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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960926024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-26
- Monat1896-09
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Unter der Ueberscbrift „Polnisch-KlerikaleS" schreiben beute, zweifellos vom Fürsten Bismarck inspirirt, die ^Ham burger Nachrichten": „Die ultramontane Presse, an ihrer Spitze die „Köln.Volksztg", fährt fort, dir Polen in Schutz zu nehmen und die Verantwortlich« leit für die vorgekommenen Excesse den Deutschen zuzuschiebrn; denn der Nationalitätenhader wäre von deutscher Seite provocirt worden, wie der Eulturkamps von preußischer. Die eine Behauptung ist so unwahr wie die andere, und die klerikale Presse beweist, indem sie sie aufstellt, lediglich, daß ihrer Partei an der Rechtfertigung und an dem Fortbestände der polnischen Bewegung gelegen ist. Der Eulturkamps ist durch die Uebergriffe der römischen Kirche hervorgrrufen, die den Staat zur Abwehr nöthigten; der Staat hatte kein Interesse daran, ohne Noth einen Kampf heraufzubeschwören, der ihn in Gegensatz zu einem namhasten Bruchtheile seiner eigenen Bevölkerung bringen und Unzuträglichkeiten unerwünschtester Art im Gefolge haben mußte. Aeußerlich ist der Eulturkamps dadurch zum Ausdruck gekommen, daß ein Schullehrer in Ermland, der Las päpstliche Jnfallibilitätsoogma nicht anerkennen wollte, kirchlich interdicirt, staatlich aber gehalten wurde. Man muß völlig von staaatswidrigen, rein klerikalen Vorstellungen beherrscht sein, um daraufhin zu behaupten, der Staat sei im Culturkamvfe der provocirende Theil gewesen. Genauso ist es hinsichtlich der polnischen Bewegung mit dem angeblichen Verschulden auf deutscher Seiie bestellt. Die Unterdrückung des polnischen Bolks- thums und der polnischen Sprache hat, namentlich in der letzten Zeit, doch schwerlich einen Programmpunct der preußischen Politik gebildet; im Gegentheil ist den Polen gegenüber, mehr als gut war, Versöhnlichkeit und Entgegenkommen geübt worden. Trotzdem, oder richtiger, in Folge dessen ist das ruchlose Wort: „Schlagt die deutschen Hunde todtl" zum Feldgeschrei der polnischen Bewegung geworden. Es bat beim letzten Excesse von Opalenitza den polnischen Knütteln und brennenden Fackeln den Weg gewiesen und zu den bekannten öffentlichen Aufforderungen der Polen geführt, die Häuser der Deutschen niederzubrennen! Was von preußischer Seite selbst in Len Zeiten einer energischen Polenpolitik an Erlassen, betreffend den Gebrauch der deutschen Sprache in amtlichem Verkehre, beim Schulunterricht u. s. w. ergangen ist, bewegt sich ebenso wie Maßregeln der deutschen Ansiedelung durchaus innerhalb des Rahmens der Pflichten, welche der preußischen Regierung zur Herbeiführung der allmählichen Germanisirung der ehemals polnischen Landes- theile oblagen. Es ist den Polen zu keiner Zeit durch An wendung drakonischer Mittel Grund zur berechtigten Unzu friedenheit gegeben worden, oder gar zu revolutionairen Ausbrüchen. Das steckt den Polen im Blute, wie der Hang zur politischen Jntrigur. Wenn die Polen auf einen preußischen Districtscommissar in seiner Eigenschaft als Vertreter der preußischen Staatsautorität einhauen, um sür den Primas von Polen, den Erzbischof von Stablewski, als interimi- stischen König von Polen, also für die Wiederaufrichtung des Königreichs Polen zu demonstriren, so ist das doch ein revolntio« nairer, landesverrätberischer Exceß, welchen die Polen begehen, und wer sie wegen desselben entschuldigt oder gar rechtfertigt, wie dies die deutsche klerikale Presse thut, setzt sich dem Verdachte aus, daß er die Tendenzen des Polonisinus billigt, also aus Staats- und Reichsfeindschaft handelt. Wir glauben, Laß diese Haltung der klerikalen Presse den polnischen Excessen gegenüber für die wahre Haltung des Centrums sehr viel signifikanter ist, als zum Beispiel die Zustimmung der Partei zum bürgerlichen Gesetzbnche, von der wir nach wie vor überzeugt sind, daß sie keineswegs aus nationalem Impulse oder aus sachlicher Neber« zeugung hervorgegangen ist, sondern lediglich aus Berechnung des fraktionellen Bortheils. Das Centrum hat entweder be absichtigt, sich für andere Zwecke in den Schein nationaler Gesinnung zu setzen, oder einen Preis für zukünftige Loncessionen auf kirchlichem Gebiet» im Vorau« zu zahlen und die Regierung moralisch zu binden. Wir sind davon überzeugt, daß die ultramontane Partei im deutschen Reichstage, weil sie naturgemäß kein Interesse an der Erhaltung des jetzigen deutschen KaiserthumS mit protestantischer Spitze haben kann, niemals den nationalpolnischen Bestrebungen, mögen sie noch so bedenkliche Gestalt annehmen, entgegentreten und sie wirklich zu bekämpfen suchen wird; erstens, weil dies die Gefügigkeit der Polen als Hilsstruppe des Lentrum» schädigen würde', dann aber, weil dir römische Curie, als deren parlamentarische Vertretung wir da» Centrum im deutschen Reichs- tage zu betrachten haben, sehr wohl weiß, welche Wichtigkeit den Polen in denjenigen eur opiiischen Jntriguen unter Umständen zu allen kann, von denen derrömischeStuhldie Wiederherstellung seines seit 1870/71 verlorenen internationalen Einflusses erwartet. Wir brauchen, um die Richtung unserer Gedanken in dieser Beziehung anzudeuten, nur an die große und berechtigte Empfindlichkeit zu erinnern, die auf Seiten der russischen Politik in Bezug auf Alles obwaltet, was mit der polnischen Frage und ihrer Behandlung durch Preußen im Zu- sammenhang steht. Und kein Anderer al« der jetzige Erzbischof von Posen und Gnesen, Herr vr. von Stablewski, hat in seiner Thorner Rede unverhohlen es alS seine Auffassung erklärt, daß die Polen für den Fall eines Krieges es als ihr Recht in Anspruch nehmen könnten, zu entscheiden, auf welcher Seite der kriegführenden Parteien ihr Platz sei; — anderer Belege der angeblichen preußischen Staatstreue der Polen aus der Geschichte der polnischen Ausstände nicht zu gedenken! Daß sich das Polenthum seitdem geändert hätte, ist eine Auffassung, die durch die neuesten Vorgänge vollständig widerlegt wird. Wer das bestreitet, will sich überhaupt nicht belehren lassen. Beim Centrnm setzen wir das unbedingt voraus. Dafür sind wir der Ansicht, daß die Ereignisse der letzten Zeit auf polnischem Gebiete der preußischen Regierung Anlaß zu den allerer»stesteo Erwägungen geben, wie sie der Ausbreitung der uationalpolnijchen Bewegung mit allen vorhandenen Mitteln entgegentreten kann. Wenn die polnischen Katholiken ihren an sich berechtigten religiösen Gefühlen und ihrer Ehrfurcht vor dem „geistlichen Oberen" in einer Weise Ausdruck geben, bet der der Vertreter des preußischen Königs von den „polnischen Untrr- thanen des PrimaS" ü la Opalenitza mißhandelt wird, so glauben wir, daß es Zeit ist, diesen angeblich kirchlichen, in Wahr heit national.polnischen Demonstrationen ein Ende zu machen, gleichzeitig aber auch allen übrigen Uebelständen und Halbheiten, welche die Polen in ihren hochverrätherischen Umtrieben und in ihren Excessen gegen den preußischen Staat, gegen deutsches Eigenthum und Leben ermnthigen könnten." Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. September. Je länger die öffentliche Debatte über den «ational- liberalen Delegirtentag, von der wir unseren Lesern nur einen ganz verschwindend kleinen Tbeil mitzutdeilen für nöthig gehalten haben, dauert, um so mehr gewinnt man mit dem „Schwab. Merkur" den Eindruck, daß da reckt viel leeres Stroh gedroschen und dasjenige, waS praktisch noth- thut, allzusehr au» dem Auge gelassen wird. Es ist eine alte Erfahrung, daß ein erhitzter Preßstreit unter Freunden sehr leicht eine ganz unrichtige Auffassung der wirklichen I Aerhältniffe zu Wege bringt. Wer da» Lesen deutscher I .Zeitungen erst seit etwa einem Monat betrieben hätte, I er müßte der Ueberzeugung sein, die nationalliberale I Partei sei aus Rand und Band und ein paar Hundert I mehr oder weniger hervorragender Männer würden eigens I nach Berlin zusammenberusen, um sich über eine noth» I dürftige Wiedrrzusammenleiniung den Kopf zu zerbrechen. I Der in den wirklichen Verhältnissen etwas länger Bewanderte I weiß eS freilich anders. Er darf getrost bestreiten, I daß die Gefahr eine» AuSeinanderfallens der nationalliberalen I Partei heule größer sei als in irgend einem kritischen Zeit» I Punkte der Bergangenheit. Die trennenden Punkte, welche I die Einheit der Partei bedrohen, sind so reichlich erörtert, I daß jedes weitere Wort darüber mehr al» überflüssig wäre. I Die Partei hat aber Zeiten durchlebt, wo sie noch zahlreicher waren, ohne daß ihr damals die Erfahrungen zur Seite gestanden hätten, durch welche sie inzwischen gewitzigt ist. Man darf ganz sicher sein: die Erkenntniß der großen gemeinsamen Interessen wird die vorhandenen und von Niemand geleugneten Gegensätze alsbald in den Hintergrund drängen, der Delegirtentag wird die Hoffnung Derjenigen, welche von ihm, wenn nicht einen vollständigen Zusammenbruch, so doch eine neue Secession erwarten, gründ lich enttäuschen. Wunder freilich vermag er nicht zu lbun. Ein einheitliches Wirth schaftliches Programm zu schaffen, aus das man alle Nationalliberalen von Nord und Süd, von Oft und West verpflichten könnte, ist heute ebenso wenig möglich, wie in der ganzen Zeit vorder. Es ist das die in ihrem Wesen liegende angreifbare Seite der nationalliberalen Partei. Man wird sich in sie finden, wie man es so oft bisher gethan hat. Neu ist bei dem diesmaligen Parteitage nur die vorangegangene endlose Preßerörterung. Sie bat gewisse Gegensätze, Beschwerden und Verstimmungen zum Theil weil über das Maß deS Wirklichen ausge bauscht und viele Leute, namentlich unter den Gegnern, überhaupt erst auf den Gedanken gebracht, daß in der nationalliberalen Partei ein unheilbarer Bruch sich vor bereite. Daß dadurch unmittelbar Schaden angestiftet worden sei, wi"d man, so überflüssig auch manchmal Papier, Tinte und Druckerschwärze verschwendet worden sind, kaum behaupten können. Unter den Freunden der Partei ist das Interesse in ungewöhnlichem Grade geweckt worben, und wenn die Gegner sich zu haltlosen Spekulationen haben verleiten lassen, so braucht man das auch nicht zu beklagen. Aber mittelbar kann der ZeitungSzwist doch von nachlheiligen Folgen sein. Hat man sich vorher in eine schwere Sorge über einen möglichen Bruch hineinreden lassen, so wird man die Feststellung der fort dauernden Einheit der Partei auf dem Delegirtentage als! einen so großen Gewinn zu betrachten geneigt sein, daß man in der Freude darüber die eigentliche praktische Arbeit! vergißt. Auf diese aber vor Allem kommt eS an. Das ge nannte württembergische Blatt schreibt hierüber: „In den Zeitungen liest man schöne programmatische Reso lutionen, welche Liese oder jene Versammlung dem Delegirtentag unterbreitet wissen will, von der praktischen Arbeit sür die Partei aber ist wenig oder gar nicht die Rede. Mit der Einigung des Delegirtentag» aus eine Reihe solcher Resolutionen ist wenig be schafft, wenn nicht die nationalliberale Partei wieder größeren Einfluß gewinnt, um ihren Inhalt durchzusühren. Die Partei muß die Stärke ihrer parlamentarischen Vertretung zu heben, ihren Boden zu erweitern, zum Mindesten aber den, welchen sie besitzt, zu behaupten trachten. Dazu inLeß gehört Organisation und Agitation. Eine Partei, die es unter der Herrschaft des allgemeinen, gleichen Wahlrechts in diesen Punkten fehlen läßt, ist dem Untergange Versalien. Agitatorisches Gebühren ist einer ge mäßigten Partei an sich zuwider, aber um so größer ist ihre Ver- pslichtung, der Ausartung der politischen Agitation in eine wüste Demagogie, wie wir es mehr und mehr erleben, mit aller Kraft entgegenzutreten, und das ist nicht anders möglich, als baß inan ebenfalls eine zwar durchaus anständige, aber unermüdliche und energische Agitation betreibt, die sich ihrerseits auf eine wohl- ansgebaute Organisation stützen muß. Allerlei Bußpredigt» haben die Partei zur Selbsteinkehr erinahnt, ohne daß sie indeß die obzu- büßenden Sünden genau zu bezeichnen gewußt hätten. Hier, im Punkte der Organisation und Agitation ist eine, und zwar eine Unterlasjungs- fände, die man der national-liberalen Partei mit einigem, wenn nicht mit vollem Recht für manche Theile deS deutschen Vaterlandes Vorhalten darf. Statt weiter aus die Sache einzugehen, braucht man nur aus den neuesten Jahresbericht der socialdemokra tischen Parteileitung zu verwesten und dann an die Nationalliberalen die Frage zu richten: Was habt ihr dem an die Seite zu fetzen? Gewiß, ein auS mehreren Hundert Köpfen zusammen- gesetzter Delegirtentag ist nicht der Ort, die praktische Ausgabe der Organisation und Agitation zu lösen. Aber man sollte sich auf ihm über die Unrrläßlichkeit einer befriedigenden Lösung und die Nothwendigkeit der Beschaffung der erforder- lichen Mittel klar werden und dem Ceutralvorstande ein dementsprechendes Vorgehen dringend zur Pflicht machen." Wir stimmen dem vollkommen bei. Allerdings ist eine erfolgreiche Agitation nicht möglich, wenn Einigkeit über die Ziele fehlt. Faßt man aber bei neuer Festlegung der ge meinsamen Ziele von vornherein die Nothwendigkeit energischer Agitation ins Auge, so ergeben sich sofort die Trennungs punkte, die von den übrigen Parteien links und rechts scheiden, und mit diesen Trennungspuncten auch positive Ausgaben, die der Partei eben wegen ihrer Stellung zwischen den anderen Parteien zufallen. Nichts im Leben eint Menschen mehr, als die Erkenntniß, gegen was sie sich zu wehren haben, und nichts führt sie rascher über Differenzpuncle zur Erkenntniß ihrer gemeinsamen Aufgaben, als der Entschluß, dem Gegner energisch die Stirn zu bieten. Manche Ehe, die an Diffe renzen der Gatten Sckiffbruch zu leiden drohte, bat sich neu gefestigt und innerlich erneuert, nachdem die Hadernden den Blick von den inneren Differenzpunclen auf die äußeren, d. h. auf die Gegensätze lenkten, die sie von der mehr ober minder feindlichen Außenwelt trennten. Die Aussichten auf Erneuerung deS Ausgleiches zwischen Oesterreich und Ungar» gestalten sich immer trüber. Die ungarische Quoten-Deputalwn hat das Renuntium aus das öster reichische Nunlium festgestellt. Bekanntlich schlägt letzteres vor, eS sei der Beitrag Ungarns zu den Kosten der gemeinsamen Ausgaben von 30 auf 42 Procent zu erhöhen, weil die wirthschaftlicken Verhältnisse Ungarns in den letzten Jahren einen außerordentlichen Aufschwung genommen haben und die Beibehaltung des bisherigen Quotenverhält- nisseS von 30 zu 70 in den tbatsächlichen Verhältnissen ganz und gar nicht mehr begründet ist. Die Herren Ungarn haben sich aber an die Ausführungen ter österreichischen Quoten-Deputation nicht gekehrt, sondern erklären in ihrem Renuntium, es liege kein Grund vor, daß Ungarn mehr als bisher zahle. Für eine ungarische Quote von nur ! 30 Procent wird aber keine Regierung eine Mehr heit im österreichischen Abgevrdnetenhause finden. In zwischen tritt die Nachricht mit immer größerer Bestimmt heit auf, daß das Ministerium Bauffy zur Auflösung deS ungarischen Reichstages schreiten werde. Die Ncu- I wablen sollen schon im November staltsinden. Es ist mög- I lich, daß dies zu dem Zwecke geschieht, um das Ausgleickö- I werk zu fördern. Baron Banffy mag hoffen, daß ein I neues Haus geneigter als ein dem Ende feiner Tage I zueilendeS sein werde, dem österreichischen Stand- i punct irgend welche Concessionen zu machen. Ander seits aber unterliegt eS keinem Zweifel, daß Neuwahlen zur Rückkehr der anläßlich der kirchciipolitischen Kämpfe aus dem Schoße der Regierungspartei geschiedenen Fraktion des Grafen Szapaiy in den allen Parieiverband führen werden. Die Regierungspartei wird also gekräftigt aus den Neu wahlen hervorgeben, und da der magyarische Chauvinis mus infolge der Millenniumsfeier neue Nahrung er halten hat, erscheint es zweifelhaft, ob in den Pester maß gebenden Kreisen die Stimmen der Vernunft und der Billig keit das Uebergewicht über den nationalen Eigendünkel und Lsirrllston. Die Tochter -es Geigers. 16j Roman von A. Brüning. Nachdruck vkriotm. Um Lia Rose'S Nacken schlangen sich jetzt zwei weiche Arme, sich umwcndend, sah sie der jungen Fürstin thränen- schimmerndc Augen. „Acksa, — Lia Rose, Gott lohne Dir Dein Opfer, bete Du für mich, daß es mir gelinge, ihn glücklich zu machen", flüsterte sie leise in ibr Ohr. Lia antwortete mit einem innigen Schwesterkuß, eine andere Erwiderung gestattete der Augenblick nicht, denn der Hof, der der Fürstin nachgedrängt, umringte jetzt daS gefeierte Künstlerpaar. Ein Jeder wollte ein Wort, einen Blick der jungen Sängerin erhaschen, in der man bereits ein neues Gestirn begrüßen zu können glaubte. Keiner wußte ja, daß dieses Gestirn gleich einem Meteor nur aufzegangen war, um dann sür immer wieder zu verschwinden. Fürst Edgar batte sich aus dem Kreise zurückgezogen und war vor das Bild der heiligen Cäcilia getreten. Es war sein Bild, daS Werk seiner Kunst; der Maler, den die Hof gesellschaft vergebens zu entdecken gesucht hatte, war er za selbst. Während er der Verlorenen theureS Bild aus die Lein wand übertrug und in ihr die fromme, christliche Märtyrerin verkörperte, deren Namen sie führte, wurde sie ihm selber zu etwas Heiligem, Unantastbarem. Wie der himmlische Glorienschein Lia Rosen'» Gestalt auf seinem Bilde über die Erde erhob, so erhob da» Eigen- thumSrecht eines Anderen — seine» tbeuersten Freunde- — da» er selber diesem zuzuwendrn strebte, sie über seine Liebe hoch empor. Sie wurde ihm mehr und mehr zum Sterne, der zwar unerreichbar fern, aber in unvergänglich mildem Glanze über ihm und seinem Lebenswege strahlte, und wie er jetzt ernst und sinnend ans die lieblich reine» Züge schaute, die sein Pinsel so treu der Wirklichkeit nachgebildet hatte, da überkam ibn jenes selbe Empfinden wie damals im Traume, als die »eißbegebrte Blume, vor seinen Augen sich zum Sterne ver wandelnd, ihm entschwebte, und er doch kaum einen Schmerz iber den Verlust fühlen konnte, weil der Stern gar zu reundlich leuchtete. Leise, ihm selber unbewußt, wie wenn sine fremde Stimme sie spräche, flüsterte er die Worte, die !?ia Rose damals gesprochen, nachdem er ihr den Traum erzählt hatte: „DaS Ende war ja doch glücklich." XL Auf der weinumrankten Veranda der Oberforstmeister- wohnung, ihrer jetzigen Heimatb, saß an einem sonnigen Maimorgen Lia Rose an einem zierlichen Gartentischchen, auf dem ein weißes Briefblatt geöffnet vor ibr lag. Ihre Hände ruhten gefaltet auf dem Papier, auf da« sie mit einem Ausdruck ernst wehmüthiger Freude in den schönen Augen niederblickte. Die Nachricht, die e» enthielt, trug der Telegraph wobl in diesem Augenblicke durch da» ganze Fürstenthum, überall frohe Aufregung verbreitend: dem Fürsten Edgar hat seine junge Gemahlin einen Sohn und Erben geboren! Der Tag der Geburt war ein Sonntag. „Ein Sonntagskind", flüsterte Lia Ros« vor sich hin, und den Blick zum frühling-blauen Himmel über ihr erhebend, bewegte sie die Lippen wie im leisen Gebet. Nach einer Weile zog sie au» ihrem Gewandt einen zweiten Brief, jenes wähl schon tausend Mal gelesene Blatt, das Fürst Edgar ihr am Schluffe deS Concerte» gegeben hatte, sie legte e» neben den heutigen. Bor diesen beiden Briefen, die gleichsam den Abschluß eine» ereignißvollen Capitel» in ihrem jungen Leben bildeten, bilden mußten, saß sie lange in ernster Selbstprüfung. Durfte sie die Bitte erfüllen, die der eine von ihnen ihr so warm an- Herz legte? Bor ihren Gedanken tauchten em Paar blaue Augen auf, die in letzter Zeit oft mit einem Ausdruck banger, zweifelnder Frage auf ihr geruht hatten. Walter war häufig brrüdergekommen in dem verflossenen Winter: er hatte ja nun sein Ziel vor fick, dessen dereinstige, wenn auch noch so ferne Erreichung al» leuchtendes Hoff nungsbild über seinem Leben strahlte. In seinem Verkehr mit Lia beobachtete er indeß eine zarte Zurückhaltung, die ür sie ungemein woblthuend war; es war kein stürmisch leidenschaftliches Werben, — vor einem solchen bätte sich ihr nur langsam von schweren Wunden heilendes Herz wohl scheu in sich selbst verschlossen — nein langsam, mit unermüd licher Geduld, mit immer gleicher, zartsinniger Schonung des Vergangenen, auS der indeß gerade seine ganze tiefe, treue Liebe sprach, suchte er sich den kostbaren Schatz ihrer Neigung zu erringen. Lia Rose vermochte sich dem Einfluß des echt männlichen und dabei so viel Gemüth verrathenben Wesen» deS Sohnes ihrer Pflegeeltern nicht ganz zu entziehen; mehr und mehr mußte sie erkennen, welch edlen Kern bei ihm die einfache, unscheinbare Schale verbarg. Sie konnte nicht mehr an ihn denken wie an einen Bruder: die heiße Zärtlichkeit, die trotz seiner Zurückhaltung doch wie ein warmer Hauch durch alle seine Warte wehtet wenn er mit ihr sprach, hatte auch ibrem Gefühl für ihn allmählich den geschwisterlichen Cha rakter genommen. DaS sagte sie sich jetzt, als sie, daS Gesicht in beide Hände gelegt, so dasaß in stiller Einkehr in sich selbst. Freilich, wenn sie ihr Empfinden für Walter mit dem stür mischen Aufjubeln ihre» Herzens in der Seligkeit ihrer ersten jungen Liebe verglich, da erschien e» ihr arm und matt, — farblos wie die bleiche Anemone gegen eine strahlende Purpurrose. Aber es erschien ihr dock genug, uni ihr zu erlauben, ihre Hand in die de- treuen, selbstlosen Manne» zu legen, der derselben einst um deS Freunde» willen kampf los entsagt und nun darum geworben hatte in langem Hoffen und Harren. Ja, sie wollte die Seine werden und ihn glücklich macken! Sie fühlte es, daß er ein Recht auf sie hatte, ein Recht, geheiligt auch durch Edgar'S Wunsch und Bitte! — Und sie durfte sie erfüllen, diese Bitte: ihre erste Liebe ruhte wie eine versunkene Märchenwelt auf dem tiefsten Grunde ihre» Herzen»; dem schweren, schmerzlichen Kampfe, den sie mit starker Seele muthig jeden Tag auf» Neue gegen sich selbst auSgefochten hatte, war der Lohn nickt auSgeblieben. Sie hatte nicht vergessen, da» konnte sie ja nicht — aber sie hatte überwunden. Der Gedanke an den Fürsten Edgar mußte rein und selbstlos sein; denn er umfaßte ja nicht mehr ibn allein, er umfaßte zugleich sein Weib, und von beute an auch sein Kind. Gewiß war ibr die Vorstellung sehr schwer geworden, einem anderen Manne anzugebörcn. Aber sie durfte ja nicht an sich allein denken Es galt auch, ihre Lieben zu beglücken. Die beiden guten, allen Leute! Welch' schöne Hoffnungen hatte sie ihnen zerstört, und doch batte sie kein Wort der Klage oder deS Borwurfs von ibnen vernommen, nur doppelte Liebe batten sie dem geliebten Pflegekinde er wiesen; wie durfte sie sich da besinnen, ihnen dieselbe zu vergelten? — So zog dock ein Sonnenstrahl in ihr Herz, als sie an die Freude dachte, die ibr Entschluß verbreiten würde. Noch ein Anderes war eS, was sie antrieb, Viesen Ent schluß zu fassen. Eine innere Stimme sagte ihr, daß, so lange sie frei war, ter Kampf in des Fürsten Brust nicht ganz zur Ruhe kommen werde; eS mußte ihm leichter werden, zu überwinden, wenn er sie erst als das Eigentbum eine« Anderen wußte. Sie wußte ja auch, daß er sich auklagte, dem Freunde sein Glück geraubt zu baben; zu seinem hoben Berufe aber bedurfte er einer freien Seele. „Ich tbue eS also auch um Deinetwillen, Edgar", flüsterte sie, seinen Brief in ihren Händen wiegend, während Toränen in ihren Augen schimmerten, „um Deines Friedens willen." Sie dachte dann ihres Vaters; wie glücklich würde eS ibn macken, sein Kind im Schutze eines edlen, von ihm hoch geachteten ManneS geborgen zu wissen! Welch eine süße Freude würde es für sie sein, ihm eine Stätte bereiten zu können im eigenen Heim! Aber sie durfte nicht zögern, wenn sie ibm und sich selbst dieses Glück bereiten wollte; denn sie wußten cs Beide, lange würden sie nicht mebr zusammenbleiben. Ein Brustleiden, wozu er den Keim schon stets in sich getragen, das aber durch die entbehrungsreiche Zeit, die er jenseits des Ocean» verlebt batte, beschleunigt worden, zehrte langsam an Gmlio Goldini's Leben. Er fühlte, daß er in nicht allzuserner Zeil würde sterben muffen; aber diese Erkenntniß bereitete ibm nach dem großen Triumphe, den er an einem Fürstinhofe gefeiert, keinen
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