Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960928027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-28
- Monat1896-09
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
7100 Deutsches Reich. * Berlin, 27. September. Wie die „Post" hört, hat sich eine große Vereinigung von Männern auS allen Kreisen ter Gesellschaft und allen Ständen gebildet, die es sich zur Auf gabe machen will, die Erzeugnisse unserer Colonien in Deutschland einzuführen. Deutschland zahlt jetzt noch alljährlich über 2/. Millionen Mark für ColonialproSucte an das Ausland, wovon ein sehr wesentlicher Tbeil mit der Zeit au« unseren Colonien gedeckt werden kann. Dazu aber wird vor Allem nöthig sein, daß sich das deutsche Capital in weit größerem Umfange als bisher an der Ausbeulung des Nalur- reichthums unserer Colonien betheiligt. Das anzuregen und zu fördern, soll eine der Ausgaben der erwähnten Vereinigung sein, die sich „Comite zur Einführung der Erzeugnisse aus deutschen Colonien" nennt. Es wird zu diesem Zwecke im Hause des Colonialheims (Potsdamer Straße 22 u) eine AuSkunftstrlle errichtet werben, in der Händler und Fabrikanten sich an der Hand von ausgestellten Mustern über den Bezug von Maaren und Rohstoffen aller deutschen Colonien unterrichten können. Gleichzeitig soll ein Wan Ver lag er geschaffen werden, daS in den Städten des Reiches nacheinander ähnliche Zwecke verfolgt. Weiter beabsichtigt das Eomits, auch die Hausindustrie der Eingeborenen in den Colonien zu heben und zu fördern, um größere Mengen von Colonialproducten auf den Markt bringen zu können. Schließlich will eS auch zum Anbau und zur Ausbeutung verschiedener bisher noch weniger beachteter Pflanzen rc. an regen. Die Mitte! sollen durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden; eine Betheiligung des Comitss als solchen an Unterneh mungen dagegen ausgeschlossen sein. Es sind so zahlreiche Bei träge gezeichnet, daß das Comils seine Arbeiten hat auf nehmen können; unter seinen Mitgliedern finden wir die Namen von Männern, die durch ihr Arbeiten auf colonialem Gebiete sich einen weitbekannten Namen gemacht haben. Auch eine Anzahl von Hofhaltungen, großen Verwaltungen u. s. w. ist dem Comitse beigetreten. Den Vorsitz im geschäfts führenden Ausschuß sühren Fabrikbesitzer Supf in Berlin, Graf Eckbrecht von Dürkheim in Hannover und Privaldocent Or. Dove in Berlin; als Secretair sungirt Herr Theodor WilckenS, der bisher in Klein Popo, Togo, eine Factorei ge leitet hat und daher auf praktische Erfahrungen in den Colonien zurückzublicken vermag. — Gouverneur v. Wiss- mann ist dem Comits beigetreten. * Berlin, 27. September. Die in Pest versammelt ge wesenen internationalen Agrarier haben nach der „Times" an den Silber-Candidaten Bryan folgendes Er- munterungS-Telegramm gesandt: „An William Jennings Bryan, Hauptquartier des demokratischen National-Comitös, Chicago. Wir, die Unterzeichnete», Mitglieder des internationalen landwirthschastlichen Longresjes in Pest, wünschen Ihnen Erfolg in Ihrem Kampfe gegen die Herr schaft jener Gläubiger-Slasse. welche während der letzten 23 Jahre, in Amerika wie in Europa, sich die monetäre Gesetz gebung, so zerstörend für das Wohlergeben Ihrer Farmer und der unserigen, gesichert hat. Sollten Sie im November siegreich sein, so verpflichten wir uns, keine Anstrengung zu scheuen, um «inen unmittelbare» Druck aus unsere respektive» Regierungen auSzuüben, damit dieselben zusammenwirken mit der Regierung Ihrer großen Nation bei der Wiederherstellung Les Silber- als Währung der Welt. Wir glauben, daß, wenn eine stand nicht mehr denken kann? Alle Gründe sprechen dafür, daß der Mahdi seine Kräfte nicht zersplittern will und den Kampf erst aufnehmen möchte, wenn der Feind sich dem Centrum seines Reiches mehr nähert. Nach Rud. Slatin'S Aufstellungen kann der Mahdi leicht lOL OVO Manu ausbringen, darunter mehr als 40 000 Fliutenträger; nimmt man an, daß die Hälfte davon im Osten nach Suakim hin wie im Süden gegen die Congo- truppea verwendet wird, so bleiben ihm zum Schutze von Omdurman immer noch mehr all 50 000 Mann. Die nördlichen Gebiete von Dongola bis Wadi-Halfa haben von jeher nur in einem lockeren Verbände mit der Centrale in Omdurman gestanden. Sie hatten nur eine geringe Besatzung, und Vorstöße in das eigentliche Egypten wurden wohl nur au» Mangel an Nahrungsmitteln gemacht. Erklärlich ist e», wenn der Mahdi diese für ihn wenig wrrthvollen Landstriche leicht aufgiebt und seine Truppen möglichst concentrirt. Die Mahdisten wissen auch, daß die kleine «zyprische Armee sich ganz von selbst schwächt, je weiter sie von ihrer LandeSgrenze sich entfernt. Der Mahdi ist insofern m verhältnißmäßig guter Lage, als die Engländer jeden Versuch unterlassen haben, ihm von Suakim aus in die Flanke zu kommen; er kann daher seine Kriegsleute aus einen Punct zusammenbringen und in einer Richtung verwenden. Sollte man in Omdur- mav schon daS Vorrücken der Congotruppen empfinden, so lüge für den Mahdi ein neuer zwingender Grund vor, um mit einem kräftigen Stoße gegen die Egypter vorzugehen. Wenn man sich die Aeußerungen Lord Salisbury'« im eng- lffchee» Parlamente vergegenwärtigt und die Thronrede der Königin hinzunimmt, so ist indessen der Feldzug, abgesehen von der Besetzung einiger Puncte seitlich von Dongola zur Sicherung dieses Postens, für dieses Jahr zu Ende. Die geringe Stärke der verfügbaren Truppen wie die finanziellen Verhältnisse machen eine solche Beschränkung erklärlich. DaS Uebrige zu thun überläßt man in London wohl dem Congo- staate; dieser mag zusehen, ob er Khartum erreicht und in seine Gewalt bekommt. Wie die Engländer Italien mit Kassala im Stich gelassen haben, so machen sie es jetzt an scheinend mit dem Congoslaate hinsichtlich Khartums. solche Wiederherstellung mißlingt, die Goldprämie it» ganz Asten und Südamerika fortfahren wird, dem Farmer ia Amerika wir in Eurapa allen Lohn für feine Arbeit zu raube» und daß Ihre Erwählung ernste agrarische und sociale Wirren, die jetzt drohen, abwenden möge. Unterzeichnet: Graf Alexander Karolyi, Präsident der landwirthschastlichen Gesellschaft in Ungarn; D. Banduin, Präsident der landwirthschastlichen Gesellschaft in Holland; AlphonS Allard, Director der landwirthschastlichen Centralgesellschaft in Belgien; Otto Arendt, Mitglied de« preußischen Landtages; v. Kardorff, Mitglied des Reichstage-; Leon Rasfalowilsch, Präsidentder Asow-Bank inPeter-burg; Gras Kolowrat, Oesterreich; George Boutmy. kaiserliche landwirthschastliche Gesellschaft in Rußland; F. Raeder, Dänemark; William Field, Mitglied de» Unterhauses, Präsident der irischen Biehhändler-Gesellschast; Henri Segnier, Mitglied des Raths der französischen Bimelallisten-Liga; von Ploetz-Dötlingen, Mit- glied des Reichstages; Meyer-Rotbmandorf, Mitglied des Reichstages; von Sydow-Dobberphul, Berlin, Emil Aschen dorff, Berlin." Daß die Herren Arendt, von Ploetz und Genossen sich ge meinsam mit allerlei Ausländern verpflichten, einen „unmittel baren Druck aus ihre Regierung auSzuüben", ist nicht über raschend, da Herr Arendt, wie die „Nat.-Ztg." in Erinnerung bringt, früher sogar einmal den Amerikanern Rathschläze ertheilte, wie sie durch Schädigung deutscher Interessen einen Zwang im Interesse des internationalen BimelaUismuS aus üben könnten. — Der frühere Kriegsminister General der Infanterie Bronsart von Schellenborff befindet sich, der „Nat.-Z." zufolge, zur Zeit in bestem Wohlsein auf seinem Gute Marienhvf ui Mecklenburg. — An die Mitglieder der Abtheilung Berlin der Deutschen Colonial-Gesellschaft hat der Vorstand nachstehende Mittheilung versandt: „Bezugnehmend aus die in letzter Zeit in den Zeitungen erschienenen verschiedenen Gerüchte über unseren Vorsitzenden tbeilen wir unseren Mit gliedern hierdurch mit, daß Herr vr. Peters sich auf längere Zeit nach London begeben hat, um im dortigen Archiv Studien zu einer seil 12 Jahren geplanten Geschichte des englischen Colonialreiches zu machen. Herr vr. PeterS schreibt uns, daß er seinen Vorsitz in der Abtheilung Berlin end gültig niederlegc und auö dem Vorstande derselben aus scheide, da er der Deutschen Colonial-Gesellschaft zur Zeit nicht dienen könne. Er erklärt aber zugleich, er werde dauernd zu seinem Volke gehören und unter allen Um- ständen auch getrennt versuchen, der colonialen Sache zu dienen. An colonialen Unternehmungen würde er sich nur betbeiligen, wenn sie nicht gegen daS Wohl seines Vaterlandes verstießen". Der Vorstand der Abtheilung Berlin der Deutschen Colonial-Gesellschaft. v. Poser und Groß- Nädlitz, General-Major z. D. — Laut der „Schl. Z." sind bei der Vergebung der letzten regelmäßigen Militairlieserungen wieder verschiedene Aufträge auf Handwebereierzeugnisse den schlesischen Hand weberbezirken zugewiescn worden. — In Sachen der Militairstrafproceßreform wird der Münchener „Allgemeinen Zeitung" „aus guter Quelle" mitgetbeilt: „Die Angelegenheit ist im besten Flusse, jedoch keineswegs bereits zu einem Puncte gefördert, wo sich be stimmte Mittheilungen machen lassen. Ob an der früher gehegten Absicht festgchalten wird, den Entwurf dann, wenn er an den Bundesralh gelangt, auch zu veröffentlichen, steht noch dahin. Soviel aber dürfte schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit sich Voraussagen lassen, daß die Verhandlungen im BundeSrath sich einigermaßen in die Länge ziehen werden, da es nicht ganz leicht sein dürste, die Mittellinie zu finden, auf der sich ein Ausgleich zwischen dem preußischen und dem bayerischen Standpunct in Bezug auf verschiedene Fragen — die namentlich unter dem Gesichts punkte der Erhaltung der DiSciplin hochwichtig erscheinen — vollziehen kann." — In der Zusammensetzung des preußischen LandeS- c konomiecollegiums dürften sich in der nächsten Zeit ver schiedene Veränderungen vollziehen, da die Errichtung der Landwirtbschaftskammern auf die Organisation der genannten Körperschaft nickt ohne Einfluß bleiben wird. Das Landesökonomiecollegium besteht jetzt zu zwei Dritteln aus den von den landwirthschaftlichen Vereinen gewählten Mitgliern. Ueberall dort, wo die Landwirthschaftskammern an die Stelle der landwirthschaftlichen Vereine getreten sind, wird, wie die „N. A. Z." annimmt, das Wahlrecht für das LandeS- Lkonomiecollegiuin auf die Kammern übergehen. Statuten mäßig muß hierüber aber zunächst das Landesökonomie collegium gehört werden. — Auf Veranlassung des CultuSnnnisterS wird die wissen schaftliche Deputation für das Medicinalwesen im No vember dieses Jahres zu einer Bcrathung über die Ein beziehung des ärztlichen Standes in die Gewerbe ordnung, bezw. das Verbot der Curpfuscherei, zu sammentreten. An dieser Berathung sollen auch von den Aerztekammern gewählte außerordentliche Mitglieder theil- nehmen. Es soll der Commission die Frage vorgelegt werden, ob eine Aenberung des gegenwärtigen durch die NcichSzewerbe- ordnung geschaffenen Zustandes erwünscht sei und welche gesetzgeberischen Maßnahmen dazu nothwendig sein würden. Der Vorsitzende der Deputation, Mcdicinaldirector vr. Bartsch, hat bereits zwei Referenten ernannt, welche gegenwärtig mit der Aufstellung der zur Beschlußfassung vorgeschlagenen Thesen beschäftigt sind. — Wie die „Franks. Ztg." erfährt, wird nächste Woche eine Zusammenkunft der Vorsitzenden der deutschen Alter»- und Invaliditäts-Anstalten ia Cassel statt- fikiven, behuf» Berathung der Novelle zu den Versicherungs- Gesetzen. — Im Proceß Hintze und Genossen hat, dem „Vorw." zufolge, die Staatsanwaltschaft gegen da» Urtheil vom 11. September Revision eingelegt. — Der verantwortliche Redakteur de» „Vorwärts", Iacobey, batte sich gestern vor der vierten Strafkammer de» Landgerichts I wegen Beleidigung de» Criminal- commissarS Schöne zu verantworten. Letzterem war in der Nummer vom 20. Mai des „Vorwärts" Verletzung der EideSpflicht rc. vorgrworfen worden. Da jedoch nur der Strafantrag des Polizeipräsidenten vorlag, so erkannte der Gerichtshof auf Antrag deS Rechtsanwalts Freudenthal auf Einstellung des Verfahrens, da die Beleidigungen persön licher Natur seien und die Berufspflichten des Beleidigten nicht berühren. — Pfarrer Naumann theilt über daS Programm der neuen christlich-socialen Partei in der neuesten Nummer der „Zeit" noch mit, eS werde die Durchführung des all gemeinen direkten Reichstagswahlrechtes, d. h. eine gerechte Vertheilung der Wahlkreise, gefordert werden. — Bei der Wahl des Berliner Gauvorstandes der Buchdruckerorganisation wurde der zurückgetretene alte Gauvorstand bis auf den zweiten Vorsitzenden, der sich nicht wieder aufstellen ließ, mit 1705—1780 Stimmen wieder gewählt; die Candidaten der Opposition erhielten 1427 bis 1649 Stimmen. — Die BetriebSarbeiter der fünften städtischen Gas anstalt bei Schmargendorf haben die Arbeit ein gestellt. Die Gasarbeiter fordern, wie früher berichtet worden ist, „statt der 18stündigen Arbeitsschicht und 9stündizen Arbeitszeit" die 12stündige Arbeitsschicht und 6 stündige Arbeitszeit. Diese Mittheilung ist, wie die „Post" von zuständiger Seite hört, incorrect, insofern nämlich, als dabei verschwiegen wird, daß die 18stündige Arbeitsschicht bezw. 9 stündige Arbeitszeit nur aller vierzehn Tage von dem einzelnen Arbeiter verlangt wird. Die Arbeiter, welchen diese höhere Leistung zugemuthet werden muß, er halten dafür eine entsprechende Geldvergütung. Jeden Sonn tage tritt nnn ein Wechsel in der Weise ein, daß die Tages- colonne der letzten Woche die achtzehnstündige Schicht über nimmt, wodurch es ermöglicht wird, daß die Nachtarbeiter der letzten Woche nunmehr für die kommende Woche in den Tagesdienst eintreten, der von früh 6 Uhr bis Abends 6 Uhr dauert, während die Nachtschicht von 6 Uhr Abends bi« 6 Uhr früh währt. Da beide Kategorien der Arbeiter sich regelmäßig ablösen, so kommt der einzelne Mann also nur aller 14 Tage an die längere Schicht. Damit sind die Arbeiter unzufrieden, während sie gegen die Lohnverhältnisse nichts einzuwenden haben. — Der Boykott der Berliner Arbeiter über die Packet- fahrtgesel lschaft ist in einer Versammlung der Delegirten zur GcwcrkschaftScommission aufgehoben worden. In der Debatte wurde zugestanden, daß der Boykott von vornherein verfehlt und aussichtslos gewesen sei, daß er selbst von den organisirten Arbeitern kaum beachtet wurde und nickt die geringste Wirkung gehabt habe. Ein Antrag der Gastwirths- gehilfen, auch den Boykott über die Privatpostgesellschaft für beendet zu erklären, fand nicht die genügende Unterstützung. — Das Befinden des Prinzen Eitel ist noch immer nicht befriedigend. Er ist am Gehen behindert und kann nur Ausfahrten unternehmen. — Der englische BolschaftSrath Mr. Gosselin ist in dieser Eigenschaft und mit dem Range eines Gesandten an die Botschaft nach Paris versetzt worden. — Gegenüber den Erörterungen der Presse, betreffend den Pensionirungsantrag des Grneralsuperintendenten Ernst in Wiesbaden, stellt die „Nordd. Allg. Ztg." fest, daß Ernst am 28. August seine Beisetzung in den Ruhestand erbeten und das Gesuch ausschließlich mit seiner geschwächten Gesundheit be gründet habe. Zugleich habe Ernst um einen Urlaub vom 3. October bis 1. Deceniber gebeten. Der Urlaub sei bis Ende November be willigt, dabei sei aber die Hoffnung ausgesprochen worden, daß der Urlaub, der eventuell verlängert werden könne, den verdienten Geist lichen kräftigen und in den Stand setzen möge, seine Amtsgeschäste wieder zu übernehmen. Ueber das Gesuch um Versetzung in den Ruhestand sei daher die Entscheidung vorläufig Vorbehalten. Weiteres sei nicht vorgekommen. — Wie telegraphisch gemeldet worden, ist in Wiesbaden der „vormalige Major a. D." Hintze gestorben. Geboren am I. No- vember 1839 in Brieg, ist er nur 57 Jahre alt geworden. Hintze hatte sich der mititairischen Laufbahn gewidmet und war 1883 als Major aus dem Heere anSgeschirden. Liberal und von lebhaftem politischen Interesse erfüllt, schloß er sich der secessionistischen Gruppe, und als die Fusion erfolgte, dem rechten Flügel der freisinnigen Partei an. Er war 1884 bis 1887 und dann wieder 1890 bis 1893 Mitglied des Reichstags. Nach dem Wahlkampfe von 1887 wurde Hintze vor ein Militairgericht gestellt, weil er in socialdemokratischen Versammlungen gesprochen und einen Beleidiger nicht gefordert hatte; eS wurde ihm deshalb der Titel „Major a. D-" und das Recht zum Tragen der Uniiorm aberkannt. Im Jahre 1893 ge hörte er zu den sechs deutsch-freisinnigen Abgeordneten, welche vor der Auflösung des Reichstages für die Militairvorlage stimmten. Er gehörte dann, ohne in den Reichstag wiedergewählt zu sein, der freisinnigen Bereinigung an, deren Geschäftsführer er bi- vor Kurzem war. * Oberhausen, 26. September. Die nationalliberalen Vertrauensmänner batten sich heute Nachmittag unter dem Vorsitz deS Herrn Professors Hersmann-Ruhrort ver sammelt, um die Wahl der Delegirten unseres Wahlkreises zum Berliner nationalliberalen Parteitage vorzunehmen und über Organisationsfragen zu berathen. Nach einem ein- leiteudru Vortrag de» Generalsecretair» Di». Johanne» er örterte man in angeregter DiScussion die von der Partei im Allgemeinen zu beobachtende Haltung gegenüber wirthschaft- lichen Einzrlfragen. Man stimmte hier dem Absatz 2 der Resolution der Natioualliberalen Hannovers zu, forderte aber die Unterstützung der Laudwirthschaft durch einen Zusatz insbesondere auch für die Viehzucht. Absatz 1 der genannten Resolution wurde ebenfalls einstimmig angenommen; die darin enthaltene Zurückweisung ultra montaner Be strebungen war der Versammlung aber noch nicht scharf genug, und e» wurde in den Wortlaut der hannoverschen Fassung eingefügt, daß die Partei ihnen „noch mehr als bisher" entgegentreteu müßte. (Köln. Ztg.) * Meiderich, 24. September. Heute fand in Gegenwart der Behörden, vieler Ehrengäste, der Vereine und Schulen die feierliche Enthüllung «ine» von dem Bildhauer Arnold Künne-Altena ausgeführten Denkmals für Kaiser Wil helm I. statt. Das Denkmal bildet' durch seine schönen Verhältnisse und künstlerische Durchführung die hervor ragendste Zierde der Stadt. In einer Gesammthöhe von sieben Metern steht auf dem Marktplatze daS in Bronzeguß ausgeführte Denkmal, ein Kolofsalstandbild des Kaisers, in annähernd doppelter Lebensgröße, auf schönem Unterbau von deutschem Granit. Den Sockel schmücken die charakteristisch auSgesührten Reliefbilder BiSmarck'S, Moltke'S und das Wappen der Stadt. DaS Ganze umgiebt ein herrliches, in Schmiedeeisen kunstvoll ausgeführtes Gitter. Zu gleicher Zeit wurde auf dem Kriegerdenkmal am Friedrichplatz ein neuer, ebenfalls von dem Bildhauer Künne ausgeführter Adler auf gesetzt. * Solingen,26. September. Am letzten Montag hat bekannt lich das Personal der socialdemokratischen Druckerei die Arbeit eingestellt. Die „Köln. Ztg." erhält folgende Zuschrift über diesen Ausstand: Anlaß war angeblich eine Aeußerung deS Redakteurs der im Verlag der Genoffenschafts druckerei erscheinenden „Bergischen Arbeiterstimme", die er den Setzern gegenüber gemacht haben soll: „Sie sollten nach Hause gehen, sie wären alle betrunken." Bei diesem Vorgang hat es an schmeichelhaften Auseinandersetzungen nicht gefehlt. Die am Dienstag fällige Nummer der Arbeiterstimme fiel aus, und am Donnerstag erschien das Blatt wieder in vollem Umfange. Ent gegen den socialdemokratischen Grundsätzen hatte man ein neues Personal, bestehend auSNichtverbandSmitgliedern,eingestellt. In einer am DienSlag Abend abgehaltenen Versammlung deS auS- ständischen Personals und anderer in Solingen in Arbeit stehender Verbandsmitglieder, sowie einiger Cartellgenossen machte der Setzer Hoffmann, ein Socialdemokrat, dadurch seinen Gefühlen Luft, daß er erklärte, er hätte bei konserva tiven, nationalliberalen und klerikalen Principalen gearbeitet, aber bei keinem sei die Behandlung so schlecht gewesen wie in der socialdemokratischen Druckerei in L>olingen. Das alte Personal hat Klage angestrengt um Auszahlung des vierzehntägigen Lohnes, wozu am Donnerstag Termin vor der Vergleichökammer anberaumt war, aber ohne Ergebniß, weil der Redacleur und der Geschäftsführer der Druckerei nicht erschienen. Nun ist Termin auf den 7. October vor dem Gewerbegericht anberaumt. * Mainz, 26. September. Zur allgemeinen Ueberraschung hat der Fabrikbesitzer vr. Ga stell (deutsch-freisinnig) heule erklärt, daß er eine Candibatur zum Landtag nickt an nehmen könne. Dadurch ist der Erfolg des Bündnisses der deutschen Volköpartei mit den Deutsch - Freisinnigen und Nationalliberalen zweifelhaft geworden. * Mannheim, 27. September. Beim Festmahle im Stadt park brachte Oberbürgermeister Beck einen Trinkspruch auf den Großherzog aus, in welchem er auf die Feier deö 70. Geburtstages des Landesherrn hinwies. Der Größ te erzog erwiderte alsbald mit einem begeistert aufgenom- meneu Hock auf die Stabt Mannheim. Abends nach der Festvorstellung im Hostheater war die Stadt prächtig beleuchtet. * Kulmbach, 25. September. Das hiesige Bezirkö- gremium für Handel undGewerbe hat sich einstimmig gegen die Einführung von Zwangsinnungen und über haupt gegen jede zwangsweise Organisation deS Handwerks ausgesprochen. (K. T.) * Augsburg, 26. September. Der „Abend-Ztg." zufolge geht das hiesige socialbemokratische Organ die „Volks- j zcitung" vom 1. October an ein. * Mülhausen t. E., 26. September. Der Stadtrath be schloß mit 20 gegen 9 Stimmen die Zulassung derPresse zu seinen Sitzungen; er verwarf dagegen mit 19 gegen 8 Stimmen das Princip der O effen tlich leit der Gemeinve- rathösitzungeu. (F. Z.) Oesterreich »Ungar«, Die Einweihung de» Eisernen Thores. * Orsova, 27. September. Ans den gestrigen starken Regen, welcher die Ausschmückung und Beleuchtung der Stadt nur tbeil- weise beeinträchtigt hatte, ist heute «in prachtvoller Herbsttag mit Hellem Sonnenschein gefolgt. Ganz Orjova war schon in den frühesten Morgenstunden auf den Beinen. Um 7 Uhr begab sich der Kaiser in die katholische Pfarrkirche, wo außer seinem Gefolge auch Erzherzog Josef, sowie alle Minister, zahlreiche Magnaten und einige Damen anwesend waren. Nach Beendigung der Messe erfolgte die Fahrt zum Bahnhof», wo sich die Minister und Würdenträger, die Mitglieder der Parlamente beider Reichshälften, der Klerus und dir Ehrengäste schon vor der Ankunft des Kaisers eingefunde» hatten. Am Bahnhofe war eine Ehrencempagnie ans- gestellt. Unter den Klängen der ungarischen Hymne schritt der In letzter Zeit hat Fürst Edgar'S ruhig freundliche» Wesen gegen seine Gemahlin eine Umwandlung erfabren, seine Stimmung ist oft ungleich und unruhig in rhrer Nähe, seine Worte haben einen eigenthümlich warmen, weichen Klang, wenn er mit ihr spricht, und in seine Augen tritt oft mit einem Male ein seltsames Leuchten, indem er sie betrachtet. Ob die Fürstin diese Symptome eines erwachenden wärmeren Gefühles zu deuten weiß? — Wenn wirklich, so wagt sie sich indessen selbst diese Erkenntniß noch nicht ein- zuaestehen, aber vielleicht ist daS glückliche Lächeln auf ihren Zügen ein Ausfluß der sie still durchdringenden Erkenntniß. Jetzt werde» drüben die schweren Falten der grauen Sammetportiöre zurückgeschlagen, und eine hohe Manner- gestalt erscheint in derselben. Ueber die Züge seines ernsten Gesichte» fliegt ein sonniger Strahl beim Erblicken der an- muthigen Gruppe. Unbeweglich verharrt er auf seinem Platze, um sie un gestört betrachten zu können, aber schon haben die lebhaften, schwarzen, den seinen so ähnlichen Augen seines Kindes ihn bemerkt, und die Blumen im Aufstehen von dem veilchen blauen Sammetröckchen schüttelnd, läuft eS mit dem Rufe: „Papa, Papa!" in seine auSzebreiteten Arme. Fast erschrocken wendet die junge Frau den Kops nach dem Eintretenden, der jetzt rasch an ihre Seite tritt. „Was machst Du denn da, Therese?" fragt er, auf da» bekränzte Bild deutend. „Ich — ich wollte Dir eine Freude machen", stammelt sie verwirrt und erröthend. Sein Blick strahlt auf, — er sucht den ihren, der fast scheu am Boden haftet. „Ich danke Dir", sagte er weich, „aber die größte Freude ist mir, daß mein Weib mir «ine solche machen wollte." Er hatte jede» seiner Worte betont; sie sieht nicht auf, versteht sie denn den Sian derselben nicht? Er beugt seine Gestalt zu ihr herab und fährt, den Arm um ihre Gestalt legend, in bewegtem Tone zu sprechen fort: „Ja, Therese, laß mich e» Dir heute endlich sagen, wa» mir f» lange schon auf den Lippen schwebte: — vor dem Bilde des Mädchens, daS mir zum Stern geworden, dessen Licht mich die Blume erkennen ließ, die geschaffen war, um an meinem Herzen zu blühen: aus der treuen Freund schaft, die ich Dir einst geboten, ist treue Liebe geworden, — sage mir, daß e» noch nicht zu spät ist, mir die Deine zu erwerben." „Edgar!" Das blonde Haupt sinkt an seine Brust, und mit einem Ausdruck hingebender Zärtlichkeit hebt die Fürstin die schönen Augen, in denen selige Thränen schimmern, zu ihm empor. „Du brauchst sie nicht erst zu erwerben", flüsterte sie mit glücklichem Lächeln, „sie war ja immer — immer Dein!" Innig umschlungen richten die beiden Gatten ihre Blicke auf daS idealschöne Mädchenbild vor ihnen, daS sich zu be leben scheint unter dem warmen Sonnenstrahl, der eben jetzt darüber hingleitet. Fast könnte man glauben, die schlanken, lilienweißen Hände würden sich heben, um die Rosenfülle, die sie halten, über die beiden Glücklichen aus- zustreuen, durch deren Herzen in diesem Augenblicke über wältigend dasselbe Gefühl strömt. Ein heißer Segenswunsch für Lia Rose entquillt dem Munde der Fürstin, in welchen still und fest Fürst Edgar einstimmt. Und sie, der derselbe gilt: Lia Rose, ist auch sie glücklich? Wir wollen die Thatsachen sprechen lassen. Es ist ein trauliche- Erkerzimmer ia dem waldum- rauschten Forsthause, wohin wir jetzt den Leser führen. Der Oberförster hat eS eigens nach dem Garten hinau» bauen lassen für sein junges Weib, und er hat Alle« darin zu- sammengetragen, waS zartliebende Fürsorge ersinnen kann, um den Aufenthalt darin traut und anheimelnd zu machen. Auch dort sind die Fenster geöffnet, den FlühlingSodem einzieben zu lassen, mit dem die blühenden Vrilchenstocke die da« Gesimse füllen, ihren leisen Dust vermischen. Aus ihrem von duftigen Vorhängen umgebenen Lager ruht die junge Herrin des freundlichen Gemache» und läßt ihre Blicke mit dem Ausdruck seliger Freude auf der zierlichen Wiege hasten, die neben ihrem Lager steht. Vorsichtig streckt sie die schmale Hand au» und hebt leise, leise den Schleier von derselben, um riuea Augenblick den holden, kleinen Schläfer zu betrachten, der drinnen im schneeigen Linnen träumt, und auf dessen rundes Gesichtchen der Schlummer Rosen gemalt hat. Wenn die Gattin vielleicht noch nicht immer ungetheilt glücklich zu sein vermochte, — die junge Mutter, die dort entzückt die Hände faltet, um Gott für das holde Wunder zu danken, das er ihr bescheert hat, ist eS sicher voll und ganz. Von ihres Kindes Wiege, über die Lia Rose nur zögernd wieder den Schleier breitet, gleiten ihre Blicke durch den ge schmückten Raum, in dem sich ihr überall de- Gatten sorgend« Hand verräth. Die beiden Ecken gegenüber hat er, während sie schlief, mit Gruppen breitblätteriger Farren, aus denen hier und da der träumend geneigte Kelch einer Kalla hervor schimmert, gefüllt, damit ihr Auge beim Erwachen sich ins Grüne versenken könne. Und weiter schweifen ihre Blicke durch die epheuumlaubten Bogenfenster hinaus in den blühenden Garten und darüber hinweg ins dämmernde Walddunkel. Sie haften lange auf einer hohen, im Sonnenlicht purpurn schimmernden Baumkrone, die, alle anderen Wipfel über ragend, weithin sichtbar ist, und während sie unverwandt darauf hinschaut, tritt ein wrbmüthiger Zug in Lia Rosen'» frohes Antlitz. Drüben, die Rothbuche am Waldsee, rauscht ja über ihre» Vater» Grab! — Giulio Goldini hat noch viele schöne Tage voll unvergeßlicher Stunden mit seinen Kindern erlebt und ist dann sanft und kampflos ringescklafen. Bor seinem Tode ist ihm noch ein hohe» Glück zu Theil geworden: in den letzten Monaten seine» Leben» sank der Schleier der Blind heit von seinen Augen, und er sah — seine Eacila, sein schönes, heißgeliebtes Kind! Den Blick bi» zuletzt auf ihr süße», liebverklärte» Antlitz gerichtet, ist er still hinüber aegangen zum ewigen Licht. Seme Kinder haben ihn auf seinen Wunsch unter dem Hügel am Weiher gebettet, dort, wo er Lia Rose wiedergefunden, und täglich gehen sie dorthin, sein Grab mit Blumen zu schmücken. Dorthin ist auch Walter soeben gegangen, um die reichen Lorbeerspendrn, di« zum Jahrestag seine» Tode» für de» Künstler» Gruft au» der Residenz gesandt worden, daraus uiedrrzulegen. Lia Rosen'S Blicke wenden sich der Thür zu, die jetzt leise geöffnet wird. Der junge Oberförster erscheint auf der Schwelle und nähert sich, vorsichtig auftrelend dem Lager seines jungen Weibes, daS er schlummernd glaubt. — „Ich schlafe nicht, Walter", klingt eS ihm freundlich ent gegen, und lächelnd winkt sie ihn zu sich heran. Mit wenigen Schritten ist er an ihrer Seite und reicht ihr einen duftigen Strauß von Veilchen, Anemonen und Schlüsselblumen. „Da ist ein Lenzgruß für Dich", sagt er innig und drückt die kleinen Hände, die dankbar nach den Blumen greifen, voll tiefer Zärtlichkeit an seine Lippen. Als er sie endlich frei läßt, hebt Lia Rose aufs Neue den Schleier von der Wiege. „Sieh hier unfern Knaben, Walter", flüstert sie glückselig, „sag', wie soll er heißen?" „Edgar —" klingt es ohne Zögern zurück, indem Walter'S blaue Augen sich voll und frei auf sie richten. Sie nickt ihm zu, streckt ihm nochmals beide Hände ent gegen und lächelt, — da tönt von draußen daS Rollen eines Wagen- herauf. Waldmann, der bi» dahin unbeweglich im Gefühl der Wichtigkeit seines Amtes vor der Wiege gelegen, erhebt jetzt seine tiefe Stimme, und auf diese» Signal ertönt von außen rin vielstimmige» Hundeconcert. „Da» sind die Eltern!" ruft Lia Rose freudig aus. „Wie werden sie sich freuen, ihr Enkelchen umarmen zu können!" Walter springt auf, den Ankommenden entgegen zu eilen. Lia'» Auge aber jucht den leuchtenden Frühlingshimmel, wäh rend sie die Hände ineinander faltet. „Ich danke Dir, mein Gott", betete sie leise, „nicht Jedem, der im Paradiese weilen durfte, wird noch so reiche? Erden glück zu Theil." (Schluß.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder