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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961006024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896100602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896100602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-06
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Man hat cs den Gemeindevertretungen der zwanzig Arron dissements überlasten, ihre Bezirke nach eigenem Gutdünken zu schmücken. Sie haben so viel getban, wir ihnen ihre Mittel und die Opferwilligkeit ihrer Einwohner erlaubten, aber die wenigsten von ihnen sind dabei über die Wirkung einer IahrmarktSfestlichkeit wesentlich hinaus gekommen. Besseres ist da erreicht worden, wo, wie in der reichen Rue de la Paix, die Bewohner einer einzelnen Straße sich znsammengethan haben, um zn zeigen, was sie vermögen. Wo der Staat oder die Stadt Paris die Sache selbst in die Hand genommen haben, ist an Geld und Mühe nichts gespart worden, aber von dem guten Geschmacke, auf den die Fran zosen so stolz sind, ist auch hier nicht übermäßig viel zu spüren. Für einige Sachen können sie allerdings nicht ver antwortlich gemacht werden. So z. B., daß daS Tannrngrün ganz fehlt, das die Ausschmückung deutscher Städte so reizend macht. Auch die Gleichheit der Landesfarben, die man als ein so günstiges Omen begrüßte, ist für die decorative Wirkung von entschiedenem Nachtbeil. DaS ewige Blau-Weiß-Roth und Weiß-Blau-Roth ermüdet auf die Dauer ungemein. Da machte sich die gelbe Kaiserstandarte mit dem schwarzen Adler zwischen den französischen Flaggen doch viel besser. Um so mehr bätte man bedacht sein müssen, auf andere Weise Abwechselung zu bringen. War es denn unbedingt nöthig, die ganze Triumpbstraße mit Fahnen stangen von genau derselben Größe und Farbe und mit dem selben Schmucke zu umsäumen? Dann hat man meines Erachtens zu viel Werth auf die Wirkung bei Nacht gelegt. Bei den Seinebrücken will ich nichts dagegen sagen, da ist der Effect überhaupt mehr auf die Ferne berechnet und wird Nachts feenhaft sein, aber der Zaun von farbigen Beleuchtungs körpern, den man um den Obelisken auf der Place de la Eoncorde aufgeführt hat, ist ungemein häßlich, und die gelben und rothen Ballons, die an Drähten von Baum zu Baum gezogen sind, bilden für die Boulevards keinen sonderlichen Schmuck. Ich habe eS mir heute zum Sonntagsvergnügen gemacht, de lange Fest st raße abzugeben, die von Pasty durch das BoiS de Boulogne und die Champs ElysSeS nach der russischen Gesandtschaft führt. Während es auf den Boulevards jetzt so von Provinzialen und Ausländern wimmell, daß an ein rasches Vorwärtskommen überhaupt nicht zu denken ist, bin ich im Bois kaum einem Spaziergänger begegnet. Dagegen kamen ganze Trupps von Schutzleuten an mir vorbei, die wahrscheinlich hier ihre Verhaltungsmaßregeln für den großen Tag erhielten. Wundervoll ist der Platz gewählt, an dem der Zar zum ersten Male den Pariser Boden betritt. Die Ringbahn ist lange Zeit durch Tunnel und Einschnitte hin durchgefahren. Plötzlich erreicht sie die Straßenhöbe und fährt nun unter grünen Bäumen dahin, rechts grüßen die freundlichen Häuser von Pasty, links die letzten Ausläufer des Bois. Mitten hinein in diese Baumgruppen hat man den kleinen EmpfangSbahnHof gebaut. Er ist anspruchs los, aber graziös und in feinen discreten Farben gehalten. Die Schuld des Fürsten Nomanskoi. 7s Roman von Eonr. Fischer-Sallstein. Nachdruck vrrbotkn. „Und Sie wissen ganz genau, daß sich die Fran Gräfin um mein Befinden erkundigt hat?" „Ja, du lieber Gott, wenn Sie mir nicht glauben können? Der Diener stand vor mir in meiner Stube, wie Sie jetzt vor mir stehen." „War es Grischa Fibinitineffkow?" „Ich laste doch keinen Kutscher in mein Zimmer treten", entgegnete der Herr StaatSrath entrüstet. „Es war rin Mensch mit feinem Benehmen, der französische Domestik. Die Dame saß im Wagen und ich lief hinaus, um der Frau Gräfin meine Aufwartung zu machen, aber jedes Mal war der Wagenschlag schon zugeworfen." Katjenka, die Dienstmagd, stürmte in diesem Augenblick inS Zimmer herein. ,?Der Wagen ist wieder da, Herr Staatsrath! Darf ich e» ihm jetzt sagen? Ich hätte es am liebsten ihm schon gestern gesagt. Wie geht e« denn Herrn Michael IaSmorin? Ist das Haarseil schon gezogen, darf ich den vornehmen Diener herauf lasten?" Sie wischte sich mit der nassen Schürze den Mund ab und sah nun fragend bald den Studenten, bald daS Väterchen Orkieneff an. „Sollte mir wirklich die Gräfin nun nachlaufrn?" fragte sich IaSmorin, „wahrhaftig, sie ist eine Dame, bei der Alle- möglich ist!" Er lief nach der Thür, weil er glaubte, daß Jemand draußen stände, wandte sich aber dort zu Katjenka um und sagte zu dieser: „Die Sache wird doch wohl auf einem Irr- thum beruhen. Ich will ja auch gar nicht die Stelle an nehmen, weil sie mir zu viel Zeit absorbirt und ich Rücksicht auf meine Studien zu nehmen habe." Er sagte daS, wie Jemand, der selber nicht an seine Ver sicherungen glauben karn. „WaS?" platzte der Herr Staat-rath heraus. „Am Ende bin ich schuld", stammelte Katjenka erschrocken, weil sie glaubt«, der Staat-rath mein« mit seinem Au-ruf Dann führt die Feststraße auf einem langen Umwege an den schönsten Stellen de- Boulogner Wäldchen» vorbei. Man hat wenig künstlichen Schmuck hier angebracht, aber selbst da» Wenige ist schon fast zu viel; eS wirkt mehr als Verunzierung denn als Verschönerung gegenüber der herrlichen Herbstlandschaft. Etwas reicher geschmückt ist die Porte Daupkine, durch die der Zar wieder in die eigentliche Stadt einlreten wird. Aermlick dagegen ist der Eindruck der Avenue du Bois de Boulogne. Denn doch lieber gar nichts als diese an langen Stricken aufgezogenen Wimpelchen. Aber vielleicht soll hier noch Manches geschehen. Den schonen Stern-Triumphbogen hat man glücklicher Weise ziemlich verschont. Trotzdem bildet er einen wichtigen Posten bei der Berechnung der Festkosten. Das riesige Gerüst, das ibn seit Iabren NestaurationSarbeiten halber umgab, ist nämlich eigens für die paar Tage entfernt worden, lieber die Avenue des Ehamps ElysSes ist noch nickt« Abschließendes zu sagen, es wird da noch fieberhaft gearbeitet. DaS berühmte Restaurant Eubat, eins der theuerslen von allen, leuchtet durch eine riesige russische Inschrift protzenhaft hervor. Ganz wunderlich ist der Eindruck des nun folgenden Rond Point. Ist man bisher unter Bäumen mit herbstlich gelbem und rötblichem Laub bingegangen, so leuchten Einem hier plötzlich weiße, rosa und dnnkelrotbe Blüthen entgegen. Man hat nämlich gefunden, daß die Bäume hier bereits zu kahl seien, und sie deshalb mitkünstlichen Blumen geschmückt. Was für Witze sind nickt darüber schon gemacht worden! Ick muß gestehen, die Sacke ist so geschickt ausgeführt, daß eine Straße im Winter, z. B. zu Fastnacht, in diesem Schmucke einen un gemein reizvollen Anblick gewähren würde. Aber hier, wo daS echte Laub dazwischen vorleuchtet, ist eS natürlich eine fürchterliche Geschmacklosigkeit. Sonst bilden obeliskenartige Säulen mit dem Doppeladler und der Inschrift ,.kax" den hauptsächlichsten Schmuck des Platzes. Was eS mit diesem kux für eine Bewandtniß bat, darauf habe ich schon hin gewiesen. Man braucht nur aus die Statue der Straß burg hinzublicken, die soeben von Frischem mit umflorten Kränzen und Fahnen geschmückt worden ist. Auf das Haupt hat man ihr das schwarze Häubchen der Elsässerinnen mit der französischen Cocarde gesetzt, ungemein eindrucksvoll, wie Rochefort sagt. Vom Concorde-Platze habe ich schon gesprochen. Der weitere Weg bis zur Gesandtschaft bietet nicht besonders BemerkenSwertheS. Auch der Boulevards ist bereits Er wähnung gethan worden. Hinweisen möchte ich nur noch aus den Platz vor dem Rathhause. Die Arbeiten sind noch nicht ganz fertig; aber hier ist wirklich etwas Vornehmes geschaffen worden. Besonders die beiden mit Schiffs schnäbeln geschmückten Tribünen, bei denen die Steinfarbe sehr glücklich nachgeahmt worden ist, machen einen imposanten Eindruck. Leider ist da» Wetter heute wieder ziemlich ungünstig geworden; es regnete sogar theilweise. „Leider" für die Fest- tbeilnehmer; für den Weltfrieden vielleicht „glücklicherweise". Für daS Volk hängt Alles vom guten Wetter ab; außer dem Einzug und dem großen Feuerwerk bekommt das ja nichts zu sehen. Auch unS Berichterstattern wird e» nicht viel anders gehen. Zn die Galavorstellungen kommt kein Journalist hinein. WaS dort vor sich gebt, wird dem Ver treter der „Agence HavaS" dictirt. Aehnlich ist e» mit den Empfängen im RathhauS und im Institut. Und für die Grundsteinlegung und die Parade ist der College von der „Nowoje Wremza" beauftragt worden, ein Verzeichniß der wichtigsten ausländischen Zeitungen aufzusetzen. Als er seine sie. Und plötzlich lief sie nach der Thür hinüber, knixte und deutete auf IaSmorin zurück. „Treten Sie nur eia, Michael IaSmorin, den wir Alle so gern haben, ist heute viel besser als gestern. Gestern hatte er den reinsten KirchhofSbusten, ganz so, wie ich Ihnen gesagt, aber heute ist e» viel besser, der Zwiebelsaft mit Zucker hat ihm recht gut gethan." „Also doch", entfuhr eS dem Studenten, al- er jetzt den französischen Diener der Gräfin über dir Schwelle seines Zimmers treten sah. Jean hielt den Hut in der Hand, lächelte dem Herrn StaatSrath freundlich zu und wandte sich alsdann mit vielem Respect an den Studenten. „Ich komme im Auftrage meiner Gräfin", begann Jean, „und soll mit Ihnen in einer wichtigen Sache Rücksprache nehmen." Der aanze Aerger, den er sobald nicht überwinden wird, bäumte sich in IaSmorin wieder auf und schon stand er auf dem Punkte, jede Rücksprache abzulehnen, denn was will die Frau Gräfin noch, nachdem sie ihn vor die Thür gesetzt? Aber er glaubte Rücksichten nehmen zu müssen auf seinen Hauswirth und entgegnete deshalb: „Ich wüßte nicht, wa« mir dir Frau Gräfin noch zu sagen hätte, wir haben un- ja, wie ich glaube, gründlich aus gesprochen." Er kam auf einmal in Verlegenheit, weil ihm der Ge danke unsagbar peinlich war, daß Herr Orkieneff aus der Uaterhaltung am Ende entnehmen könnte, wie schrecklich er bei der Stroganowna abgefallen war. Aber Jean war ein prächtiger Mensch, sofort trat er auf den mehr al- neugierigen Staat-rath hinzu, dem man ansah, welche Verdienste er sich um den Studenten durch seinen Empfehlungsbrief erworben, und stellte diesem vor, daß er etwa« GeheimnißvollrS mit dem Herrn IaSmorin zu ver handeln habe und daß der Befehl der hoben Dame dahin laute, mit ihm allein, ohne Zeugen, zu sprechen." Orkieneff war etwas verletzt, sagte aber trotzdem: „Ich begreife das, oh ja, ich begreif« das! Katjenka, Du hast hier nichts mehr zu tbun, fort also! Nein, wie brutzutaae die Dienstboten neugierig sind! Gute Verrichtung Michael IaSmorin, ich wußte, daß Ibnen mein Brief dir Stelle bringtI" Er trieb Katjenka vor sich her zur Thür hinaus, wandte sich selber aber, den Fuß schon auf der Schwell«, mit dem Eifer eine« Menschen, der irgend etwa« Wichtiges vergessen Liste von 25 Blättern — 25 für alle Staaten der Erde! — überreichte, fand man auch daS noch zu viel. Wer werden wobl die Glücklichen sein, die diesen welthistorischen Ereig nissen beiwohnen dürfen? Das russische Kaiserpaar in Frankreich. Endlich ist das große Ereigniß, das schon lange die Phan tasie jedes Franzosen beschäftigt und dessen Erwartung Paris in Freudentaumel versetzt bat, zur Wirklichkeit geworden: NicolauS II., der Selbstherrscher aller Reußen, hat gestern, begrüßt von dem Salut der französischen Flotte, in Cher bourg, dem ersten Kriegshafen des Landes, den Boden der Republik betreten, um fast eine Woche hindurch ihr Gast zu sein. Die politische Bedeutung der Rund reise deS Zaren, welche weniger deutlich in Wien und Balmoral, sehr bestimmt dagegen in Breslau hervor getreten ist und in Frankreich ausschließlich diesen Charakter trägt, ist bei dem Empfang in Cherbourg noch nicht besonders bemerkbar geworden. In dem Trinkspruch, mit welchem ter Präsident der Republik den kaiserlichen Gast begrüßte, ist mit ersichtlicher Geflissenheit Alle« vermieden, was die Erneuerung des franco-russischen Einvernehmens als gegen irgend eine dritte Macht gerichtet auch nur von fern erscheinen lassen könnte. Felix Faure betonte lediglich die „Aufrichtigkeit der französischen Freundschaft", und der Zar versicherte, daß er „diese Gesinnungen the-le". Zweifellos ging ja durch die Ansprache deS Zaren ein ungleich wärmerer Ton hindurch, als durch die paar Worte, welche er in Breslau gesprochen. Das ist selbstverständlich, und wir haben es mit aller Bestimmtheit vorausgesagt, da ein« Nation, welche ihre Diplomatie, ihre militairische Macht und ihre Millionen für die moralische Unterstützung einer anderen dreingiebt, schon eines herzlichen Dante« in sympathischer Form werth ist. Allein im klebrigen tonnte die erste persön liche Aussprache zwischen den Repräsentanten der beiden „verbündeten" Mächte nicht inhaltloser aussallen. Sie um gingen eS sogar, zweifellos absichtlich, bas Wort Bundes genosse in den Mund zu nehmen, indem sie nur von „Freundschaft" und „befreundeter Nation" sprachen. Die euizige Markirung des militairtschen Charakters der franco- russijchen Entente ist darin zu erblicken, daß der Zar den Wunsch ausgesprochen hatte, inmitten des französischen Ge schwaders in Cherbourg, dieses imponirenken Repräsentanten der französischen Kriegsmacht zur See, empfangen zu werben, und daß er wiederholt Gelegenheit nahm, der französischen Flotte möglichst Schmeichelhaftes zu sagen. Ob der Präsi dent der Republik, der Noth gehorchend oder dem eigenen Triebe, sich so auffallend zurückhaltend zeigte, wollen wir nicht entscheiden — wahrscheinlich hat der bestimmte Wille des Zaren zügelnd gewirkt und wird so voraussichtlich auch während der nächsten Tage wirken. Sicher aber wird das „Herz deS französischen Volkes, welches der Zar heute in Pari- schlagen hören wird", wie Felix Faure sich poetisch auSdrückle, nickt sonderlich böber geschlagen haben bei der Kunde von dieser, nach französischen Begriffen wenigstens, sehr gemessenen Begrüßung, dagegen wird es mit Genug- thuung ausgenommen werden, baß der Zar außer mit dem Präsidenten der Republik „wiederholt" und „längere Zeit" die Präsidenten des Senat- und der Deputirten- kammer in- Gespräch zog — für den Bürger Frankreichs ein Beweis dafür, daß der autokratische Zar die vierte Republik al» eine der Monarchie völlig gleichwerthige Staatsbildung anerkennt, und daß eS höchst thvricht war, hat, an den Studenten und sagte: „Halten Sie daS Haarseil ja trocken, e« darf keine Nässe ziehen!" Michael erklärte dem besorgten StaatSrath, daß er da- Haarseil denkbar trocken halten werde. Zugleich dankte er ihm mit einem verbindlichen Lächeln. Als der Hauswirth gegangen und die Thür hinter sich inS Schloß gelegt hatte, wandte er sich kalt und zurückhaltend an Jean. „WaS hat mir die Frau Gräfin Stroganowna mitzu- theilen?" „Ich muß tausend Mal um Verzeihung bitten, mein Herr, ich habe soeben gelogen, Sie werden daS entschuldigen müssen, denn ich konnte doch in Anwesenheit der beiden Personen unmöglich Ihnen sagen, daß die Frau Gräfin gar nicht daran denkt, Ihnen irgend welche Mittheiluog machen zu lassen." Gereizt firirte er den Diener vom Kopf bis zu den Füßen. „Wollen Sie die Güte haben, mir zu sagen, waS Ihr Besuch für mich bedeuten soll." „Ich soll," entgegnete Jean mit einem verheißungsvollen Lächeln, da» so vertraulich war, daß IaSmorin sich darüber ärgerte, „Sie zu einem Rendez-vouS einladen." Verblüfft trat Michael einen Schritt zurück. „Mich?" fragte er, und sofort stand ihm das Bild Lidia'S vor Augen. Er wurde rotb und hielt den Athen, an. „Die Eomteffe Lidia Tschierwanewua wünscht Ihre Be kanntschaft zu erneuern. Die Comtesse ist untröstlich über das räthselhafte Verhalten ihrer Großmama und würde sehr glücklich sein, wenn Sie ihr, trotzdem waS vorgefallen, eine Begegnung möglich machen könnten." DaS Herz de- Studenten gerirth in Feuer und Flamme. Ihm wirbelte der Kopf, er mußte sich auf einen Stuhl nieder setzen, nur um äußerlich ruhig und gefaßt zu erscheinen. „Mit Vergnügen, bin »u Allem bereit", entgegnete er und scklug, vielleicht ohne sich dessen bewußt zu sein, den Ton eine« wagehalsigen Menschen an, „aber ich weiß nicht, wie eine solche Begegnung möglich gemacht werden soll? Unmöglich kann ich mich zum zweiten Mal nach Krestowsky hinüber wagen." „Die Eomteffe war gestern zweimal mit dem Wegen vor dem Hause, die Dienstmagd ließ mich indessen nicht zu Ihnen, weil Sir unwohl seien. Deshalb war dir Comtesse in grenzen- loser Aufregung." „Und heute", entfuhr e« dem IaSmorin, und dabei schnellte er sofort vom Stuble auf, offenbar bereit, trotz seine« Schnupfens, hinunter nach dem Wagen zu eilen. die eigentlichen Repräsentanten de- republikanischen Volkes vor den Augen der russischen Majestät verstecken zu wollen. Nun ist wenigstens die Republik gerettet! Allgemein sind die außerordentlich starken polizeilichen Vorsichtsmaßregeln bei der Ankunft deS Zaren ausgefallen, allein sie rechtfertigen sich dadurch, daß kurz bevor der Zar den Boden Englands verließ, dem von ihm benutzten Zug zwischen Balmoral und Portsmouth, sei es durch Zufall, sei eS in verbrecherischer Absicht, Gefahr drohte, und daß in Ckerbourg vor dem Ein treffen der zarischen Majestäten verdächtige Funde gemacht worden waren. Hoffentlich sind dieselben kein böseS Omen für die kommenden Tage des Jubels und der Festesfreude. Wir lassen nunmehr die bis heute Mittag über den Empfang des Zarenpaares un- zugegangenen Meldungen folgen: 0. Cherbourg, 5. Lctober. (Privattelegramm.) In dem Augenblicke, als der „Polarstern" sich dem Arsenalhafen näherte, wölbte sich über dessen Einfahrt ein Regenbogen. — Nach einer Meldung der Blätter verhaftete die Polizei einen österreichischen Unterthanen, in dessen Koffer ein Stemmeisen, rin Revolver und Blausäure gefunden wurden. Der Mann wurde jedoch frei gelassen. — Lin Zollwächter fand auf einem Vorsprung eines Brückenpfeilers der Eisenbahn in der Nähe des Kriegshafens einen bombenähnlichen Gegenstand. Wie die Behörden erklären, enthielt derselbe Pulverpatronen und war gänzlich ungefährlich. * Cherbourg, 5. October. Nachdem der Kaiser und die Kaiserin von Rußland sich an Bord des „Elan" ringeschifft hatten, wurde ein Salut von 31 Schuß abgegeben. Der „Elan" fuhr hierauf zwischen den Reihen der Schiffe des Geschwaders hindurch. Beim Passiren grüßte die Besatzung jedes Schiffes mit lautem Hurrah, während die Tambours Marsch schlugen und die Musikcapellen die russische Nationalhymne spielten. * Cherbourg, 5. Oktober. Nachdem der „Elan" die Reihen des Geschwaders passirt hatte, begaben sich das russische Kaiser paar und Präsident Faure an Bord des „Hoche", auf dem die russische Flagge niederging und durch die persönlichen Flaggen der beiden Staatsoberhäupter ersetzt wurde, während die Besatzung die militairiscken Ehrenbezeugungen erwies. Während der „Hoche" hierauf durch die doppelte Reihe von Schiffen fuhr, grüßte der Kaiser militairisch. Auf dem „Hoche" unterhielten sich der Kaiser und Präsident Faure einige Augenblicke mit dem Admiral Presmenil und ließen alsdann die Abtheilung der Seesoldaten an sich vorbeimarschiren. Beim Ver lassen des „Hoche" wurde wieder ein Salut von 31 Schuß abgegeben. Während der Flottenschau unterhielt sich der Kaiser aus dem „Elan" wiederholt längere Zeit mit dem Präsidenten des Senats Lonbet und dem Präsidenten der Deputirtenkammer Brisson. Als Präsident Faure nach der Flottenschau, um zu landen, den „Polarstern" passirte, rief die Besatzung desselben Hurrah, während die Musik des „Polarstern" die Marseillaise spielte. Um 6V, Uhr sand die Tafel statt, zu welcher Präsident Faure in Begleitung des Präsidenten des Senats und der Kammer den Kaiser von Bord des „Polarstern" abgeholt hatte. Die Kaiserin hatte ihr Bedauern ausgedrückt, wegen Urber müdung an der Tafel nicht theilnehmen zu kSnnen. Die Tafel zählte 73 Gedecke. In der Mitte der Haupttasel saßen der Kaiser und Faure, neben dem Kaiser Loubrt, neben Faure Brisson. Präsident Faure brachte einen Trinkspruch aus, in welchem er sagte: „Mit großer Freude haben wir heute in Begleitung des Senats und des Kammerpräsidenten den Kaiser und die Kaiserin „Leider ist die Comtesse verhindert. Im Musikinstitut der Madame Gramont findet ein WobltbätigkeitSconcert statt und die Hobe Dame muß dort ibre Frau Großmama vertreten." „Wo ist denn das? Habe nie von diesem Institut gehört." „Auf dem Newskijprospect. DaS Concert beginnt um Vier, die Comtesse sprach den Gedanken aus, daß Sie sich vielleicht ebenfalls dort einfinden könnten? Das Billet kostet zehn Mark." „DaS ist ganz unmöglich", entgegnete dieser und griff mit einer wahren Angst nach den zwei Rubeln in seiner Tasche, „ich bin wirklich nicht in der Verfassung, ein Concert zu besuchen." Jean lächelte den jungen Mann auf eine Art an, als ob er ihm damit sagen wollte, daß er ibn für gewitzter und unternehmender gehalten bätte. Nun zog er ein Couvert aus der Tasche und entnahm diesem ein Billet. „Es ist wirklich schade, daß Sie nicht kommen können, die Comtesse hat mir daS EintrittSbillet bereits auSgehändigt. Gewiß wünscht sie, daß Sie kommen." Er hielt dem erstaunten Michael daS Billet hin und blickte ihn dabei durchdringend an, als habe er nicht übel Lust, ihm zuzurufen: Wage eS, daS Billet abzulebnen und ich verachte Dich! IaSmorin nahm daS Billet, und es lag etwa- ungemein Kindliche- in diesem Augenblick in seinem Wesen. Er laS immer wieder di« Aufschrift der Karte und errötbete wie ein Primaner, der soeben seinen ersten Liebes brief zur Post gegeben und gleich darauf einem Briefboten begegnet. Zuletzt fühlte er, welch eine schmachvolle Figur er dem Domestiken gegenüber mache, ärgerte sich und raffte sich auf. „Ich werde kommen", entschied er sich jetzt und batte sich wieder vollständig gefunden, „eS war mir, als ich Bedenken trug, in das Concert ru kommen, die Erwerbung deS Billet« da« unübersteigbare Hinderniß. Ich muß sebr mit meinen Mitteln rechnen, daS sehen Sir ja daran, daß ich mich de« Verdienstes wegen um eine Stelle beworben batte." „ES läßt fick ja auch in Petersburg an keinem Orte besser und ungenirter begegnen al- in dem Institut der Madame Gramont. ES sind seck- kleine Gesellschaftszimmer da, die in einer Flucht liegen. In diesen Zimmern erbolen sich die Herrschaften in der Regel von den Concerten. Man nimmt eine Tasse Cbocolade oder Thee und geht alsdann wieder in den Eoncertsaal. ES ist übrigen- eia Schüler-
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