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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960925022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-25
- Monat1896-09
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Beel»««, «Mer »E N*da«ttM«-strich (4ge- spalten) bV^j, vor den Familiennachrichte« (kgejpalln,) 40^- Größer« Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer »ah Ziffern!«» »ach höherem Tarif. krtra-vkilagru (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförverung vö—, mit Postbeförderuag 70.—. Annchmeschlnß för Anzeige«: Abend-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr, Margen-Au-gabe: Nachmittag- - Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Aureiien sind stets an di» Erpehitioa zu richten. Druck and Vertan ", r Potz kn geivzig "!90. Freitag den 25. September 1896. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntniachuiig. Mit Rücksicht aus die Beendigung der Messe haben wir be schlossen, die Bekanntmachung vom 18. vor. Mon., betr. die Ab haltung eines Theilcs Les Großhandelsmarktes auf der Levlay-, Jablonowsky- und Turnerstrabe, vom Sonnabend, den 26. d. Bits., an außer Kraft zu setzen. Bon und mit diesem Tage dürfen die drei genannten Straßen nicht mehr zu Marktzweckcn benutzt werden. Der Großhandel mit den in der Bekanntmachung vom 14. Juli dss. IS. bezeichneten, zum offenen Markte zugelasscnen Waaren bat demnach wie zuvor ausschließlich aus den darin ausgeführten Plätzen (Roßplatz und Königsplatz) stattzufinden. Leipzig, den 23. September 1896. Ter Natt, der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Lindner. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2ö. September. Es ist also doch richtig, daß Fürst Bismarck auf eine Anfrage des Gouverneurs von Texas als platonischen Freund der Toppclwährnttg sich erklärt hat. Er legt indeß augenscheinlich Werth darauf, daß aus dieser Kund gebung keine falschen Schlüsse gezogen werden, denn er ver öffentlicht in den „Hamb. Nackr." nicht nur den genauen Wortlaut seiner Antwort, der von der im „New L)ork Hcrald" mitgetheilten Lesart etwas abweicht, sondern auch das ameri kanische Anschreiben. Dieses lautet: Executive Osfice State of Texas. Austin, Texas. Juli 1. 1896, Seiner Durchlaucht Fürsten Otto von Bismarck, Friedrichsruh. Euer Durchlaucht wird nicht unbekannt jein, daß dem Volke der Vereinigten Staaten bei der diesmaligen Präsidentenwahl die große Finanzfrage vorliegt, ob cs für dasselbe besser sei, die einfache Goldbasis oder den BimetalliSmus anzunebmen. Die Gründe für und gegen beide Währungen sind Euer Durchlaucht wohl- bekannt, doch wird hier von den B i m e t a l l i st e» besonders geltend gemacht, daß der GoldVorrath zum Prägen un- genügend für den Bedarf sei und die alleinige Goldwährung daher noch mehr niederdrückend auf alle anderen Werthe wirken muß. — In einer Rede eines Mitgliedes LeS Eongresses der Bereinigten Staaten fand ich kürzlich die Bemerkung, daß Euer Durchlaucht bei einer Gelegenheit erklärt habe, Gold sei nicht die beste Basis, La nicht genügend vorhanden, und daran die Bemerkung geknüpft, Sie fürchteten, die Decke werde nicht groß genug für Alle sein. Tiefe Bemerkung erschien mir als höchst passend und wichtig und hat ohne Zweifel den gleichen Eindruck auf Taufende von Anderen gemacht. Es ist unnöthig zu versichern. Laß Eurer Durchlaucht Meinung über diesen Gegenstand von großer Tragweite ist. Außer dem großen und einflußreichen deutschen Element ehren auch die Amerikaner in Eurer Durchlaucht den be deutendsten und größten unserer lebenden europäischen Staatsmänner, welcher Ansicht auch ich mich stets angeschlossen habe. In Rücksicht hierauf erlaube ich mir, im Interesse des Volkes der Bereinigten Staaten, Eurer Durchlaucht folgende Fragen vorzulegen, mit deren gütiger Beantwortung Sie bei Millionen meiner Landsleute jeden Zweifel in dieser Frage heben würden: 1) Welches ist nach Euer Durchlaucht Meinung die beste Finanzpolitik für civilisirte Nationen, Goldwährung oder Bimetallismus, und aus welchem Grunde? 2) Welchen Einfluß würde nach Euer Durchlaucht Ansicht die unmittelbare Annahme der Doppelwährung durch die Bereinigten Staaten auf die Sache des Bimetal lismus in Deutschland und auf den Handel der übrigen großen civilisirten Völker haben? Indem ich wagte, Euer Durchlaucht mit dieser Anfrage zu be lästigen, geschah es sm Interesse von Millionen meiner Landsleute, von Lenen eine große Anzahl von deutscher Abkunst, die, bei alle« Loyalität für die neue Heunath, Loch die Liebe zum alten Bater- lcmde nicht, vergessen haben, und iin Vertrauen aus Euer Durch laucht Großmuth, die auch einem fremden Bolke eine Belehrung in dieser Hinsicht nicht vorenthalten wird, und zeichne ich mit Be- wundcrung und Verehrung Euer Durchlaucht unterthänigster Diener gcz. Cha rles A. Culberson, Gouverneur des Staates Texas. Die darauf ergangene Antwort des Fürsten lautet: Friedrichsruh, Leu 24. August 1896. Seiner Hochwohlgeboren, dem Herrn Charles A. Culberson, Gouverneur von Texas, Austin rc. Geehrter Herr! Ihr gefälliges Schreiben vom 1. Juli d. I. habe ich erhalten. Ich habe stets Vorliebe für Doppelwährung gehabt, ohne, als ich im Amt« war, den Sachverständigen gegenüber mich für unfehlbar zu halten. Ich glaube noch heule, daß es sich empfiehlt, LaS Einverständniß der am WcUvertehr vorzugsweise bctlieiligten Staaten in der Richtung bei Doppelwährung zu erstreben. Tie Bereinigten Staaten sind w i r t h s ch a f t l i ch freier in ihrer Bewegung wie jeder einzelne der europäischen Staaten, und wenn Nord - Amerika es niil leinen Jntere>>en vereinbar fände, in der Richtung der Doppelwährung einen selbstständigen Schritt zu thun, so glaube ich, daß cm wlcher aus die Herstellung internationaler Einigung und den Anschluß der europäischen Staaten von förderlichem Einflüsse jein würde. Mit der Versicherung meiner au-gezeichnetsten Hochachtung bin ich Euer Hochwohlgeboren ergebenster Diener von Bismarck. Aus der Anfrage ist ersichtlich, daß Fürst DiSmarck sie, ohne sehr unhöflich zu sein, nicht unbeantwortet lassen tonnte. Aus seiner Antwort aber gebt hervor, daß er nicht gewillt war, so rund unv geradezu, wie der Fragesteller es gewünscht batte, sich zu äußern. Obgleich er im Eingang seine alte Vorliebe für Doppelwährung betont, eine Borliebe, die auch viele von denen in Deutschland tbeilen, die gegen jedes gewagte Experiment auf dcmWährungszebieteElnfprache erheben,betont er ausdrücklich, daß er, so lange er im Amte war, den Sachver- sländigen gegenüber sich nicht für unfehlbar gehalten habe. Er deutel damit an, daß es für alle Staatsmänner, die nicht Sachverständige auf diesem Gebiete sind, sich empfiebll, den wirtlich «sachverständigen sich unterzuorbnen. Nach dieser lehrreichen Einleitung giebt er auf die Frage, welches nach seiner Meinung die beste Finanzpolitik für civilisirle Nationen sei, Goldwährung oder Bimetallismus, die vorsichtige Antwort, er glaube, es werde sich empfehlen, „das Einverständniß der am Weltverkehr vorzugsweise be- theiliglen Staaten in der Richtung der Doppelwährung zu erstreben", und noch vorsichtiger zurückhaltend ist seine Antwort auf die Frage, welchen Einfluß nach seiner Ansicht die unmittelbare Annahme der Doppelwährung durch die Bereinigten Staaten auf die Sache des Bimelallismus in Deutschland und auf den Handel der übrigen großen civili sirten Völker haben werde. Er sagt nicht einmal, daß nack seiner Meinung die unmittelbare Annahme der Doppelwährung durch die Bereinigten Staaten sich empfehle; statt eine solche bestimmte Erklärung abzugeben, nimmt er Gelegenheit, die im Vergleich zu den einzelnen europäischen Staaten große wirthschaftliche Freiheit der Vereinigten Staaten zu betonen. Aber auch trotz dieser Betonung giebt er es dem Fragesteller anheim, zu prüfen, ob es mit den Interessen Nordamerikas verträglich sei, in der Richtung der Doppelwährung einen selbstständigen Schritt zu khun. Er erwartet allerdings von einem solchen, auf die Herstellung internationaler Einigung gerichteten Schritte einen förderlichen Einfluß, aber er macht sich von jeder Ver antwortung für einen solchen Schritt durch den Hinweis auf die Pflicht der Vereinigten Staaten, ihre eigenen Interessen zu prüfen, vollständig frei. Auf die Frage, ob die Goidtccke groß genug für Alle sei, läßt er sich als nicht sachverständig uarnicht ein. Es ist Laber sehr fraglich, ob der Em pfänger der Antwort des Fürsten aus dieser Capital für sich zu schlagen vermag. Ein Deutscher, der es versuchen wollte, den Brief des Fürsten so umzudeuten, als empfehle Lieser für Deutschland einen Schritt nach der Richtung der Doppelwährung, würde sich einer groben Fälschung schuldig machen. Mit Sperrdruck meldet heute die „Post": „Bon den infolge der armenische» Wrrre» im türkischen Reiche nach dem Mitte lmeer beorderten vier Fregatten „Stosch", „Stein", „Moltke" und „Gneiscnau" werben einige ihre Ausrüstung derart beschleunigen, daß sie bereits morgen die Ausreise anireten können. Zur Zeit liegen die Fregatten „Moltke", „Ctosch" und „Gncijenau" im Trockendock der kaiserlichen Werst zu Kiel, um sie auch außenbords für ihre Winterauslandsreisen vorzu- bereiten." Wenn diese Melkung sich bestätigt, so werden trotz aller Dementis wohl auch die Meldungen richtig sein, tie von russischen Flottenbewegungen und der Verstärkung des französischen Geschwaders in den levantiscken Gewässern um zwei Panzer und zwei Kreuzer berichten. Und befremden könnte dies trotz aller Beschwichtigungsversuche, die auS luetischer Quelle fließen, nicht. Bei den Berichten aus Kon stantinopel muß man jetzt mehr denn je genau zwischen den von amtlicher türkischer Seite herrübrenden und den aus anderen Quellen stammenden unterscheiden. So wird, während es in den letzteren beißt, es sei die Pforte benach richtigt, daß für Len 30. d. M. neue armenische Anschläge geplant würden, und während auch sonst gemeldet wird, daß die Lage in Konstantinopel nach wie vor eine überaus un sichere sei, in Len Berichten amtlichen türkischen Ursprung» zu beruhigen gesucht. Es wird sogar das strenge Vorgehen gegen die Armenier in Abrede gestellt, und solche englische Blätter, denen jetzt daran gelegen ist, die Wogen der Be wegung für die Armenier einzudämmen, unterstützen die Be schwichtigungsbemühungen, indem sie sogar weitergehenden Meldungen, wie, daß eine Bersöbnung der Armenier un gebahnt werde, Raum geben. Letzteren Meldungen wird ebenso Mißtrauen entgegcnzubringen sein, wie entgegen gesetzten alarmirenden. Thalsache ist, daß die Botschafter, bez. die Mächte, nach wie vor die größte Wachsamkeit ent wickeln. Aus Wien liegt in einer anscheinend osficiösen Meldung der „M. Allg. Ztg." die Nachricht vor, daß der letzte Ministerrath unter dem Vorsitz des Kaisers sich nur mit den Vorgängen in der Türkei beschäftigt habe. Diese hätten die Regierung vor die Nolhwendigkeit gestellt, für alle Möglichkeiten Vorkehrungen zu treffen und grundsätzliche Beschlüsse zu fassen, um in jeder Hinsicht vorbereitet zu sein. Zn den Wiener Regierungskreisen wirb die Lage als ziemlich ernst betrachtet, und besonders ist es die persönliche Haltung des Sultans, die Bedenken erregt. Der Sultan, der seit jeher überaus ängstlich war und für die Sicherheit seiner Person fürchtete, soll jetzt noch weit mißtrauischer und ver schlossener geworden sein, was den Verkehr mit ihm wesent lich erschwere. Vertrauen scheint er nur noch zu Deutschland zu haben, in Telegramm der „Voss. Ztg." aus Konstantinopel meldet sogar, Grumbkow Pascha sei mit einem Hand schreiben deS Sultans an den Kaiser nach Berlin abgereist. Da wäre es denn kein Wunder, wenn die Mächte weitere Vorsichtsmaßregeln träfen, um nickt von un erwarteten Ereignissen überrascht zu werden. Auch in den türkischen Provinzen siebt es nichts weniger als geheuer auS; besonders in Makedonien nimmt die aufständische Be wegung überhand und auch aus Kreta kommen Nachrichten, die beweisen, daß dort die vermeintlich hergesteüle Ruhe noch viel zu wünschen übrig lasse. Zu den wenigen Politikern in Frankreich, die sich kurz vor dem Besuche teS Zaren noch mit Fragen über die Bedeutung und die Folgen dieses Besuches beschäftigen, gehört der ebemalige bonap artistische Abgeordnete Robert Mitchell, der im „Matin" die Frage erörtert, ob der Zar Krieg oder Frieden bringen werbe. Er sagt: „Aus den Rriea darf man nicht zählen, oder vielmehr — um verständig zu reden — es ist kein Grund vorhanden, ihn zu befürchten. In der Tdat soll ja die sranzösiich.russische Allianz — was mein Freund Tsronlsde auch dagegen emwenden mag — uns die Wohlihatcn des Friedens sichern. Schon hallen Deutschland, Oesterreich und Italien sich über ein gleiches Ziel geeinigt; aber der Dreibund verfügte über so mächtige Heeres- kräste, daß die Möglichkeit nahe lag, er könnte eines Tages versucht jein, sie zu benutzen. Uni ihn gegen ein unbesonnenes Unternehmen und zugleich uns selbst zu schützen, haben wir durch eine neue Grnppirung dem Dreibünde ein Gegengewicht gegeben. So ist das europäische Gleichgewicht abermals hergestellt. Ich weß wohl, daß Eljaß- Lothringen in einer der Schalen — leider nicht in der unsrigen! — eine Zugabe bildet; aber wie es icheint, könnte man diese nicht aus der Waagschale zurückziehen, ohne das kostbare Gleich gewicht zu zerstören. Ta müssen wir, das ist selbstverständlich, dem Weltfrieden unsere Interessen, unsere Erinnerungen und hauptsächlich unsere Hoffnungen opfern." Dank dem russisch-französischen Einvernehmen, fährt Robert Mitchell fort, ist dieser Friede nun auf Zabre gesichert; denn rin Krieg würde jetzt eine so schreckoaste Gestalt an nehmen, Laß kein Monarch, keine Regierung wagen würde, ibn zu entfesseln. Da sollte man meinen, ter bewaffnete Friede, der kostspieliger ist al« der Krieg, müßte endlich auf hören, und der Besuch de« Zaren in Pari- sei das Signal, um die Gewehre in die Ständer zurück,zustellen. „Durch die Macht der Umstände ist Nicolaus II. der Herr der Geschicke Europas geworden. Sein Wille kann Wolken anhäufen und den Sturm entiesseln. Ich sage: jein Wille und nicht: der unsrige; denn wenn es ihm beliebte, morgen in den Krieg zu ziehen, jo vermöchte keine menschliche Gewalt uns zu hindern, ihm zu folgen. In diesem Falle würde die öffentliche Meinung, die in Frankreich souverän ist, unsere Regierung nicht frei entscheiden lassen. Der Zar befindet sich daher in einer ausnahmsweise günstigen Lag«, sei es, um Europa zur gütlichen Beilegung der Streitfragen zu zwingen, welche künftigen Conflicten als Borwand dienen könnten, sei ««, um die Großmächte zu einer allgemeinen Abrüstung zu zwingen (?). Da Jedermann darüber einig ist, daß das Schwert nicht gezogen werden solle, so einige man sich darüber, der militairischen Schaustellung, die uns ruinirt und lähmt, ein Ende zu machen! Entweder sofortiger Krieg oder endgil- tiger FriedenI Nicolaus H. kann Deutschland vor diese Wahl stellen (?)." Da dieser Appell an den Zaren und nickt an den deutschen Kaiser sich richtet, so braucht man sich bei uns nicht darauf einzulasseu. Für uns ist lediglich von Interesse der Hinweis Mnchell's, es sei selbftverständlick, daß Frankreich dem Weltfrieden seine Interessen, seine Erinnerungen und hauptsächlich seine Hoffnungen opfern müsse. Sollte diese Auffassung sich in Frankreich Bahn brechen, so wäre Die Tochter des Geigers. Ikf Roman von A. Brüning. Nachdruck verboten. Walter preßte seine Hand in tief innerer Bewegung. „Du kamst zur guten Stunde für mich", sagte er leise. „Ich komme wieder incognito in Dein HauS wie damals", fuhr der Fürst fort, „doch diesmal hoffe ich, Dir kein Unheil zu bringen." „Du kamst mir zum Segen!" „Za, ich bin gekommen, wieder gut zu machen, wenn eS möglich ist, vielleicht kann noch Alles gut werden. Laß unS hineingehen, ich habe Dir so viel zu sagen, und mir ist, als könnte ich eS leichter in dem Raume, dem sie den Stempel ihrer Seele ausgedrückt hat." Sie saßen lange bei einander in dem trauten Familien zimmer. Als sie um Mitternacht wieder auf den jetzt mond hellen Vorplatz hinaustraten, da leuchteten Walter'S Augen, und auf seinen Zügen lag eS wie Hoffnungsschimmer. „Ich wagte es nicht zu denken", sagte er leise wie im Traum; „die bloße Voraussetzung der Möglichkeit erschien mir wie ein Raub an Dir, wie ein Zweifel an ihrer Treue." „Wir bleiben Gott getreu, indem wir uns selbst getreu bleiben, — ich bin vermählt und halte meine Pflichten heilig. Lia s fromme, starke Seele bat keinen Raum für verbotene Liebe, sie wird sie in ein reineres Gefühl verwandeln." „Aber sie wird auch nie mehr der Liebe zu einem Andern fähig sein! ..." .... „Du vergißt, daß für eine Natur wie die ihre, glücklich machen, glücklich sein heißt. Wenn Du Geduld haben und warten willst, bis unter dem Sonnenschein Deiner Liebe sich auch in ihrem Herzen allmählich die Blüthe der Neigung ent faltet, wenn Du Dich bis dahin mit dem begnügen willst, was sie Dir zu geben vermag, so kann noch Alle- gut werden. Nein, Du bist mir keinen Dank schuldig", wehrte er Walter ab, „mich beraubst Du nicht, mir bleibt sie der Stern, der in mein Leben hineingeleuchtet, auch wenn sie Dein geworden. Mir war sie nun einmal nicht beschieden, da werde ich dem Himmel danken, wenn ich meine zarte Waldblume an Deinem treuen Herzen geborgen weiß." „Edgar, so bfft Du nicht ganz unglücklich, Du bereuest nicht, da» Forsthaus jemals betreten zu haben?" fragt« Walter, mit forschendem Blick des Fürsten Antlitz betrachtend, „sieh, das nimmt eine BcrgeSlast von meiner Seele." AuS Edgar'S Augen brach ein warmer Strahl. „Es bereuen?" rief er auS, „nein, nimmermehr! Wen eine Lia Rose geliebt hat, der ist nicht zu beklagen. Die Liebe eines edlen WeibeS ist ein unverlierbarer Schatz, der den jenigen, dem er zu Theil wirr, hoch begnadet. Mick bat sie zum Manne gemacht, was Gutes an mir ist, waS ick Gutes wirke, das banke ich vor Allem ihr. Golt wird mir helfen, eS an ihrem Vater ihr zu vergelten", setzte er leise hinzu. „Die Welt muß ihm den Lorbeer reichen", sagte sie einst zu mir, als sie mir von dem Bater erzählte, „und dieses Einzige wenigstens kann und darf der Fürst ihr ge währen." Seine Hand hielt eine weiße Rolle umfaßt, die er jetzt wie betbeuernd in die Höhe hielt. „Die Welt soll Guilio Goldini's Composition vernehmen", sagte er feierlich, indem er zu der Sternenpracht emporsab, die über seinem Haupte strahlte. „Du sollst ihr meinen Plan mittheilen, es ist ja eine Freude, deren Vermittler Du ihr damit wirst, das wird Dich näher bringen — und nun lebe wohl!" Er schwang sich auf sein Roß, winkte noch einmal mit der Hand einen Gruß und sprengte davon. Walter sah ihm leuchtenden AugeS nach, dann preßte er beide Hände vor sein Angesicht. „Wenn es möglich wäre", flüstert« «r. „O, mein Gott, wenn ,» doch noch möglich wäre!" XIX. Zum ersten Male seit Fürst Eberhard'» Tode waren die Festräume des alten Residenzschlosses zu S. wieder geöffnet. Der sogenannte „neue Flügel", den der prachtliebrnde ver storbene Fürst mit verschwenderischem Luxus hatte ausstattrn lassen, und in dem er seine rauschenden Festlichkeiten ab- zuhalten pflegte, strahlte zur Feier de» Geburtstages der Zungen Fürstin in einem blendenden Lichtmeer. Zn dem großen, hallenartiaen Marmorsaalr, der ungefähr die Mitte der glänzenden Zimmerflucht einnabm, sollte wieder eine« jener Hosconcerte statlfinden, die zu Fürst Eberhard'« Zeiten eine Art von Berühmtheit erlangt batten, wenngleich in denselben weniger der Kunst gehuldigt worden als dem Amüsement. Da» große Bild, da» dir Mutelwand früher einnahm und da» die Musen in leichtgeschürzter Gewandung darstellte, kennzeichnete die Art der Musik, die hier gepflegt worden. — Da» Gepräge, da» der Saal heut« trug, war ein wesentlich anderes. Statt der exotischen Pflanzen, die ihn früher mit schweren, betäubenden Wohlgerüchen durch zogen, bestand sein Schmuck beute zumeist aus Waldblumen und frischen Gewinden von Tannen und Eichengrün, die sich längs der Marmorwände binzogen und den ganzen Raum mit erquickendem Waldesdufi füllten, und statt der Musen blickte keusch und ernst die heilige Cacilia von der Mittelwand nieder. Es war ein meisterhaft ausgeführtes Gemälde; daS Antlitz der Heiligen, deren Hände auf der Orgel ruhten, war von hinreißender, wahrhaft überirdischer Schönheit; in ihren kindlich reinen Zügen verschmolzen sich unschuldsvolle Liebli .- keit und heilige Begeisterung zu einem fast überwältigenden Ausdruck. Dieses Bild, von dem Niemand wußte, wer eS gemalt hatte, erhöhte die gespannte Erwartung, die über dem aus erlesenen Publicum lag, das heute den Marmorsaal füllte; ein Jeder versprach sich etwas Außerordentliches von dem bevorstehenden Concert, dessen Programm in so grellem Widerspruch zu denen der früheren musikalischen Feste stand. „Zephta's Tochter", so hieß das Werk, da» zur Aufführung gelangen sollte, und daS der Componist, ein unbekannter Künstler, der noch dazu blind war, selber dirigiren würde. „Giulio Goldini?" Des Namen- vermochte Niemand sich zu entsinnen, eine unerhörte Thatsache an diesem Hofe, wo man gewohnt gewesen, nur der Berühmtheit Weihrauch zu streuen. Die Personen, die die Hauptpartien de» Oratorium» singen würden, waren eine fremde, junge Sängerin, — wi« man sagte, die Tochter deS Eomponisten — und ein be rühmter Sänger des Auslandes. In der Tbat, diese Tbat- sachen in Verbindung mit der ungewohnten Ausschmückung deS Saales genügten, um die ganze Hofgesellschaft in einen Zustand fieberhafter Spannung ru verletzen, brr deutlich charakteristrt wurde durch die flüsternden Gruppen, die sich überall in dem um den Saal herumlaufenben Säulengange drängten. Leise tauscht« man da s«ine Meinungen auS. Es war unmittelbar vor Beginn des ConcerteS. Die Fürstin Therese saß bereits, vom Strahle des Glückes um flossen, in ihrem purpurnen Sessel unter d«m Thronhimmel, umgeben von ihrem Hofstaat. Aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf die Flügelthür drüben, durch welche die Hauptperson«» deS Abend» «inlreten mußten. Endlich wurde sie aufgelhan, — am Arme des Fürsten betrat die fremde Sängerin die Tribüne. Ein „Ah!" — deS Staunen» ging bei ihrem Anblick durch den weiten Saal: war die heilige Cäcilie droben aus ihrem Nahmen hernieder gestiegen? Wie ein einziger Gedanke erwachte die Ueber- zeugung in sämmtlichen Anwesenden, daß das Original Les BildeS vor ibnen siebe, dessen reine Schönheit auf Alle einen so mächtigen Eindruck gemacht hatte. Wie von einem Zauderbann gefesselt, schauten alle diese hundert Augenpaare auf die zarte Mädchengestalt, die wie eine himmlische Erscheinung in hebrer, fremdartiger Schönheit vor ihnen stand. Fremdartig genug mochte sie allerdings der Hofgesellschaft erscheinen, die es gewohnt war, dort oben nur seidenrauschende Gestalten in kostbaren Pariser Roben zu seben. Um die schlanken Glieder floß in klassisch strengem Faltenwurf ein milchweißes, von zartblauen Streifen um säumtes Gewand aus dem feinsten indischen Wollengewebe, dessen einziger Schmuck in einem Goldgürtel bestand, der cs um die Taille zusammenbielt. Auf dem goldbraunen Scbeitel lag ein Kranz von weißen Rosen, während am Hinterkopf ein schmaler Goldreif die reiche Lockenfülle zu einem dickten Knoten zusammenfaßte, auS dem sich indeß einige der krausen Ringeln Herausdrängien unv lose auf die Schultern herab hingen. Lia Rose, — denn sie war eS, schien noch schöner geworden zu sein seit der Zeit, wo wir sie im Walde verließen. Der große Schmerz, den sie erlebt, batte das zarte Oval ihrer Züge noch schmaler und vergeistigter, ihren Teint bleicher und durchsichtiger gemacht, so daß an den Schläfen das feine Geäst der Adern bläulich burchschimmerte. Mit dem jetzt begeisterung-verklärten Antlitz, daS eine mächtige innere Bewegung offenbar beseelte, erschien sie wie eine ideale Ver körperung der edlen biblischen Jungfrau, deren Rolle sie an an diesem Abend singen sollte. Von den Lippen der Höflinge schwand das mitleidige Spottlächeln, mit dem Biele von ihnen „die Unbekannte" erwartet batten, und als sie jetzt, von dem Fürsten bis Vicht an die Rampe geführt, vor seiner jungen Gemahlin sich an- inuthSvoll neigte, da erhob sich plötzlich, wie auf ein gegebene- Zeichen «in brausender Jubelsturm. Fürstin Therese zog die Eängerin in aller Liebenswürdigkeit an ihre Seite. Mit einem Blick stolzer Genugihuung schaute Fürst Edgar auf die Menge, die, einem unwillkürlichen Impulse gehorchend, den Zoll der Bewunderung dem Mädchen überbrachte, das er ihr einst hatte zur Fürstin geben wollen. Dann geleitete er selbst den blinden Componisten, der bi»her fast unbeachtet geblieben war, zu seinem Dirigentenpulte. Wie mit einem Zauderschlag« verwandrlte sich Giulio
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