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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961026026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-26
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Uviorrsität-slrabe 3 (Pauliaum), b»«iS Lisch«, Kntbormenftr. 14. vart. und KSniq-vkab 7, Abend-Ansgabe. Mpzigtr TWMM Anzeiger. Amlsvratt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigex-Prei- die Sgespaltme Peützeile »0 Pstz. Nerlam«, unter den, Nedactftmsstrich (4g- Ipalten) üv^, vor de» Aaanliennachrichten (Sgeipaltea) 40^. Dr-ftere Schrift» laut unserem Preis- V«H«chaiß. Labellanicher und jjifferuiatz naa» höherem Daris. Ertr»»V«ilagrn (gefalzt), nur mit de, Morgen - Ausgabe . ohne Postbesörderung 60.—, »tt Postdesörderung ^l 70.—. ^nnaismeschlak für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Bormitlag« 10 Uhr. Morgra-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halb« Stund« srntzer. Anzeige» sind stet« au die Expedition zu richte». Druck und Berlni ^on E. Pol» la Leivzig 547. Montag den 26. October 1896. -SS SV. Jahrgang. Miti/che Tagesschau. * Leipzig, 26. October. Wie der Telegraph bereit« gemeldet bat, richtet da« Organ de« Fürsten BiSmarck, die „Hamb. Nachr.", angesichts der bevorstehenden Wintercampagne in einem „Partei- Politik" überschriebenen Artikel eine eindringliche Mabnung an die nationalliberale Partei. Der heute im Wortlaut vorliegende höchst beachtenSwerthe Artikel lautet: „Ja den Zeitungen beginnen die Vorarbeiten für die parla mentarische Wintrrcampagne und die Ttellungnabme der einzelnen Parteien. Wenn dabei die Unmöglichkeit zur Sprache kommt, im Reich«tage zu einer festen Mehrheit im Sinne dr< früheren Cartell« zu gelangen, so erblicken wir daS Hinderniß darin nicht einseitig in der Verschiedenheit der Inter essen der Parteien und ihrer Concurrenz unter- einander. Wie im preußischen Abgeordnetenhaus», >o ist auch im deutschen Reichstage die Bildung von Cartell« Mehrheiten ohne feste Stellungnahme der Regierung überhaupt nicht möglich. AuS eigenem Vermögen haben die einzelnen Fraktionen den anderen gegenüber kein hinreichend starkes Rückgrat, um die ministerielle Politik ohne jeden erkennbaren Bei stand der Regi erun g durchzusührrn. Wenn die Regierung ihrerseits eine b»stimmte Rich tung annädme, so könnten die Parteien sich an diesem Schleifstein schärfen und stärken, nicht blos in Anlehnung, sondern auch im Kampfe gegen die Regierung, in Vertretung der Rechte des Parlaments. Letzteren Punct empfehlen wir namentlich der nationallibrralen Partei zur Erwägung. Sie ist offenbar um ein Programm verlegen und dasjenige, waS ihr durch die jüngste Entwickelung zugeschoben wird, ist unbequem, namentlich für die leitenden Führer der Fraktion. E« ist dasjenige der strengeren Wahrung drS parlamentarischen VodrnS der opposi tionellen Berechtigung, also im Grunde dasselbe, dem die nationallibrrale Partei ihren Ursprung und ihre Erfolge verdankt. Die politischen Größen bedürfen zu ihrem weiteren Leben der Elemente, aus denen sie entstehen, und wir glauben, daß, wenn es für die nationalliberale Partei einen Jungbrunnen giebt, so ist iS Ler drr^rrengen Verfassungsmäßigkeit, der Vertretung der parlamentarischen Rechte gegenüber der Regierung und ihrer Bureaukratie. Die Geiahr für die Fraktion besteht darin, daß sie sich zu sehr mit der Bureaukratie indenti- firirt. Von dieser läßt sich zwar, wenn man nicht gar zu genau den Punct auf da« i setzen will, sagen, daß sie auf nationalliberalem Boden gebildet und erwachsen ist, aber sie Hal für die national liberale Richtung doch auch ihren Klebstoff und geräth bei dem kiffet mixte beider Richtungen sehr leicht in die Lage einer nnan- genehmen Option zwischen persönlichem Interesse und politischer Ueberzeugung." Diese Mahnung des Hamburger Blatte« überschätzt vielleicht die Gefahr der Collision von parlamentarischen und Amts pflichten in der nationallibrralen Partei, im Uebrigen deutel sie aus einen Punct, dessen eingehende Erörterung der letzte Delegirtentag nur desbalb unterlassen hat, weil er mit seiner Hauptaufgabe, der Auseinandersetzung über die wirtb- sckaftlichen Gegensätze, nicht eiue zweite große Frage in Concurrenz treten lassen konnte. Emen Gegenstand de« Streite« unter den Delegirten würde die politische Ee- sammthaltung der Partei allerdings keinen Augenblick gebildet haben, denn e« herrscht im Reiche wohl Ein- müthigkeit darüber, daß die allgemeinen Regierungs ¬ verhältnisse den nationalliberalen Volksvertretern ihren Platz häufiger „gegenüber" als hinter den Negierenden anweisen. Die ReichSiagsfraction freilich bat diese Stellung nicht mit der vollen Klarheit genommen, die, wenn die nationalliberale Partei nicht der Suspension entgcgengeführt werden soll, von Stunde ab nicht mehr vermißt werden dars. Die Elemente, ans welche die Partei sich stützt, sind hinlänglich politisch gereist, uni nicht zu wähnen, eS sei das Unbefriedigende und Kranke der Zeit aus Emem Puncte zu curiren, ihnen entgeht ins besondere nickt der europäische, wenn nicht universale Charakter vieler unerfreulicher Zeiterschrinungen; aber diese Elemente verkennen auch nicht, daß in Deutschland besondere sunvamentale Uebelstände durch besondere Ursachen hervorgerufen werden. Die „Hamburger Nachrichten" bezeichnen den Weg, auf dem die nationalliberale Partei sich der Mitverantwortung für die Verschlimmerung der politischen Verhältnisse im Reiche zu entziehen vermag. Wird er nicht betreten, unterlassen eS die nationalliberalen Abgeordneten, mit Festigkeit und Freimuth — tortiter in re und kortiter in moäo — für den als richtig erkannten verfassungsmäßigen Zustand einzutreten, und zwar unbekümmert um den augen blicklichen Erfolg, dann ist die Entfremdung zwischen ihnen und ihren Mäklern unvermeidlich und wird die an den wirthschaftlicken Klippen glücklich vorbeigesahrene Partei an der politischen Ecke, obwohl gerade bier priucipielle Meinungsverschiedenheiten nicht obwalten, unheil baren Schaden nehmen. Wie der nationalliberale Delegirten- lag bewiesen hat, ist die Partei vor der Versuchung geschützt, durch einen „Ruck nach links" in nörgelnde und doctrinäre Opposition zu verfallen, um so mehr aber darf sie hoffen, durch entschiedene und freimütbige Vertretung der parla mentarischen Rechte gegenüber der Negierung und ihrer Bureaukratie im Sinne breiter Schichten des Bürzerthum« zu handeln. In einer Betrachtung über den „Fall Brüsewitz" sagt die ,Lreuzztg.": „DaS deutsche Osficier-Corps kann und darf es sich nicht gefallen lasten, daß jeder beliebige Mann e- „rempelt" und feine Mit glieder in öffentlichen Localen gar zum Spott macht. Wenn unsere Armee eben ein Offieier-Corvs hat, da« durch feine opferwilligen Thaten die Palme bee GiepeS an die Föhnen der Anne- geknupff bat und das, wie BiSmarck einst sagt», uns Niemand nachmachen kann, so verdankt es diese hohe Stellung in der Culturwelt eben jenem regen Ehrgefühle, das sich allerdings ausbäumt, sobald Allotria mit ihm getrieben werdenl Diese Lust, an der Armee sich zu reiben, ist aber lediglich die Frucht der jahrelangen, maßlosen Hetzerei der demokratischen Blätter gegen Alles, was s,e „MilitarismuS" nennen; Folge der fort- gesetzten Arbeit, den OificierSsland als einen schlimmen AuewuchS der Gesellschaft und al» den böswilligen Peiniger der armen Soldaten darzustellen. Da die Leier jener Blätter natürlich keine weiteren Blicke Haden, auch sebst dir Berichte nicht lesen, die gemeine Soldaten au« dem letzten Feldzuge veröffentlicht haben, Berichte, die fast durchweg von einer oft enthusiastischen Anhänglichkeit der Schriftsteller an ihre hingebenden und lavseren Osficiere durchweht sind, so saugen sie nur Haß und Verachtung gegen Alles ein, was den Degen trägt. Kein Wunder i,i rt daher, daß auch der unglückliche, wohl wenig gebildete Mechaniker, erhitzt von der Lektüre demokratischer Schriften und Blätter, wahrscheinlich glaubte, eine Heldenihat zu vollbringen, al« er an einem ihm, wir es schrint, völlig unbekanntrn Mitglirde dirfe« Standes sein Müthchen zu kühlen versuchte. Er kam dirSmal an den Unrechten und ward so rin unglückseliges Lpsrr dieser maß- und sinnlosen Hetze, dir an diesem Vvrsalle hundert fach schuldiger ist, al- der so viel geschmähte Geist de« Osfcier-EorpS, denn das Mitglied deS letzteren befand sich doch einfach in der Wehr gegen riuea nicht erwarteten und ganz uu- mottvirten Angriff." Zweifellos ist eS richtig, daß die maßlosen Hetzereien der social demokratischen und der demokratischen Blätter gegen Alles, wa« sie „Militarismus" nennen, ebenso hänsiH die Schult an militanischer Selbstvertbeidigung tragen, wie überspannter militairischer Ehrbegriff; wir beklagen und verurtheilen daher diese Hetzereien ebenso wir die „Kreuzztg." Aber au« der Ver» dammlichkeil solcher Hetze folgt doch noch nicht, daß der Officier- stand ein Recht oder gar die Pflicht bade, jeden Flegel mit eigener Hand zu strafen und gar über den Haufen zu stoßen. Gerade die Mitglieder diese« Standes sollten e» für unter ihrer Würde und unter der Würbe ihrer Waffe halten, diese gegen Leute in Anwendung zu bringen, die sich nicht scheuen, in öffentlichen Localen sich zu rüpeln. Gerade die „Kreuzztg." hätte daher die Pflicht, nicht nur Aegen die Hetzer sich zu wenden, sondern auch die eigenmächtigen Richter zu etwas Anderem zu ermahnen, als dazu, Rempeleien „sich nicht gefallen zu lassen". DaS braucht man keinem deutschen Osficier zu sagen, daß er sich Rempeleien nicht gefallen lasten kann und darf. Aber dem ganzen Stande muß man es, wenn ein Fall von blutiger Selbsthilfe vorliegt, in seinem eigenen Interesse sagen,daß solche Selbsthilfe nicht nur ein unverantwortlicher Ver stoß gegen die Rechtsordnung, sondern auch ein Verstoß gegen die eigene Würde ist, welche die Degraoirung zum Büttel nicht gestaltet. Je vornehmer der deutsche Officierstand gegen Rempeleien sich verhält und je williger er eS den bürgerlichen Gerichten überläßt, die Rempler da zu strafen, wo sie am empfindlichsten sind^ um so mehr wird den Hetzern der Boden entzogen und die Selbstzucht und Selbstachtung, das NechtS- uuv Pflichtbewußtsein de« OfficierstanbeS geschützt werden. Es ist keine sehr angenehme Morgengabe, die dem ita lienischen Volke am Hochzeitstage seine« KönigSsohne« dar- gebrackt wird, wenn eben jetzt ein französisches Blatt die Nachricht dringt, daß der Hafen von Btscrta an der Nord küste von Tunis der russischen Flott« al» Winterquartier «ingeräumt werden soll. Der Krieg-basen von Biserta ist bekanntlich von den Franzosen mit ungeheueren Kosten ein gerichtet worden, um «inen vorzüglichen Stützpunkt in der Mitte der nordafrikanischen Küste zu besitzen. Mit Recht ist dieser Hafen von jeher als eine Bedrohung Italiens angesehen worden, da von ihm au» «ine Flotte in kürzester Frist die italienische Küste erreiche« und blockireu kann und da außerdem von dort au« eine Flotte jeder zeit einem Handstreiche Italien« auf Tripolis zuvor kommen kann. Die Gefahr wird natürlich für Italien eine noch größere dadurch, daß nun eine mit der französischen Flotte verbündete Marin« ihr Geschwader ebenfalls in diesem afen unterbringt. Mebr noch aber als für Italien ist für ngl and der Aufenthalt der russischen Flotte in Biserta eine Gefahr, da England« Mittelmeerstcllung durch die Mög lichkeit einer vereinten Action der russischen und französischen Flotte im Mittelmeere gefährdet wird. Man wird aber ganz besonder« gerade jetzt in England die Unterbringung der russischen Flotte in Biserta al» Bedrohung der englischen Interessen ansehen müssen, weil es vornehmlich Rußland ist, daS auf eiue Veränderung des Zustande« in Egypten dringt. Angesichts dieser Sachlage ist e« doppelt un verständlich, wenn die englische Presse immer wieder in unwabrbaftigen und brunoeiivergistenden Artikeln Italien vom Dreibunde abzudrängrn sucht, wie eS in der neuesten Preßleistung der „Time«" geschieht, in der da« englische Blatt die absolut unwahre und den Tbatsachen geradezu entgegen gesetzte Behauptung aufstellt, Italien müsse seine Interessen immer denen Deutschland« untrrordnru. Dl« Nachricht, daß Frankreich eine algerische Gebietserweiterung auf Kosten Marokko« anstrebe, ist zwar schleunigst dementirl worden, ab«r die Meldung aus Biserta wird sie wieder in Erinnerung bringen und man wird in London wie in Madrid e« doch für angezeigt erachten, di« Situation auch nach dieser Richtung scharf im Auge zu behalten. Ueber daS Programm deS Fürsten Lobanow in der krtentfragc erhält der „Hamb. Corr." aus Petersburg inter essante Mittbeilungen. Danach hat der verstorbene russische Minister des Acußeren, als England angesichts der Armenier- Verfolgungen und der Unruhen in Konstantinopel auf eine bewaffnete Intervention hindrängte, dieses Programm in einem an die Cabinette der Großmächte gerichteten Memorandum klar auseinandergesetzt. Es beginnt damit, daß eS die Er haltung de« Friedens in Europa als einen der obersten Grundsätze der russischen Politik aufstellt. Eine be waffnete Intervention,wie solche in einer militairischen Besetzung der türkischen Hauplstädt läge, beißt eS, würde aller Wahrscheinlichkeit nach zu solchen Conflicten zwischen den Mächte» führen, daß ein europäischer Krieg unvermeidlich würbe. Die schweren Uebel, die ein solcher nach sich zöge, ständen aber in gar keinem Verhältnisse zu dem auS den Ver folgungen der Armenier erwachsenden Uebel. Eine europäische Intervention mit Waffengewalt müsse daher von vornherein von jeder Combination ausgeschlossen bleiben. Um in der Türkei wieder halbwegs geordnete Zustände herbeizuführen, wodurch die Sicherheit der christlichen Bevölkerung und die Rübe verbürgt würden, müßte man sich der einzigen im türkischen Reiche selbst bestehenden Autorität bedienen, die ausschließlich in der Person des Sultans ihre Verkörperung finde. Diese Autorität hätten die Mächte mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu stützen und zu heben, denn nur durch den Sultan könnten die für die Besserung der Lage nothwcndigen Reformen eingesührt werden. Bei diesem Reformwerke hätten die Mächte dem Sultan nach besten Kräften hilfreich zur Seite zu stehen; eventuell sogar durch materielleHilfe. Mit dieser letzten Bemerkung mag Fürst Lobanow vielleicht die Erleichterung einer Finanzoperation angedeuiet haben, obne welche bei dem in der Türkei herrschenden Geldmangel die Durchführung von Verwatlungsreformen thatsächlich kaum realisirbar erscheint. Lobanow « Programm, das zu Beginn der Reise be« russischen KaiserpaareS eine feste Gestalt anuabm, hat in seinen Grundsätzen die volle Billigung de« Wiener und Berliner Cabinet« gefunden, deren Anschauungen sich auch die italienische Regierung anschloß; die franzö sische Politik bat sich mit diesem die Orientfrage betreffen den Programm indentificirt. Nur in England drängte Lord Salisbury, zum Theil unter dem Drucke der öffentlichen Meinung, ziemlich stark zu activem Eingreifen in der Türkei hin, scheint sich aber während der Anwesenheit de« Zaren in Balmoral doch zu einer etwas gemäßigteren und ruhigeren Auffassung verstanden zu haben, so daß die Gefahr einer isolirten Action England» umsomehr beseitigt erscheint, als das Cabinet von St. JameS zu der Ueberzeugung der vollen Einmütbigkeit der fünf anderen Mächte im Hinblick auf eine friedliche Lösung der Orienlkrffe im Sinne von Lobanow'S Programm gelangt sein dürfte. — Neu ist an diesen Miltbeilungen, daß Fürst Lobanow die An schauung der russischen Diplomatie über die Lösung der Orient krise den Mächten in Form eines Rund schreibens kunbgegeben bat, wodurch die russische Orientpolitik in den von uns wieder holt gekennzeichneten Grenzen auf längere Zeit so festgelegt erscheint, daß man alle Meldungen von einem energischen, dir Rücksicht auf den Sultan fallen lassenden Drängen Ruß lands, namentlich in Verbindung mit England, wie sie immer Die Schuld des -Fürsten Nomanskoi. 24s Roman von Eour. Fischer-Sallstetn. Nachdruck vcrtokn. Sie tritt inS erste Zimmer und findet eS leer. Die Portiüre zum anstoßenden Schlafgemach ist herabzelassen. Sollte Ilija Andrej jetzt noch im Bette liegen? — Es ist das sonst seine Gewohnheit nicht. Ein Bild liegt am Boden. ES ist da» Bild eine« MLdckenleibeS, in lustige bunte orientalische Stoffe gekleidet. Wie grausam, der Kops ist vom Rumpf mit einem scharfen Messer abgeschnittea. Nur noch die blauschwarzen üppigen Haare sind sichtbar, die der dargrstelltea Person über die Schultern fließen. Darja Alepandrowna hält den Atbem an, der Fund dünkt ihr sehr bemerkenSwerth. Aber sie kann sich doch nicht ent schließen, das verstümmelte Bild vom Teppich aufzuheben. ES ist wirklich ein wahre» Glück, daß Lidia da» Bild nicht zu sehen braucht. Daß sich doch alle Männer mit ihren heimlichen Liebhabereien einander gleichen I Sir schreitet gleichgiltig über die Geköpfte, die sie nicht gesehen haben will, hinweg und nähert sich der Portisrr. Wenn sie nur wüßte, ob es rathsam sei, die Portiüre zurück zubeben ? Sie fühlt erst jetzt, daß sie in vielen Dingen ein wahre» Kind geblieben st. Da, mit einem Ma e, gleichsam al» habe er hinter der Portisre gestanden und gelauscht, tritt der Gras vor di« er schrockene Darja Alexandrowna hin. Wie verwüstet ist sein Gesicht, wie schru und «usichrr sein Blick! Er ruinirt sich noch, sagt sich di« Gräfin voll Sorgen, rr müßte so rasch wie nur möglich hrirathrn — und nun kommt da» Trauerjahr! Ich bätt« mich doch in seinem Interesse darum bekümmern müssen, wo er seine Nächte verbringt, und wie er sie verbringt. Ach, die Jugend, die Jugend! Ilija Andrej blickte die alte Dame an, al» ob rr ihr sagen wollte: Ich weiß, waS dieser Besuch zu bedeuten bat, Darja Alexandrowna. Du wirst mir sagen, daß ich beut« Nacht meinen Onkel ermordet habe und daran eine Scene knüpfen wollen. Vielleicht bist Du so naiv, mir Vorschläge M mach««, wohin ich mich flüchten soll, weil die Polizei und die Petuschkiwna meine Spur gefunden und am Ende schon im Hause sind! — Girb Dir keine Mühe, gute alte Krau, ich werbe weder flüchten, noch leugnen, noch Tbränen der Reue vergießen, und ganz einfach deshalb nicht, weil diese ckönen Dinge an der einmal gegebenen Tbatsache nicht andern können, weil ich abgeschlossen hab« mit den Freuden dieser Welt und wie ein Mana die Folgen tragen werbe, die meine Tbat beraufbeschworea. Ich beklage «S, daß ich Dir o viele Sorgen und Aufregung verursache, aber warum hast Du mich festgehalten, ja in Ketten gelegt! „Graf, Sie sind krank!" „Ich glaube selbst", gab er zurück, ich fühle mich voll ständig zerstört, — aber da» schadrt nicht», ich bin stark und kann mich immer noch aufrecht erhalten." Er bot der Dame einen Sessel, und al« sie sich seufzend niedergelassen, nahm rr ihr gegenüber Platz. Er warf ihr einen Blick zu, mit dem er sie auffordern wollte, zu beginnen, «r sri bereit. „Wir sind verurtheilt, eine Tragödie zu durchleben, bandelnde Personen zu sein, mein lheurer Ilija Andrej Mat'cherSkoff." Dieser nickte wie rin alter müder Mann und senkte den Blick zu Boden. „Wie schrecklich e« für mich ist, daß ich e» sein muß, der Ihnen die Nachricht bringt. Erschrecken Sie nicht, mein »brurer Sobn, «» muß gesagt wirken, unser unvergeßlicher Stepan Waisilitsch ist — ist — todtl" Noch tiefer sank da« Haupt Ilija Andrrj'S, schlaff hingen die Arme herab und sein Gesicht nahm ein« mattglänzend« grauwrißr Farbe an. „Allmächtiger Gott, Graf, wa« ist Ihnen?" „Ich höre", entgegnete dies« im gebrochenen Ton« eine» Betäubten, der Onk«l ist todtl" „Gott sri Dank, nun kommen Sie wieder zu sich, Sir müssen sich fassen nm Lidia'S willen! Sie liegt auf dem Sopha und löst sich in Thränen auf, und mir will vor ihren Augen da» Herz brechen. Wa» war niir Stepan Waisilitsch! Warum muß da» Leben immer tragisch enden? — Aber ich werd« Ihnen rin Beispiel geben, wie man muthiz Da» trägt, wa« Golt nn» schickt. Ich habe e« Ihnen gesagt, und damit ist der schwierigste Schiit» gethan." „Ja, der schwierigste Schritt ist getban, und nun? " Er hob das Haupt rm^Sr und sah sie an. Eine wilde, grenzenlose Verzweiflung, b,e keinen Abschluß finbcn kann in dirsrr Welt, bäumt« sich in seinen Augen auf. Und dabei kräuselten sich sein« Lippen zu einem kranken, ironischen Lächeln. „Er wurde ermoron heul« Nacht! - — Nabim, da» wilde und reißende Thier, hatte den Engel zerrissen! Man möchte den Verstand verlieren. Er schloß sich mit seinem Herrn ein, nahm ihm da« Leben und tödtere sich dann selbst. Man mußte erst die Tbür mit Gewalt öffnen, bi« man erfahren konnte, wa« geschehen war." „Nahim?" versetzte Ilija Andrej dumpf, „Nahim? — —" „Ja, Nahim, mein theurer Ilija Andrej. Sie können da« gar nicht einmal begreifen? — Großer Gott, «» ist ja auch so unfaßbar! WaS sind wir denn aber auch? — Nicht« al« Opfer in den Händen unserer Dienerschaft. Man ist keinen Augenblick vor einem schrecklichen Tod sicher. Wir leben nur so lange, al» r« unfern Domestiken gefällt. Ich entsetze mich ordentlich selbst vor Natascha. Wer weiß, wie lange schon sie sich mit der Absicht trägt, mir ein«» Tage« eine lange Haarnadel in da» Gebirn zu bohren! — Ob«r sic schlägt mir die scharfen Zinken de« großen Kamme» in den Hinterkvpf. — Ader Graf, wa« wollen Sir thun?" MatfcherSkoff hatte sich aufgerafft und au« dun Sessel erhoben. „Ich will Nabim sehen, ich muß ihn srbrn." „Ich weiß aber nicht, ob da« gut für Sie sein wird", entzrgn«te Darja Alexaudrowna, „aber viell«icht gebt meine Fürsorge und mein« Befürchtung zu weit; Sie sind ja ein Mann! Sie baden Nerven! — Gut, ich will sofort Grischa den Befehl geben, anzuspannen. Livia wird sich inzwischen gefunden und vorbereitet baden. Nicht wahr, mein «innger Ilija Andrej, wir fahren zusammen in« Hotel Bristol? — Ich weiß wirklich nicht, wie Lidia r» ertragt. Sie werden sie ausrichten müssen. Sir hat zu viel Gemütb für dies« Welt, viel zu viel Gemütb. Ach Gott, ach Gott, wa« ist da» für ein Tag! — Und dabei bade ich eine so vortreffliche Nacht gehabt, ich schlief so fest und süß, wie sei» meiner ersten Jugend nicht wieder, und in einer solchen Nacht muß mein heißgeliebter Stepan Wassilitsch sein Leben lassen!" Der Graf batte gar nicht« zu erwidern, verschlossen, in sich gekehrt, stand er da und wartete mit Ungeduld, bi« Darja Alrpandrowna mit ihren Ieremiaden da« Zimmer endlich verlassen. Dann kreuz» er die Arm über dir Brust, ging im Gemache auf und ab und nannte immer und immer wieder den Namen de« Tataren. „Welch ein Lügner er war!" murmelte er vor sich hin, „und wie groß und mit welchem Heroismus er diese Lüge durchgeführt. Und da» that dieser Wurm von einem Menschen, der immer vor den Füßen seine» Herren lag, der immer ein Sclave gewesen. Ich hab« Dich ja gar nicht gekannt, Nahim! — Welch eia Advocat warst Du! — Narr, laß mich meine Schuld tragen und lebe, ich gebrauche Dich, Nabim. Ick habe Alle« verloren, warum auch Dich? — Deine Lüge, für die Du in den Tod gegangen wie ein Held, stoße ich um, ick will nicht, daß Du Dich so hoch über mich erhebst!" Er preßte da» Gesicht in die Falten der PvrtiLre und fuhr fort: „Er log und starb! Seine Lüge wird die Welt in Auf regung versetzen, dir Herren vom Gericht mit Blindheit schlagen. Man wird ihn einscharren wie einen tollen Hund, und Verwünschungen werden die Grabreden sein, die ibm um die Grube tanzen. Und doch hast Du umsonst gelogen, Nahim, die Schuld nimmst Du nicht von mir, Du nicht! Aber ich will Dir die Maske vom Gefickt reißen, Du großer Komödiant, ick will Dich Lügen strafen, vor den Augen der ganzen Welt, von der Du Dich adgewandt für immer. Ich bin der Mörder, ick!" Er schleuderte die Portiöre zurück und betrat sein Scklas- grmach. Mit einer wahren Hast begann er Toilette zu machen. Wi« peinlich fürsorglich er sich da» Haar frisirt. Seinen besten Nock lrgt Ilija Andrej an. Er kann sich vom Spiegel nicht trennen, und e« ist,i.al« ob er eS sich in den Kopf gesetzt hat, einen tiefen bleibenden Eindruck auf Lidia zu machen. Und doch dachte er Aar nicht an sie, sondern beschäftigte sich nur mit seinem einzigen Freunde in dieser Welt, mit Nabim. In weiter, weiter Ferne, wie ein verhänanißvolleS Traumgebilde, taucht dann und wann nur feine Fran mit den mandelförmigen, ewig fragenden Augen auf. Aber ihre Erscheinung zerrinnt und verschwimmt in dem gebeimniß- vollen Dunkel einer indischen Nacht. Sie ist ihm Nickis mehr al« «in Phantom, da» ibn berauscht, da« von seinem Herz blut getrunken, ein Phantom, da« ihm zum Verhängniß ward und dann verflog. Wi« Träume au« einem hitzigen Fieber, liegen die Tage seit seiner Landung in Deutschland hinter ibm, nickt einen Moment kamen seine Pulse, sein Herz zur Rnbe. Und jetzt ist er erwacht au- diesen Träumen, erwacht in einen fürchter lichen Tag hinein. War sie sein Dämon? Eine moderne Eva, die ibn ein wob und verstrickte in die sinnberückenden Reize ihre« Wesens, die mit Tbränen und Klagen ihn zur Unthat trieb? Und wi«d«r bäumte sich srin Stolz auf. Nein, so tirf war Ilija
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