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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961016015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896101601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896101601
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- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-16
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BezugS-PreiS tzi der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- aaorstellrn abgebolt: vierteljährlich.44.-0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» HauS >l öLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierrel;ährlich S.—. Direkte tägliche Üreuzbandsenduug ius Ausland, monatlich 7.S0. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/.7 Uhr. di» Abend-Ausgab« Wochentag« um 5 Ubr. Ne^actio» »n- Lrve-itio«: Zohanne»gaffe S. ' DieExpeditton ist Wochentag» ununterbrochen ge^lknrt von früh 8 bi- Abend« 7 Uhr. Filialen: ttt» lNemm'S Lortii». (Alfred Hahn). Uviversität-slraße 3 (Paulinum), Lonis Lösche, Üntbnrtnenstr. 14. pari, und König-Vlatz 7, Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Ämtsvkatt des ÄönigNchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Freitag den 16. October 1896. Anzeigen-PreiS die S gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen »nter dem Redaction-strich (4go- spalten) LO-H, vor den Familieniiachrich»» <6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- nerzeichnih. Tabellarischer und Zissrrnjatz nach höherem Tarif. Ertra-Vetlagm (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbefördernug ^il 70.—. Ännahmeschluß für Änzeige«: Abrnd-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr, Margen-AuSgabe: Nachmittag» 4Uhr V«t den Filialen und Annahmestellen j« et« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richte«. Druck nnd Berla-r von E. Volz kn Leivziq SV. Jahrgang. Wahltreibereien. Nichts ist mehr geeignet, zwischen Parteien, die im Reichstage oder in den Einzellandtagen in wichtigen politischen Fragen ans ein möglichst einträchtige« Zusammengehen an gewiesen sind, tiefgehende Mißstimmung bervorzurufen, als Wahlkämpfe, bei denen Angehörige dieser Parteien einander gcgenüberstehen. Weit leichter kommt man darüber hinweg, wenn in den Parlamenten die Fractionen über eine bestimmte Frage sich nicht zu einigen vermögen. Dann handelt eS sich eben nur um «ine einzelne Frage, nicht um daS Gesammt- verbältniß der Parteien, während bei Wahlkämpfen alle Differenzen hervorgesucht, in möglichst scharfer Weise zum Ausdruck gebracht und zu Klüften erweitert werden, die sich trennend zwischen die ganzen Parteien legen. Wir haben es besonders deshalb tief beklagt, daß, während im NeichstagSwahlkreise Brandenburg- Westhavelland der dort in hohem Ansehen stehende Nationallibcrale Hobrecht sich für die Unterstützung des kon servativen Candidaten erklärt hat, die „National-Ztg." den Versuch macht, die nationalliberalen Wähler zur Unter stützung des Kandidaten der freisinnigen Volkspartei zu bewegen und dadurch ihrerseits den vom nationalliberalen Delegirtentage abgelehnten „Ruck nach links" berbeizufübren. Wie vorauszuschen war, wird von einem großen Theile der konservativen Presse dieser Versuch der „Nat.-Ztg." der nationalliberalen Partei in die Schube geschoben und zum Anlaß gereizter Angriffe gegen diese Partei genommen. Besonders tbut sich, wie immer in solchen Fällen, die „Kreuzztg." mit Angriffen hervor. Sie veröffentlicht sogar die Zuschrift eines Herrn Kurv von Strantz, der zur Zeit der Eisenacher Ersatzwahl, also zu Anfang des vorigen IahreS, in Eisenach lebte, jetzt aber anscheinend in Berlin seinen Sitz hat und nun die volle Schale seines Zornes Uber die Nationalliberalen ausgießt. Der Aerger über den kläg lichen Mißerfolg, den damals die Candidatur des Herrn vr. Rösicke verzeichnen mußte, scheint bei Herrn v. Strantz heute noch so lebendig zu sein wie in dem Augenblicke, als er in seiner Eigenschaft als Wahlcommissar das Wahl resultat festzustellen hatte, denn er hat in diesen zwanzig Monaten noch immer nicht zu einer leidlich objektiven Anschauung der damaligen Vorgänge sich aufgcschwungen. Da die „Kreuzzeitung" und nach ihr Blätter der ver schiedenen Richtungen ihm den Gefallen erweisen, seine Auslassungen wiederzugeben, so haben wir Veranlassung, wenigstens die stärksten Irrthümer zurückzuweiscn, in denen Herr von Strantz bis heute noch befangen ist. Zunächst trat Herr I)r. Rösicke nicht als konservativer Candidat auf; die wenigen Conservativen im Kreise Eisenach sammelten sich erst in einem Verein, nachdem die Eandidatur Rösicke längst proclamirt war; dieselbe war auch nicht einmal eine Candidatur des Bundes der Landwirthe im Kreise, denn die im Kreise eingesessenen Mitglieder desBundes hatten ursprüng lich einen anderen, dem Kreise selbst angehörigen Candidaten vor geschlagen und spalteten sich nachher, als ihnen die Candidatur der Berliner Bunoesleitung aufgedrungen worden war. Nur ein Tbeil hielt eS noch mit dieser Candidatur, der andere Theil schwenkte glatt zu den Antisemiten ab. Die Candidatur Rösicke war also weder eine konservative, noch eine Candidatur der Landwirthe des Kreises, sondern lediglich eine Kraftprobe der Berliner Bundesleitung auf die im Eisenacher Kreise eingerichtete absolute Herrschaft. Von einem ernsthaften Versuche, mit den Nationalliberalen über eine gemeinsame Candidatur sich zu verständigen, konnte schon hiernach nicht die Rede sein. Am allerwenigsten können sich die Conservativen auf einen solchen Versuch berufen. Die Mittheilung, daß die Berliner Bundesleitung den Eisenacher Kreis für gut genug befunden hatte, ihrem zweiten Direktor ein Reichstagmandat zu liefern, kam gar nicht von konservativer Seile an die Nationalliberalen, sondern durch die öffentliche Presse, aus der man gleichzeitig erfuhr, daß Herr Or. Rösicke in einer Versammlung der Bundes mitglieder in Eisenach die ihn ablehnende Minderheit mit dem schroffen Bemerken zurückgewiesen hatte: „Sie werden mich wählen und ich werbe gewählt!" Welchen Werth hier nach eine vielleicht erfolgte formale Anzeige der BundeS- leitung an die nationalliberale Leitung in Eisenach haben durfte, sollte doch auch Herr von Strantz ermessen können. Eine Candidatur zu unterstützen, die in solcher Weise dem Wahlkreise schnöde aufgeorangt war, erschien nicht nur jedem Nationalliberalen, sondern überhaupt jedem nicht zur eingeschworenen Clique gehörenden Manne un vereinbar mit der persönlichen Selbstachtung. Herr von Strantz beschwert sich dann über Angriffe, denen besagte Candidatur von der nationalliberalen Presse ausgesetzt gewesen sei; er vergißt, daß die Berliner Bunbeslestung gan re Papierfabriken auskaufle und selbst gegnerische Druckereien beanspruchte, um ballenweise zuerst ihre Angriffe auf alle älteren Parteien im Kreise bis in die letzte Hütte zu bringen, und daß sie zwei Monate hindurch ihre besoldeten Agitatoren in den einzelnen Mittelpunkten des Kreises etablirte, und zwar Agitatoren von recht zweiselhafter Güte, die an Herausforderung das Menschenmögliche leisteten. Alles, was man unter dem französischen Präsectursystem an Hoch druck ehedem erlebt hat und was in Amerika an Geld aufgeboten wird, vereinigte sich in diesem Kreise Eisenacd, damit nur ja der zweite Beamte des Bundes zu seinem Mandate komme. Der Ersolg war allerdings darnach. Aber auch da hat nun wieder Herr von Strantz Un recht, wenn er die Nationalliberalen für die Nieder lage verantwortlich macht. Sie hätten sämmtlich für Herrn Rösicke stimmen können, dieser wäre doch unter legen, denn die Antisemiten stimmten fast Mann für Mann für den Freisinnigen, ebenso die Socialdemo- kratcn, wodurch ja bekanntlich eine freisinnige Ziffer zu Tage kam, wie sie früher kaum erlebt wurde. Wenn also daS Facit der Eisenacher Wahl nochmals gezogen werden muß, so besteht es nach wie vor darin, baß die rück sichtslose Einmischung der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe in die Verhältnisse eines bis dahin für gemäßigte Wahlen immer wieder diSponirten Wahlkreises im Hand umdrehen den extremen Elementen die Herrschaft verliehen und den freisinnigen Besitzstand besser wieder ausgerichtet hat, als er vorher vorübergehend je gegebene Thatsache war. Wenn die ,^>kreuzzeitung" dieser Zuschrift des Herrn von Strantz im gegenwärtigen Augenblicke Raum gewährt, so haben wir dafür keine rechte Erklärung. Es kann doch nicht ihre Absicht gewesen sein, die nationalliberalen Wähler in Brandenburg-Westhavelland nochmals zum Nachdenken darüber zu veranlassen, wie Candidaturen der Berliner Bundesleitung in den einzelnen Wahlkreisen zu Stande zu kommen pflegen. Oder sollte wirklich, wie uns von einer Seite bemerkt wird, die Candidatur des Herrn von Loebeck so wenig eine Candidatur der Berliner Bundesleitung sein, daß die „Kreuzzeitung" lieber den Freisinnigen, als Herrn von Loebell in die Stichwahl mit dem Socialdemokraten befördert wissen möchte? In diesem Falle würde die „Nationalzeitung daS Geschäft der „Kreuzzeitung" besorgen und nut ihrer Empfehlung des freisinnigen Candidaten den doppelten Effect erzielen, die Wahlaussichren eines der „Kreuzzeitung" wenig sympathischen Candidaten zu verschlechtern und dem Blatte überdies willkommene Gelegenheit zu geben, der gesummten nationalliberalen Partei diese Verschlechterung als Beweis der Animosität gegen die Conservativen anzukreiden. Deutsches Reich. U Berlin, 15. Oktober. In der größeren Hälfte der preußischen Regierungsbezirke wird nach der Berufs- und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895, wie wir schon mit- getheilt haben, die lanowirthschaftliche von der gewerb lichen Tbäti gleit überwogen. Das Maß des Ueber- wiegens ist in den einzelnen Regierungsbezirken jedoch sehr verschieden. Mehr als zwei Drittel der Erwerbs- thätigen entfallen auf die gewerblichen Berufsarten in Berlin, Arnsberg und Düsseldorf, und zwar so, daß in den letzteren beiden Regierungsbezirken ein größerer Procentsatz der in den materiellen Berufsarten Erwerbsthätigen auf die Industrie entfällt, als in Berlin, der ausgesprochenen Industriestadt. Die Hälfte bis zu zwei Dritteln aller Erwerbsthätigen kommen ferner auf die Industrie in Aacken und Köln. Vier Zehntel bis zur Hälfte aller Er- werbsthätigen finden wir in 13 Regierungsbezirken, näm lich Potsdam, Breslau, Liegnitz, Oppeln, Magdeburg, Merseburg, Erfurt, Hannover, Hildesheim, Münster, Minden, Wiesbaden und Trier. Einzelne von den erwähnten in dustriereichen Bezirken entwickeln sich besonders rasch in der Richtung auf da« Vorwiegen gewerblicher Thätigkeit. Die« gilt namentlich von Potsdam, Oppeln, Münster, Minden, Köln und Trier. Im Zusammenhang mit der steigenden gc- werblichen Entwickelung in den Regierungsbezirken des preußischen Staates steht die verbälinißmäßig noch stärkere Entwickelung von Handel und Verkehr. Mit Ausnahme von Aurich und Stralsund baden gegen 1882 sämmtliche Be zirke eine Zunahme des Schwergewichts von Handel und Verkehr aufzuweisen gehabt. In Berlin waren 1895 30,98 Proc. der Erwerbsthätigen gegen 27,46 im Jahre 1882 im Handel und Verkehr thätig. In 21 von den übrigen Be zirken betrug der Antbeil im Jahre 1895 über ein Zehntel, waS 1882 nur von 13 Bezirken galt. Berlin, 15. Oktober. Die „Voss. Ztg." beschäftigt sich heute mit dem Herrn Sladtverordneten-Vorsteher Ziegelei besitzer Hobrecht in Rathenow und macht ihm zum Borwurf, daß er sich bei der LandtazSwahl 1893 die Unter stützung der freisinnigen Partei gefallen ließ, während er jetzt für den conservativenReichstagscandidalen eintrete. Der »Poff- Ztg" ist wieder eine Verwechselung passirt. Herr Stadtverordneten-Vorsteher Hobrecht in Rathenow hat im Jahre 1893 nicht candidirt. Auch Herr Stadtbaurath vr. Hobrecht in Berlin, der damals von einem ComitS in Brandenburg als Zählcandidat ^nannt worden war, und auf den die liberale Minderheit der Wablmänner ihre Stimmen vereinigte, hatte von vornherein erklärt, daß er sich weder um das Mandat bewerbe, noch im Falle einer Wahl in der Lage wäre, es anzunebmen. * Berlin, 15. October. Nach dem Jahresabschluß der Hauptcasse der Berliner städtischen Werke für den 1. April 1895/96 gestalteten sich die Ergebnisse der Verwaltung der Canalisationswerke und der Rieselfelder insofern günstiger, als gegenüber dem im Etat eingesetzten Zuschuß von 1 727 526 -4 ein Verbrauch von 1 50 1 081 -4 statt gefunden hat, der Zuschuß also um 226445 -4 geringer als angenommen war. Dagegen hatte die Verwaltung der Rieselgüter eine Mindereinnahme von 170 529-// , die dadurch ausgewogen wird, daß sie auch mit einer Minder auSgabe an BewirtbschastSkosten rc. in fast gleicher Höbe ab schließt. Es lieferten Mehreinnahmen: die Canalisationsgebübreu 8421 -4, die Betriebsverwaltung 13 298-4, die Hausanschlüsse 71 422 -4, die verschiedenen Einnahmen 1971-4 Der Erlös für veräußerte Grundstücke brachte 183 353-4 Bei den Ausgaben ergab sich gegen den Etatsansatz eine Mehrausgabe von 264 873 -4 und eine Minderausgabe von 383 378 au der Minderausgabe sind die Ricselgüter mit 168 327 -4 betbeiligt. Von den einzelnen Rieselgütern verlangte: Osdorf bei einer Einnahme von 288 431 -4 und einer Ausgabe von 308 105 -4 einen Zuschuß von 19 674 -4, Großbeeren bei einer Einnahme von 385 037 -4 und einer Ausgabe von 391516 -4 einen Zuschuß von 6479 -4, Sputendorf bei einer Einnahme von 175 576 -4 und einer Ausgabe von 310 309 -4 einen Zuschuß von 134 733 -4, Blankenfelde bei einer Einnahme von 247 660 -4 und einer Ausgabe von 291 467 -4 einen Zuschuß von 43 807 -4 Dagegen batte Falkenberg bei einer Einnahme von 374 436 -4 und einer Ausgabe von 289 597 .4! einen Ueberschuß von 84 839 .4 und Malchow bei einer Einnahme von 430 736 -4 und einer Ausgabe von 346 301 .4 einen Ueberschuß von 84 432 .4 Mithin hatten die sechs Rieselgüter zusammen bei einer Ein nahme von 1 901 879 -4 und einer Ausgabe von 1 937 300 -4 einen Ueberschuß von 169 271 -4 ergeben, dagegen einen Zuschuß von 204 692 -4 erfordert, so daß im Ganzen nur ein Zuschuß von 35 421 -4 erforderlich war. Die Mindereinnahme beruht in der Hauptsache auf den Ernteerträgen, die in allen Bezirken, namentlich aber bei den südlichen Gütern, erheblich hinter dem Etats ansatz zurückstehen. (Voss. Z.) A Berlin, 15. October. (Telegramm.) Zur gestrigen Abendtafel im Neuen Palais war Prinz Heinrich nebst Gefolge geladen, der sich vom Kaiser und der Kaiserin um 10^4 Uhr Abends verabschiedete und dann nach Kiel zurück kehrte. Heute früh um 7>/, Uhr machten beide Majestäten einen gemeinsamen Spazierritt in die Umgebung Potsdams. Nach der Rückkehr nahm der Kaiser von 9 Uhr ab den Vor trag des Kriegsministers v. Goßler entgegen und arbeitete dann mit dem Chef des Militaircabincts v. Hahnke. Zur Frübstückstafel war die Prinzessin Amalie zu SchleSivig- Holstein-Sonderburg-Augustenburg geladen, die kurz vorher auf der Wildparkstation eingetroffen war und im Neuen Palais Wohnung genommen hat. Feuilleton. Äuf die Zugspitze. Bon H. Reishauer. Nachdruck «erboten. Im Schimmer der Morgensonne glänzt vor mir die Zugspitze. Die dunklen Wolkenballen, die gestern noch die zackigen Gipfel umwogten und tief hernieder in die Thäler krochen, sind in alle Winde zerflattert; klar und scharf steigt das gewaltige Massiv zum Aether empor. Ueber Nacht ist. Neuschnee gefallen, auf den grauen BergeShäuptern lagerts wie Silberschaum, da« Barometer steigt, in den Beinen zuckt eS: also hinauf zur Zugspitze. Ein Führer ist bald gefunden; die sorgliche Wirthin packt nach Maßnahme ihres Appetit- Proviant über Proviant in den Rucksack — ein kurzer Abschied noch, und wir wandern zur Partnachklamm. Wie daS tobt und tost im engen Felsenbelte! Brausend stürzen die grauweißen Wogen daher, mit toller Gewalt die Felsen peitschend, doch die stehen ruhig und schauen kalt hernieder zur gurgelnden Wasserfluth. Von oben her gießen Sturzbäche ihren Inhalt auf uns hernieder; aus den Ritzen der Bergwände tropft eS, und wenige Fuß unter den Tritten der Wanderer heult die ringezwängte Ache ein schauer liche« Klagelied. Hinter der Klamm wird da« Bachbett breiter; die Sonnenstrahlen trocknen mit liebevoller Sorgfalt die durch näßten Kleider. Die Schaar der Sommerfrischler, die mit uns die Felsenenge durchzog, schwenkt links ab zum Forst hause aus der Höhe — wir sind allein. Ueber Geröll« und Sandhalten geht der Weg, dicht an der Partnach hin. Da und dort hat ein niederstürzender Bach den Weg mit Steinbrocken und Schutt verrammelt; wir klettern über dir Blöcke hinweg und steigen munter bergan. Der schweigende Stuibenwald nimmt uns auf. Im weichen Moorboden verhallt der Tritt. Neckische Sonnenlichter tanzen durch da« Blattgewirr der Bäume, schnellen an den Hellen Buchenstämmen auf und ab und malen zitternde Kringel auf den schwarzen Walddoden. Stumm stehen die dunklen Fichten, die hochstämmigen Buchen; kein Vogel läßt sich hören, ein tiefer, weihevoller Frieden lagert über dem Fleckchen Erde. Fern in der Tiefe rauscht die Partnach ihre alte Weise, ein leichte« Murmeln, bald anschwellend, bald lei« verhallend, dringt herauf in diese stille Einsamkeit. Da öffnet sich der Wald. Wir blicken in die großartige Hintere Klamm der Partnach, au« deren Grunde der finstere Schackrn fast senkrecht emporsteigt. Ueber den grauen Schroffen am jenseitigen Ufer lagert der Glanz der Mittag«soune. Und immer gewaltiger, wilder wird das Tbal. Links erbeben sich die zerrissenen Kämme des TeufelSgesaß' mit den düstern Hundsställen, bald taucht auch der Hochwanner aus und hinter ihm die breite Kuppe der Plattspitze, rechts droht die scharfe Alpspitze, der Hohe Blassen, die Wollkarspitze und andere gewaltige Kalkriesen. Das Auge mag sich nicht satt sehen an diesen kühnen Bauwerken der Natur. Doch horch! klang'S nicht wie Menschenstimmen? Wir sind nach fast vierstündiger Wanderung an einer schönen klaren Quelle, den sieben Sprüngen, angelangt. Halte Rast, du fröhlicher Geselle, Der du dem höchsten Ziele strebest zu. Es lädt der Felsen, es lädt die Quelle Dich ein zu süßer, träumerischer Ruh! ; mahnt die Inschrift an der Felswano. Wir folgen ihrem Rathe und lagern un» inmitten der fröhlichen Schaar, die sich hier niedergelassen bat. Touristen und Führer sinds; einige, die von der Zugspitze herniererkommen und von der herrlichen Aussicht am Morgen erzählen, andere, die gleich uns hinaufwollen zur Höhe. Die Bank am Felsen hat kaum Platz für alle. — Wie ich jetzt meiner trefflichen Wirthin für ihre mütterliche Sorgfalt danke! Und hast du dir gestärkt hier Her» und Glieder, Hat dich ein Trunk au- diesem Bora erquickt, Dann greife frisch zum Wanderstabe wieder Und zieh' dahin, beseligt und beglückt; Steig kühn hinan zur höchsten Wart' und Zinne, Die weithin schauet in das deutsche Land, Und wenn dich dort umwehet Gottesminne, Dann bete für dein schönes Heimathland- lSrnst v. DeStouches.) Die Absteigenden brechen zuerst auf. Grüß Gott! hallt's ihnen nach. Bald verlassen auch wir daS liebliche Idyll im Hochthal^, jetzt ihrer sechs: drei Touristen, drei Führer. Die Mittagssonne fordert ihren Tribut. „Ach, jetzt eine Maß Augustiner", seufzt der eine der Gefährten, der über ein stattlich Bäuchlein gebietet und deshalb im Zurückbleiben ganz erhebliche Resultate erzielt. „Warten'S halt", meint der Führer, „droben auf der Angerhütt'n giebt'S a guat'S Bier." Da beschleunigt er seinen Schritt: „Wie weit ist'» noch?" „Anderthalb Stunden halt!" wird ihm zur Antwort. DaS freilich dämpft seinen Eifer wieder, aber schließlich er- aiebt er sich in sein Schicksal und spottet selbst über die Fülle seines LcibeS und seinen unergründlichen Durst. So schreiten wir unter heiteren Gesprächen und losen Scherzen tapfer bergan, der Zeit kaum achtend. Da glanzt uns zur Linken 1060 m hoch ein lieblicher Alpensee, die blaue Gumpr. Klar und ruhig liegt er vor un«, durchsichtig wie Krystall. Vom Grunde herauf schimmern graue Kalkblöcke, die ein verheerender Gießbach von den Bergen bernieder- wälzte, dunkle, sperrige Stämme, die einst in tosenden Wettern niederbrachen und in die Tiefe stürzten. Urplötzlich stehen neben uns drei rüstige, junge Berg- keigerinnen, denen der Schalk auS den Augen lacht. „Grüß Gott! Woher des WegS?" — „Direct von der Zugspitze!" — „Ohne Führer?" — „Ja freilich." Wir bezeugen inS- gesammt unsere Hochachtung, unser beleibter Reisegefährte wird nicht müde, das Lob der Damen >zu singen. Lachend ziehen diese weiter. Wir harren noch eine Weile. Da dringt von unten her ein herzhaftes Rufen zu un«, daS gar nicht enden will. Jetzt gebt uns ein Licht auf, daß wir diesmal wohl zu leichtgläubig waren. „Genarrt, genarrt!" klingt'S drunten. „Narr, Narr!" giebt die Felswand zurück. „Wetter hexen", schreit der Dicke mit Entfaltung seiner mächtigen Stimmmittel. Da wollen die Drei sich vor Lachen aus schütten. Durch gewaltige Felstrümmer windet sich der Pfad, bald in Serpentinen aufwärts, bald schnurstracks an steiniger Halde entlang. Hunderte von kleinen Faltern, Sandaugen, fliegen auf, wenn sich unter unseren Tritten ein Stein löst und in großen Sprüngen den Hang hinunterhüpft. Der- einzelt lugen dürre Grasspitzen, verkrüppelte Föhren auS dem blendend weißen Kalkschutte hervor. Nur die dunklen Stauden de» giftigen HunvSwürgers finden sich hier und da in größerer Menge. Endlich sind wir droben auf der höchsten Stufe, dem letzten grünen Fleck deö Thales, dem Anger. Hier bietet sich uns ein herrlicher Blick. RingSumher recken sich im posante Felswände auf, 1300—1400 m steil ansteigend. Drüben saust daS Wasser der Partnach in silberschäumendem Falle die Bergwand hinab. Im Süden starrt der Schachen, scheinbar an seinem Fuße schimmert die blaue Gumpe, auf seinem Gipfel glänzt >m Sonnenscheine da« KönigSbauS. Ein wenig nordwestwärts bricht auS schnererfülltem Kessel der Bach hervor, der daS ganze Thal geschaffen hat: die Partnach. Vor uns liegt die Angerbütte. Ein Ruf der Freude au« Aller Kehlen, im Sturmschritt wird dir Hütte genommen. Eben sind die Maultbiere angekommen und haben frischen Vorrath an Bier gebracht. Ha, wie da« labt nach sechs- stündiger Wanderung! Der geebnete Pfad ist nun zu Ende. Rothe Wegmarken deuten die Richtung an, in der wir un« durch da« üppige Alpenrosen, und Knieholzgestränch zur Höhr emporwinden müssen. Bald ist auch dies Latfchengaßl passirt, und nun geht'« im kahlen, »rümmrrrrichen Brunnthal steil bergan. Mein Führer schreitet rüstig vorwärts, denn der Himmel bat sich in beängstigender Weise umzogen. Den Gefährten geht die Luft au«; immer größer wird der Abstand zwischen uns und ihnen. — Ueber die Gipfel im Westen jagen graue Wolkenmassen in« Tbal herein, auf den Höhen krächzen die Bergdoblen. Die Nebel verdichten sich, um uns her wallt ein feuchter Dunstschleier. — Von den Zurückgebliebenen ist nichts mehr zu sehen, wie auS weiter Ferne klingt zuweilen ihr Ruf an unser Ohr. Jetzt tropft eS, anfangs schüchtern und leise, bald aber stärker und stärker. Unser Steigen wird zum Hasten, der Schweiß dringt aus allen Poren und noch immer ermuntert der Führer zu schnellerem Laufe Droben schlägt ein Hund an. Dem Himmel sei Dank! Die Hütte kann nicht mehr weit sein. — Und wie wir eben den letzten steilen Hang hinaufklettern, da prasselt ein wilder Regenguß hernieder. Wir sind nicht allein auf der Knorrhütte (2052 m), unserem Nachtquartier. Eine Reisegesellschaft von sechs Per- onen, vier Damen und zwei Herren, begrüßen uns als feidenSgenoffen. Nach einer halben Stunde rücken auch die beiden Hamburger an, „patschnaß". Alle- ist ihnen durch weicht: Hut, Joppe, Plaid, Schuhe, Strümpfe, Rucksack; in dicken Tropfen rinnt daS Wasser an ihren Kleidern berab. Der beleibte Herr ist ganz erbost über diese „Regenspitze" und gelobt, morgen früh keinen Schritt nach dem Gipfel zu thun. Als aber der Wirth ein Feuer im Ofen aufflackern Lßt, trockene Sachen herbeischleppt und ihn mit einer dampfenden ErbSsuppe und mit Bier versorgt, da schlägt di trübselige Stimmung deS Erzürnten um und der Humor kehrt ihm zurück. Als dann gar die Führer Zithern herbei bringen und ihre Schnadahüpserln mit bayerischer Derbbeit Würzen, da hat sich der Brave, wie er selbst versichert, sebr bald wieder trocken gelacht. Auch wir vergessen den Regen und glauben gern den Betheuerungen des Wirtbes und der Führer, daß morgen früh daS schönste Wetter sein Werre. Als wir zu Bett gehen, hat der Regen aufgehört: dafür aber braust der Sturm mit einer Heftigkeit, daß wir fürchten, die Hütte möchte in tausend Stücke zerbrechen. Um >/,3 Uhr morgens wecken die Fübrer. Die Nebel sind verschwunden, durch die zerrissenen Wolken blickt da« Helle Licht de« MondeS. Nacht noch umher! Schatten gleich steigen die düsteren Bergkämme und Felsspitzen vor un« auf, in unmittelbarer Nähe der Hütte gleist gespenstig da« weiße Kalkgestein. Ich folge dem Rufe meine« Fübrer», die Anderen wickeln sich fester in ihre Decken und schlafen weiter. Allgemach wird der Sturm schwächer, wir brechen auf. Die Uhr zeigt V,4 Ubr. DaS ist rin herrlich Wandern durch di« morgen trunkene Bergeinsamkeit. Wieder gehtS durch wilde Trümmerbalden und Geröll stürze, bald auch über Schneefelder. Nebenher auf dem weißen Gestein marschiren unsere scharfgezeichneten, lang gestreckten Schatten, di« je nach dem Spiele de» Winde» Mit
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