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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961020028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-20
- Monat1896-10
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„Schicken Sie den Ring dem Manne zurück, den Sie nicht lieben. Ich fühle mich stark genug, mich und Sie vor Nolh zu schützen. Nicht- will ich sein, als 3hr treu ergebener Bruder, und zwar so lange, bis ich mir eine Zukunft erobert, was mir, Schulter an Sckmlter mit einem Engel, eine Lust sein wird, dann werden Sie mein Weib!" Sie sah ihn an mit feuchtem Blick, ja, in seinen Augen lag Treue und Glaube, sie war überzeugt, daß er von seinem Schicksal sich eine glänzende Zukunft ertrotzen wird, und doch schrak sie förmlich zurück vor den, Gedanken, mit dem sie sich so oft beschäftigt, heimlich die Großmama zu verlassen. Etwas von dem beseligenden Glück zweier Menschen, von denen das Geschick deS Einen das deS Anderen war, die mit beglückender Freudigkeit Alles ertragen, waS ein widriges Geschick nur immer aufbürden kann, zog durch ihr Gemütb, und doch schüttelte sie das Haupt. „Zu spat, mein tbeurer Bruder Michael ÄaSmorin, zu spät. Eine Tscdierwanewna bricht nie ein Gelöbniß. Fügen wir unS dem Schicksal, dem wir einmal verfallen sind und werden Sie mein Erbe." Sie hatte einen wunderbar klaren, herzförmigen Diamanten hervorgenommen, der ganz nackt, ohne jede Fassung war und reichte diesen ibm hin. Mit mir spielt sie Komödie, einem Anderen schenkt sie ihr Herz, sagte sich IaSmorin und blickte den Stein an, und dann blickte er ihr in die schönen Augen und war überzeugt, daß sie ihn mit diesem Stein abfinden wollte. „Da» ist da» Einzige, was mir meine Mama hinterließ, nehmen Sie." Aber er streckte die Hand nicht nach dem Juwel au», sondern blickte eS nur an und dachte an den Mann, dem Lidia sich verlobt. Er stellte sich ihn als eine imponirende Persönlichkeit dar, den Spitzen der Gesellschaft angehörend, und von grenzenlosem Reichthum. Eine eifersüchtige Regung nach der andern durchtobte seine Brust, sein H>erz. Er hätte am liebsten Lidia mit einer Welt voll Vorwürfen und An klagen überschütten mögen. Warum folgte er aber auch nicht dem edlen Rathe seines getreuen Mütterchen- Sofia Andrejewna? „Comtesse", begann er endlich beinahe rauh, „ich halte mich nicht für befugt, diesen Stein anzunehmen, ganz ab gesehen davon, daß er mir unmöglich einen Ersatz dafür bieten kann, daß Sie mir für immer vrrloren sind. Aber vielleicht habe ich Ihrem Herzen niemals nahe gestanden? In diesem Falle, der sehr nahe liegt, bitte ich Sie um Entschuldigung. Leben Sie wohl, mögen Sir recht glücklich mit dem Manne Ihrer Wahl werden." Er erhob sich auf einmal, griff nach seiner Mütze, legte ein Geldstück als Bezahlung für daS Gebäck und den Thee auf den Tisch, verbeugte sich förmlich vor Lidia und war dann rasch au» dem Local verschwunden. Ein eisiger, stürmischer Octoberwind empfing ihn draußen und drang ihm durch den dünnen Rock, daß er fröstelte. Und obwohl ihn der Wind fast vom Platze fegte, blieb er stehen uno konnte es sich nicht versagen, durch die Scheiben deS Schaufensters, zwischen den ausgestellten Süßigkeiten hindurch, nach Lidia zu spähen. Und er sah sie, die Räthselhafte, sie hielt sich ein Taschen tuch vor die Augen. Der Student machte nun Kehrt und stürmte fort. Elftes Capitel. DaS war keine eigensinnige Laune mehr, WaS sich da bez der Gräfin Stroganowna bemerkbar machte, als sie von ihrem Besuch im Hotel Bristol nach Krestowsky zurückzekebrt war, sondern die unverkennbaren Merkmale der Eifersucht traten klar zu Tage, und sie gab sich auch gar keine Mühe, dieselbe zu verbergen. Wie konnte Stepan Wassilitsch sich soweit vergessen, nein, wie konnte er so tief sinken, mit einer Sofia Andrejewna den hohen geistlichen Herrn zu besuchen. Und in welcher Angelegen beit geschah da«? — Ist eS auch nur denkbar, daß die Wirthschafterin eS wagen darf, in Sachen der Verlobung Lidia's mit dem Grafen MatscherSkoff auch nur ein Wort mit zu sprechen? — In welchem Verhältniß steht der Fürst zu der Person? . . . Seit ihrem siebzehnten Jahre hatte sie den Fürsten an ihren Siegesivagen gefesselt, und als der persönliche Verkehr aufbören mußte, nahm da» zärtliche Verhältniß einen papiernrn Charakter an, und in Tausenden von glühenden Liebesbriefen pulfirten die ewig jugendlichen Gefühle ihre» Herzen« weiter. Dem Fürsten zu liebe batte sie sich ein Menschenleben hin durch unglücklich gefühlt, trotzdem sie stet» in einer Welt voll Glück und Freude lebte, und der gute Stepan Wassilitsch blieb unvermählt. Nach den, endlichen Wiedersehen konnte von einer romantischen Schwärmerei, die zu hohl war, als daß str nicht, an- Licht gebracht, in sich zusammrndrechen sollte, keine Rede mehr sein; aber nun regle sich die Eitelkeit bei Darja Alexandrowas, und nur darum hatte sie e» sich in den Kopf gesetzt, sich den Fürsten aufs Neue zu unterwerfen. Sie war ja nun frei, der Gatte, eine Null an ihrer Seite, war ja längst zu seinen Vätern und Brüdern ge gangen, was stand ihrer so oft in rührenden Briefen ge wünschten Verbindung noch im Wege? Sollte eS denkbar sein, daß die Wirthschafterin Sonja Petuschkiwna dieses Hinderniß bilden könnte? Die Gräfin stand nun unter dem Eindruck, daß ihr bald schwere Kämpfe bevorständen, und darum wünschte sie sich einen Beistand, irgend einen Bundesgenossen, den sie ins Feuer gegen die Petuschkiwna schicken könnte, während sie selber, von gedeckter Stellung aus, daS Gefecht leiten würde. Als sie vor dem Thore der Villa au- dem Wagen stieg, sah sie den die ganze Nacht hindurch vermißten Jlija Andrej MatscherSkoff auf der Freitreppe stehen. Wie ein Blitz zuckte der Gedanke in ,hr auf, daß sie in ihm den Verbündeten ge funden haben könnte. Mit einer wahrhaft scheuen Hast, über die er sich selber ärgerte, unter dein Eindruck einer beschämenden Schuld, die er am liebsten leugnen möchte gegen die ganze Welt, näherte er fick der Gräfin. „Wie haben wir uns geängstigt, mein theurer Jlija An drej MatscherSkoff", ries sie ihm entgegen, „ich bin überzeugt und finde es auch begreiflich, daß Livia m dieser Nacht kein Auge geschlossen." Der junge Herr sah sie an, als ob er ihr sagen wollte: Du wirst mich nun einem strengen Verhör unterwerfen wollen, aber sei versichert, daß ich mich niemals herbeilassen werde, Deine Fragen zu beantworten. Meine Lage hat sich verschlimmert, nicht nur die Tyrannei des Onkels, sondern auch die Deine werde ich von jetzt ab zu ertragen haben! Und mit demselben verschlossenen Trotz, mit dem er sich gegen den Fürsten zu wappnen pflegte, wappnete er sich nun auch gegen Darja Alexandrowna. „Ich beklage e», daß die Comtesse heute Nacht kein Auge geschlossen", versetzte er, und zuckte mit den Schullern, als ob er jede Verantwortung für die schlaflos« Nacht Lidia's ablehnen müsse, weil er, genau genommen, daran ja gar nicht schuld war. Es fegte ein eisiger Wind über daS entlaubte Gesträuch de» Vorgarten-, und da die Gräfin ohnedies selbst in ihrem Pelze fror, so nahm sie rasch, aber mit größter Zärtlichkeit den Arm Jlija Andrej « und begab sich mit diesem ins Haus. Wie glücklich war Natascha Mekelai, daß die gute Darja Alexandrowna endlich einen Sündenbock gefunden batte. Sie bemitleidete zwar den jungen Herrn, war aber im Grund« Abend-Ausgabe SN Druck und Berlaq von E. Polz in Leip^L Sv. Jahrgang. Dienstag den 2». October 1896. 30V, >8. auf 191 ja eil« 0,07). Die Mvrg«u-A»»gabr erscheint um '/,? Uhr. di« Abend-dlu-gabe Wochentag» um ö Uhr. »»r. >n erk VllI otd» >»nk 107,30 87,S0 102,80 8860 88,10 53,40 »t «U rill», ölen ot«o atien -1r. m t-kr. ISN ick» 0,04). , 0,02). 145,— 10450 157.50 124,80 53.40 85,70 78,50 132,50 127.25 83.40 117,— 83,10 83,80 86 25 108.10 203,— 182,30 164,— 116,— 177,— 118.50 247,— 85,— 231,60 84,— 167.50 121.10 168,85 216,— 213,40 216,25 88,60 264.50 178,40 155.80 112.50 38.75 157.50 168,— 163.60 173.60 108,25 130.50 52.80 .) Veirov, >«r 130,75 21, oder 42,— 21 kr. lx. knrr Die Vertagung des Reichstags erreicht zwar 10. November ihr Ende, doch ist nicht wahrscheinlich, der Reichstag früher zur Wiederaufnahme sei rathcs, insbesondere also davon ab, wann und ob die im Bundesrath liegenden Entwürfe an den Reichstag gelangen. Soweit der Berathungsstoff bis jetzt zu übersehen ist, würde eS auch genügen, wenn der Reichstag seine Sitzungen am 21. November wieder aufnähme. WM nK 41« k.v »ot. Auzergeu-Prei- die 8 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem Rebaction-strich (4 ge spalten) öO-H, vor den Familiennachrichtea (6gespalten) 40-H. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer oud Ztffernsatz nach höherem Tarif. Nrdartioir im- Lrpe-itiou: -<h««»e»,afie 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen S-sffnet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. 204,— 154,20 111,60 138 — 3081» 800,— 158,80 156,10 36 80 164,40 173.50 157 SO 166.50 84,— 153,— 88.10 58,871-> 118.85 47,60 8,53'!, 58,87'ü, 1.28 111,50 243 — Deutsches Reich» 10. Oclober. Den Ulmer Parteitag der Volkspartei hat u. A. auch die Frage ^vl. cko. :»ls III. äol. b-?r 11.0. >rt. uüc rior. -kr. it.-v a«tb. ab. vsld »eU» oo >ckit am daß . ner Arbeiten zusammenkommt, als der preußische Landtag. Eine Anberaumung der nächsten Sitzung des Reichstags durch den Präsidenten kann natürlich erst erfolgen, wenn darüber Klarheit gewonnen ist, welche ersten Lesungen vor der WeibnachtSpause vom Reichstag noch vorzunehmen sind. Das hängt von den nächsten Entschließungen des Bundes- !t.-L cck ,rdr. also ksrd Ibr) -tm.) K.-V. lüod l.22,-0 157,50 85,80 168,80 217)— riWgerTüMM Anzeiger. NmlMatt -es Königlichen Land- im- Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Polizei-Amtes -er Lindt Leipzig. lOSÜ L» d rurä le Lebt Filialen: Dlt» Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn). Uoiversitüt-strab« S (Paulinum), Laut« Lösche, lkatbarwenstr. 14, pari, und König-vto- 7. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abrad-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Mo rgra-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Gei den Filialen und Annahmestelle» je «tu« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet« au -ie Expehtttoa zu richte». 78'1, 60 25-» 86». 27 10', 2'!, Liv»» — sueet«) 88 BezugS-PreiS tu der Hmlptexpedition oder den im Stadt» bezirk «ud deu Vororten errichteten Au»- ««stellen abgeLolt: vierteljährlich^!4.S0, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l Scho. Durch die Post bezogen für Deutschland »ud Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreu-bandiendun, tu» Au-laud: aumatlich 7.S0. Am Sonnabend, als im französischen Ministerratbe vom Präsidenten Faure der Erlaß unterzeichnet wurde, der die Kammern auf den 27. October einberuft, legte der Finanzminister Cochery den Budgetvoranschlag für 1897 und oen Gesetzentwurf über'die Reform der direkten Steuern vor. Auch ein Gesetzentwurf über einen der Landwirth- schastzu gewährenden Steuererlaß wird, wie der Minister des Innern Barthou soeben in Oloron erklärt bat, den Kammern zugehen. Damit sind die schwer wiegendsten finanziellen Arbeiten gekennzeichnet, die daß Parlament, womöglich bis Weihnachten, zu erledigen haben wird. Sckou seit einer Reihe von Jahren bereitet die Feststellung des Budgets den Ministern uno den Kammern nicht geringe Schwierigkeiten, und so ist eS auch diesmal wieder. Demnach ist es be greiflich , daß die Budgetcomniission am Sonnabend bi- Mitternacht gearbeitet bat. Natürlich ist es vor nehmlich das Budget des Kriegs Ministeriums, daS von der Commission einer eingehenden Prüfung unter zogen ist; aber auch die Credite für die Weltausstellung von 1900 erleiden vielfach Anfechtungen. Was daS Heeres- budget betrifft, so sind dem Parlamente im Laufe dieses Jahres zwei Voranschläge unterbreitet worden. Der eine war der Cavaignac's, der 591 Millionen für die französische und etwas über 100 Millionen für die Colonialarmee in Anspruch nahm, im Ganzen etwa 692 Millionen. Das andere Budget ist das des jetzigen Kriegsministers General Billot, der im Ganzen 627 Millionen ver langt. Die Budgetcommission hat in den vier Jahren der letzten Legislaturperiode etwa 92 Millionen Er sparnisse beim Kriegsbudget festgesetzt. Trotzdem über schritten in dieser Zeit die wirklichen Ausgaben um 122 Millionen die bewilligten Credite. DeSbalb ist nach der Meinung des Berichterstatters der Commission die strengste Sparsamkeit nöthig. Für verschiedene Puncte deS jetzigen Kriegsbudgets hat das Kriegsministerium erklärt, sie nicht annehmen zu können, weshalb die Commission zunächst mit dem Minister conferiren mußte. Sie schlug iin Ganzen Abstriche und Ersparnisse in der ungefähren Höhe von zwölf Millionen vor, stimmte aber gestern, wie uns gemeldet wird, für Herabsetzung des Kriegsbndgets um 3 ^/z Millionen Francs. In der cgyptischen Frage hatte England bisher in erster Linie allein nm Frankreich als Nebenbuhler zu rechnen, und die Gefahr dieser Rivalität war latent, ehe die Freundschaft Rußlands zur gallischen Republik so intime Formen annahm, daß der Einfluß des Zarenreichs sich zu Gunsten der äußeren Politik Frankreichs unverhohlen geltend machte. Jetzt drängt sich ein dritter Gegner Englands in den Vordergrund — das egyptische Volk selbst. Auch dieses fängt endlich an, gegen die Verlängerung der britischen Occupation aufzutreten, und egyptische Patrioten suchen in Wort und Schrift die Unter stützung der Mächte für ihre Bestrebungen zu gewinnen. Unter diesen Patrioten hat sich besonders Mustafa Kamel hervorgelhan, der auch Deutschland bereiste. In Berlin hatte er mit einem Vertreter der „Post" eine Unterrevung, in der er Uber die England feindliche Bewegung in Egypten interessante Mittheilungen machte. Mustafa Kamel erklärt zunächst, daß in Egypten viele seiner Landsleute gerade so wie er denken und ebenso „bereit sind, die Engländer zu bekämpfen, die im a» Aev VnrI. pker In kreme» r, I.elpric » II." (1710, ix,) von Xecv ) 4,»» ?»Imn- <17/10) u Opsrdovrx, lm" 08/10) io e», .vreeckelc" »rei — 720, vt. I Gz-trii« Beilagen (gefalzt), aur mit d« vtorgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Die Schuld des Fürsten Romanskoi. Roman von Tour. Fischer-Sallstein. Nachdruck »ertöten. Nur der Name des Grafen MatscherSkoff, der ihm geläufig sein mußte, interessirte den Studenten einen Moment, dann aber wandte er sich wieder von dem lieb lichen Angesicht der Tschierwanewna ab und blickte in» Blaue. WaS geht ihn jetzt noch die ganze Geschickte an, er kalte sic verloren und weiß nicht, wie er diesen Verlust er tragen kann. Am liebsten hätte er seine Mütze ergriffen und wäre hinaus in die eisige Octoderluft gestürmt. „Fürst Romanskoi, Stepan Wassilitsch weiß noch nickt» von dieser stillen Verlobung", fuhr Lidia fort, „er soll über rascht werden. Die Großmama verfolgt rn dieser Sacke ihre eigenen Pläne. Wenn Sie wüßten, wie ich mit mir gerungen habe, ehe ich den Ring nahm. Ich bin nicht nur eine Waise, sondern auch eine arme Waise, Herr Michael IaSmorin. Die BermögenSverhältnisse der Großmama sind zerrüttet. Ick kabe mich also zum Opfer gebracht. Die Frauen Rußland» sind entweder schrankenlos frei, oder sie sind Sklavinnen, — ich Werve bald zu den letzteren gehören, eine Sklavin sein. Werden Sie mich beklagen, Michael Iaömorin?" „Von ganzem Herzen und immer werde ick da» thun", entgegnete Michael mit einem Anflug von Ironie, denn etwa» Tragische» lag in dieser Verlobung nicht für Lidia, nach seiner Ueberzeugung, sondern nur für ibn, „aber da sie Ihr Geschick einmal bestimmt haben, so müssen wir unS mit der einmal gegebenen Thatsache zu befreunden suchen. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen meine herzlichste Gratulation darbringe." Lidia begann zu weinen. „O, wie leicht wird es Ihnen, zu entsagen, ich habe einen schweren Kampf gekämpft. Zweimal stand ich auf dem Puncte, der Großmama zu entlaufen, in Paris würde ich ein bescheidenes Brod schon gefunden haben, — daß es nicht geschah, daran sind Sie schuld." Ein kühner Gedanke stieg in dem Studenten auf. Er dachte an seinen Monatswechsel von fünfhundert Rubel »ad sagte: Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. October. Nachdem die Welt längere Zeit im Ungewissen darüber gelassen worden war, ob Kaiser Wilhelm II. und der Zar nach dem Besuche de» Letzteren in Frankreich nochmal» auf deutschem Boden Zusammentreffen würden, hat gestern unser Kaiser dem Zaren m Darmstavt einen Besuch adgestattet, und heute wird auf seine Einladung rin G e gen - besuch de- Zaren in Wiesbaden erfolgen. Die deutsche Presse hat es sich mit wenigen Ausnahmen versagt, an die Nachricht von diesen Besuchen politische Betrachtungen irgend welcher Art zu knüpfen; selbst die officiösen Blätter berichteten einfach die Tbatsache, um diese hierdurch in da» Lickt eines selbstverständlichen Ereignisse- zu rücken. Diese Zurückhaltung hat aber den gewünschten Erfolg nicht gehabt. Die Wiener „N. Fr. Pr." bat sich beeilt, diese- neue Zusammentreffen beider Kaiser als einen von Rußland gegen Frankreich gerichteten „kalten Wasserstrahl" zu bezeichnen, und zwingt dadurch zunächst die deutschen Officiösen zu einer Abwehr. Diese lautet in der „Köln.Ztg.": „Die Reise des deutschen Kaisers von dem Feste an der ?oita Westfalica nach Wiesbaden zur Ausführung einer neuen Oper, deren Text ein Freund des Kaisers, Graf Sporck, geschrieben hat, stand seit Monaten fest, lange ehe von einem gleichzeitigen Aufenthalt des Kaisers Nicolaus in Darmstadt etwas bekannt war. Sie ist von den Blättern bereits unmittelbar nach der Rückkehr des Kaiser-von derNordlandsohrt angekündigt worden, und ihr nachträgliches Unterbleiben, weil derZarzusällig gleichzeitig in Darmstadt sei, hätte höchstens unerwünschte und zwecklose volitifche Deutungen gefunden. Gleiche unfreundliche Auslegungen würde es natürlich ge- tunden haben, wenn der Zar und der deutjche Kaiser, zwei nahe ver wandle und eng befreundete Herrscher, mehrere Tage in solch naher örtlicher Nachbarschaft nebeneinander geweilt hätten, ohne sich gegen seitig zu sehen. Die mehrfachen Zusammenkünfte, die sich jetzt durchaus naturgemäß und den persönlichen Beziehungen ent- sprechend zwischen den beiden Herrscherpaacen vollziehen, ent behren daher, soweit man daS vorläufig beurtheilen kann, jeder besonderen politischen Spitze nach der einen oder anderen Seite hin, um so mehr, weil beide Herrscher ohne )ede politische Begleitung sind." Wäre AehnlicheS früher gesagt worden, so hätte e» vielleicht die gewünschte Wirkung gehabt; jetzt wird eS nicht mehr viel fruchten. Zn diplomatischen Kreisen macht man sich denn auch mit dem Gedanken vertraut, daß der Zar sich genötbigt sehen werde, in Paris beschwichtigende Aufklärungen zu geben. Man schreibt uns nämlich auS Berlin: „Der Herr beschütze uns vor unseren Freunden", möchte man ausrufen, wenn die „Neue Freie Presse" die Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem Zaren als einen von Rußland gegen Frankreich gerichteten kalten Wasserstrahl bezeichnet. Die gute Absicht deS österreichischen Blattes für Deutschland liegt ja auf der Hand, aber erreicht könnte mit einer solchen zum Mindesten unvor sichtigen Aeußerung nur werden, daß die französischen Blätter ularmirt werden und daß der Zar dadurch ge-iöthigt wird, beruhigende — natürlich im Sinne der Franzosen beruhigende —Versicherungen nach Frankreich gelangen zu lassen, woran uns natürlich nichts gelegen sein kann. Man versährt richtiger, und zwar nicht etwa nur in taktischer Hinsicht, sondern auch den Thatsachen entsprechend, wenn man die er neute Zusammenkunft der Monarchen als eine private und vrr- wandtfchaftliche aussaßt. Man könnte mit einer Aufbauschung der Zusammenkunft nur erreichen, daß die verwandtschaftlichen Ge- fühle und der unbefangene Verkehr aus beiden Seiten ab gekühlt und eingeengt werden, während man doch gerade von dem Vor handensein der persönlichen Beziehungen eine Stärkung des fried- >t 4»l, kr. j 101,60 o<Ut 204,— 157,60 164,70 156,— 120,80 308,80, Widerspruch mit allen beschworenen Verträgen und den feierlichsten Versprechen unser Vaterland besetzt halten". Auf die Frage, ob Venn der Egypter jedes Vertrauen zu den Engländern verloren hätte, lautete die Antwort: „Jedes! Wir glauben ihren Versprechungen auch nicht einen Augenblick mehr; ja, wir sind sogar fest davon über zeugt, daß sie sie nickt halten wollen. Als die Engländer zuerst ins Land kamen, hat man ihnen überall das weitest gebende Vertrauen entgegengebracht. Wir haben nicht geahnt, daß civilisirte Männer, die einer großen civilisirten Nation angehören, ihr Wort brechen, geschweige denn einen vollkommenen Mangel an Ehrgefühl sich selbst und uns gegenüber zur Schau tragen könnten. Und jetzt! Wir sind überzeugt, daß den Engländern die Ehre ihres Parlaments und ihrer Regierung feil ist, wie irgend eine Waare. IedeSmal, wenn man in Europa von der Räumung Egyptens spricht, wenn man die Engländer an die Ver sprechungen mahnt, für die sie die Ehre ihrer Nation ver pfändet haben, heißt eS jetzt seltsamer Weise: „Egypten ist für die Engländer, was Tunis und Madagaskar für Frank reich sind." Als sie aber als die „Beschützer des Nils" ins Land kamen, hieß eS, sie wollten nur die Ordnung wieder Herstellen und dann unser Land so scknell wie möglich wieder verlassen. Die mala tlckes der Engländer uns gegenüber ist nur zu sehr Tbatsacke. Selbst die Liberalen in England, Vie öffentlich für eine Räumung eintreten, sind im Herzen gegen eine solche. Im vorigen Winter schrieb mir Gladstone einen Brief, worin es wörtlich heißt: „Die Zeit der Räumung Egyptens ist schon vor mehreren Jahren gekommen." DaS heißt doch entsckieven, die Engländer hätten schon vor Jahr und Tag abziehen sollen. Vor 14 Tagen nun bezog ich mich in einem zweiten Schreiben an Gladstone auf jene seine Aeußerung und bat ibn, in einer öffentlichen Versammlung über die egyptische Frage zu sprechen und dabei die Re gierung Ihrer Majestät daran zu erinnern, daß sie die Nil- Verträge zu respectiren hat. Denn es schien mir, daß Gladstone, ehe er der englischen Regierung den Ratk gab, die Türkei zur Aufrechterhaltung der Verträge zu zwingen, er ihr den Rath geben müßte, ihre eigenen Ver träge aufrecht zu ballen. Ich hatte fest aus eine Zusage Gladftone's gerechnet, und WaS schreibt er mir? „Er )ei nur ein Privatmann und könnte daher in der cgyptischen Frage nichts thun." Trotzdem thut Herr Gladstone fortgesetzt allerlei in der armenischen Frage. Mir beweist eS den schleckten Willen Englands mehr als genug." Mustafa Kamel be kauplet schließlich, daß der Kbedive diese Anschauungen des Patrioten theile und eher sein Leben lassen würbe, als daß er von seinen Rechten auch nur ein Titelcken den Engländern opfern würde. Berlin, süddeutschen beschäftigt, ob von Parteiwegen eine Geschichte des Jahres 1848 herausgegeben werden solle. In seinem Referat hierüber führte Prof. Quidde-München laut dem Bericht deS Stuttgarter Partei-Organs Folgendes auS: „Was die Erinnerung an das Jahr 1848 angehe, so würde eine umfassende Geschichte jener Ereignisse kaum populär werden, man solle sich daher mit einem Abriß begnügen, und auch einzelne Episoden aus der ganzen Bewegung jener Tage ge sondert darstellen." Kaum populär! Undank, Dein Name ist schwäbische Demokratie! — Der in Stockheim (Hessen) zum Landtag gewählte Mühlenbesitzer Brunner, dessen licken und freundschaftlichen Verhältnisses zwischen beiden Staaten erhoffen darf." Da nun die flanzösiscken Blätter bereits gehässige Be trachtungen an die neue Kaiserbegegnung knüpfen, so wird auch der Beruhigungsversuch des Zaren mit seinen Folgen nickt auSbleiben. Daß hätte, wie gesagt, vielleicht vermieden werden können, wenn die deutschen Officiösen den Besuch unseres Kaisers vorher und nicht erst nachträglich com- mentirt hätten. lstk. -Mo döre«: Uett »Iin. :o»e leek.j 7'redsr 718 8»a»o 76,75 8,53'!r 261,2k» i — 248,— > 45,80 sr S 541,— »a Q »ei kost Die im heutigen Morgenblatte mitgetheilte AbschiedS- rede, die der bisherige Leiter der Colonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes, vr. Kayser, gestern im Colonial rat he gehalten Hal, ist umso weniger geeignet, die Sympa thien für den Redner zu erhöben und ihn für das Amt eines Senatspräsiventen am Reichsgericht zu empfehlen, je sorgfältiger diese Rede vorbereitet war. Persönliche Gereizt heit kann und muß man einem Manne, der so schnöde Angriffe bat erfahren müssen, verzeihen, aber allzn- gewichtigeS Hervorheben der eigenen Verdienste mißfällt immer und mit Reckt und ein fühlbarer Mangel an Logik noch mehr. Or. Kayser versickert, daß eS ein großer Irrtkum sei, anzunehmen, er weiche persön lichen Angriffen; an anderer Stelle aber giebt er zu, daß die zu der Thätigkeil auf einem so schwierigen Posten erforderliche Begeisterung in ihm zu einem großen Theile durch die Angriffe gegen ibn erschöpft worden sei und daß er deshalb seine Kräfte im Colonialvienfte nicht länger auf reiben möchte. Wenn Herr Du. Kayser weiter erklärt, daß die Frage, ob die Colonialpolitik dem deutschen Volke zum Heil uno Segen gereichen werde, noch immer eine offene fei und daß man die Arbeit thue in der bestimmten Aussicht, vie Früchte nicht zu ernten, so arbeitet er damit den Gegnern oer Colonialpolitik in die Hände und setzt sich in Wider spruch zu feiner ferneren Versicherung, die Zeil sei nicht mehr fern, in der die Colonien nicht mehr als Bittende würden vor das Reich treten müssen. Von einem Senalspräsidenten am Reichsgerichte ist man solche Wider sprüche nicht gewöhnt. ES verlautet denn auch heute, Herr Or. Kayser sei für einen anderen Posten auS- erfehen, nämlich für den eine- StaatScommissarS für die Berliner Börse. Es soll in der Absicht liegen, die Stellung nicht im Nebenamte, sondern iin Haupt amte wahrnehmen zu lassen, und zwar solle dieselbe mit dem höchsten Gebalte der vortragenden Rälhe in ven preußischen Ministerien dotirt und überdies mit Rücksicht darauf, daß der Slaatscommisiar in sociale Berührung mit der Bankwelt werde treten müssen, mit einer Repräsen- talionszulage auSgestaltet werden. Wir wissen nicht, ob Herr vr. Kayser in ein solche- Amt besondere Begabung und Kenntnisse mitbringen würde, aber jedenfalls eignet sich das Amt besser als das eine» Senatspräsidenten am Reichsgerichte für eine Persönlichkeit, die hervorragende Leistungen juristischem Gebiete nicht aufzuweisen hat. 512.— 58.12^ 585,— 25,50 »Ivo»« 86,50 25,50 rt ;rsQ »üeil- »llk »euer- icdt erdult. tre»ct» km. 620 8m. — ttckl. 468'!- »-8 487 Ststix. tmr. j 13^ ! S1
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