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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-05
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Die Morgeu.Li'Sgab« «scheint mn '/,? Nh«, di« Abend-Ausgabe Wochentag- um L Uh«. Filialen: Vit» KlkNtm'S Lortim. (Alfred Hahn). Universitätsslraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbattnenstr. 14. vnrt und Königrvlatz 7 Redaktion und Erveditto«: -«tzaonx-aff« 8. Die Kxprotttoa ist Wochentag» ununterbrvcheo «öffnet von früh 8 bis Abend« 7 Utz». Bezug-Preis in der Hanptexpedition oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten AuS« aabrstellen abgebolt: vierteljährlich^ «.SO; bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Lau« b^O. Durch di« Poft bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrstäbrlich ö>—. Direkt« tägliche Kreuzbaudirnduu« imt Ausland: monatlich 7.SÖ. Abend-Ausgabe. WWM.TlUMM Anzeiger. Amtsktatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er L1a-1 Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Rrclamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) bO/L, vor den Familieanachrichte, (S gespalten) 40^ Größere Schriften laut unserem Preis« «erzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Taris. Ertin-Vetlaien (gefalzt), nur mit d«, Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderuag SÜ.—, mit Poftbesörderung 70.—. ^nnahmeschluß für Änzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhu Morgra-Ausgabe: Nachmittag» «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Ver'aq non E. Bolz in Leipzig 508. Montag den 5. October 1896. Nationalliberaler Delegirtentag. i. td Berlin, 3. October. Pünktlich zur angesetzten Stund», Vor mittags 10 Uhr, waren all» Delrgirten, ca. LOO, im großen Saale des „Concerthauses" versammelt. Unter den anwesende« ReickS- tagsmitgliedern und Abgeordneten des Landtags möchten mir namentlich bervorheben: Abgg. Brüning«, Rimpau, Placke, Jebsen, Wamhofs, Schulze-Henne, Boltz, vr. Aub, Münch-Färber, Bayerlei», Bassermann, Frank, Hehl zu HernSheim, vr. Friedberg, Waller, Prof. vr. Euneccerus,, vr. Osann, Prof. vr. Hasse, Gras Oriola, Amtsrichter Hofmann, vr. Krause, vr. Max Weber, Senator Wall- brecht, Justizrath Eckels und viele andere Landtagsabgeordnete, ungefähr 40 an der Zahl. Geheimralh Simon, L. Vorsitzender des Centralvorstande», eröffnete die Versammluug mit Grüßen des ersten Vorstandes Abg. Excellenz Hobrecht, der bedauert, krankheitshalber verhindert zu sein, an den Verhandlungen Theil zu nehmen. Mit warmen Worten richtete Geheimrath Simon einen Appell an die Versammlung, worin er der Hoffnung Ausdruck verlieh, daß, wenn auch die Gegen sätze aus dem Parteitage nicht beseitigt werden könnten, so doch eine offene Aussprache beruhigend und klärend wirken werde. Für die verschiedenen Richtungen der Partei biete sich doch rin breiter Boden gemeinsamer Arbeit, der alle Hoffnung der Gegner auf Zerreibnng der Partei zu schänden machen werde. Gestärkt und gekräftigt werde die Partei zuin Wohle des Vaierlandes aus den Verhand lungen bervorgehen. (Lebhaftes Bravo!) Auf Vorschlag des LentrolvorstandeS werden durch Zuruf die Herren Abg. Vr. Krause (M. d. A.), Abg. Brünings und vr. Aub (M. d. bayer. Landt.) zu Vorsitzenden des Telegirten- tages, die Herren vr. Sattler, Vr. Schall und Generalsccretair Patzig zu Schriftführern gewählt. Alsdanu übernahm Abg. vr. Kraufe den Vorsitz; in seiner kurzen Ansprache betonte er die weitestgehende Objeclivtlät in der Beurtheilung anders Denkender. Die Partei kenne kein anderes Ziel, als das Wohl des Vaterlandes. (Lebhaftes Bravo!) Mit der Aufforderung, dem Schirmer des Reiches den ehrfurchtsvollen Gruß in Ausbringung eines Hochs und Absendung einer Depesche darzu bringen, schloß die kurze Ansprache des Vorsitzenden. Die Depesche an den Kaiser hat folgenden Wortlaut: „Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät huldigen die aus ganz Deutjchland versammelten Delrgirten der nativnalliberalen Partei in unerschütterlicher, ehrerbietiger Treue. Jetzt wie allezeit ist ihre Losung: Alles für Kaiser und Reich. Im Auftrag: Der Vorsitzende: vr. Krause." Darauf trat die Versammlung in die Tagesordnung ein. Der erste Punct betrifft die Allgemeine Stellung der Partei. Hierzu liegt folgender Antrag des Centralvorstande« vor: „Der nationalliberale Delegirtentag hält es unter den gegen wärtigen politischen Verhältnissen für besonders nothweadig, die alten Grundsätze zu betonen: daS Vaterland über der Partei; das all gemeine Wohl über allen Sonderinteressen; Unabhängigkeit nach rechts und links, wie gegenüber der Regierung; volle Wahrung der conslitutionellen Rechte; Bekämpfung jedes Rückschritts und beharr liches Streben nach stetiger Fortentwickelung aller Einrichtungen des öffentlichen Lebens; entschlossene Vertretung alles Dessen, was die Macht und Sicherheit des Reiches und der Schutz des Deutschthums gegen Uebergriffe und Anmaßungen, sei es von welcher Seite immer, fordert: kräftiges Eintreten für alle berechtigten Wünsche und Be- schwcrden des Volkes. .« Die nationalliberale Partei bewahrt auf wirthschaftlichem Ge biete ihren Charakter als Mittelparlet und muß daher Forderungen zurückweisen, welche in einseitiger Berücksichtigung der Interessen eines Berufsstandes andere für den Staat gleich wichtige Berufs- stände empfindlich zu schädigen oder die Grundlagen unserer Volks- wirthschaft umzustoßen geeignet sind. Derartigen Bestrebungen eut- gegenzutreten, erachtet die nationalliberale Partei für ihre Pflicht, aber ebenso für die Pflicht jeder das Staatswohl allein zur Norm nehmenden Regierung." Hierzu liegt folgender Abänderungs-Antrag von Bueck und Genossen vor: Der Delegirtentag wolle beschließen: I. Den zweiten Absatz des Antrages 1 deS Centralvorstandes wie folgt zu fassen: Die nalionalliberale Partei wird auf wirthschaftlichem Gebiete ihre» Charakter als Miitelpartei bewahren. Die nachdrückliche Förderung der Jutereffen der Landwirthschast wie des gewerblichen Mittelstandes wird sie sich auch fernerhin angelegen sein lassen. Sie muß jedoch Forderungen znrückweisen, welche in einseitiger Berücksichtigung der Interessen eines Berufsstandes andere Berufs stände zu schäbigen oder die Grundlagen unseres Erwerbslebens und der staatlichen Ordnung umzustoßen geeignet sind. Sie ver wirft den Antrag Kunitz und jeden anderen Versuch, die Ver sorgung der Bevölkerung mit nothwendigen Lebensmitteln monopolistisch zu gestalten; sie weist das Bestrebe» zurück, an die Stelle der HandelSvertragspolitit eia System des Zollkriegs zu setzen; sie verlangt die Ausrechterhaltung der gesetzlich bestehenden deutschen Währungsordnung; sic erklärt sich gegen jede Gesetzgebung, welche bestehende Formen redliche» Geschäftsverkehrs zerstört oder den Verwaltungsbehörden die Vollmacht zu derartigen Eingriffen ertheilt; sie fordert die Ablehnung des preußischen Antrags auf Handwerks-Organisation und jedes andern, auf Wiederherstellung des Zunftzwanges gerichteten Vorschlags. Derartigen Bestrebungcii entgegenzuircten, erachtet die nationalliberale Partei für ihre wie für die Pflicht einer das Staatswohl allein zur Norm nehmenden Regierung. H. Im Falle der Annahme Les vorstehenden Abänderungs-An- Irags den zweiten und dritten Absatz des Antrags des Central- Vorstandes Nr. 2, betreffend die Handwerks-Organisation, und den Antrag Nr. 7 (Goldwährung) als erledigt abzulehnen. III. In dem Antrag des Centralvorstandes Nr. 6 im dritten Satze die Worte: „die Erhaltung und Förderung der großen landwirthschaft- lichen Nebcngcwerbe, der Brennerei und der Zuckerfabrikation, sowie für" zu streichen. Zur Begründung des Antrags des Centralvorstandes ergreift das Wort Abg. Bassermann: ES ist Bedürfmß des Dclegirtentages angesichts der vorhandenen Unsicherheit der inneren Verhältnisse wie der Gegensätze über wirth« schaftspolitische Fragen innerhalb der Partei zu einer Verständigung zu gelangen. Solche Gegensätze waren immer vorhanden. Heute sind aber die Interessen des Wirlhjchastslebens besonders stark, sie beeinflussen das politische Leben, erzeugen sogar selbstständige Parteien. Aber auch diese sind von starken inneren Gegeniätzen er- faßt. I» der Socialdemokratie tobt der Kamps zwischen Akademiker und Arbeiter u. s. w. Die Noth der Landwirthe, die wir nicht leugnen, zeitigt eine agrarische Jnteressenvertreinng, die aber den regionalen Gegensatz auch nicht überwindet. Das Centrum hat klugerweise bisher die wirthschaftlichcn Streitfragen in seiner Milte ausgetragen, wiewohl dort der Gegensatz zwischen größtem Land besitz und politisch radikalen Gesinnungen eigentlich am stärksten sich ausprägt. Im Streite der Meinungen wollen wir nicht ver gessen, daß, was un» eint, stärker ist, als was uns trennt. (Bravo.) Die unter Nr. 1 vorgejchlagene Resolution will im ersten Satz aussprechen, daß wir selbst unseren lieberalen Standpnnct fest aufrecht erhalten, einerseits gegenüber den Parteien, d. h. also, daß wir jedes Ausgehen in anderen Parteien rundweg ablehnen, anderer seits gegenüber der Regierung, die heute nicht mehr wie zu Bismarck's Zeiten die Stetigkeit der inneren und nationalen Politik in sich verkörpert. Der zweite Satz betont unsere Stellung als Mittelpartei und lehnt es ab, daß e n Stand seine Riemen aus dem Leder anderer Stände schneidet oder gar socialistisch angehauchte Experimente macht. Als Msttelpartei müssen wir aber auch die Ueber- treibung der entgegengesetzten Seite zurückmehren. Weder die Spal tung durch den Austritt der Gruppe Schaub-Völk, noch die Secession von 1880 bat dem von den Ausgeschievcnen verfochtenen wirthschaft- lichen Standpnnct noch viel weniger dem Interesse des Liberalismus gedient. Wir können auch heute nicht dafür halten, daß der radicale Liberalismus für uns bündnißsähig sei. Zu gelegent licher Abwehr ergiebt sich das Zusammenwirken von selbst. Die freundlichen Beziehungen zur Gruppe Rickert, soweit diese mit uns nationale Ausgaben erfüllen will, ist immer aufrecht erhalten worden. Die conseroatioe Partei hat nicht zu ihrem Segen sich zum Tivoliprogramm entwickelt. Von da nahm die Zerstörung der conjervativen Partei durch den Antisemitismus, die Christlich- Socialen u. s. w. seinen Anfang. Auch hat die Uebertreibung dec agrarischen Jnteressenpolitik ein gut Theil conservativer Königstreue hinweggenommeu. Diese Partei, die „ohne Kanitz keine Kühne" bewilligt, an der Hasenfrage beinahe das Bürger liche Gesetzbuch zu Fall bringen konnte, ist in einer Verfassung, daß vom Cartell, von dein unsere Gegner noch reden, keine Rede sein kann. Das Centrum hat ja neuerdings der Regierungspolitik dauernde Dienste geleistet, aber das mahnt »ns nur zur Einigkeit. Wenn die Negierung verlernt, dem Centrum gegenüber einen steifen Nacken zu zeigen, so müssen wir darauf uns wappnen, den Kamps um die Schule und gegen die Anmaßungen des Ultramontanisinus zu führen. Tas Jahr 1898 wird wohl die Loosung aller unserer Gegner geben: Vernichtung Les Nationalliberalismus. Das malmt uns doppelt, an Las zu denken, was uns eint. Die Vorwürfe, welche uns von den vereinten Gegnern gemacht werden, widerlegen sich durch die vielangeseindete Thätigkeit der Reichstagsfraction im Geiste der Frankfurter Resolutionen. Die Mittelstands-Politik, der die Fractivn gedient hat, die Mitarbeit am Börsengesetz, die anregende und Regierungsvorlagen fördernde Arbeit der Fractivn des Reichstags und der Partei genossen in den Einzellandtagen im Interesse der landwirth- schaftlichen Bevölkerung, dies alles beweist, wie wir praktisch das Erreichbare verfolgen. Darauf dürfen wir uns berufen, wenn es auch Manchem unbequem ist, was wir in der Gesetzgebung init Lurchgesührt. Tein Bunde der Landwirthe gegenüber nehmen wir ebenfalls unsere volle Freiheit in Anspruch. Wir verwahren uns gegen den Gedanken der imperativen Mandate, gegen die antisemüijche Hetze und gegen die zielbewußte Erregung von Un zufriedenheit der Bauern, insbesondere gegen die Versuche, unS zu spalten durch Verhetzung der Mitglieder des Bundes, die uns angehören. Wir erkennen an, daß die Landwirthe sich zur Wahrung ihrer Interessen zusammenschließen. Wir wissen die nützliche Thätigkeit der Bczirksvorsitzenden LeS Bundes in West und Süd überall zu würdigen. Wenn aber die Berliner Leitung des Bundes überwiegend nur conservatio-antisemitische Wahl politik treibt, jo weqrcn wir dies ab. Der Antrag Kanitz hat seine werbende Kraft verloren; er ist von der Fractivn abgelehnt. Aber wir halten nun kein Scherbengericht gegen diejenigen, die in der Meinung, cs müsse dem dringlichen Noth- stand der Landwirthschast ein dringlicher Ausdruck gegeben werden, den Antrag unterstützt hatten. Jetzt bauen wir für die Zukunft vor. Wir sind als liberale Partei hauptsächlich aufgesordert, aus der Vergangenheit zu lernen, um fest eiuzujetzen, uin allen reactionairen Gefahren der Zukunst rechtzeitig zu begegnen. Das Leben als Minister kann heutzutage rasch enden. Wie die politischen Verhältnisse sind, müssen wir die Fundamente unserer äußeren Machtstellung vertheidigen und pflegen. Die Klerikalen und die Radicalen sind uns da nach der ganzen Vergangenheit nicht ausreichend sichere Bürgen. Nationale Aufgaben sind nicht nur in Bezug auf unser Handelsrecht u. s. w., auch gegenüber dem Polenthum noch zu lösen. Das wächst sich ja zu einer nationalen Frage erster Bedeutung au». Wir können auch nicht vom Schauplatz unserer Arbeit wegtreten angesichts des noch vor handenen Maßes von Particnlarismus. Endlich nöthigt uns die Pflicht, als nationale und als Mittelpartei am Platze zu bleiben, denn das nächste Jahrhundert muß die großen Fragen der Versöhnung der lohnarbeitenden Classen mit der bürgerlichen Gesellschaft durch stetiges reformatorisches Wirken zur Lösung bringen, unter Be rücksichtigung der Bedürfnisse unseres nationalen Wirthfchasts- lebens. Bei diesem Ueberblick über die großen und weiten Auf gaben müssen wir zu der Erkenntniß gelangen, daß wir uns gar nicht im Streit der einzelnen materiellen Gegensätze verlieren dürfen, daß wir al» liberale reformsreundliche, nationale Partei einfach unsere Pflicht thun müssen, ohne Rücksicht auf das, was die Gegner von uns möchten, lediglich auf das, was das große Vaterland von uns verlangt. (Stürmischer Beifall.) SV. Jahrgang. Inzwischen sind folgende Anträge eingegangen: Antrag Vr Lehmann-Marburg. Zu Resolution 1, al 1. hinzufügen: Aufrechterhaltung de» bestehenden Reichstagsmahl rechts. Antrag Sachsen (gez. vr. Stenglein, Vr. KüchUng. Nage:, Niethammer): „Ter Delegirtentag erwartet, daß der Centralvoistaiid sich bemüht, Meinungsverschiedenheiten, die in und unter d»n nationalliberalen Fractionen LeS Reichstag« und der Landtage zn Tage treten, auszugleichen." Antrag vr. Osann: An die Stelle des 3. Absatzes der Reso lution Nr. 1 folgenden Satz zu stellen: „Indem der Delegirtentag an dem in der Berliner Erklärung von 1891 ausgesprochenen Grundsatz: „daß wirtbschastliche Fragen nicht zur Grundlage politischer Parteien dienen sollen", festhält, erkennt er gegenüber der schwierigen Lage der schwer nieder gedrückte» Landwirthschast und des ebenso leidenden mittleren und kleineren Gewerbes als ihre vorzüglichste Aufgabe, aus die lieber« Windung der Nothlage dieser für daS Staatswohl so wichtigen Be rufsstände in dem vollen Bewußtsein der Verantwortlichkeit der Partei mit allen Kräften hinzuwirken." Das Wort ergreift sodann Abg. von Et) nein; Als wir vor drei Jahren das letzte Mal bei einandcr waren, war der wirlh- schaftliche Kampf noch nicht in dem Maße entbrannt wie heute. Die verschiedenen Interessengruppen stellten Forderungen auf, Lie, auf veraltete Anschauungen zurückgreifend, uns in mittelalterliche Verhältnisse zurückwerfen würden. So forderte Las Handwerk die Zurückfuhrung in eine Zwangsorganisation, deren nützliche Wir kung wir nicht anzuerkennen vermögen, jo wurde für die Land- wirlhschaft unter Staatsgarantie einer Rente die Monopolisirung des Getreides gefordert und schlechtes Geld zur Ablösung von unbequemen Verpflichtungen. In solcher treibenden und gährenden Zeil trübt eine überschäumende Kritik das Urtheil. Co bezeichnen uns die Einen als die Partei der Capitalisten, der Börje, Les mobilen Capitals, die Anderen als die Feinde der Capitalisten; die Einen bezeichnen uns als mit fliegenden Fahnen in das Lager Lei Agrarier übergehend, die Anderen als Gegner der LanLwirth- schäft, auch als Gegner Les Handwerks und Les Mittelstandes. Alle diese Wogen schlagen an uns hcran, und einzelne Tropfen fallen bis in unsere Partei hinein. Es war daher sehr richtig, jetzt hier zujammenzutreten und eine Klärung gegcnthciligcr Mei nungen herbeizuführe», dabei als leitenden Gcsichlspunct fest haltend, daß wir unter gemeinsamem Banner die großen nationale» Ziele im Dienste unseres Vaterlandes verfolgen. Lie Freiheit der Aeußerung soll auch der Presse nicht genommen werden, nur soll unsere Presse uns nicht freundlos gegeuübertreten. Ten Ton, der hier von einer Seite angeschlagen, kann ich nicht billigen. (Sehr richtig.) Wenn die Unterstützung des Antrags Kanitz durch Fractious- miiglieder erfolgte, weil die Zügel der Fractionsleitung eine» Tag hindurch am Boden schleiften, können wir deswegen Loch nicht die Partei zerschlagen wollen. Der Antrag Kanitz ist der kKipfcl- pnnct praktischer Unausführbarkeit. Als solchen hat ihn auch das Centrum ack »et» gelegt. Nun tadelt man, daß wir Mangel an Initiative zeigten. Die Reichstagsfraction von heute trifft Liefer Vorwurs gewiß zu Unrecht. Uebrigens kann man mit allzuviel Initiative bei einem so unsicheren Regierungsjystem auch schlechte Erfahrungen machen, wie dies ja Lie erste Frankfurter Resolution gezeigt hat. Redner vertheidigt auch jcincrfeits die Mitarbeit der Reichstagsfraction am Börjcngefetz. Verletzend wirkte nur die Art, wie auch bei diesem Anlaß von conservativer Seite gegen daS bürgerliche Erwerbsleben gezetert wurde, während doch die gute Grundlage von Treue und Glauben das Geheimnis; des seltenen Erfolges ist, den deutscher Handel und Gewerbesleiß heute noch erzielen. Ter Unmuth über das Treiben der Conser- vativcn kann uns so wenig geneigt machen, nach rechts die Freiheit unscrer Wege aufzugeben, wie gegenüber dem Radikalismus zu nuferer Linken, dem allzeit eifrigen Vorkämpfer zum Erfolge des Ullramontanismus. Wil ziehen vor, auf dem Boden der Bismarck'- scheu Wirthschastspolitik unsere nationale Arbeit zu schütze», werden uns aber nicht daraus einlassen, jetzt schon Stellung zu einer er neuten Handelsvertragspolitik zn nehmen, die wir noch nicht über sehen. Bei Erneuerung der Verträge wird der Krieg bei jeder ein zelnen Position selbst innerhalb derselben Industrie entbrennen. Die Schuld -es Fürsten Nomanskoi. 6j Roman von Conr. Fischer-Sallstein. Nachdruck «erdeten. „Ich will allein reiten, bei Nackt und Nebel, weil eS mir Vergnügen macht! Nun gehe und hole mir mein Frühstück." Der Tatar senkte demüthig den Kopf, ließ scklaff den einen Arm berabhängen, mit dem er einst seinen Herrn aus dem Schlachtgetümmel getragen, und verließ da» Ge mach. Auch Nahim gewann letzt die Ueberzeugung, daß sein Liebling ein anderer geworden war draußen in den fernen Welttheilen. AIS der Tatar gegangen war, schlug sich MatscherSkoff mit der flachen Hand vor die Stirne. „Wie dumm", rief er sich zu, „ich hätte ihn müssen zum Inspektor schicken! — Onkel Stepan Wassilitsch wird sicherlich inzwischen die drei tausend Rubel angewiesen haben. Wenn er es aber inzwischen vergessen, oder den Einfall bekommen hätte, da« Geld selber, Lirect von der Kanzlei auS, an den angeblichen Gläubiger in St. Petersburg abgehen zu lassen?" Der Gedanke an diese Möglichkeit trieb ihm daS Blut zu Kopf«. Er lief wieder rathloS im Zimmer auf und ab, als brenne ihm der Boden unter den Füßen. „Nicht einmal so weit habe ich eS gebracht, als sieben- nudzwanzigjähriger Mensch, um auch nur auf mein zukünftiges Vermögen in St. Petersburg eia paar Hundert Rubel auf nehmen zu könne»! Ich hätte nicht über Hals und Kopf nach Slekok herau»stürmen müssen, wenn ich in St. Peters burg auch nur fünfhundert Rubel in meinen Besitz hätte bringen können!" Er körte jetzt, wie die Stelzfüße de« Fürsten draußen auf dem Eorridor dumpf über den Pelzläufer schritten. Rasch warf sich Jlija Andrej auf einen Sessel und stützte den Kopf in die Hand. Nicht« war gefährlicher, al« den Onkel seine Aufregung auch nur ahnen zu lassen. Stepan Wassilitsch Roman-koi trat in der That jetzt in Las Gemach seine» Neffen. Er trug in der rechten Hand ein kleines Buch und war sehr ernst. Wie »in «rmüdeter Mensch erhob sich Jlija Andrej und ging dem alten Herrn mit einem Lächeln entgegen. Der be denkliche Ernst tm würdigen Angesicht deS Generals siel ihm auf. „Du wolltest schlafen?" „Ich fühle erst jetzt, daß ich sehr ermüdet bin. In St. Petersburg habe ick mir keine Rast gegönnt, weil eö mir peinlich war, meinen Gläubiger auch nur eine Minute länger warten zu lasten, als nöthig war. Mit einem Miethwageu fuhr ich über Oranienbaum nach Garschina und von dort nach Slekok. Als ich den Kutscher abgelohnt, war meine letzte Kopeke verausgabt." Wieder stand der Fürst unter dem Eindruck, daß Das, was sein Neffe soeben gesagt, den Stempel der Unwahrheit trage. Er schien darunter förmlich zu leiden. „Ich beklage eS, mein Sohn, daß Du überhaupt in die Lage gebracht wurdest, bei einem fremden Menschen eine An leihe zu machen. DaS ist indessen nur auf das Verhalten deS CapitainS Kuroff zurückzuführen, dem ich beute noch schreiben werde. Gerade die Geldsache ist die Klippe, an der ich selbst so manchen prächtigen Charakter habe scheitern sehen. Menschen, die als Muster für Treue und Aufrichtig keit gelten konnten, beginnen oft schamlos zu lügen, sobald eS sich um eine Geldsache handelt." DaS Gesicht wie mit Blut übergossen, stand Jlija Andrej vor seinem Onkel. „Ich war bei Deiner Erziehung, mein geliebter Andrej, immer darauf bedacht, Dich den Werth des Geldes ganz und voll kennen lernen zu lassen, und dazu batte ich meine guten Gründe, denn ich habe Leute geseben, besonders junge Leute, bic in kurzerZeit Millionen zum Fenster hinaus geworfen haben! Das ist meiner Ansicht nach immer nur auf einen Defect in der Erziehung znrückzuführen. Die Zeit ist nun gekommen, in der eS meine Ausgabe ist, den engen finanziellen Kreis, den ich Dir bis jetzt angewiesen, selber aufzuheben. Du bist nun Mann geworden und ich gebe Dich in dieser Beziehung vollständig frei. Hier hast Du mein eigenes Cbcckbuch, von dem ich niemals Gebrauch machen konnte. Ich habe e» auf Dich übertragen und meinen Bankier in Petersburg bereits benachrichtigt; da» Schreiben wird sofort abaehen." Er reichte bei diesen Worten dem jungen Herrn daS Check buch hin. „Ich würde sehr unglücklich sein, wenn Sie mich für einen Verschwender halten würden, Onkel Stepan Wassilitsch." „Ich denke nicht daran und will Dir nur die Mittel an die Hand geben, jene Klippe zu umschiffen, von der ich soeben gesprochen. Hast Du das Schreiben an Deinen Gläubiger in Petersburg schon abgefaßt?" „Ich bin todtmüve und wollte erst ein wenig schlafen." „Ganz recht, ruhe Dich aus. Es ist sogar bester, Du schreibst überhaupt nicht. Sofia Andrejewna findet mich kräftig genug, schon morgen nach Petersburg reisen zu können. Wie ich darüber erfreut bin, kannst Du Dir ja denken. Wir reuen morgen um sechs Uhr früh, und zwar über Zarskoje-Selo nach der Residenz. In Deinem Hotel mag unser Wagen vorfahren. Wir werden dort eine Anzahl Zimmer belegen und von da aus unsere Besticke macken." Jedes Wort, das der Fürst zu seinem Neffen sprach, wirkte wie Keulensckläge auf diesen. Er sab etwas Fürcktcr- lickes über sich hereinbrechcn, und schon zitterte das Cbcckbuch in seiner Hand. „Du wirst alsdann mick Deiner Reisebekanntschaft vor stellen", fuhr der Onkel fort, „sagt mir der Herr zu, dann nehmen wir ihn mit nach Slekok. Auch bin ich außer ordentlich darauf gespannt, welchen Eindruck Du auf die schöne Nichte der Gräfin Stroganowna, Lidia Tschierwaneff, machen wirst." „Er bringt mich um", stöhnte MatscherSkoff und hielt sich an der Sestellehne fest. „Ruhe Dich nun aus, mein Sohn, damit Du morgen frisch und munter bist. Bei Dir kommt die Ermüdung nach. Du kannst Dick kaum noch aufrecht erhalten. Ich will mich nun in Dein Tagebuch vertiefen, gegen Abend bitte ich um Deinen Besuch." Verwirrt, auf jedes Wort mißtrauisch, daS er sprach, stammelte Jlija Andrej seinen Dank für das Checkbuch und entschuldigte dann seine grenzenlose Ermüdung, was dem Fürsten gegenüber sehr überflüssig war. Vollständig versöhnt mit seinem Neffen, schied Stepan Wassilitsch alsbald auS dem Gemach. „Ich soll ihm meine Reisebekanntschaft vorstellen! — Morgen wollen wir reisen. — Himmel, was brickt über mich herein, wenn ich nicht vor ihm in Petersburg eintreffe! Giebt eS denn keine Menschenseele aus Slekok, die klug und verschwiegen genug wäre, um sie voraus uach der Residenz, ins Hotel jagen zu können? Ich habe nun, was mir fehlte, Geld, Geld!" Krampfbaft hielt er daS Cbeckbuch fest und trat anS Fenster. War sein Entschluß, gegen den Willen deS Fürsten beute Nacht nach Petersburg zu gehen, schon wieder er schüttert? Er sab, wie man drunten im Hofe die alte Staats carrosse des Fürsten seit vielen Jahren wieder einmal auS der Remise zog. Offenbar wollte man sie einer gründlichen Reinigung unterwerfen. Die rothhaarige Hausmagd Ljubotscha kam mit Eimer und Scheuerlappen herbei und blickte ver stohlen herauf nach den Fenstern der Gemächer des jungen Herrn. Unter der Stallthüre stand Wassilij, der Knecht, und warf mit Häcksel nach dem rothen Haar der alten Scheuer magd. Sie schrie laut auf und bedrohte ihn mit dem nassen Lappen, mit dem sie offenbar die Räder der Kutsche ab- wascken sollte. Wolodja und Philipp, die an der Deichsel der StaatScarroste hingen und daran zogen, bis ibnen die Gesichter brandroth geworden waren, hielten jetzt inne und lachten. Bor vielen Jahren batte einmal Ljubotscha eine Hochzeit in Oweky besuchen wollen, erbielt aber keinen Urlaub von der Petuschkiwna. Am früben Morgen wurde sie hieraus mit einem Korb, der Tbee, ein Pack Zucker und ein paar Flaschen Rum enthielt, hinaus inS Forsthaus zu dem Förster Librantij geschickt. Der alte Bärenvater hatte seit Wochen schon weder Rum noch Tbee im Hause. Aber die Magd kam zum Schrecken der Petuschkiwna nicht mehr zurück. Man be fürchtete, daß sie mit einem Bären zusammengeratben, und suchte nach ihr. Erst nach drei Tagen stellte sie sich wieder ein. Sie erzählte die schrecklichsten Dinge, die ihr begegnet sein sollten da draußen im Urwald. Drei Tage wollte sic umbergeirrt sein. Sofia Andrejewna dankte ibrem Schöpfer, daß sie wenigstens wieder mit heiler Haut da war. Aber thatsäcklich tanzte die schlaue Dirne drei Tage hindurch auf der Hochzeit in Oweky. DaS Beispiel der Dienstmagd weckt nun einen Gedanken in Jlija Andrej, dessen er sich zu jeder anderen Zeit ge schämt haben würde. Aber in der Lage, in der er sich be fand, griff er ibn mit wabrem Feuereifer auf. Er trat vom Fenster zurück, nur um diesen Gedanken, der für ihn eine Rettung bedeuten konnte, auSspinnen zu können. Wenn er sich jetzt auf den Aplekar wirst, mit dem Thier im Hofe einige Male auf und nieder reitet, ihm dann heimlich die Sporen giebt, oder in die Weichen tritt, daß eS sich rasend aufbäumt und wie vom Bogen geschnellt hinaus ins Freie jagt, muß man nicht alsdann anaehmen, daß da» Thier mit ihm durchgeganaen? Der Fürst wird ein Unglück befürchten und voller Be- forgniß nach ihm suchen lasten. Gut, mag man eS! Die Hauptsache ist, daß er vor d«m Onkel Petersburg «rriicht.
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