige und 2583 (4876) einundzwanzigjährige Gestellungs pflichtige. Einschließlich der freiwillig Eingetretenen wurde also im Jabre 1894 bezw. 1895 die größere Hälfte der rndgiltig Abgefertigten, nämlich 56,21 bezw. 54,50 vom Hundert, zur Einstellung iu das Heer oder die Marine für tauglich befunden. * Berlin, 23. September. Ueber den wiederholt erörterten Fall Kümmert erfährt die „Stell. Abendztg." noch folgendes Nähere: „DaS bekannte Erkenntniß des Ober-Verwaltungs- gerichteS, welches die diSciplinarische Geldbuße gegen den Kelberger Oberbürgermeister Kümmert wegen Uebeilassung des SaaleS deS Sirandschlofses zu einer Wahlversammlung der Socialdemokraten aufrecht erhielt, ist rem Commando der 3. Division in Stettin mitgetheilt worden. Dieses hat Feuilleton. Kaiserjag-en in -er Nominier Haide. (An« der Danziger Zeitung.) So wenig man auch sonst im übrigen deutschen Vater lande von Ostpreußen wissen mag und so sonderbare Vor stellungen dort zum Tbeil über das Grenzland im fernen Osten herrschen; die Nominier Haide kennt beute doch ein jeder, wenigstens dem Namen nach; jeder weiß, daß sie deS Kaisers Jagdrevier, daß in ihrem Herzen sich am braunen Romintefluß daS kaiserliche Jagdhaus und die HubertuS- capelle erheben, die der hohe Jäger vor wenig Jahren sich dort erbaut hat. Im Jabre 1890 suchte der Kaiser zum ersten Mal die Rominter Haide auf. Er wohnte damals in dem Weller'- schen LogirhauS in Tbeerbude. Schon im nächsten Sommer entstand dann auf dem hohen Rominteufer unterhalb deS Dorfes rin kleine- Jagdschloß. Bauleute auö Nor wegen fügten eS auS nordischen Stämmen zusammen, und schnell wuchs daS sonderbar auSschauende Bau werk mit seinen Drachenköpfen in die Höhe: über Nacht sozusagen erhob sich hier zu Häupten Theerbude» eine neue Ansiedelung, daS „Jagdbau« Rominten". Im Jahre 1893 ließ hieraus der Kaiser diesem gegenüber, doch auf derselben Flußseite ein zweites Bauwerk im nordischen Stil errichten, die HubertuScapelle, für die die Kiefernriese» der Haide da« Material lieferten. Am 1. October des genannten Jahre» wurde da- Kirchlein eingeweiht, und damals weilte auch di« Kaiserin an der Seite ihres Gemahls einen Sonntag über in Theerbude, wo e« der bohen Frau sehr gut gefallen haben soll. Auch sonst begegnet man dort jetzt noch mehrfach der nordischen Bauart, die im übrigen zu den da« Dorf umrahmenden dunkeln Tannenwäldern recht gut paßt; so führt am Schlöffe eine au» rohen Holzbalken gezimmerte Brücke, die Heidenbrückr, die al» charakteristischen Schmuck ebenfalls die bekannten Drachenköpfe zeigt, über die Rominte. Ferner liegen am Waldrande und m der Nähe des Schlosse« auf dem «bemal» Pinkow'schen Grundstück, das heute dem Kaiser gehört, mehrere Arbeiterhäuser, die im selben Stil errichtet, gegen mäßigen Miethzin» Theerbuder Familien bequeme Wohnung ge währen. Sodann erheben sich dem Schloff« gegenüber auf der anderen Seite des FlusseS, zur Zeit noch im Bau begriffen, die Dienstgebäude einer Oberförsterei, in die zum nächsten Sommer der Golbaper Oberförster seinen Sitz ver legen dürfte — und endlich wird beabsichtigt, da« Weller'scke Gasthau», da« ja bekanntlich vom Hofmarschallamt angekauft ist, von außen mit Stämmen zu verkleiden, um sein Au-sebrn dem Ganzen anzupaffen. Uebriaeo« macht Tbeerbude heul« einen ziemlich wohlhabenden, freundlichen Eindruck; die Strohdächer, die noch vor einem Jahrzehnt für die Haidedörfer typisch, sind fast sämmtlich verschwunden, und au» dem Grün der Dorfstraßen tauchen allenthalben die rothen Ziegeldächer hervor; die alte, primitive Haideschenke ist schon vor acht Jahren gefallen und an ihrer Stelle erhob sich da» comfortabel eingerichtete Weller'sche Hotel, in dem zahlreiche Sommerfrischler und noch mehr Eintag-gäste Auf nahme gefunden haben und noch finden werden. Denn da« Hotel ist zwar, wie bemerkt, nunmehr Eigenthum de« Kaiser«, aber neu verpachtet und wird unverändert weitergrführt. Der Pächter hat lediglich für die Vergebung von Fremden zimmern zur Kaiserzeit die Genehmigung de« Berwaller« der Oberförster« Szitlkehmen, der zugleich Amt«vorsteher, einzu holen. Wenn im Spätsommer die Hirsche „schreien", dann nabt die Zeit der Jagd. Man erwartet den Kaiser dort in der Regel nach dem 20. September (in diesem Jahre traf er be kanntlich am 2l. September ein). Di« Räum« de« Schlöffe« sind selbstverständlich vollkommen eingerichtet und bedürfen einer besonderen Ausstattung für den Aufenthalt de« Kaiser« deshalb nicht. Immerhin bleibt stet« noch viel zu thun, so daß sich von Mitte September ab ein reger Wagenverkehr zwischen Tbeerbude und der 4>/, Meilen entfernten Bahn station Trakehnrn entwickelt. Die Post wird erweitert, an die Stelle de» Telephon« tritt ein Morse-Apparat, und eine Reibe von StephanSjüagern versiebt die Kaiserzeit über den gesteigerten Dienst für den Posthalter, den alten Förster K. Dreimal täglich ist Postverdindung mit Trakehnrn. Da grüne Jägergewand läßt sich noch häufiger im Dorfe sehen, wiewohl hier ohnehin schon da» waidmännische Moment stark hervortritt. Eifrig ist man im Walde mit dem „Verhören" der Hirsche beschäftigt, denn mittler weile hat die Brunst derselben, durch die kalten, Hellen Nächte gesteigert, ihren Höhepunkt erreicht, dumpf hallt da« Gebrüll der männlichen Thiere in stiller Nacht in« Dorf herüber: die Zeit der Jagd ist da. Nachdem der Tag der Ankunft bekannt geworden, schmückt man die Häuser und Straßen. Es bedarf dazu keiner Anregung irgend welcher Art, Jeder thut, wa« in seinen Kräften steht und folgt dabei seiner besonderen Neigung. So entstehen allent halben Ebrenpforten, oft reckt primitiver Art; allein der Kaiser weiß gewiß, daß diese Aeußerungen der Liebe au« auf richtigem Herzen kommen und freut sich de« Willkommen«, da« ihm Tbeerbudes Bewohner alljährlich in dieser Form bieten. Am Tage der Ankunft ist Alle« aus den Dorfstraßen und hat Festkracht angelegt, und unter die Schaar der Dörfler mischen sich Besucher aus der Umgegend, die den Kaiser sehen und begrüßen wollen. In Trakehnrn verläßt der Kaiser, schon im grünen Jager kleid, den Estrazug und besteigt den mit vier feurigen Trakehner Rossen bespannten Wagen. Die Fahrt bi« nach Theerbude dauert 2 bis 2^r Stunden. Auf der Chaussee bi« Naffaven fliegen die Renner pfeilschnell dahin, dann aber geht« sandige Waldwege, die da« VorwärtSkommen erschweren. Bei Naffaven erreicht der Kaiser die Rominter Haide. Am Waldrande, wo den Weg eine Ehrenpforte überspannt, hält zu Pferde der Oberförster von Naffaven, z. Z. Forstmeister von Saint Paul, erstattet Meldung und begleitet, zur Seile de« Wagen« reitend, den Kaiser durch sein Revier. In Theerbude empfängt man den hohen Gast mit einem kräftigen Hurrah, hier und da überreicht eine besonder- kühne Dame ein Sträußchen und erröthet tief, wenn der Kaiser e« im Vorbei fahren ihr mit sicherer Hand abnimmt. Auf dem Schloßbose ist die ganze Jägerei der Haide versammelt, aus Waldhörnern ertönt der „Fürstrngruß", der Kaiser steigt ab und begrüßt die Herren; er kennt sie Alle, denn unter ihnen ist Mancher, der ibn auf seinen Pürscbgängen mit Erfolg geführt bat. Nuamebr begiebt sich der Kaiser in« Schloß, über besten mit FelSsteinen beschwertem Dache die rothe Königsstandarte in die Höhe geht, die dort so lange weht, al« der Kaiser im Schooße der Rominter Haide weilt. — Später erst trifft da« Gefolge und da« milgeführte Gepäck ein; die sandigen Wege ermöglichen den Wagen nur ein langsame- Weiter kommen. Der Kaiser fahrt in der Regel zwei Mal täglich zur Jagd, zunächst in den Frühstundrn gegen 4 Uhr, da» zweite Mal gegen 4 Uhr Nachmittag«. Schon die Fahrt allein nimmt oft mehrere Stunden in Anspruch, denn einzelne Beläufe der Oberförster««» Szittkehmen und Naffaven, in denen der Kaiser mit Vorliebe pürsckt, liegen mehrere Meilen von Theerbude entfernt. Den Eutscheid über da« Ziel giebt der Kaiser auf Grund der vorliegenden Rapporte. Täglich um die Mittag-zeit erschienen die 20 Unterförster der Ro minter Haid« bei ihren in Tbeerbude anwesenden Cbefs und erstattetcn Meldung über ihre Beobachtungen, betreffend den Standort starker Hirsche; jene rapportirtrn dann wiederum dem Kaiser. Nachdem nunmehr seit Sommer vorigen Jahres die Haid« mit einem Tdelepbonnetz überzogen ist, da« die einzelnen Förstereien mit den Oberförstereien und der Eentralstelle in Theerbude verbindet, ist die erwähnte Art der Meldung fortgefallen und die Rapportiruna erleichtert. Ständige Begleiter de« Kaiser- auf seinen Pürsckfahrlen sind der Oberbofjägermeister Graf zu Dohna, Forstmeister v. Saint Paul-Nassaven, der übrigen« damit beauftragt ist, den Kaiser auch sonst über die forstlichen und waidmännische» Verhältnisse der Haide zu informiren, ferner der Oberförster des Revier-, in dem gepürscht werden soll, der kaiserliche Büchsenspanner, einige Forstunterbeamte und der Führer des Kaiser«, in der Regel der Unterförster deS betreffenden Belauf«. Außerdem ladet der Kaiser gewöhnlich noch einen oder zwei Herren seine« Gefolge- zur M-tfadrt em, viel fach begleitet ihn auch der Thrermaler Friese, der von besonder« starken Hirschen, die erlegt werden, Oelskizzen entwirft. — An Ort und Stelle kalten die Wagen und die Pürsche beginnt. Der Kaiser schießt, die Büchse auf den gegen einen langen Stab gestemmten Arm de« Büchsenspanners aufgelegt; er ist ein vortrefflicher Schütze und bat schon manchen capitalen Achtzehnender im Lause der sechs Jahre in der Haide geschossen. Ein glücklicher Schuß wird durch einen Einschnitt in den erwähnten Stab ver zeichnet. Die Jagd in der Haide ist keineswegs leicht, zumal stärker Hirsche als Zwölfer schon ziemlich selten geworden, und schlechte« Wetter, Regen oftmals die zuverlässigsten Be rechnungen zu nicht« machen, da die Hirsche dann ihren Standort häufig wechseln. So kommt denn der hohe Jäger durchaus nicht immer zum Schuß und muß oft genug ohne Jagdbeute die Heimfahrt antreten. Immerhin thut da« der guten Laune keinen Abbruch, man zündet wohl, wenn man auf der Nachmittags- pürsche, im Walde ein Feuer an und restaurirt sich hier bei einem frugalen Imbiß und vergnügtem Geplauder. Die Ankunft auf Rominten erfolgt de-halb selten vor 10 Uhr Abend-, während der Kaiser von der Frübpürsche schon gegen 8 Uhr Vormittag« zu Haus« zu sein pflegt. Ist die Jagd erfolgreich gewesen, so schmückt ein Tannen- rei« de« Kaiser« Jägerhut. Der Hirsch wird auf« Jaqdbaus gebracht und dort spät Abends nach Jägerart die Strecke vorgenommen: eine feierliche Eeremoni«, Vie mit dem auf
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