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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189609270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960927
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960927
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-27
- Monat1896-09
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1896
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BezugS'PreiS 1» der Hauptexpeditkon oder -« im Stad»« beetrk rmd Len Vorort» errichteten dl»»« aabrstellen abgebolt: dierteljLhrltch^l.SO, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» HauS L.S0. Durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrlelsühriich /t S.—. Dlrrctr täglich« KreuzbandieadlMg in» Ausland: moaatltch 7.L0. Di« Morgew-AoSgad« erscheint «N '/,7 Uhr, die Lbend-Autgad« Wochentag» um ö Uhr. Nedactto« und LroeLMo«: Johanne»,ass« 8. Die Lxveoitio» ist Wochentag» ununterbrochen go-Anrt von früh 8 bi» Abend» ? Uhr. Filialen: Dtt» Klemm'» Lortim. (Alfrr» Hahn), UniversitStSsttaßr S (PaulinunH Laut» Lösche, Katbannenttr. 14. Port, und König-Platz 7, O3. MpIM TagM alt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Iteclame« unter dem Redaction»strich (4ge- spalten) LO-H, vor den Familirnnachrichteu (6gespalten) 40 vrvßere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifsernja» nach höherem Taris. Extra-Beilage»» (gesalzt), nur mit de, Morgen.Ausgabe, ohne Postb^örderung >l SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännalsmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge n>Au»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bel den Filialen und Annahmestellen je ein« halb» Stund« srüher. Anzeigen stad stet« an die Expedition zu richten. —» Druck und Derlng "on 2. Polz in Leipzig Jahrgang. Sonntag den 27. September 1896. Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das IV. Vierteljahr 1896 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4^ 5O mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen S LV durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn v In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgasse 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Universitiitsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. Littet, Colonialwaarenhandlnng, Beethovenstraste 1 Herr Ulend, keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethcstraße) Herr tteiin. 21es8ke, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Lranri, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste IL Herr Lduard Uetzer, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstraste 0 Herr I'aui Zellreiber, Drogengeschäft, Nürnberger Straste 45 Herr 2l. L. Aibreeilt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr lindert kireiner, Zweinaundorfer Straße 18, - Eutritzsch Herr lindert Attner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr lindert Attner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Lindner <L 6ei8t, Wettiner Straße 51, Ecke Waldstraße, Buchbinderei, - Neustadt 8ede1t'8 Annnneen-Lxpeditivn, Eisenbabnstraße 1, Peterskirchhof L Herr Zlax Xiertil, Buchbinderei, Nanftfche Gaffe 6 Herr Lriedr. Lieder, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Lnxeinmnn, Colonialwaarenhandlung, Schützenftraste 5 Herr dui. 8el»üinü-den, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr ll. ttittried, Cigarrenhandlung, Aorkfttaste zz (Ecke Berliner Straße) Herr 0. vedus, Colonialwaarenhandlung, Meitzer Straste 35 Herr V. LÜ8ter, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr Al. 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Wir glauben, unseren Lesern nicht zu nahe zu treten, wenn wir die Vermutbung aussprechen, daß ihnen der „Seraphische Kinberfreund" eine unbekannte Größe sei; und wenn wir hinzufügen, der „Seraphische Kinder freund" ist eine „Monatsschrift des Seraphischen Liebeswerkes für arme und verwahrloste Kinder", so dürste auch dieser Fingerzeig noch nicht die erwünschte Klarbeit über die Natur deS „KlnberfreundeS" geben; verrathen wir aber, daß Papst Leo XIII. am 20. September 1802 den „Sera phischen Kinberfreund" gesegnet und empfohlen bat, dann wirb Niemanb mehr über den sxiritu8 reotor des „Seraphischen Kiuderfreunbes" in Zweifel sein. Indessen, auch wer darauf vorbereitet ist, von klerikalen Bestrebungen Kunde zu erhalten, dürfte einigermaßen durch die Proben maßloser Verhetzung überrascht werben, die er in dem genannten, angeblich Werke christlicher Liebe fördernden Blatte findet. Da entwirft ein frommer Vorkämpfer für die „christliche" Schule von dem kürzlich in Wien verstorbenen Pädagogen Dittes ein der artiges Zerrbild, daß der gläubige Leser den Eindruck erhält, Dittes sei fast ein Analphabet gewesen. An „diesem" Manne nämlich will der Gewährsmann des „Seraphischen Kinder freundes" „lebendig" zeigen, welche Ziele die moderne Schule anstrebt: „Sie will die Kinder ganz für sich in Anspruch nehmen und sie den Eltern und der Kirche, die das erste Recht auf die Kinder haben, rauben. Man will die Pfaffen aus der Schule hinauswerfen und die Jugend zu Freimaurern heranziehen. Dieser Geist geht so ziemlich durch alle Lehrervereine, soweit sie nicht offen sich als christlich be kennen. Wenn auch staatlich noch nicht überall religionslose Schulen bestehen,so wird doch der Geist des „Freimaurer» thums" durch simultane Lesebücher und auf andere Weise in der Schule selbst der Jugend eingeimpft. Wenn man auch «licht überall das offen zu sagen sich getraut, so ist es nichts destoweniger wahr; wie im ganzen öffeutlichen Leben, so spitzt sich auch in der Schule der Kamps zu auf die beiden Gegensätze: „Hie Christenthum, hie Atheismus". — Wir citircn nicht weiter und bemerken nur noch, daß an die Hetze im Allgemeinen die Hetze gegen den bayerischen Volks- schullehrer-Verein im Besonderen sich anschließr. Ueberscbrieben ist die Muslerleistung klerikaler Preßwühlerei „Der Cultur- kampf in der Schule". Man weiß, wie sehr es den Ultra- montanismus gelüstet, diesen Kampf auszufechlen. Wohl stehen die Lehrervercine, insbesondere der bayerische, aus der Wacht. Aber daS genügt nicht. Tie breite Masse des Volkes muß beute, wo das Eentrum die „ausschlaggebende" Partei ist, lebhafter denn je sich dessen bewußt bleiben, was bei dem Ansturm des Ultramontanismus wider di« Schule auf dem Spiele fleht. Möge die Generalversammlung de- Evangelischen Bundes, die morgen in Darmstadt zu sammentritt, an ihrem Tbeile dazu beitragen, daß das deutsche Gewissen aller Orten geschärft wird. Eine grundsätzliche Verurtheilung des Streik- durch den „Vorwärts" — em solcher Vorgang ist ohne Zweifel deS Interesses auf allen Seiten sicher. Natürlich hat die Sache einen Haken. Soweit bürgerliche Betriebe in Betracht kommen, ist der Streit dem „Vorwärts" als Mittel zur Schürung »esElassenkampfes nach wie vor herzlich willkommen ; für socialdcmokratische Betriebe dagegen verpönt er ihn In Solingen konnte, wie berichtet, die „Bergische Volk»- stimme" am 22. d. M. nicht erscheinen, weil da-Setzerpersona der socialdemokratischen GenoffenschastS-Buchdruckerei aus bis her nicht bekannten Gründen die Arbeit rinstellte. Diesen für die Socialdemokratie allerdings böchst peinlichen Vorfall versieht der „Vorwärt-" mit folgendem Eommentar: „Mag die Ursache sein, welche st« wolle, in social demokratischen Betrieben haben die Arbeiter nicht nöthig, berechtigte Forderungen durch den Streik geltend zu machen. Per- stößt »in solche« Geschäft gegen Recht und Billigkeit, so girbt r» in unserer Partei ausreichend andere Mittel, um Remedur zu schassen. Daß sich rin Theil der Buchdrucker aber über unsere Partei- Instanzen hinweg zu setzen pflegt, während bei Differenzen mit bürgerlichen Unternehmern nichts versäumt wird, was Arbeit-- rinstellungen vermeiden läßt, ist freilich ganz im Geiste der Personen gehandelt, die die Buchdrucker an der Spitze ihrer Organisation haben." Wir sehen von der belustigenden Art, wie hier der Groll gegen die Buchdrucker zum Ausdruck gelangt, ab und heben nur die Bedrohung der Eoalitionöfreiheit durch den „Vorwärts" hervor. Denn auf eine Beschränkung der Coalitionsfreiheit läuft es ohne Frage hinaus, wenn die socialdemokratische Partei — daS verlangt der „Vorwärts" — Streitigkeiten entscheiden soll, deren Austragung im Wege des Streiks die Arbeiter selbstständig bewerkstelligen können. Die „Freiheit", welche die Parleidictatoren meinen, wird hier wieder einmal grell beleuchtet. Ein Glück nur, daß den Solinger Setzern die Gewerbeordnung des Bourgeois-Staates schützend zur Seite stehl! Ob sie aber von den Parteibäuptlmgen, die jetzt, vor dem Parteitage und nach dem schmerzensreichen Sommer, dringend des „schönen WekterS" bedürfen, am Ende nicht gar auf die chwarze Liste gesetzt werden? Die Delegieren deS internationalen Frauencon- gresses, der in Berlin getagt Hal, wollen sich heule darüber einigen, was sie als bestimmtes Ergebniß deS EongresseS be- lrachten. Von seiner Art zu arbeiten hat die evangelisch- ociale Frauengruppe sich keinen Erfolg versprochen und deshalb auf die Betheiligung verzichtet. „ Hundert Vorträge von je 15 Minuten: WaS komm! dabei heraus? Das ist mehr breit wie tief, daS giebt Geplätscher, aber keinen tragfähigen Strom. Wenn eine oder höchstens zwei Fragen auf dem Eongreß zur gründlichen, ja erschöpfenden Verhandlung gestanden hätten, würde sich die evangelisch sociale Frauengrupp« gewiß betheiligt Haden, auch wenn eine gegnerische Richtung im Uebcrgewicht gewesen wäre, — ab koste lloceri — aber dies unterhaltende Rede-Mosaik um einen Stein zu vermehren, erschien wirklich überflüssig." So ließ die bekannte Führerin der evangelisch-socialen Frauen bewegung, Frau I)r. Gnauck-Kühne, sich vernehmen. Sie mag mir ihrer Kritik des Arbeitsplanes Recht haben. Der Verlauf des EongresseS hat aber wieder gezeigt, daß neben phrasenvrefchenvrn oder reclamenhaft selbstsüchtige Interessen verfolgenden Wortmacherinnen zahlreiche Frauen stehen, die mit der ehrlichen Begeisterung für ihre Sache hervorragende Kenntnisse und Fähigkeiten verbinden. Vielleicht bestehl daS praktische Ergebniß deS EongresseS für Deutschland darin, daß weitere Kreise von der Nolhwendigkeit überzeugt werden, das Arbeitsgebiet der Frau zu erweitern, inSbeiondere durch Vie Zulassung der Frauen zum UmversilätS-Stubium. Kann irgend etwas die Lheilnadme für die Bestrebungen der Frauen nicht nur abstumpfen, sondern sogar in ihr Gegen- theil verwandeln, so ist es daS Eintreten der Frauen für phantastisch-ideologische Ziele von der Art der Friedens propaganda. Der „Deutsche Verein für internationale Friedenspropaganda" hat den Theilnehmerinnen am Krauen- congresse Gelegenheit gegeben, sich in dieser Richtung zu compromittiren. ttnv das ist leider geschehen. Ju einem Vortrage über die Stellung der Frau in der FriedenSfrage, vom Gesichtspunkte der Erziehung aus, ist der alle Kohl wieder aufgewärmt worden, daS empfängliche Kindes- gemüth werde in falsche Bahnen gelenkt, wenn dem Knaben Säbel und Zinnsoldaten aeschenkt würden. Mau schenke doch statt dessen die bei den Rothhäuten so beliebte Friedens pfeife; auch mit ihr werden unsere Buben, ganz unbeein flußt von Säbel und Zinnsoldaten, sich prügeln, selbst wenn ;ede das Bild brr Frau Baronin von Suttner auf dem Pseifenkops trägt. Sir werden sich prügeln, sobald sie Ursache zum Streit zu haben glauben und so lange sie Nachgiebigkeit alS entehrende Feigheit oder al- Verletzung ihres guten Recht» anseden oder al» Minderung ihre» Behagens oder als Schmälerung ihre« Besitze» empfinden. Nutatis wutauclis ist das bei Staaten und Böllern dasselbe. Freilich, die Frieden-freund« wissen sich leicht zu helfen, indem sie eine „obligatorische" FriebenSjustiz an die Stelle deS Krieges setzen. Wie aber diese Frieben-justiz ohne eventuelle Anwendung von Gewalt als ein« obligatorische au-geübt werden soll, da- werden auch dir geschwätzigsten Frieden-freunde un« nicht «her erzählen, al- b»- di« Quadratur des Zirkel- gefunden ist. Die Zarentage in Paris. i. 6. Paris, 24. September. In den Umrissen stand das Programm für die fünf großen Tage schon längst fest, aber erst heute werden die E --zrlbeiten endgiltig bekannt gegeben. Der Eindruck, den d ' lange Aufzählung all der zu erwartenden Herrlichkeiten bervorbringt — im „Figaro" füllen sie z. B. Nicht weniger als fünf Spalten — ist beängstigend. Es ist überhaupt etwas EigentbümlicheS um die Reisen der meisten Monarchen: kein Mensch ist unfreier als die ge krönten Häupter. Unwillkürlich wird man durch solche Pro gramme etwas an Stangen's Reisebureau oder an den freund lichen Cook erinnert, die auch bis aufs Einzelste vorher be stimmen, was ibre Clienten in jeder Stunde zu tbun haben. Man kennt dieses ruheloieDurchpeitscken durch Museen,Kirchen rc. Aber von vier Nächten zwei im Eisenbahnwagen zuzubringen, nach einem über und über ansgesüllten Tage noch am Abend von 10 Uhr ab einer Galavorstellung beizuwohnen und an einem einzigen Vormittage „alle bedeutenden Sehenswürdig keiten von Paris" zu genießen, daS haben sie noch Niemandem zugemutket. Es ist, als sollten die fünf Tage eine Illustration zu dem Worte Goethe's abgebeu: Alles in der Welt läßt sich ertragen, Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen. Man höre nur z. B. die Anwendung des dritten Nach mittags: '/r3 Uhr: Grundsteinlegung für die neue Brücke, die die beiden Hälften der großen ÄuSstellung miteinander verbinden soll. 4 Ubr: Besuch der Münze, um der Prägung der Erinnerungsmedaillen, sowie der neuen russischen Rubel beizuwohnen. 5 Uhr: Besuch bei den vierzig Unsterblichen im Institut. Vr6 Ubr: Großer Empfang im Ralbhause. Concert. Vortrag russischer Cböre. Einnahme eines Imbisses und EbrentrunkeS. Um 7 Uhr: Großes Diner in der rus sischen Gesandtschaft; daran anschließend Empfang. Endlich r/, 10 Uhr: Vorstellung im TllsLtie truntzuis. Man wird meinen, daß ick gerade den schlimmsten halben Tag hervorgesucht habe, allein wie an diesem Halbtage gebt's in einem fort, auch an den Vormittagen. Und nun dazu auf Schritt und Tritt von den betäubenden Huldigungen einer bi» zum Uebermaß begeisterten und erregten Menge begleitet zu werden: eS wäre kein Wunder, wenn die hoben Gaste schließlich nur noch den einen Gedanken hätten: rettet uns vor unseren Freunden! Im Uebrigen bietet die endgiltige Fassung deS Programmes wenig, daS nicht schon bekannt wäre. Interessant ist höchsten», raß die vielbestriltene Nachricht, der Zar werbe die Arbeiten für die Ausstellung von 1900 durch den ersten Hammer schlag für die neue Brücke eröffnen, sich nun doch brstäligt. Die Brücke wirb auf den Namen Alexander'- III. getauft werden. Fürwahr ein seltsames Schauspiel bei einem Volke, das die Erinnerung an die frülere „Tyrannenherrschafl" sonst stets zu verwischen beniüht ist und über die Eingangs pforten zu den Köuigsscklvssern überall die republikanische GleichheitSbevise gesetzt hat. Aber man ist an derartige Un gereimtheiten hier schon so gewöhnt, daß sie gar nicht mehr auffallen. Einige Blätter machen darauf aufmerksam, daß brreitS nicht weniger als zwölf Brücken oder Straßen in Paris russische Namen tragen. Nur erinnern sie leider fast alle an französische Siege. Es wäre wirklich höchste Zeit, sie paffend umzutaufen. Einig« kleine Fragen bleiben natürlich immer noch zu lösen. Glücklicherweise; denn w.von sollten sonst die Zeitungen in den nächsten vierzehn Tagen leben? So ist z. B. die wichtige Frage, ob der Präsident zu Pferde oder im Wagen an der großen Parade theilnehmen wird, «in Thema, über da- die Einen sich in tiefsinnigen Betrachtungen, die Anderen — unter ihnen natürlich der unermüdliche Rochefort — in blutigen Witzen ergehen. Die cerrmoniellen Schwierigkeiten bezüglich der Frau des Präsidenten werden zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst werden. Frau Faure wird nicht mit ihrem Gemahl dem Zaren enlgegenfahren, aber sie wirb beim Empfang-mable als Hausherrin zugegen sein und der Zar wird diese Gelegenheit wahrnehmen, um sie dann seinerseit- liedrnSwürdigst einzuladen. Von äußerlichen Vorbereitungen für den Empfang de» er sehnten Gaste- ist noch nicht allzuviel zu sehen. Auf der russischen Gesandtschaft ist natürlich Alle- in fieberhafter Thätigkeit. Da- Palai» des Präsidenlen wird abgeputzt, der Arc de t'Eloile von seiner entstellenden Bretterumkleldung befreit. Heute sah ich auch die ersten großen Fahnenstangen aufrichten. Das Rathhaus ist wegen der Ausschmückungs arbeiten den Besuchern nicht mehr zugänglich. Aufregend und anstrengend werden die Tage werden, aber sicher auch schön. Weniger für den Zaren und die französische Negierung, um so mehr aber für die Bevölkerung, die sich herrlich amusiren wird. Nickt nur die Besitzlosen, die an diesen Tagen reich bedacht werden. Man muß es den Franzosen zngesteben, sie lasten sich nicht lumpen. Fünf volle Millionen werden ihnen die Festlichkeiten kosten. Die große Parade verschlingt, da nicht weniger als 67 000 Mann aus allen Tbeilen Frankreich- und selbst auS Afrika dazu hertranSportirt werden sollen und untergebracht werden müssen, allein nicht weniger als eine und eine halbe Million. Den Gipfelpunkt deS Festes wird natürlich die feenhafte Be leuchtung dcS MarsfeldeS mit dem großen Feuerwerk bilden. Man weiß, was Paris bei solchen Gelegenheiten zu leisten vermag. Den Zaren ordentlich zu sehen, wird nicht ganz leicht sein. Es werden nämlich nur zwei Tribünen aufgebaut, für die die Regierung die Karten selbst verschickt. Man sagt, daß auf diese Weise der Charakter einer Schaustellung ver mieden werden solle. In der That könnten sonst leicht unliebsame Vergleiche sich aufdrängcn. Auch das Aufstellen von Stühlen, Leitern und dergleichen ist verboten. Bedenkt man nun noch, daß die vorderste Reibe der Zuschauer fast ganz von Schutzleuten, Criminalbeamten, Soldaten ausgefüllt werden wird, so wird für die meisten Frauen und Kinder das Vergnügen deS SchauenS überhaupt illusorisch werden. Um so mehr werden sie schreien. Leider gehöre ich nickt zu den Auserlesenen, die auf einer der Einzugsstraßen wohnen. Die Glücklichen werden fabelhafte Preise für ein Plätzchen an ihren Fenstern bekommen. Ob die Schulkinder ihre Ferien bis nach den Festtagen verlängert erkalten oder ob ihnen nur der Einzugskag freigegeben wird, steht nock immer nickt ganz fest. Der Minister batte sich für da- Letztere entschieden, aber dem Vernehmen nach wird er von den enttäuschten Eltern förmlich belagert, um seinen Entschluß zu ändern. Eigentlich haben sie Recht. Denn entweder müssen sie ibren Kindern zu Liebe auf Vieles verzichten, oder die armen Würmer sind in der schulfreien Zeit auf sich allein angewiesen. Uebrigen» werden auch die meisten Geschäfte an den Haupt tagen von Mittag ab, einige sogar den ganzen Tag, geschloffen bleiben. Man kann sich also vorstellen, welches Gewühl auf den Straßen herrschen wird. DaS schlimmste Gedränge aber wird es wohl auf den Bahnhöfen an den Tagen geben, an denen der Zar nach Versailles fährt und die große Parade statlfindet. Wer weiß, ob die Westbabn-Eompagnie trotz aller Sonderzüge den Verkehr wird bewältigen können. Deutsche- Reich. iä. Leipzig, 26. September. Die „Frankfurter Zei tung" läßt sich melden: „Die deutschen Kammgarnsplnner werden binnen Kurzem eine einheitliche Betrirb-einstellung beschließen." Bei der Bedeutung, die eine solche Maßregel besonders für unsere Stadt mit ihren großen Kammgarnspinnereien und den Tausenden von ihnen beschäftigten Arbeitern hätte, baden wir an zuständiger Stelle Erkundigungen ein gezogen, und eS ist uns mitgetheilt worden, daß diese Meldung gänzlich unwahr ist. Die „Leipziger Volks zeitung" knüpst natürlich an die Falschmeldung der „Franks. Zlg." Bemerkungen von der Art, daß vie Arbeiter deS Profit manöverS der Großcapitalisten lber nunmehr „auf das Pflaster fliegen" würden, sich den „Schmachtriemen" enger ziehen können u. s. w. Ob die in Schrecken versetzten Arbeiter dem socialdemokratischen Blatte diesen Liebesdienst wobl danken werben? LH Berlin, 26. September. AuS dem Wochenblatts „Geschichte der Freiheit", daS Johann Most seit dem Jabre 1879 berauSgiebt, ist zu ersehen, daß Most auf seine an archistischen Brüder jetzt ebenso erbost ist und aus sie schimpft, wie vordem auf seine socialdemokratischen Genossen und speciell auf seine ehemaligen Fractious- genosten Liebknecht, Bebel rc. Er bezeichnet u. a. die Mit glieder der Anarchistenclubs in London und New Dork als „Krakeblerrotte", „Gewobnbeit-stänker" und „wabnsinnige Häringe". Most erzählt auch, daß er von dem Ertrage der „Frei heit" meistens nickt bade leben können, da sie wenig eingedruckt bade und die Gelder von den Filialen vielfach zu anderen Zwecken verwendet worden feirn. „Er war dahrr", so
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