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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961028029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-28
- Monat1896-10
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7V14 deutschen Führerschaft in diesem Bund«; nur der Einfluß Berlin- kann Wien und Rom vor den Versuchen schützen, welche London macht, um eine» der beiden Verbündeten Teusichlands auf seine Seite zu ziehen. So lange der letztere Staat im Stande ist, nicht nur für sich, sondern auch sür seine genannten beiden Verbündeten zu bürgen, wird es eine sehr kostbare Garantie sür die Festigkeit »ud Daurrhastiakrit des europäischen Friedens sein, wenn Deutsch» land t» Orient mit Rußland und Frankreich eines Sinnes ist. Sich über die Zukunft den Kopf zu zerbrechen, bat keinen Sinn. In der Politik giebt es Situationen, bei denen es geuug ist, daß „ein jeglicher Tag seine Plage habe", und in der jetzigen Zeit ist diese „Plage des Tages" eine möglichst schnelle, wenn auch nur temporäre Lösung der Frage von der nächsten Zu kunft de» »-manischen Reiches. So lange es geht, muß man Alles vermeiden, was dir bestehende Uebereinstimmung in den Anschauungen der Contiurntalmächte abschwächen könnte. Nur bei einer solchen Ueder- einsttminung ist das Zustandekommen einer europäischen Eon- srrenz in orientalischen Angelegenheiten keine völlige Unmöglichkeit. Nur sie kann den Sultan und die Pforte über zeugen, daß ein weiterer Widerstand gegen jene Forderungen un denkbar ist, welche den Zweck Haden, die orientalischen Christen vor den Mißbräuchen der muhamedanischen Herrschaft zn schützen, Dle für Oesterreich.Ungarn und Italien bestehende Noth- Wendigkeit, Deutschland zu folgen und den Schmeicheleien Englands kein Gehör zu geben, ist ein sehr wcrthvoller „Trumps" in dem politischen Spiele, das den Zweck bat, durch friedliche Mittel der Sachlage ein Ende zu machen, welche durch die traurigen Ereignisse der letzten Zeit in der Türkei geschaffen worden ist". Man kann mit Befriedigung von dieser Anerkennung der Fübrerrolle Deutschlands und der großen Dienste Act nehmen, welche diese Macht Rußland bei der Lösung der Orientsrage leistet, aber man würde über die auf eine fernere Zukunft gebende Absicht der russischen Politik sich ein falsches Urtbeil bilden, wollte man bei diesen Aenßerunzen der „Now. Wr." sieben bleiben. „Ueber die Zukunft sich den Kopf zu zerbrechen, bat keinen Sinn, jeder Tag bat seine eigene Plage und die Plage des Tages ist gegenwärtig die osmanische Frage". Ist diese, so muß man zwischen den Zeilen lesen, gelöst, so ist es nichl ausgeschlossen, daß die Stellung Rußlands zum Dreibund und sein Interesse amWeiterbestand desselben nicht mebrder gleiche ist wie beute. Dieselbe „Now. Wremja" bringt unmittel bar nach dem eben im Auszug wiedergegebenen Artikel einen zweiten, der über die Znkunftspläne der Petersburger Diplo matie nach dieser Richtung hin einiges Lickt zu verbreiten geeignet ist. Das Blatt schreibt in der Erörterung der poli tischen Bedeutung der italienisch-in ontenegrischen Hochzeit: Der Prinz von Neapel hat sich seine Braut nur aus Herzens neigung, ohne jede Berechnung gewählt, indem er wohl wußte, baß die Tochter des Fürsten von Montenegro seine Gemablin werden könne nur mit Genehmigung des Oderkauptes eines großen Staates, welcher keinen Grund hat, mit dem Verhalten der italienischen Regierung sehr zufrieden zu sein. Im ersten Moment konnte eS zweifelhaft erscheinen, ob eine solche Genehmigung erfolgen werde, und wenn der Sohn und Nachfolger des Königs Hum bert fick, gleich feinem Vater, die politische Anschau- ungsweise Criepis angeeiqnet hätte, so hätte er sich eine andere Braut suchen müssen. DaS Blatt weist sodann darauf bin, daß der Eintritt einer slawischen Prinzessin in die italienische Königsfamilie früher oder später zu einer Aenderung der russisch italienischen Beziehungen und namentlich zum Ver lassen des von CriSpi eingeschlagenen WegeS führen werde, und fährt fort: In wohlunterrichteten politischen Kreisen wird der Kronprinz sür einen Anhänger der Idee einer Annäherung an Rußland gehalten, und unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen bedeutet das auch eine Annäherung an Frankreich. Einen Einfluß auf den Gang der italienischen Staatsgeschäfte kann der Prinz Victor Emanuel nicht Haden, aber es ist schwer anzunehmen, daß die Rathgeber des Königs Humbert, wer sie auch seien, die persönlichen Sympalhien und Anschauungen des Thronfolgers ganz unberücksichtigt lassen sollten. Die Verhältnisse haben sich derart gestaltet, daß Italien keinen Grund haben kann, sich aus den Standpunkt einer kalten Höflichkeit zu Rußland und Frankreich zu stellen. Ein Schritt zum Bessern in dieser Beziehung kann sogar unabhängig von der Zugehörigkeit Italiens zum Dreibunde gethan werden. Ein Hinderniß in dieser Beziehung könnte allenfalls eine Neigung des Quirinals bilden, den Rath schlägen aus London Gehör zu schenken: aber es liegt kein Grund vor, die an der Spitze des italienischen Ministeriums stehende Persönlichkeit dessen zu verdächtigen. Bekanntlich war bei der Hochzeit des Kronprinzen auch ein russischer Großfürst in Rom anwesend, was nicht blos dadurch erklärt werden kann, daß er ein naher Ver wandler des Fürsten von Montenegro ist; Rußland benutzt vielmehr die Gelegenheit, seine Fäden auch nach Rom hin auSzustrecken und für künftige Zeiten ein freundlicheres Ver- hältniß mit Italien anzubahnen und dieses gleichzeitig wieder an Frankreich anzunäbern. Daß das unbeschadet der Zugehörigkeit Italiens zum Dreibund geschehen kann, vermögen wir mit der „Now. Wremja" nicht so ohne Weiteres anzunehmen, und es kann die Zeit kommen, wo Deutschland sich genölhigt siebt, den centrifugalen Tendenzen Italiens gegenüber in irgend einer Weise Stellung zu nehmen. Der bittende, ja fast ängstlich siebende Ausdruck im Gesicht Zlija Andrej's rührte Michael, so daß er sich rasch niedersetzte. „Ich wollte nur einen Brief schreiben." „Schreiben Sie ibn morgen", gab dieser zurück und war sichtlich befriedigt, als Michael sich niedergesetzt, „wir haben einen Handel mit einander abzuschließen. Sie wundern sich? Za, warten Sie mal, Sie werden sich noch mehr wundern, Sie und die ganze Welt!" Er schwieg, sah den guten Michael aufmerksam an und schien zu erwägen. „Ich weiß mehr von Ihnen, al- Sie denken", stieß er auf einmal hervor, „Sie lieben ein Mädchen, — die Lidia Tschierwanewna." Michael sprang auf und erröthete wie ein junge- Mäd chen. Dann wurde er ärgerlich und wandte sich von Zlija Andrej ab. „Herr, wer sind Sie denn? — Sie sagen, Sie verfolgen Absichten, — wollen Sie sich nicht erklären?" „Von mir haben Sie schon gehört, ich bin Zlija Andrej MatscherSkoff." Zäh fuhr Michael herum und starrte seinem Pa'ienten in- Gesicht. Das war Zlija Andrej MatscherSkoff! — Michael dachte an all die Bilder zurück, die er sich von dem Grafen entworfen, und unwillkürlich griff er sich an die Stirn. „Zch weiß, daß Sie Lidia lieben und Lidia Sie wieder liebt, daS steht felsenfest! — Nun bade ich nur noch die Frage an Sie zu richten, ob Sie bereit sind, Lidia Tschierwanewna zu Ibrer Gattin zu machen?" „Sie ist ja Ihre Braut!" brauste Michael auf, „wollen Sie mich verhöhnen? Sie sind also der obdachlose Mensch nicht, mik dem ich gern Hab und Gut getheilt, waS wollen Sie dann hier?" „DaS fehlte noch, daß mich auch Michael Zasmorin von sich stößt", klagte er, „und ich dachte einen Nabim gesunden zu haben. Leide ich denn an der Pest, daß S,e sich vor mir entsetzen?" M Er warf die Bettdecke zurück und saß nun zusammen gekauert auf dem Sopha. Beinah finster blickte er zu dem Studenten auf. „Wenn ich nun noch elender bin wie ein Obdachloser?" suhr er beinahe herausfordernd fort, „wenn ich nun zu dem AuSwurf gehörte, vor denen sich die Kinder in der Wiege entsetzten, ein nasser Hund, der frierend zu ihnen flüchtet, ein Hund, der in einem unheimlichen Augenblick nach der Hand biß, die immer die Knute über ihn geschwungen? — Deutsches Reich. -8- Leipzig, 28. October. An Stelle des am l.Dccember in den Ruhestand tretenden Herrn NeichsgerichlSraths Vr. .jur. MeveS wurde Herr Landgericht-Präsident Helf in Gleiwitz zum ReichsgerichlSrath ernannt. x Berlin, 27. October. Wenn anläßlich der Vernehmungen der Herren Patzig und v. Seckendorfs über die Orga nisation der nationalliberalen bezw. conservativen Partei die endliche Vorlegung eines VereinSnothgesctzes in den einzelnen Bundesstaaten verlangt wird, so können wir in Bezug auf Preußen mittheilen, daß in der nächsten Zeil ein derartiges Gesetz dem Landtage noch nicht zugehen wirb, weil die Ausarbeitung eines entsprechenden Entwurfes sowohl infolge der längeren Abwesenheit maßgebender Persönlichkeiten von Berlin, als auch wegen verschiedener noch schwebender Erwägungen noch nicht staltgefundcn hat. — Die vom Kaiser für das Nationaldenkmal an der Schloßsreibeit bestimmte Zuschrift lautet, einem Berichterstatter zufolge, „Wilhelm dem Großen sein treues Volk". Prof. Reinhold BegaS Hal die Modelle für daS Werk im Wesentlichen vollendet. Das Friedensrelief, das die andere Seitenfläche deü Postaments einnebmen wird, knüpft an Schiller's „Mädchen aus der Fremde" an und zeigt eine weibliche Gestalt von idealer Schönheit; sie streut Blumen und Früchte aus, die sie einem Korbe entnimmt, den ein Jüngling ibr darreicht; links liegt, inbrünstig betend, eine Bäuerin, rechts pflanzt eine Mutter mit ihrem Knaben einen Baum, der Hintergrund zeigt einen ruhenden Schäfer mit Hund und Herbe. — Der deutsche Botschafter in Wien, Graf Eulen burg, ist, laut der „M. Z.", in Berlin eingelroffen, „um an einem Familienfeste Theil zu nehmen". — Wie der „Post" gemeldet wird, ist heute entschieden worden, baß Gouverneur v. Wissmann nicht mehr nach Afrika zurückkehrt. Er dürfte, schreibt ferner die „Nal.-Ztg", einige Zeit Herrn von Richthvfen bei der Einarbeitung in die Geschäfte unterstützen und dann vollständig aus dem Eolonialdienst ausscheiden. — Das wäre tief zu beklagen. — Der Empfang des Gesammtvorstandes der brandenburgischen Provinzialsynode durch den Kaiser unterblieb diesmal lediglich aus dem Grunde, weil Herr Stöcker diesem angehört. Als dem Kaiser die Namen des Vorstandes der Provinzialsynove in dem Gesuche um eine Audienz vorgelegt wurden, hat er, wie die Berliner „Volksztg." mittheilt, entschieden und unzweideutig ab gelehnt, Stöcker zu empfangen. Wegen Slöcker'S Wahl rn den Synodal vorstand hätten sehr lebhafte Vorverhandlungen stattgefunden, bei denen auch der Oberkirchenrath über seine eindring lichen Bedenken gegen Stöcker'S Wahl keinen Zweifel ließ. — Um den berechtigten Klagen der in der preußischen StaatSeisenbahn-Ver waltung beschäftigten Regie rungsbaumri st er abzuhelfen, wird dem Ve>nehmen der „F- 5 " "ach von der Regierung beabsichtigt, in den Etat für l897/98 so viel neue Stellen auszunehmcn, daß am 1. April 1897 die bis dahin noch nicht angestellten Bau meister des Zngenicurfachs aus den Jahrgängen 1884, 1885 und 1886, der Zahl nach voraussichtlich 132, zur ersten An stellung gelangen können. — Der Abgeordnete Liebermann von Sonnenberg hat das antisemitische Blatt „Freideutschland" wegen Beleidigung verklagt. Es handelt sich, wie „Freideulsch- land" mittheilt, um einen Aufsatz des Blattes, überschrieben „Das neue Flugblatt Karl Paasch'S", Zn demselben werden aus Paaich's Flugblatt „an die deutschen Antisemiten" unter den darin enthaltenen schweren Vorwürfen gegen v. Lieber mann einzelne angedeutet. — Es waren Zweifel entstanden, ob beim Uebersicdeln eines Veteranen, der auf Grund des vorjährigen Reichs gesetzes eine Beihilfe erkält, in einen andern Bundes staat dieser oder der Staat des früheren Aufenthalts diese Beihilfe ferner zu leisten habe. Sämmlliche Bundesregierungen haben sich nun, der „Wes.-Zlg." zufolge, dahin geeinigt, daß die Beihilfe stets von demjenigen Staate, der die erst malige Bewilligung ausgesprochen hat, weiter gezahlt werden soll, da durch Ueberlragung auf einen andern Staat eine nicht in der Absicht des Gesetzes liegende Aenderung der auf die einzelnen Staaten zur Gewährung dieser Beihilfen ver- theilten Pauschalsummen hervorgerufen werden würde. Da gegen soll beim Uebersicdeln eines mit Beihilfe bedachten Veteranen in das Reichsausland die Beihilfe sofort in Wegfall kommen und an Stelle des Ausgeschiebenen der nächslberechtigte Anwärter die Beihilfe erhalten. — Tie von der Socialdemokratie angestrebte Organi sation der städtischen Arbeiter Berlins Hal bis jetzt keinen Erfolg gehabt. Auch der größte Theil der städtischen Gasarbeiter bat, laut der „Voss. Ztg.", der socialbemo- kralischen Organisation den Rücken gekehrt. — Der cominandirende General des I. Armee-Corps Graf Finck von Finckenstein ist aus Königsberg i. Pr. hier ein getroffen. * Celle, 27. October. Der Senatspräsident bei dem Ober- landesgerichl in Celle Geheime Oberjustizrath vr. Schmidt feierte am 25. d. M. sein sechzigjähriges Dienstjubilänm. Er ist Gut, ich werde geben! — Ab, hier ist mein Rock, danke sehr. Beklage es, Sie gestört zu haben. Es ist nur gut, daß ich zur Besinnung kam. Meine Brust ist breit, viel läßt sich darin begraben! Wenn Sie den Kirchhof da drinnen sehen könnten! — Den nehme ich aber mit, mitsammt dem blut getränkten Leichenstein meiner verlorenen Jugend." Er versuchte eS, den nassen Rock über die Schultern zu ziehen. Ein brennendes Roth lag auf seinen Wangen, seine Augen funkelten. „Daß ich aber auch Narr genug sein mußte, zu glauben, daß ein Nahim jemals zu ersetzen sei! Zwischen den Glücklichen und Unglücklicken in dieser Welt gähnt eine Kluft, über die sich keine Brücke schlagen läßt. Leben Sie wohl Michael Zasmorin, ich kann nicht zu Ihnen hinüber, Sie Glücklicher! — Sie ruhten einst auf dem Schooße einer Mutter — und welch einer Mutter! Mein Haupt hat nie eine liebende Elternband berührt, ich war zur Knute verdammt! Doch was sage ick denn da? Ich ging nie bei einem alten Weib in die Lehre, um das Heulen und Klagen zu lernen. Zch will nicht klagen, weil ich'- nicht kann!" Er wollte uack der Thür stürzen. Rasch trat ihm Michael in den Weg. Er war so erregt, daß die Hand zitterte, die er diesem auf den Arm legte. „Bleiben Sie, Graf. Nach dem, was Sie mir gesagt, müssen Sie bleiben!" Wirr lachte Zlija Andrej auf. „Müssen? — Nun, ich bin Zurist und möchte in diesem Puncte Ihre Beweisführung hören! — Zch muß also?" „Ich will Zbnen zeigen, daß sich über die Kluft eine Brücke schlagen läßt." „Welch ein Kind! — Aber ich will mir Zhren Brücken bau einmal ansehen. Na, Michael ZaSmorin, wo nehmen Sie die Bauhölzer her." „Reißen Sie die Schranken nieder, die unS trennen." „Was für Schranken?" „Die der Gesellschaft, Sie sind Graf." „Sie sollen niedergerissen sein, sie sind niedergeriffen l — WaS steht der Bruderschaft noch im Wege? Hftr jst meine Hand." „Jst die Brücke geschlagen, wenn wir Brüder sind?" „Ja, Michael, sie soll geschlagen sein! Laß Dick küssen, laß mich bei Dir bleiben, mein lieber Bruder Mickael!" Schluchzend warf sich Jlija Andrej dem Studenten an die Brust. durch Verleihung de- Charakter» al» Wirkl. Geheimer Oberjustiz» rath mit dem Range der Räthe erster Classe ausgezeichnet worden. Ter Jubilar steht im 82. Lebensjahre und erfreut sich noch großer körperlicher und geistiger Frische. * Essen, 28. October. (Telegramm.) Der Kaiser und Prinz Heinrich von Preußen trafen gestern Abend gegen 8 Uhr hier ein. Um kft/« Uhr fand in der Billa Hügel eine Abendtafel statt, bei der Gebeimratb Krupp dem Kaiser gegenüber saß, während zu dessen Reckten die Gemahlin Krupp'S Platz genommen batte. Die Tafelmusik stellte die Capelle des westfälischen Pionier-Bataillon- Nr. 7. * Rordhauscn, 26. Oktober. Der „Nordhäuser Courier", da- Parteiorgan der conservativen Partei de» WahlkreiseSNordbausen und amtlicheKreiSblatt, wird nach 42jäh- rigem Bestehen mit dem Jahresschluß aufbören zu erscheinen. Die Gründung eines neuen Parteiorgan-, da- voraussichtlich in einem andern Verlage erscheinen wird, wird vor bereitet. (Berl. N. N.) 8. Ärciz, 27. October. Als Landtagsabgeordneter des Bezirks Herrschaft Burgk ist der Pastor Spvrl in Schön bach gewählt worden. * Darmstadt, 27. October. Das Zaren paar wird am 29. d. M. AbendS von hier abreisen. -4- Aus Oberfranken, 27. October. Am Sonntag Abend verstarb in Bayreuth der nationalliberale Landtagsabgeordnete Bergrath Hahn im Alter von 74 Jahren an Altersschwäche. Dem Landtag gekörte der Verstorbene seit mehr als zwanzig Jahren ohne Unterbrechung an. Während der kirchlichen Wirren im Jahre 1870 widersetzte sich Hahn dem Unsehlbar keitsdogma und schloß sich dem AltkatholicismuS an. — Dem Vernehmen nach wird um das erledigte Mandat Rechtsanwalt vr. Casselmann, der frühere NeichstagSabgeordnete, sich bewerben. * Stuttgart, 27. October. Bierbrauereibesitzer Bräuckle in Aalen hat laut der „F. Z." die ihm von der Volkspartei angebotene RcichSlagscandidatur für den 13. Wahl kreis angenommen. Oesterreich-Ungarn. Badcni über die böhmische Nationalitätenfrage. * Wien, 27. Lctober. Ter Budgetausschuß des Abgeordneten hauses begann die Verhandlungen über Len Dispositions fonds. Abgeordneter Beer hebt die Besorgniß hervor, die Regierung lenke in andere Bahnen ein, als die ProgrammreLe angeknndigt hätte. Er fragt den Ministerpräsidenten, ob die Regierung interkonfessionelle oder kirchcnpolitische Gesetze ohne die Schulgesetzgebung plane. Abg. Hall- wig erörtert eingehend die Verhältnisse des deutschen Volkes in Böhmen in den letzten Jahrzehnten; er fragt, ob der MinistcrpräsiSent gewaltthätige tschechische Provokationen in Böhmen billige oder nicht billige, und ob er gewillt sei, geeignete entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um den den Teuifch-Böhmen gewährleisteten nationalen Schutz ausgiebig zu sichern, ferner ob die Regierung bereit sei, bindende Erklärungen abzugeben, daß sie an der bestehenden Versüssung unerschütterlich festhalie, somit eine Verfassungsänderung nicht vorzunehmen gewilll sei, insbesondere keinerlei Concesiionen in staatsrechtlicher Hinsicht zu gewähren beabsichtige. Abg. Ruß begründet ausführlich das Verlangen der Deutsch-Böbmen nach nationaler Abgrenzung und erklärt, zur Anbahnung der nothwendigen beiderseitigen Friedens stimmung müsse die Regierung die bisherige Haltung ändern, ver langt aber von der Regierung Aufklärung über ihr Verhalten gegen über dem ganzen Umfang der böhmischen Angelegenheit. * Wien, 27. October. lBudgetausschuß.) Nach der Er- klärung des Abgeordneten Pasak, daß die Jung-Tschechen weder sür das Budget noch für den Dispositionsfonds stimmen würden, führte der Ministerpräsident Graf Badeni aus, die Re gierung könne sich nicht die wenigen kurzen Schlagworte irgend eines Parteiprogramms aneignen, ebensowenig könne sie auch mit der unbedingten Gefolgschaft einzelner Parteien rechnen. Eine der artige Regierung enispräche nicht dem österreichischen Staatswesen. Die Regierung müsse wiederholen, daß sie zwar nicht über, wohl aber außerhalb der Parteien stehend nach staatlichen Gesichts punkten die Geschäfte führen wolle, stets in Fühlung mit den Parteien, niemals in Abhängigkeit von einer Partei. Um soweniger könne sie gewisse extreme LoosungSworte oder grund stützende, völlig unrealisirbare Forderungen zu den ihrigen machen. Tie Regierung stehe unbedingt auf dem Boden der Verfassung und gehe absolut nicht mit der Absicht einer Versassungsände» rung um- In Schul- und kirchenpolitischen Fragen lehne sie jede extreme Richtung ab. Angesichts der Verhältnisse in den verschiedenen Kronländern sei eine einzige Schablone unanwenbbar. Die An bahnung des nationalen Friedens müsse der Regierung als wichtigstes Problem gellen, und hierbei sei die Anwendung ein seitiger Maßnahmen ausgeschlossen. Die Regierung hofse aus das baldige Anbrechen des Tages, wo antagonistische Nationalitäten friedensbereit die vermittelnden Absichten der Regierung besser würdigen würden. Die Regierung habe vor Allem die Absicht, dem wirklich unhaltbaren Zustande in Böhmen abzuhelfen. Die Frage sei nur mit Tact und Wohlwollen lösbar, ohne Preisgabe einer Nationalität an die andere. Ter Ministerpräsident drückte den Wunsch nach einem Waffenstillstand beider Volksstämme Böhmens aus, wobei die Regierung nicht erst auf die hervor ragende Bedeutung des deutschen Volksstammes in Oester reich besonders hinzuweisen brauche. Hieraus sei zu entnehmen, daß die so sehr gefürchteten Abmachungen mit den Jungtschechen keine erheblichen Dimensionen erreicht hätten. Redner wäre für die Bekanntgabe eines geeigneten Mittels zur dauernden Festlegung des nationalen Besitzstandes überaus dankbar; dies hänge jedoch von anderen Factoren ad. Der Ministerpräsident fragte, ob ein natur gemäßer wirthschaftlicher Wettkampf der Nationalitäten In den nächsten Minuten saßen sie auf dem Sopha Hand in Hand und sprachen kein Wort. Jlija Andrej hatte das tief bewegte Gesicht zur Seite gewandt und betrachtete die Schattenfiguren an der Wand, die seine glanzlosen Augen mit Fragen bestürmten. Michael blickte in seinen Sckooß und dachte an Lidia. Es war, als ob auf den Beiden die VerbrüderungSscene von soeben wie ein Alp liege. Vielleicht trauten sie der Brücke nicht, die sie zueinander hinüber, von Herz zu Herzen geschlagen hatten. Heiß war die Hand, die in der deS ZaSmorin ruhte, und jetzt entzog dieser sie ihm. „Wir verstehen unS, Michael, und ick weiß, Du bist der Bruder, der an mir festhält, selbst wenn die ganze Welt mit Steinen nach mir wirft. Aber ich werde viel Leid über Dich bringen. Bist Du geneigt, jetzt gleich mit mir die Angelegen heit, die Dich und Lidia betrifft, zu ordnen?" „Wir gehören uns ja einander an, WaS Dir recht ist, ist mir lieb. Nur weiß ich nicht, wie das werden soll, ich bin ein armer Student, dem selbst die Mittel fehlen, seine Studien forkzusetzen. Und dann, Lidia ist Deine Braut." „Nicht ich habe ihr diesen Ring aufgenöthigt, sondern Darja Alexanvrowna. An eine Verbindung war nie zu denken, denn — ich habe eine Frau bin verheirathet, aber da ¬ konnte ich weder der Gräfin noch Lidia sagen." Jlija Andrej sprang vom Sopha auf und lies mit über die Brust gekreuzten Armen im Zimmer auf und ab. Auf einmal blieb er vor Michael sieben, der fick in die einmal gegebene Situation noch immer nicht hineinfinden konnte und dasaß, wie ein Mensch, der auf alle ungewöhnlichen Ueber- raschunzcn vorbereitet ist, nahm dessen Kopf in beide Hände, al- ob er ihn liebkosen wolle und schrie: „Ich bin ein Mensch, der immer nur Schiffbruch leidet! Unter meinen Sohlen öffnet sich überall ein Abgrund, wohin ich den Fuß auch setze. Du bist mir die einzige Wonne, die mir das Dasein bot, und weil ich weiß, daß auch Du mich nicht retten kannst vor dem Sturz in die Tiefe, gerade darum dürste ich danach, etwa- zu thun, was mich befriedigt, noch im letzten Augenblick." „WaS denn?" fragte Michael und suchte umsonst, sich eine Meinung über den Freund zu bilden. „Ich weiß, daß Du zu den Menschen gehörst, denen man nur da- Materialzu liefern braucht, um glücklich zu werden. Du sollst diese- Material haben, sieh zu, waS Du daran- gestalten kannst. Sieh mich nicht so seltsam an, Michael ZaSmoriu, ich bin nicht wahnsinnig. Ich werde Dir den sich immer feindselig documentiren müsse. Di« Regierung werd« dir unbestreitbare Rechtsgestaltung eines freien nationalen Leben- un- parteiisch wahren, die Eingriffe einer Nationalität in die Sphäre der andern verhindern, allein die Vertreter der beiden Natio nalitäten müßten gleichfalls guten Willen bekunden, vor allem ein gute- Stück allzugroßer Empfindlichkeit oblegen. Die Re- gierung empfehle zur Verhinderung oder Milderung alles dessen, waS die Parteien, Nationen und Confefsionen trennt, di« Fest- Haltung und Fortb ldung deS Einigenden, damit nickt angesichts der socialen Aufgabe und der socialen Gefahren die fortschreitende Zeit geschichte Alle in dem Stadium der Uneinigkeit und Zerfahrenheit, trotz der vielfach rechtzeitigen Warnungszeichrn, überrasche. Die Verhandlung wurde hierauf unterbrochen und die nächste Sitzung aus Donnerstag anberaumt. * Wit», 27. October. Die heutigen Erklärungen Badeni's beim Dispositionsfonds ließen die deutsch-böhmischen Ab geordneten unbefriedigt. Sie verlangen die Ablehnung nicht blos des Dispositionsfonds, sondern auch des Budgets überhaupt durch die Linke. Sie wollen andernfalls aus dem Club der Linken austreten; der Club steht vor einer ernsten Krise. Die Aitliliberalen im Äcmcinderath; Landtagswahlen. * Wien, 27. October. Der Wiener Gemeinderath beschloß in seiner heutigen Sitzung den Bau eigener städti scher Gaswerke; die antiliberale Mehrheit stimmte ge schlossen dafür. Die Sitzung war sehr bewegt. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der Landtagswahlen in seckS Landgemeinde-Wahlbezirken NicderösterreichS wurden vier Christlich-Sociale und ein Mitglied der Deutschen Volks partei gewählt; in einem Bezirk ist eine Stichwahl erforderlich. Frankreich. * Pari-, 27. October. Den Minister des Innern Barthou legte heute iu der Kammer vier Gesetzentwürfe, betreffend eine Revision der Gesetze über die Generalräthe und über die Verfassung der Gemeinden vor. Die Vorlagen haben den Zweck, eine Decentralisation herbeizusühren und die gegenwärtig bestehenden Präsecturräthe durch 18 Bezirksrälhe zu ersetzen. Italien. Die Hochzeit des Kronprinzen. *Nom, 27. October. Die montenegrinischen Fürstlichkeiten werden Sonntag früh von hier nach Brindisi abreisen. Der Prinz und die Prinzessin von Neapel wcrden sich zur selben Zeit nach Florenz begeben. Der König und die Königin reisen am Montag m Begleitung der Königin Maria Pia von Portugal und deS Herzogs von Oporto nach Monza. Letztere werden einige Tage daselbst verbleiben. — Heute Abend veranstaltete der Stadt rat h im Stadttbeater „Argentina" eine Fest-Soiree, zu der das Königspaar, die Neuvermählten und die anderen Fürstlichkeiten erschienen waren. Alle amtlichen Persönlich keiten waren zugegen, die dicht besetzten Theaterlogen gewährten durch die Mannichsaltigkeit der Uniformen und den Reich- tkum der Toiletten einen prächtigen Anblick. Die hohen Herrschaften wurden bei ihrem Eintritte in die königliche Loge mit den Klängen der italienischen Nationalhymne be grüßt, die von den Anwesenden stehend angehört wurde. Die Huldigungen wiederholten sich, als die Fürstlichkeiten um Mitternacht das Theater verließen und setzten sich auf der Straße fort. Großbritannien. Orientfrage; Ntlexpevition. * Lee-S, 28. October. (Telegramm.) Der Staats- secretair des Kriegs, Marquis of öansdone, hielt gestern Abend hier eine Rede, in der er sich gegen ein gesondertes Vorgehen zum Zwecke der Entthronung deS Sultans aussprach; wenn England eine solche abenteuerliche Politik verfolge, so würde der KriegSetat um Millionen überschritten, und die Frage der Einrichtung eines Zwängs-Militairdienstes erwogen werden müssen. Die Regierung verlasse sich auf das europäische Conccrt, das sicher eine Lösung finden werde. Zn Betreff der Nil-Expedition sagte der Slaatssecretair, eS würde ein großer Fehler sein, zur Zeit weiter vorzugehen auf die Gefahr hin, die erlangten Erfolge einzubüßen. * London, 28. October. (Telegramm.) Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" aus Kairo sind unter den Mannschaften des North-Staffordshire-Regiments seit der Rückkehr nach Kairo 126 Fälle von Erkrankungen an gastrischem Fieber vorgekommen. Zn- den letzten Tagen sind 5 von den Erkrankten gestorben. Orient. Die türkischen Wirren. * Konstantinopel, 27. October. Gestern Abend war in Stambul das Gerücht verbreitet, der zu drei Jahren Festungshaft verurtheilte armenische Millionair Apik Ound- schian sei im Gefängnisse am Herzschlage gestorben. — Die Verhaftungen von Armeniern nehmen wieder größere Dimensionen an und zwar infolge des VerratbS, Len die schon Verhafteten theilweise begehen. Hierdurch ist es der Polizei vorgestern gelungen, einen besonderen Fang zu thun in der Person eines gewissen S o r m i a n, der seit Monaten hier verborgen. Aus der bei ihm mit Beschlag belegten Correspondenz geht klar hervor, daß er die Hauptvertrauensperson des Hintschak-ComitSs war und auch Beweis nicht schuldig bleiben, daß ich durchaus vernünftig handele, nur verlange ich Vertrauen." Jlija Andrej nahm einen einfachen Goldreif aus der Westentasche und hielt diesen den Freund hin. „Mit diesem Ringe zugleich übergebe ich Dir Lidia Tschierwanewna. Als Mitgift besitzt sie Slekok. Nun sieb zu, was Du auS diesem Material für ein LebenSglück ge stalten kannst. Die Aufgabe, die ich mir da draußen unter dem nassen Gebüsch an der Newa gestellt und die allein mich veranlaßte, Dich aufzusuchen, ist nun gelöst. Mache Sie glücklich, Michael, ich glaube, sie ist eS Werth." Nur um den Zlija Andrej nicht zu reizen, nahm ZaS- worin den Ring, und als er jetzt ein versöhntes, fast glück liches Lächeln um die Lippen deS Unglücklichen spielen sah, war er froh, den Ring genommen zu haben. Zlija Andrej legte sich nun wieder aufs Sopha nieder, Michael deckte ihn zu, und vor dem Sopha auf dem Stuhle sitzend, verbrachte ZaSmorin wachend und plaudernd die Nacht. Fünfzehntes Capitel. Endlich war Sofia Andrejewna von Slekok nach St. Petersburg zurückgekehrt. Aber sie suchte nicht ihren lieben Mickael auf, der sich die ganze Zeit nicht blicken ließ, ja der selbst nickt einmal ein paar Zeilen an sie gerichtet, sondern nahm sich im Hotel Bristol, weil sie hier einmal be kannt war, ein bescheidenes Zimmerchen. DaS Benehmen ZaSmorin'S war ihr vollständig unbe greiflich; selbst wenn er krank geworden sei, hätte er ihr schreiben, oder durch einen Boten irgend welche Nachricht schicken müssen. Sie glaubte alle Ursache zu haben, sich ver letzt zu fühlen, verdrossen zu sein, und war eS auch. War die Handlungsweise Michael'« nicht derjenigen des Grafen MatscherSkoff außerordentlich ähnlich? Ist es zu begreifen, daß sich der Erbe von Slekok, seitdem er .vor dem Sarge deS Mörders Nabim auf den Knien lag, nicht wieder blicken ließ? ES nützte gar nichts, daß Darja Alexandrowna selbst die Hilfe der Polizei in Anspruch ge nommen, Zlija Andrej war und blieb verschwunden. Man hatte gehofft, daß, wenn der Leichenzug in Slekok anlangen würde, so werde sich der Graf dort vorfinden; aber auch diese Erwartung wurde getäuscht. (Fortsetzung folgt.)
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