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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896110301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896110301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-03
- Monat1896-11
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Bez«g-.Prets bi d«r Hauptexpeditton ob« de» tm Stabt- vezirk und den Bororten errichteten Ao«, gabestellen abgebolt: vierteljährliche bet »wetmaliarr tL-licher gustellao, üe- Hau» e üchü. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertehährlich e ü.—. Direkt« täglich« Kreu-baodienduaa ius «utlaud: «onallich e 7.bO. Di« Morge»-A,«gabe «rsch«iu1 »« '/,7 Uhr. dl« Abmd-Auggub, Wochentag» um b Uhr. Nekrtto« »ad Erpeditto»: -ahmnieSgaff« S. Di«Lrv«»tttoa ist Wochentag» uvuuterbroch«» g^2u«t von srtch 8 bi» Abend» 7 Uhu. Filiale»: Dtt» Klemm'» Lartim. (Alfred Hahn». U»iversität»strab« 3 (Paultnum), Louis Lösche, üntbarinenstr. 14. Part, und königsvlatz 7. Morgen-Ausgabe. MWger.TagMM Anzeiger. Amlovlatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Aa-aigen.Pr-iA dte -gespaltene Petitzeile LS Pfg. Neclameu unter dem Redactionsstrich (4ge- spaUaa) -0-g, vor den Familieanachrichteo (6g«spal1«u) 40-^. Oröhere Schriften laut unserem Pr«i». ««rzeichuib Tabellarischer und Ziffern!«» uaa> höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), NU« mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrruu» SO.—, mit Postbesörderung 70.—. A»»ahmeschl»ß sSr Auzeige«: Ab«ud«Au»gabe: Bormittag» 10 UhL Morg«u.Ausgabe: Nachmittag- »Uhr. V«i den Filialen und Annahmestellen je ein« halb» Gtunde früher. Anzeige» sind stet» au di« Expedition zu richte». Druck und Berlar ron E. Bolz tu Letvzig 559. Dienstag den 3. Novernber 1896. 90. Jahrgang. Die Lehren des Meseriher Processes. L Die SchwurgericbtSverbandlung über die Vorgänge in Opalenitza predigt ernste Lehren und da» u. a. nicht trotz, sondern wegen der Milde deS Urtheil». Weit entfernt, das Urtheil bemängeln zu wollen, verzeichnen wir eS viel mehr mit Genugtbuung, daß eine überwiegend auS Deutschen zusammengesetzte Geschworenenbank und ein preußischer Ge richtshof durch maßvollste Objektivität bei den Polen, die sich in ähnlichen Fällen von solcher „Schwäche" gänz- lich frei erweisen würden, ein mitleidiges Lächeln Her vorrufen. Di« Geschwornen und die Richter haben, wie eS deutsche Art unter allen Umstanden ist, nach bestem Wissen und Gewissen sich an das für sie zweifellos Erwiesene gehalten. Aber die Einengung des sicheren Tbat- bestandeS wirft das grellste Licht auf die Natur der polnisch ultramontanen Propaganda. Die geschaffene Organisation läßt nichts zu wünschen übrig. Unmittelbar nach dem Krawall sehen wir einen Augen zeugen, der einem Deutschen über den Borfall Aus kunft zu geben im Begriff ist, deswegen von einem Polen bedroht. In der geraumen Heil zwischen Vergeben und Gerichtsverhandlung konnte nach dieser Richtung natürlich noch bequemer und intensiver gewirkt werden. In der Ver handlung will denn auch kein polnischer Zeuge etwas von einer Mißhandlung Carnap's gesehen haben, dagegen bat eine Anzahl von ihnen gehört, daß dieser Beamte den Erz bischof von Stablewski beschimpft habe. Und nicht nur beschimpft, sondern auch bedroht! Und diese letztere Aussage ist besonder» merkwürdig. Der HauScaplan ?eS Erzbischofs bat nur „den Eindruck" gewonnen, al» ob Carnap „dem Erzbischof nack dem Leben trachtete", dem dienstthuenden Bahnsteigschaffner bat sich dieser Ein druck aber bereit» zu einer sinnlichen Wahrnehmung erdichtet. Er hat vernommen, daß Carnap gerufen hat: „Lasten Sie mich durch, ich muß diesen polnischen Hund mit ?er rothen Jacke (den Erzbischof) erstechen!" Die Aussagen ter polnischen Zeugen erklären den Wahrspruch der Ge schworenen und das äußere dienstliche Verhalten des Herrn v. Carnap, dessen Beamteneigenschaft seinen Vorgesetzten :um Vorwurf gereicht, macht das Urtheil des Gerichtshofes verständlich. Aber in Opalenitza war Herr v. Carnap der Angegriffene, in seiner Eigenschaft als Beamter An gegriffene, und jene Aussagen, ein so günstiges Zeugniß sie für den Eifer der polnischen Agitation ablegen, haben nicht verhindern können, daß der gesetzwidrige, aufrührerische Sinn, den die Agitation großgezogen hat, doch in der Verhandlung auf erschreckende Weise blobgelegt worden ist. Es sind nur drei Angeklagte verurtbeilt worden, aber eS ist erwiesen, daß noch vieleAndere sich an der Mißhandlung des Herrn v. Carnap bethriligt haben, nur deren Personen konnten nicht mit aller Bestimmtheit festgestellt worden. Warum? Darum! Es kommt aber für die politische Beurtheilung des Falle- nicht darauf an, ob auS einem excedirenden Haufen drei oder fünfzehn herauSgegriffeu werden, für sie zeugt die Feststellung, daß eine durch die Anwesenheit deS geist lichen Oberhauptes der großpolnischen Bewegung fanatisirte Menge sich ohne jeden Grund — denn daß reichlich Platz war, dem Wagen v. Carnap's Durchlaß zu verschaffen, ist erwiesen — aus einen preußischen Beamten geworfen hat. Der polnische Säbel sitzt locker in der Scheide, das ist nun- mebr für Jedermann dargethan, auch für die Ultra montanen links der Elbe und die Socialdemokraten, und darum ist eS nur ein VerlegenbeitSbchclf, wenn die „Köln. Volksrtg." und der „Vorwärts" das Hauptaugenmerk aus das Vorleben de» Herrn v. Carnap zu lenken suchen und wegen der ganzen Slrafausmessung von einer „Blamage", einer „Ohrfeige" für das Deulschtbum reden. Herr v. Carnap, wir wiederholen das, hätte schon vor dem Krawall nicht auf seinem Posten belassen werden sollen, aber der ganze Verlauf der Verhandlung bietet keinen einzigen Anhaltepunct für die Annahme, daß irgend einem anderen preußischen Beamten, der durch die auch nur zufällige und ganz private Anwesenheit auf einem, von Herrn v. Stablewski mit seiner Gegenwart beehrten preußischen Babnbofe die Existenz des Staat- neben der de» „Primas von Polen" vergegenwärtigt bätte, nicht das Gleiche widerfahren wäre. Der Vorfall bringt klar zum Bewußtsein, wie weit man die Dinge in Posen hat gedeihen lassen, so klar, daß selbst ein Tbeil der freisinn igenPressc dem Eindruck der politischen Bedeutung deS Ueberfalles sich nicht entziehen kann und statt, wie sonst, in der Polenpolitik dem Centrum und der Socialdemokratie zu assistiren, der Wahr heit die Ehre giebt. So lesen wir mit großer Genugtuung in der „Voss. Ztg." folgende an die Meseritzer Schwurgerichts verhandlung anknüpfende Save: „Die Polenpolitik unserer Regierung hat leider einer Eigenschaft von jeder ermangelt, obne die eine Politik keine Erfolge erzielen kann, der Beharrlichkeit. Das Schwanken stärkte, wo es die Polen begünstigte, deren Macktstärke, und wo e» ihnen ent gegenarbeitete, deren Haß. Diese Wirkung hat sich deutlich gezeigt damals, al» Kaiser Wilhelm II. die Polen, deren Ritterlichkeit ihm gefiel, zur Regierungspartei machen zu können glaubte, und jetzt, wo seit längerer Zeit, wenn auch nicht in gleichmäßiger Weise (dies aller dings »nicht. Red. d. „L- T."), eine tatkräftigere VerwaÜigungspolitik gegen die überhandnehmende polnische Bewegung ins Werk gesetzt ist. Wie wenig die Klagen der Polen über ihre Bedrängung und Unter drückung gerechtfertigt sind, hat der Vertreter der Posener Polen auf dem Journalistentage zu Lemberg ver raten, als er erklärte, daß für die Polen jetzt das schwarz weiße Gebiet ein recht angenehmer Aufenthalt sei. Man wird die Klagen auch nicht ernst nehmen dürfen, wenn die den Polen gegenüber, die sich nicht als deutsche Staatsbürger fühlen, gehandhabte Politik einen noch entschlosseneren, vor allem aber einen beständigeren Zug annimmt . . . Al mau, die dem Deutschthum feindlichen Mächte zu sammenfassend, einen polnischen Kirchenfürsten zum geistlichen Oberhaupt der „polnischen Provinz" machte, beging man einen politischen Fehler, den wieder gut zu machen ein Jahrzehnt entschlossener und zielbewutzter Polenpolitik eine kurze Spanne Zeit ist!" Es ist sehr wertbvoll, diesen einsichtigen Betrachtungen in einem freisinnigen Organe gerade in einem Augenblicke zu begegnen, wo ein gerichtliche» Urtheil vrrliegt, das wegen seiner Milde bei oberflächlicher oder tendenziöser Betrachtung zur Verschlimmerung der polnischen Gefahr mißbraucht werden konnte und, wie wir gesehen haben, von ultramontanrr und socialdemokratischer Seite dazu mißbraucht wird. Es kommt nun daraus an, ob die Regi eru ng erkennt, waS einem parte«- tactisch oft genug getrübten Auge nicht entgangen ist. Die Antwort -es „Neichsanzeigers". * Der Telegraph meldet uus aus Berlin: Der „ReichSanz." ist ermächtigt, gegenüber den Aus führungen der „Hamb. Nachr." in dem Artikel „Die Er klärung im „Reichsanzeiger" zn erwidern: „Die Frage, von welchem Zeitpuncte ab die geheimen diplo- malischen Vorgänge den Charakter von Staatsgeheimnissen verliere», kann ausschließlich vou den leitenden Staatsmännern auf Grund ihrer Verantwortlichkeit und ihrer besonderen Kenntniß der politischen Lage ent schieden werden; jede Abweichung von diesem Grundsätze würde der auswärtigen Politik Ueberrasckungen und Er schütterungen aussetzen und damit daS StaatSinterefse ge fährden. Hat Deutschland bedingungslos die Zusage ertheilt, sowohl die That fache wie den Inhalt der vor dem Jahre 1890 mit Rußland geführten Verhandlungen geheim zu halten, so dauert die Verpflichtung für alle, die darum wissen, auch heute noch unverändert fort. Damit entfällt auch die Möglichkeit, auf den Sachiahalt jener Ver handlungen einzugehen". Der Ton dieser neuen Erklärung de» „Reichsanzeiger-" unterscheidet sich höchst vorthrilhaft nicht nur von dem Tone der biSuiarckfrinlichrn Blätter, die dem Altreichskanzler nicht nur Vertrauensbruch, sondern auch Dopprlgängigkeit vor werfen, sondern ganz besonder» vou dem Tone, den Graf Caprivi in den bekannten Steckbrief-Depeschen gegen seinen Vorgänger anzuschlageu beliebte. Der Hauptzweck der neuen Erklärung ist augenscheinlich der, da» Verlangen der „Hamb. Nachr." nach Veröffentlichung des im Jahre 1890 nicht verlängerten deutsch-russischen Assecurranz - Vertrages als unthunlich zurückzuweisen. Die Gründe dieser Ablehnung sind auch naheliegend genug: eine solche Veröffentlichung würde auch die Mittheilung der im Jahre 1890 wegen der Verlängerung deS Abkommens mit Rußland gepflogenen Verhandlungen nöthig machen, und daß eine solche Mttthri- lung nicht beliebt wird, erklärt sich zur Genüge mit der Rücksicht, welche die jetzt leitenden deutschen Staatsmänner auf die an jenen Verhandlungen betheiligt gewesenen deutschen Factoren zu nehmen haben. Im Uebrigen kann man auch diese neue Erklärung de» „ReichSanzeigerS" nur al» eine Bestätigung der Enthüllungen aufsassen. Hatte ein deutsch-russischer Asse- curranzvrrlrag nicht bi» 1890 bestanden und hätten in diesem Jahre nicht Verhandlungen wegen seiner Verlängert»»» statt gefunden, so wäre der „ReichSanzeigrr" durch keine Rücksicht der Welt gebunden und würde keinen Augenblick zögern, dies zu erklären. Der „Reichsanzeiger" bestreitet aber nichts als da» Recht de- Fürsten Bismarck, seinerseits die Frage, von welchem Zeitpuncte ab gebeime diplomatische Vorgänge den Charakter von Staats geheimnissen verlieren, zu entscheiden. Uud im Allgemeinen kann man dem „Reichskanzler" auch die Berechtigung der Forderung, daß ausschließlich den leitenden Staatsmännern diese Entscheidung Vorbehalten bleiben müsse, nicht bestreiten. Die Handlungsweise eines Staatsmannes von den Verdiensten und der polischen Einsicht des Fürsten BiSmarck will aber anders beurtbeilt sein, als die eines beliebigen Anderen. Fürst BiSmarck kennt ebenso, wie er die Verhandlungen deS Jahre» 1890 kannte, die Rücksicht, die den jetzt leitenden Staatsmännern die Mittbeilung dieser Verhandlungen und ibreS Resultates unthunlich erscheinen lassen. Da er aber auS Rücksichten auf daS Wobl und die Sicherheit des Reiche» wünschen muß, daß nach den Zarentagen in Paris Deutschland und seine Verbündeten die im Jabre 1890 geschaffene Sachlage klar übersehen, um den damals ge machten Fehler wieder gut machen zu können, so übernahm er eS, seinerseits zu enthüllen, WaS die jetzt leitende» SiaatSmänner zu enthüllen für unthunlich halten müssen. Den sehr allgemein und unpersönlich gehaltenen Borwurf, in die Rechte seines Nachfolgers ringegriffen zu haben, wird er um so gefaßter Hinnrhmen, je mehr er überzeugt sein darf, baß dieser Nachfolger bald genug Gelegenheit haben wird, die Enthüllungen als gewichtige Tbatsachen zu behandeln und sich im Stillen darüber zu freuen, daß er selbst nicht „indi»cret" zu sein brauchte. Deutsche» Reich. * Dresden, 2. November. Der sächsische Kriegs minister von der Planitz bringt zur allgemeinen Kenntniß, daß den Unterofficieren und Mannschaften dienstlich ver boten ist, sich auf Veranlassung von Civilpersonen mit dem Vertrieb von Druckwerken und Waaren innerhalb von Truppentheilen oder Behörden — seien die» nun ihre eigenen, oder fremde — zu befassen. Den Unterofficieren und Mannschaften ist zugleich befohlen, von jeder von Seiten einer Civilperson an sie ergehenden Aufforderung zum Ver trieb von Druckwerken oder Waaren ihren Vorgesetzten Meldung zu machen. 0. U. Berlin, 2. November. Wie wir hören, wird, nach dem Herr v. Wissmann definitiv Verzicht geleistet bat, der Posten eine» Gouverneur» von Deutschostafrika in allernächster Zeit wieder besetzt werden. Als Candivat für diesen Posten wird uns von vertrauenswürdiger Seite neben LegationSrath Hellwig in erster Linie der Landeshaupt mann vr. Schmidt genannt. Letzterer gehört zweifellos augenblicklich zu den besten Kennern der ostafrikanischen Ver hältnisse, da er bereit- seit 188b in Ostafrika thätig war. Herr Schmidt steht schon seit geraumer Zeit zur Disposition der Neichsregierung, ohne daß für ihn wieder eia geeignetes Feld der Thäligkett hätte gesunden werden können. Zur Zeit des Araberaufstaude» wurde vr. Schmidt al- einer der Feuilleton. Das fteiensche Meran. Von vr. Max Bogel. Meran ist so wunderbar schön, daß Jeder, der diesen Welhcurort bei günstiger Beleuchtung auch nur einmal erblickt, vielleicht den Curort, nie aber da» „Eden von Tirol" je wieder vergißt. Vergleicht man aber Meran selbst mit dem Paradies, so kann Marburg an der Drau gern für da» steierische Meran gelten. Steiermark ist eben nicht Südtirol, die klimatischen Verhältnisse vor Allem sind wesentlich andere. Und doch ist auch daS Klima in Marburg im Allgemeinen so mild, so sehr viel günstiger al» da» der schönen Landes hauptstadt Graz, daß auch in dieser Hinsicht die Bezeichnung „da» steierische Meran" gewiß nicht ungerechtfertigt erscheint. Wem die Luft in Graz zu rauh ist, der wendet sich zu dauerndem Aufenthalt nach Marburg. Wie Meran an der rauschenden Paffer» so liegt auch Marburg, malerisch aufgebaut, zu beiden Seiten der breit strömenden Drau. Und ringsherum auf ansteigendem Ge lände erblickt das Auge einen blühenden Weingarten, dessen Beeren zwar nicht die Süße der großen Bernatschtraube be sitzen, die aber immerhin ein geschätzte» Kelterproduct liefern; der heste Wein, der Pickrrner, wächst auf den Besitzungen de« Grafen von Meran. Und wie um den Tiroler Curort der Nestor der Aerzte sich unsterbliche Verdienste erworben, so bar auch ein Bürgermeister gleichen Namen» da» steierische Gemeinwesen hervorragend gefördert; Meran hat seinen Tappeinersteg, Marburg hat seinen Tappeinerplatz. Auf diesem Platze erhebt sich, umgeben von schönen Anlagen, das Monument de» größten Sohne» der Stadt, de» Vice-Admiral» Wilhelm von Tegetthoff, welche», eia Werk de» Tiroler Bild hauer» Heinrich Fuß, 1883 in Gegenwart de» Kaiser- Franz Josef I. m feierlichster Weise enthüllt wurde. E« ist die günstige Lage am Fuß de« Bachergebirges uud die glückliche Formation der umgebenden Gebirgszüge über haupt, welche den Ort gleichmäßig vor rauhen Nebeln und Winden schützen und sein relativ warme» Klima bedingen. Im Herbstschmuck ist Marbura besonder» schön, neben der Traube gedeiht da die Pfirsiche in saftiger Frucht, Aepfe! giebt e» m Hülle und Fülle, und di« Edrlkastanie tritt in förmlichrn Hainen auf. Wenn auch die Gegend rings herum früher stark entholzt wurde, so ist doch immer noch genügender Waldbestand vorhanden. Bacher- und Poßruck- gebirg«, von Touristen viel besucht, legen Zeugniß ab von ein stigem dicht«» Urwald. Ein anmuthige» Bild derStadtund ihrer mehr löblichen al- großartigen Umrahmung g«winnt man vom nahen Schapfenberg, der am besten de- Morgen» be- I stiegen wird. Für Wegweiser und Markirung de» Wege» j wird der rührige Verschönerung-Verein gewiß Sorge tragen, heißt eS ja, daß ein Restaurant aus der Höhe erbaut werden soll. Angenehm berührt e», daß die Hügel, welche hübsche Fernsicht bieten, leicht zu erreichen und die Wege dazu im Allgemeinen gut erhalten sind. Wer wenig Zeit bat, besuche nach Besichtigung der Stabt den deutschen Calvarienberg, der kaum 20 Minuten entfernt ist. Im Westen erblickt man da die Pktzen in den Karawanken, daS Bachergebirge mit dem Wolfgangthurm am gegen überliegenden Trauufer und daS weite Prttauerfeld im Süden und Südosten. In lickter Ferne schimmern noch die Warasdinerberge, der Wotsch bei PLitscbacb und der Donatiberg treten plastisch hervor, und dicht unter sich steht man die Drau mit ihren grünen Auen, die Stadt und die sie umgebenden Hügel. Marburg besitzt einen freund lichen Volksgarten, sein Kleinod aber ist der Stadtpark, der so weit und prächtig, so sinnreich auf Schmuck und Ver größerung bedacht angelegt wurde; daß wenig Orte, Graz ausgenommen, in dieser Hinsicht besser versorgt sein dürften. Und nun zur Stadt selbst, die die zweitgrößte der grünen Steiermark ist und mehr al- 21 000 Einwohner zählt, doppelt so viel als vor 30 Jahren. Bereit- im 12. Jahr hundert war Marburg in Folge seiner begünstigten Lage ein blühendes Gemeinwesen und, wa< unser Interesse besonder» in Anspruch nimmt, gleich Meran von jeher eine rein deutsche Stadt. Leider wird in der Neuzeit immer mehr slowenisirt, Bestrebungen nach dieser Richtung hin werden, wie e- heißt, von der Regierung unterstützt und die große Lehrerbildungs anstalt am Platz gilt al» eine Brutstätte deS Slowenen- thumS. Auch die Geistlichkeit — Marbura ist der Sitz des Fürstbischof» vou Lavant — ist slowenisch und die LandtagSwablrn fallen nicht zu Gunsten der Deutschen auS. Da» Baueruvolk der Umgebung versteht selten deutsch und spricht ein Slowenisch, da» von anderen Slawen kaum verstanden werden dürfte. Schwer wird e» fallrn, diesen Kernpunct germanischen Wesen» zu erdalten, dessen Bannerträger von Alter» her und heute noch der Bürger ist. In seinen Kreisen findet man deutsche» Streben und deutsche Gemüthlichkeit mit der LebenSfrrudigkeit de» Orsterreichrr» glücklich gemischt. Marburg gilt daher al» «ine angenehme Garnison, da» schöne Geschlecht wird al- besonder» schön und al» bewnder» liebens- würdig gerühmt, ohne daß eS die Grenze, ja selbst die Mlitairgrenze überschreitet. Mag nun aber auch das gesellschaftliche Leben für den Eingefübrten somit ein reckt heilere» werden können, für den Fremden ist außer gelegent lichen Concerten und winterlichen Tbeaterfreuden wenig geboten. Die befürchtete Langeweile dürft« der Grund sein, weshalb dir schöne Stadt nur wenig und selbst bann nur auf Stunden, kaum auf Tage, von Fremden ausgesucht wird und hierzu kommt noch etwa» Andere», wa» störend wirkt: die UnterkunfrSverhältnisse. Marburg hat ein „Hotel Meran" und ein „CasS Meran", beide in der Nähe vom Bahnhof. AuS LocalpatriotiSmu» bin ich an diesen Gaststätten mit dem vielverdeißenden Namen vorbrigezogen, denn WaS braucht Terjenige, welcher im „Garten von Tirol", welcher im „wirklichen" Meran wohnt, der Ironie der Nomeuclatur zu verfallen! Ich wanderte also fürbaß zum „Mohren", welcher mitten in der Stadl liegt und al» der beste Gasthof gilt. Aber auch hier unlös bare Gegensätze. Der Mohr laßt sich bekanntlich nicht weiß waschen, und am Hotel zum Mohren wurde geweißt, gebaut, gehämmert und gepocht, al» ob eine Neuerstebnng in de« Worte» verwegenster Bedeutung bezweckt würde. Und da- war auch von Nöthen! DaS Hau- ist alt, das Mobiliar auch, und wiewohl ich immer al» „Kamms au» quLt.ro epiugles" reise, d. h. bewaffnet mit vier Sicherheitsnadeln, so reichten diese doch kaum au», um da» zu kurze Bettdecklakeu und den zu schmalen Kissenüberzug so zu befestigen, daß man nicht mit den unüberzogenen Tbeilen während de» Schlafe» direcl in Berührung kam. Ja, über die Hygieine de» Bette», da ließe sich manches lehrreiche Capitel schreiben I Für Steiner'» Reformbett wird gewiß mit Recht gesunde Reklame gemacht, und daß man in Oesterreich, der Schweiz, Süddeutsckland rc. Wolldecken anstatt Federbetten führt, ist freudig zu begrüßen, nur sollten dieselben, gleich den letzteren, völlig in schneeweißen Sacküderzügen stecken, anstatt nur unten in Linnen geschlagen zu werden, welche» auf der Oder seite, und meist viel zu kurz, blo« umgelegt, selten nur an geknöpft wird. So wie e» jetzt ist, liegt man selbst in den saubersten und besten Betten gar zu bald in direktem Eontact mit dem Dunstkreis seine» „nächtlichen Vorfahren", etwa», wa» zum Mindesten unappetitlich ist. Ein solche» Bett ist eigentlich die reinste „reinliche Ironie", e» giebt auch eine „unreinliche Ironie", welche iadessrn nicht zur Sach« gekört. Also, da» Urdernachtru war bi»her ein etwa» dunkler Punct in Marburg. Inzwischen ist aber der Neubau am „Mohr" vollendet, uud in die neuen Zimmer wir auch neue» Mobiliar gebracht sein. Jedenfalls wurde ganz in der Nah«, in der „Alten Bierquelle", so regenerirrnd renovirt, daß in diesem auch al» Restaurant rmpfedlenSwerlhen Hotel Zimmer von überraschend vornehmer und vraklischer Einrichtung ge schaffen worden sind. Für die Beherbergung von Einkedren- den ist also in jüngster Zeit ein danken-werther Fortschritt erzielt, während immer noch eine gewisse WohnungSnoth für Diejenigen verspürt wird, welche sich zu dauernden Aufenthalt hier niederlassen, trotzdem jährlich einige dreißig Häuser gebaut werden. E» ist fast unbegreiflich, warum sich die Bauspeculation von Graz, wo immer >00 — 200 Woh nungen leer stehen sollen, nicht mehr nach Marburg wendet, wo ausgesprochener Mangel an solchen herrscht und wo dir- selben eben deshalb vielfach theurer sind al» in Graz. Mar- bürg wird gleich Klagenfurt immer mehr zur „PensionopoliS", e» hat vor diesem da» mildere Klima vorau» und theilt mit ihm die Eigenschaft der schönen Lage und da» zur Zeit noch billige Leben. Fleisch und allerhand Geflügel sind erstaun lich wohlfeil, so daß viel exportirt wird, aber auch Obst und Gemüse liefert die Umgebung in großen Mengen. Die Märkte, welche abgehalten werden, sind geradezu eine Sehens Würdigkeit, besonder» der Diehauftrieb ist enorm. Marburg ist nicht nur Centrum de» steierischen WeinhandelS, sondern überhaupt ein bedeutender Handelsplatz, und seine Fabriken haben europäischen Ruf. Vor Allem sind eS die Dampf mühlen und Lederfabriken, die in großartigem Maßstab be trieben werden, Selchereien, Böttchereien, Brauereien, Spiri tuosen- und Kaffeesurrogatfabriken schließen sich an. Ein Etablissement, da» Tausende von Arbeitern beschäftigt, errichtete die Südbabn in ihren besuchen-werthen Werkstätten. Die Billigkeit des täglichen Leben» spiegelt sich auch in der Verpflegung der Gasthöfe wider. Man staune: eine reichliche Portion gute» Rindfleisch kostet 18 Kreuzer, Gemüse 6 Kreuzer, ein halbe» Huhn mit Risotto 30 Kreuzer, ein balde» Brathuhn mit Beilage 40 Kreuzer, Mehlspeise («trudel, Pudding rc.) 12 Kreuzer, selbst im Casino, einem schönen luftigen Local, RenderoouS-Restaurant der Osficiere und der besseren Gesellschaft, sind die Preise bei feiner Servirung nur wenig höbrr. Da» Casino befindet sich im Theatergebäude. Hervor ragende andere Baulichkeiten sind die interessante Kathedrale, die Sparkasse, da» bischöfliche Seminar, Obergymnasium, Oberrealschule, diverse Volksschulen, daS KrankenbauS, Militair- unb Bürgerspital, eine Easerne, sowie die Wein- und Obst bauschule deS Lande». Marburg ist Sitz von Militairbehörden, zweier Bezirksgericht« und einer FinanzbezirkSdirection, e» hat Schwimmschult und Warmbad. Der Altrrthumtforscher wird in Maria Rast, einem Ort in der Nähe, ein« bedeutend« Fundgrube römischer Alter- tbümer begrüßen. Marburg ist ferner Eisenbahnknoten- punct, er liegt an der Südbahnlinie Wien - Triest, und von hier zweigt di« Route nach Kärnten und weiter nach Tirol ab. Wenn dieser ebenso wichtige wie schöne Platz trotzdem von Geschäftsreisenden zwar viel besucht, von Vergnüguagsreiseuden aber meist „überfahren" wird, so liegt die- nicht zuletzt daran, daß da» schönere, größere und viel mehr bietende Graz so naht liegt. Wer aber da» Gute nicht de- Besseren wegen mißachtet, der wird auch Marburg nebeu Graz zu schätzen wissen. Jeden falls benutze Jeder den oft mehrstündigen Aufenthalt zwischen Zwei Zügen, anstatt ihn auf dem Bahnhof zu verträumen, zu einer kurzen Wanderung durch die vormalige steierische FestungS-Stadt, die jetzt mit ihrem regen Verkehr und ihrem Kranz moderner Villen ein Bild friedlicher Bewegung und friedlicher Ruh« zugleich bi«t«t.
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