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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961012017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896101201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896101201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-12
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»ektttn «a «r»Er» Di« Mor,«».«—gab« «schont «, »/.? Uh«, di« Lbe»b.«»«g^« «oche»t»-S »» i Uhr» Filiale»: Vtt» Ole»«'« Tsrlt». (Mfretz dich»), U»iverfitStSstraß« 8 (PaulinunH Loti Lösche, ffatbann«»skr. 14. vart. und KSnigsvlatz Vez«s-,Pre1- te d« tzaaptexpeditio« oder de» t» Stadt» o«tzt^ und de» Vororte» «richteten »us« aabestellrn nbgeholt: vtert«lj»hrltch^4La bei »wetmaliger täglicher Zustell»», in« Hau, 5^0. Durch di« Post bezoaeu für Leutschland und Oesterreich: vierteuährlich X6.-. Dirrcte tägliche Len-baudsAuna i»s Ausland: »umatltch 7chL Morgen-Ausgabe. KiWgrr.TllgMtt Anzeiger. Amlsvkatk -es königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und NoNzei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. 52«. Montag den 12. October 1896. Anzeigen-Pret- die «gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Nrelamen unter dem Redactiou-strich (4ae» spalten) LO^Z, vor den Familinmachrichk» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichuiß. Tabellarischer und Zisserusatz »ach höherem Tarif. Extra-V ei lagen (grfaltt), »ar mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—. mit Postbeförderuug 70.—. Funahmeschluß fiir Anzeigen: >b«»d-A»sgab«: vormittags 10 UhL Morgen «Ausgabe: Nachmittag- 4 lltzL Bet den Filialen und Annahmestellen je rin» halb« Stunde früher. Anzeige» fi»L stets a» die Oxpe-ttto >» richte». Dr»ck »«d Verlag von L. Bolz in Leipzig «0. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume können 1» unserem Melde amte, Dächterstraße Nr. 5, am iS. diese« Monat« in Abtheilung II (für Freinde), am 14. diese« Manat« in Abtheilung I, Buchstabe dl—2 (für bleibende Einwohner), sowie in Abtheilung III (für Dienstboten), ferner am IS. diese« Monats und . am 17. diese« Manats vormittag« in Abtheilung I, Buchstabe I- (für bleibende Einwohner) nur dringliche Geschäfte erledigt werden. Leipzig, am 8. Oktober 1896. Da« Paltzetamt der Stadt Leipzig. o. L. 5044. Bretschrieider. H. Episoden aus der Völkerschlacht bei Leipzig. Nach Berichten von Augenzeugen. L. Dreiundachtzig Jahre sind im Strome der Zeit dahin gerauscht, seitdem auf Leipzig« Fluren die ewig denkwürdige Schlacht, die der preußische General Müffling zuerst mit dem Namen „Völkerschlacht" bezeichnete, geschlagen ward. Manche« kriegsgeschichtliche Werk ist über dieselbe verfaßt worden, in dem der Leser genauen Aufschluß übex^ die Stellungen und Stärken der einzelnen Armeen erhält, aber über die mehr nebensächlichen Vorgänge in jenen großen Tagen fließen die Quelle» nur spärlich. CS würde von diesen Nebenhandlungen heute noch weniger bekannt sein, wenn nicht in den Jahren nach der Schlacht und auch schon während derselben einzelne Augenzeugen davon Aufzeichnungen gemacht hätten, die vor nun mehr als fünfzig Jahren Moritz Janj, evangelischer Pastor, sammelte und so der Nachwelt ausbewahrte. Seinen Darstellungen folgen wir nun bei den nachfolgenden Episoden und führen den Leser zunächst nach Schönefeld, da- ja während der Völkerschlacht so furchtbar gelitten hat. In Schönefeld war 1813 bl. Christian Gottlieb Schmidt Pfarrer; er war von Anfang an Zeuge de- Völkerkampfes und hat die Einzelheiten desselben, soweit sie Schönefeld und dessen nächste Umgebung betroffen, bald ausgezeichnet unter „Nachricht über da- unser arme- Schönefeld am 18. October I8l3 betroffene große Unglück, wodurch der Herrenhof mit allen seiuen schönen und weitläufigen Gebäuden, die Kirche, Pfarr- unv Schulwohnung, die größten Güter de« Dorfes — durch die Mordbrennerei der Franzosen im Feuer auf gegangen sink, und im ganzen Dorf kein, Hau« unbeschädigt geblieben ist— meinen lieben Nachfolgern im Amte zur mitleidigen Beherzigung und mit dem Wunsche, daß Gott sie vor einem so harten Schicksale bi« in die spätesten Zeiten bewahren wolle." Nach einem kurzen Rückblicke auf die politischen und kriegerischen Ereignisse in den Jahren 1806—1813 kommt er auf die Octoberereignisse in Sachsen, besonder« auf die in Schönefeld zu sprechen. „Am Michaelistage, den 29. September 1813, betrat das aus 20000 Mann bestehende ArmeecorpS des französischen Marschalls Marmont unsere Gegend. Ich in der Pfarre bekam an diesem Tage vier fache Einquartierung und noch am Abend 36 Mann Infanterie. Die Truppen machten hier und da im Dorfe und um das Dorf her mehrere BivouacS, brachten ganze Heerde» Vieh mit, die sie nun in unsere Krautfelder trieben, und richteten in unseren Planken und Gärten großen Schaden an. Auf den Feldern neben der Linden allee war ein Theil der kaiserlichen Equipagen postirt. Die Reiterei und das Fuhrwesen fouragirten ohne Unterschied und ohne Erbarmen. Unser Getreide wurde ohne alle Umstände und Schonung aus unfern Scheune« fort geschleppt. Von Hühnern und anderem Federvieh hatten wir lange nichts mehr zu sehen bekommen, und zehn Mast schweine batten sie an einem Tage auf meinem Hofe ab gestochen. Die dem 18. October vorhergehende Woche war eine Woche der Angst und deS Jammers. Vom 15. October ab wurde meine Pfarre in Schönefeld von den französischen Garden nicht leer, die alle Winkel durchsuchten, Alle«, dessen sie habhaft werden konnten, mitnahmen und mich und die Meinigen unsäglich quälten." EinMächsischer Oberster vom Leib-Kürassierregiment nahm sich deS bedrängten Pfarrers an, verließ ihn aber schon am 16. mit dem Bedeuten, „daß wir heute einen heißen und gefahrvollen Tag baben würden". Zum Schutze deS Pfarrers ließ er drei Kürassiere zurück, die vis zum Sonntag Abend treulich aushielten. An diesem Tage verließ Magister Schmidt mit den Seinen die Pfarre, nachdem sie die werth vollsten Effecten in der Sacristei untergebracht hatten, auch die Kirchenbücher, welche bi« in die Mitte des t6. JahrhundertS hinaufreichten. In Leipzig glaubte er mehr Schutz zu finden, deSbalb suchte und fand er hier bei theilnehmenden Freunden Aufnahme. Der 17. October — ein Sonntag — verlief für Schöne feld ziemlich ruhig; doch war diese Windstille nnr ein Vor bote de- schrecklichen Sturme-, der Montag, den 18. October, über Schönefeld hereinbrechen sollte. Gegen Mittag ertheilten die französischen Marschälle Ney und Marmont den Befehl, Schönefeld in Brand zu stecken; zuerst legten die Franzosen Feuer im Schlöffe an, welche- mit all feinen weitläufigen Gebäuden bis auf den Grund niederbrannte; die bei dem Herrenhose gelegene Wassermühle gerieth durch eine von den Ruffen abgeschossene Granate in Brand, das Feuermeer nahte mehr und mehr der Pfarre, Schule und Arche, WaS Magister Schmidt vom Oberboden de- rothen Couegs m Leipzig recht gut beobachten konnte. Die Feuerbrände flogen bei dem starkwehenden Winde in der Luft umher und entzündeten auch den Kirchthurm m der obersten Haube, Andere wollen jedoch behaupten, daß dies durch eine über die Parthe herüberfliegende Bombe geschehen sei, weil die Alliirten bemerkt hätten, wie ihre Bewegungen vom Thurme aus beobachtet würden. Ueber den Brand deS Thurmes erstattete der Herr Cantor PLgner, welcher selbst die Schlacht in Schönefeld erlebte, folgenden Bericht: „Denken Sie sich ein stete«, starke« Oelmühlenstampfen, al« wenn Sie dabei stünden und ihr eigene« Wort nicht zu verstehen vermöchten, — da- war der Donner der Kanonen in der Schlacht. Wir waren betäubt! Alle« Zeitgefühl war in un« erstorben, — wir wußten nicht, in welcher Zeit wir lebten. Wie die Flammen um un« heraufschlugen und über unsere Köpfe hereinbrachen, so der Kugelregen, der durch sie hinflog und wie au- »hnen berauSschlug. Ich kann e- beweisen, daß da« Feuer im Thurm allein durch die vom Schlachtfelde hergeführten Bränder — wir hatten Mittag-Wind, der sie brachte — ent standen ist, wenn auch sein mag, daß sie nach dem Thurm geschossen haben. Bis zum Brande der Kirche habe ich m Schönefeld au-gehalten, und eS trug sich ungefähr so zu. Ich hatte einen großen Theil geräuchertes Schweinefleisch in die oberste Thurmspitze verborgen, zu welcher nur auf einer Leiter, die eine wohlberechnete Länge haben mußte, emporgestiegen werden konnte. Ich ging zu Zeiten auf den Thurni, um das Terrain zu übersehen. Plötzlich fangen die nahe liegenden Häuser und Güter an zu brennen; ich will nun die Läden in der ThurmauSsicht schließen, weil ein heftiger Wind ging, der leicht das herumfliegende Feuer in den Thurm tragen konnte; aber die Gewalt des Sturmes war so groß, daß weder ich, noch ein Anderer mit mir die Läden herum schlagen können. -— Aus Furcht, eS möchten uns die feindliche« Kanonenkugeln als die unberufene« Zeugen vom Thurme scheuchen, verlassen wir den Thurm und treten in da-Schiff der Kirche. Plötzlich fallen mitten in die Kirche unterhalb des Thurmes brennende Feuerbüschel — Ich will die Treppe wieder hinauf, — da schreien sie unten: „der Thurm brennt!" und bald stand die ganze Kirche in Flammen." So der Bericht PögnerS. Am l 8. October blieb die Schule noch stehen, sie ging erst am 20. durch die Unvorsichtigkeit deS russischen MilitairS in Flammen aus. Magister Schmidt fährt nun über sich selbst in seinen Nachrichten fort: „Mein ganzer aus zehn Stück bestehender Viehstand fiel den Soldaten in die Hände. Mein von der vorhergegaugenen Fouragiruug noch übrig gebliebenes Getreide wurde vom Feuer verzehrt, so daß ich von der ganzen schönen Ernte nicht zwanzig Scheffel be halten habe. Meine Pferde mußte ich einem französischen General gegen sechs Stück Ochsen überlassen, welches ein Handel gewesen wäre, wenn sie mir später nicht auch noch geraubt worden wären. Da- wüthende, schreckliche Feuer vom Achtzehnten in der Schlacht, wo Niemand ans Löschen denken durfte, noch konnte, breitete sich im Dorfe nun immer weiter aus, ergriff die größeren Güter sowohl als die kleinen, eines nach dem anderen, und eS ist in Schönefeld kein Haus völlig unversehrt geblieben. Fast alle liegen in Schutt und Asche. Die sehr wenigen noch stehen gebliebenen tragen die sichtbaren Spuren der sie betroffenen Verwüstung." Ueber die Folgen des hartnäckigen Kampfes, der in und um Schönefeld stattfand, spricht Magister Schmidt sich folgendermaßen auS: „Das Dorf ist vier bis fünf Mal ge nommen worden, bald durch die Russen, bald durch die Preußen, bald durch die Franzosen, die sich hier als die Ver zweifelten schlugen, aber doch endlich das Feld räumen mußten; so kann man sich vorstellen, wie eS bei unS ansgesehen hat. Viele Hunderte haben in Schönefeld ihren Tod gefunden, beide große Teiche im Dorfe waren mit Leichnamen erfüllt, und auf dem vor dem Ploß'schen Gute und Gartenhause an gelegten grünen Platze liegen über 70 erschossene und an ihren Wunden verstorbene Franzosen, Russen und Preußen begraben. Doch ist kein einziger unserer hiesigen Einwohner dabei ums Leben gekommen, einen alten Mann ausgenommen, welcher abhanden gekommen und nirgends hat wieder aufgefunden werden können." Am 21. Sonntage nach Trinitatis 1813 hielt Magister Schmidt zum ersten Male wieder Gottesdienst in der Capelle der Kohlgärtner zu Reudnitz und predigte über 1. Petri 5, 6: „So demüthigt Euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß er Euch erhöhe zu seiner Zeit. Den ganzen Winter über fand der Gottesdienst in der Capelle statt, nur zwei Mal in Schönefeld und ein Mal in Abtnaundorf. Das Nervensieber trat verheerend in der Parochie Schönefeld auf, so daß dir Sterblichkeit eine sehr große war. Zur Förderung deS Aufbaues der Schönefelder Kirche ließ Magister Schmidt zwei Predigten drucken, vie eine Summe von 787 Thlr. 21 Gr. erbrachten, zu welchen Kaiser Franz 133 Thlr. 8 Gr. und König Friedrich Wilhelm IN. durch den Kanzler Fürsten von Hardenberg 100 Thlr. ein gesendet haben. Kaiser Alexander I. von Rußland soll eine kolossale, von den Franzosen eroberte Kanone der Schöne felder Kirche verehrt haben, die Glocken aus ihr zu gießen und auS ihrem weiteren Erlös den Bau mit zu bestreiten; gedachte Kanone ist aber mit der übrigen Beute abgeräumr FereiHetsn. Ein Ferienbesuch. Humoreske von Anton Kaerger. » Nachdruck verbot«. „Du, Frau, diesmal machen wir eine billige und schöne Ferienreise. Ich habe an meinen Bruder Karl geschrieben, ob er nicht Fritzchen und Kränzchen während der Ferien auf sein Gut nehmen wolle, und er willigt ein. Gott sei Dank, hat er die Rangen in den letzten beiden Jahren nicht gesehen, sonst würde er sich für den Besuch bedanken. Wir werden also die Jungen- lo-, bleiben hier in Berlin und fahren fleißig nach der Ausstellung. Mit Deinen beiden Bengeln wäre da- ja nicht möglich." So war er nun, der Postsecretair Breukner. Wenn Fritzchen und Fränzchen Anlaß zum Aerger gaben, nannte er sie seiner Frau gegenüber „Derne Bengel"; wenn sie aber brav waren, was freilich viel seltener vorkam, sprach er stolz von „meinen Junten". Der erste Ferrentag kam heran und Brenkner brachte höchsteigenhändig die beiden Knaben zum Anhalter Bahnhof, um sich selbst zu überzeugen, ob sie auch glücklich abfuhren. Als der Zug sich in Bewegung setzte, entrang sich ein Seufzer der Erleichterung feiner Brust und er murmelte befriedigt: „Bier Wochen Ruhe." Onkel und. Taute freuten sich sehr über da- gute Aus sehen der Knaben, und besonder- die Tante war sehr erbaut davon, daß di« Jungen ihrem Mittagessen alle Ehre anthaten. Nach dem Essen wurden sie vom Onkel auf dem Gute herum geführt. Er reizte ihnen mit Stolz seine kräftigen Mastochsen, denen er prüfend au die Rippen und an den Hal- faßte, um, wie er den Kindern erklärte, zu fühlen, ob sie zunähmen. Dann ging «S znm Pferdestall und zuletzt zur Fohlenkopvel, die an dr< Nachbar- Grundstück angrenzte. „Klettert nicht etwa mal da über den Zaun, Jungen«, ich vertrage mich mit dem Kerl da drüben so wie so nicht. So, nun geh' ich auf« Feld; die Tante hat in der Wirthschaft zu thun, treibt Ihr Euch ein bischen hier im Hofe herum." Da« thaten nun die beiden Knaben eine Zeit lanD. Dana aber wurde e« ihnen langweilig, sie gingen wieder m da« Hau« und kletterten von einem Stockwerk in da« andere. AuS einer Bodenkammer kam ihnen ein verlockeuder Dust entgegen. Sie gingen hinein und schlugen erstaunt die Lände zusammen. Wohl an hundert Töpfe mit eingemachten Früchten standen neben einander. Bei der Mutter zu Hause DatteiDsie nie mehr al« ein halbe« Hutzead zusammen in der kleinen Speisekammer gesehen. Und di« vielen Würste und Schinken! „Onkel muß aber mächtig reich sein", meinte Fränzchen nachdenklich. Während dessen hatte der thatenlustig« Fritz schon allerlei Versuche angestellt, um vou einem der Töpfe da« Pergamentpavier, da« die Stelle de« Deckel« vertrat, zu lösen. E« ging sicht. Kur» resolvirt, »ah» er sei« Messer und schurtt ei» klei»e« dreieckige« Loch i» da« Papier. Dann angelte er mit dem Zeigefinger hinein und brachte einige eingelegte Pflaumen heraus. „Schmeckst du prächtig!" jubelten d,e Jungen, und nun wurde bei einer Anzahl anderer Töpfe dasselbe Experiment vorgenommen, denn man wollte auS jedem nur wenig nehmen, „damit Tante nichts merkt". Am nächsten Morgen besuchten Fritzchen und Kränzchen den Pferdestall. Hier mißfielen ihnen die langen Schwänze höchlichst. „In Berlin haben die Pferde bei den Droschken und Pferdebahnen alle kurze Schwänze; das ist viel feiner", meinte Fritzchen. „Onkel wird vielleicht keine Zeit haben, ihnen die Schwänze zu kürzen", war Kränzchens Auffassung. „Da- könnten wrr doch aber thun", schlug Fritzchen vor. Nun suchten sie im Hause nach einer scharfen Scheer« herum. Da sie aber keine fanden, mußte Fritz'schen Messer herhalten. Ein Schwanz nach dem anderen wurde ab gesäbelt. Schön sah eS za nicht aus, da das Messer nicht sehr scharf war und in Folge dessen recht unregelmäßig schnitt. Aber die jugendlichen Künstler waren mit ihrem Werke zufrieden. Weniger erfreut war Onkel Karl, als man Mittag bei Tisch saß, und der Pferdeknecht hereinstürzte und entsetzt berichtete, wa« geschehen sei. „Die Pferde sind schon ganz wild, weil sie sich die Fliegen nicht abwehren können", rapportirte er. „Fahr sofort nach der Stadt, Johann, und kaufe Netze für die Pferde", befahl Onkel Karl. Dann wandte er sich an die Knaben: „Warum habt Ihr da- gemacht?" Z „Weil in Berlin die Pferde kurze Schwänze tragen", erwiderte Fritzchen unverlegen. „Du siehst, die Jungen haben es nicht schlimm gemeint", fiel die gute Tante ein, als sie sah, daß Onkel Karl auf brausen wollte. Die arme Tante; sie sollte bald merken, daß sie ihr Wohlwollen an Unwürdige verschwendet hatte. Tante Klara ging nämlich, als da- Mittagessen sich dem Ende zuneigte, nach dem Boden, um noch einen Topf mit eingelegten Früchten heruaterzuholen. Nach einigen Minuten kam sie ganz bleich »urück. „Denke Dir, Karl", jammerte sie, „zwölf Töpfe mit Kirschen, Pflaumen und Pfirsichen sind hin. Die Jungen haben Löcher in da« Papier geschnitten und nun find die Früchte umgeschlagenI" „Nun, ist da- auch in Berlin Mode, wie die kurzen Pferdeschwänre?" wandte sich Onkel Karl brummend an Fritzchen. „Ihr scheint mir ja recht liebe Junge» zu sein. Ra, eure Dummheit und Genäschigkeit sei euch verziehen, aber bleibt mir nun vou jetzt ab brav." Da« gelobten die Jungen. Sie empfanden wirklich so etwa- wie Reue und wollten gern iHv-Unrecht wieder gut machen. Da« thaten sie denn auf eine recht merkwürdige Weise. p Am Nachmittag schlendsM» ff« auf dem Gute umher und kamen an die Fohlenkopvel. Einige von den hübschen Thierrr» spielten übermüthig umher, andere sahen neugierig und, wie e« den Kindern vorkam, ordentlich sehnsüchtig über die Balken und Stangen nach dem Nachbargarten herüber, wo die satt- grünen Rasenflächen «ad die schönen Beete sie zu locken schienen. „Da« könnte dem schlechten Nachbar, den Onkel »icht leiden «aa, gar nicht schaden, wenn die Fohlen bei ihm etwa» Gras fräßen", »nut« Fritzchen. Kränzchen »ah« sofort den Gedanken auf. „Ich habe im Hofe eine Säge gesehen; mit der könnten wir ein paar Stangen wegsägen und dann lassen wir die Fohlen herüber." Gesagt, gethan! Die Jungen arbeiteten mit einem Eifer, den sie in der Schule nie entwickelten. Nach einer Viertel stunde hatten sie eine genügende Bresche gelegt und brauchten die Fohlen nicht erst sehr zu ermuntern, um in den Garten hinüberzusetzen. Aber o Schrecken! Fritzchen und Kränzchen hatten die Fohlen etwas Gras fressen lassen wollen und sie dann zurück in die Koppel treiben wollen. DaS war aber leichter gedacht al« gethan. Die übermüthigen Thiere trampelten in den Gemüsebeeten herum, rissen die Blumen ab und knabberten die jungen Obstbäumchen an. Fritzchen und Fränzchen suchten sie zurückzutreibeu, aber die Fohlen schlugen au« und die Jungen wagten sich nicht an sie heran. Sie wollten sich davon schleichen uud die Sache gehen lassen, wie sie eben gehen wollte, da wurden sie von je einer mächtigen Faust unsanft am Kragen gefaßt und eine zornige Stimme rief: „WaS habt Ihr denn da gemacht, Ihr ver dammten Bengel?" DaS war Herr Franke, der GutSnachbar. Daß er kein guter Nachbar sei, sollten sie gar bald erfahren, denn ohne sich Zeit zu nehmen, sie zu fragen, woher sie kämen der Fahrt, noch wie ihr Nam' und Art, bearbeitete er sie auf eine Weise, um die ihn Papa Brenkner beneidet hätte. Ja, so eine breite ländliche Hand leistet doch mehr als die eine« PostsecretairS! Dann erst fragte er sie, wer sie wären. „DaS werden wir unserem Onkel Karl sagen, daß Sie unS so gehauen haben", heulte Fritzchen. „WaS, Ihr seid die Neffen von meinem lieben Nach bar Brenkner? Na, da kommt mal gleich mit." Und jeden der Jungen bei einem Ohre nehmend, ging er auf den Nachbarhof, wo eben Onkel Karl, vom Felde kommend, ein traf. Herr Franke kündigte dem Onkel an, daß er den Schaden abtaxiren lassen und dem Onkel eine Rechnung zu senden würde. DaS Gespräch zwischen den beiden ohnehin verfeindeten Männern trug natürlich keinen sehr freundlichen Charakter, und als Herr Franke gegangen war, machte Onkel Karl seiner Erregung in einer Reihe sehr heftiger Arm bewegungen Luft, denen durch Fritzchen'- und Kränzchen'« Backen und Rückenende passiver Widerstand geleistet wurde. DaS war für Fritzchen und Fränzchen zu viel. Statt der gehofften Anerkennung hatten sie zweimal Prügel bekommen, und wa« für welche! Mit dem Gefühle, sich rächen zu müssen, gingen sie zu Bett. Andern Tag- war Sonntag. Onkel Karl wollte am Vor mittag seiuen Sachwalter — Wochentag« hatte er der heran nahenden Ernte wegen keine Zeit — m der Stadt besuchen. Zu diesem Zwecke hatte er sich in seinen neuen Hellen Sommeranzug, aus den er sehr stolz war, geworfen. Der Wagen war bereit« angespannt, Onkel Karl aber wollte sich erst noch eia Mal am Anblick seiner geliebten Mastochsen weiden. Er trat in den Stall und faßte dem nächststehenden Ochsen an die Rippen. Da- Resultat war sehr befriedigend; da« Vieh nahm gut zu. Schmunzelnd trat er zum zweiten, aber al« seine Hand hier an die Rippen fühlte, griff sie in eine widerlrch«, glibbrige Masse. Unwillkürlich rieb Onkel Karl, um da« häßliche Gefühl von seiuer Hand loSzubekomme», dm Haud am Bemkleid und Rock. I» nächsten Augwblickr aber erfaßte ihn bittere Reue, denn auf seinem Anzuge zeigte sich nun wiederholt das Abbild seiner Hand, dargestellt von — Wagenschmiere. Onkel Karl brüllte vor Wuth, wie der verwundete Ares, so daß Alles auf dem Hose zusammenlief. „Wer war im Ochsenstall?" schrie der Gut-Herr. „Gnädiger Herr, ich habe vorhin die jungen Herren, Ihre Neffen, hineingehen sehen", erwiderte zöqernd die Großmagd. Fritzchen und Fränzchen wurden herbecgeholt und bequemten sich zu einem Eingeständniß. Onkel habe ihnen gleich an: ersten Tage gezeigt, wo er die Ochsen anfasse, da hätten sie die Stellen bei einigen Ochsen eingeschmiert, um den Onkel zu erschrecken. Dem Onkel zuckte eS in den Händen, die Lection vom vorigen Tage verschärft zu wiederholen. Plötzlich aber durch fuhr ihn ein Gedanke, und sein Gesicht wurde von einer be ängstigenden Freundlichkeit überstrahlt. „Meine lieben Kinder", begann er mit milder Stimme, „die Landluft bekommt Euch nicht. Heute gegen Abend geht ein Zug nach Berlin, der Euch zu den lieben Eltern bringen wird. Die Tante wird Euch 'waS Gutes zu essen mitgebcn und auch für Eure Eltern WaS Nettes einpacken. Ich werde Euch das Reisegeld geben und Jedem noch einen Thaler extra schenken, dafür sollt Ihr Euch in Berlin waS Hübsches kaufen, damit Ihr noch oft an den guten Onkel Karl denkt." Postsecretair Brenkner'S waren am Nachmittage in der Ausstellung gewesen. Abends hatte eS ein sehr gute» Abend brot» gegeben, denn jetzt, wo die Jungen fort waren, hatte Frau Brenkner ja Zeit, die Küche gut zu versorgen. Nun saßen die Eheleute vergnügt auf dem Sopha. „Siehst Du, Alte", sagte Brenkner, und schlang seinen Arm zärtlich uni die Gattin, „mein Gedanke mit den Jungen war gut. Mir ist ordentlich, al« ob wir wieder jung verheirathet wären". Ein scharfes Klingeln unterbrach ferne Rede. „Wer kann denn jetzt kommen?" DaS Mädchen öffnete da« Entree, die Eheleute blickten gespannt nach der Zimmerthür. „Alle guten Geister!" stöhnte Brenkner, als Fritzchen und Fränzchen eintraten. „Alle guten Geister!" echote Frau Brenkner mit bleichen Lippen. „Onkel hat un« gesagt, wir sollen nach Hause fahren", erklärte Fritzchen unverfroren, „er hat unS auch einen Brief mitgegeben." Der Vater riß ihm den Brief aus der Hand und laS: Lieber Oskar! Ich verstehe so vollkommen, daß Du Deine Jungen während der großen Ferien lo« werden willst! Da Du al« Beamter nur bescheidene Mittel hast, bin ich gern bereit. Dir jährlich eine Summe zur Verfügung zu stellen, damit Du die Jungen während der Ferien in eine Pen sion geben kannst. Da- kommt mich immer noch viel billige, al- wenn sie bei mir sind. Nicht« für ungut. Herzliche Grüße Dein Karl." Herr» Brenku«'« -erienträum« war« vernichtet.
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