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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896110402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896110402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-04
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Hü MorMT-ffeftgah« erschrak «M '/,7 Uhr, hi, W«ch?B»4ltohk Woche«tag» u»b Uhr. Le-artion und Lrveifjtioir Johanne»,qfie 8. DieErvedifipo ist Wochrptags ft««nt,rbrftchpi g^iiort vor, srsth 8 hi« Äbrod« 7 Uhr. Filiqle«: voui« Ljisch«, Katbarrneostr. 14. vart uyv königSvlap 7« Bezugs'PreiS h, der Hauptexpeditio« oder den tm Gtadt» ALS.HA?NÄU!!L bei zweimaliger täallcher Zustellung mt Sam» S^o. Durch die Post bezogen Mr Irlltjchland und 'Oesterreich: vtrttehäbrlich -Z 8.—. Lirerte täglich» Kreuzbaadieadun- jffH «ussiuch: uwnällich 7chÜ. Abend-Ansgabe. MWiscrAgMalt Anzeiger. Amlsvkatt des ÄSniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nnttzes N«d Nokizei-Ämtes der Ltndt Leipzig. Anzeigen Preis hfe 6 gespaltene Petitzeile Pf-. Neclameu unter dem RedactiouSsirich (4ge- spalteal öO/>Z, vor den I-amilienuachrichle» (ß gespalten) 40^ Groß,» Schriften laut unjerem Preis« Urr.nchlliß. Tabellarischer und Ziffernsatz naq höherem Tarif. tzltra-veilagen (gefalzt), »ur mit d« Morgen - Ausgabe. ohne Postbeförderuag SO.—, mit Postbefördrruog 70.—. Any-Hmeschluß für Innige«: Lbead-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annabmestrlleu je ei»» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets so di« Expedition zu richten. Druck und Berlni non Polz iu Leivjig Politische Tagesschau. * Let-zig, 4. November. Wknn die „Mil.-Poljt. Corr." reckt unterrichtet ist, wird m conservativen Kreisen beabsichtigt, die vielbesprochenen neuesten „Viömarck - Enthüllungen" im Reichstage zur Sprache zu bringen- Hoffentlich bestätigt sich diese Meldung. Denn Ipenn anch aus den Erklärungen des „Reichsanzeigers" bervorgeht, daß die leitenden Staatsmänner sich für ver pflichtet halten, über das im Jahre 18A0 nicht erneuerte deutsch-russische Assecuranz-Abkommen auch jetzt noch Still schweigen zu beobachten, so wird sich dock eine Debatte entspinnen, aus der, wie wir zuversicktlick boffen, mit voller Klarheit hervorgebt, daß^ die nationalen Parteien ohne Ausnahme die Motive, die den Fürsten Bismarck zu seiner Enthüllung bewogen haben, zu würdigen wissen und, weit davon entfernt, ihm persönliche Racheabsichten unterzuschieben, die schnöden Unter stellungen eines Theiles der Presse auf das Schärfste miß billigen. Schon damit wäre viel gewonnen und den Hetzern, die gar zu gern den Kaiser und seine jetzigen Rathgeber gegen den Fürsten aufbrmgen möchten, der Voben entzogen. Beider gesellen sich dieser Art von Hetzern jetzt andere hinzu, die auS irgend welchen Motiven den Fürsten gegen den Kaiser aufznstacheln versuchen, indem sie die Meldung ver breiten, Kaiser Nicolaus hätte die Absicht gehabt, auf der Reise nach Kiel den Fürsten in Friedrichsruh zu besuchen, sei aber in Breslau von dieser Absicht ab gebracht worden. Wir verurtbeilen diese Hegversuche nicht minder sckarf, als Die, die dem Kaiser del, Fürsten im Lichte eines rachedurstigen Intriganten erscheinen zu lassen suchen, und geben uns der Hoffnung hin, daß die Hetzer beiderlei Art ihren edlen Zweck gründlich verfehlen. Erfreulich aus der einen, beschämend aber auf der andern Seite ist es, daß in der auslänbiscken Presse sich immer zahlreichere und gewichtigere Stimmen erbeben, die das Wort zur Ver- theivigung des größten deutschen Staatsmannes gegen seine eignen verblendeten Landsleute nehmen. So schreibt der „Dorr, della Sera" in einem „Bismarck — Verräther" überschriebenen Leitartikel vom 1. Novembe« „Ihr wißt wohl, die Griechen baten die Götter, ihnen den Tod „vor Sonnenuntergang" zu geben, und weniger claffiich hat man vom Cavour gejagt, daß es sein, aber nicht Italiens Glück war, bei Zeiten, in der Fülle feines Ruhms zu sterben. . . . Für einen Unparteiischen, wie wir Ausländer eS sind und sein müssen, ist eS ein trauriges Schauspiel, das man jetzt in Deutschland giebt. Bon allen Seiten ertönt ein „Haut ihn, haut ihn!" ein „Kreuzige I" gegen den Einsiedler von Friedr-chsruh. Wenn sie nur konnten, sie würden ihm Handschellen anlegen und ihn vor den Gerichtshof schleppen. ... Es schreit die öster reichische Presse super tret», es hetzt die englische, und die deutsche — anstatt ruhig die Wahrheit der Thatjochen festzustellen und den, welcher aus jede Weise der grüßte Staatsmann seines Landes war, zu vertheidigen — findet nichts Besseres zu thun, als den gestern Vergötterten zu beschimpfen und ihm „Verräther I" entgegenzu schreien. . . Nachdem der Verfasser auf den Arnim-Paragraphen hin gewiesen bat, den diese erbärmlichen Seelen am liebsten an gewandt sehen möchten, fährt er fort: „Natürlich wird es bei diesen frommen Wünschen bleiben. Trotz aller juristischen Spitzfindigkeiten, welche, wenn man will, einen Leuchtkaser für eine Laterne ansehen können, ist Bismarck zu groß in der Geschichte, zu erhaben in Millionen einfacher Herzen, welche Mittwoch den 4. November 1896. Sv. Jahrgang Wie mitgetheilt, ist auf den 19. d. M. ein Tclegirtcnlag der konservativen Partei nach Berlin einberufen worden. Ob diese Beranstaltung mit dem im October abgebaltenen von den Parteikämpsen unberührt sind, als daß es irgend einem Staojsanwalt auch nur eiusallen könnte, diesen oder jene» Para graphen aus ihn anzuwendey. Aber die Feinde Les stolzen Mannes wissen, Ipas die Achillesferse der deuticken Justiz ist, und suchen gegen ihn den Zorn dxs Kaisers hervorzurufen." Weit bedeutsamer noch als diese Stimme ist abep eine andere, die in der „N. Zür. Zsg." sich erbebt und an die geschichtlichen Vorgänge erinnert, die Len Fürsten Bismarck s. Z. zu dem Abkommen mit Rußland nölhigten, in dem selbst veulscke Bl"tter einen Beweis für Pie „Doppelzüngigkeit" des Fürsten erblicken zn dürfen glauben. Der Gewährsmann des genannten Blattes schreibt nämlich: „In dem Kriege Deutschlands gegen Frankreich hatte sich Ruß land als guter Freund Deutschlands gezeigt. Es hat auch seinen Dank dafür geerntet, indem es Lurch Lis Siege Deutschlands und dessen Bereitwilligkeit Rußland möglich wurde, in dem Londoner Ab kommen die Freiheit des Schwarzen Meeres zu erhalten, welche es ihm möglich gemacht hat, dort eine Flotte zu schaffen, die ihm bei dem Ent- jcheckunaskampse um Konstantinopel die Oberhand geben wird. Im Jahre 1871 wurde A n drassy, seit 1867 ungarstcherMinisterpräsident, gemeinsamer Minister des Auswärtigen und ging auf Bismarck's Abnckt, die Aussöhnung Oesterreichs mit Rußland zu bewirken und durch Las Drei-Kaiser-BünLniß Len Frieden Europas zu garantiren, rin. Dieses Büudniß wurde im September 1872 geschlossen und löste sich in Folge des russisch türkischen Krieges uyd Les Berliner Friedens 1878 auf. Vor dieieni Knege wurde 1876 zwischen Oesterreich und Rußland jenes Abkommen in Reichenberg geschlossen, durch welches Oesterreich für seine Neutralität während des Krieges die Aussicht auf Bosnien erhielt, ein Abkonimen, von welchem Deutschland jedenfalls erst viel später Kenniniß bekam. Die Aussöhnung Oesterreichs mit Ruß land war also Las erste Ziel Bismarck's gewesen. Die Stellung Deutschlands war aber bald eine sehr schwierige geworden, denn Österreich stützte namentlich unter Kalnoky seine Lage aus, um nicht blos sich mit Rußland aus einen guten Fuß zu stellen, sondern zugleich auf Rußland durch Deutschland zu drücken, wenn es ihm vonheilkaft schien. Im Nov mber 1886 sprach einmal An drassy (der bekanntlich 1879 noch vor Lein Ab schlüsse des österreichisch-deutschen Bündnisses, da« Kalnoky abge- schlossen, zurückgelreten war) über dieses Bündniß und sagte (ich citire wörtlich aus den Verhan dlungen jener Zeit): „Die Folge dieser unnatürlichen Stellung (Deutschlands zu Oesterreich und Rußland) war, daß das peinliche Geschäft der fortwährenden Arhitrativn zwischen den beiden Bundesgenossen auf Deutschland von Tag zu Tag mehr drücken mußte; so kam es, daß Deutschland, welches sich in Balkan fragen nicht erst jetzt, sondern schon in Berlin für neutral erklärte, Rußland gegenüber demnach in eine schwierigere Lage kam, als wir es waren, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil, wenn ein Staat einem andern gsgenüber in einer Frage Widerstand leistet, in der er selbst betheiligt ist und daher sozusagen nach dem Gebote der Eelbsterhaltung handelt, dies viel weniger übel genommen werden kann, als wenn er dieses nicht in feinem, sondern im Interesse eines Andern thun soll- Kurz, infolge der Schwierig keiten dieses Verhältnisses zu Dreien kam Deutschland nach meiner Ansicht in eine so ganz unmögliche Stellung, in welcher auch die Ausnahmestellung des Fürsten Bismarck und seiner — ich kann es nach langjähriger Erfahrung mit fester Ueberzeugung bestimmt be- Haupte» — nach beiden Seiten hin gleich ehrlichen Vermittelung nickt mehr genügen konnte. Die Alternative oder vielmehr das Dilemma, vor welckes sich Deutschland ge- stellt sand, ist folgendes: Entweder hätte eS ausschließlich unsere Interessen im Oriente mit aller Energie zu Len seinig- n machen und die Auffassung Rußlands gar nicht l» Betracht ziehen müssen; in diesem Falle hätte Fürst Bismarck als Kanzler des deutschen Fehler begangen, indem er das deutsche Reich in erster Linie dorthin gestellt hätte, wo es .ti°„ "'>* vom Standpunkte der deutschen Inter- " °d°r - d" Bundestreu, beurteilen - nur in zweiter Linie zu stehen berufen war, oder er thut dieses gelingt, Rußland zur Nachgiebig- mutz er es versuchen, mit allen ihm zu Gebot Auslassung zuwiderlaufenden Druck auszuuben, und dann begeht er keinen geringeren Fehler Uch der G suhr aussetzt, das Bündn.ß der beiden .ss" Deutschland und uns in gleichem Maße nothwendtg iit, zu erschüttern." Das ist nur eine Probe für die Wirren und Schwierigkeiten jener vvd p'ver Uubeiangene wird sagen müssen, daß die Garantie, Ve rräBußland verlangte, durchaus nichts Verrathernches gegen Oesterreich, aber etwas recht Nothwendiges für Deutschland war. Jetzt hat jede ruhige Erwaiuna der damaligen Verhältnisse ausgehürt Nur der wüthende, ttiatzloie Haß gegen Bismarck lodert in haushohen Flammen aus und Niemand scheint daran zu Lenken, daß er durch solche Schmähungen das deutsche Volk vor Len Augen der Welt und vor denen eigenen herabsetzt." Ten Vorwurf des „Lap desverrathes". der dem Fürsten wegen feiner Enthüllung gemacht wird, entkräftet übrigens wider Willen die „Franks. Zig.", indem sie die Frage aufwirft: „Wer kann dem entlassenen Fürsten Bismarck von dem nach ,einem und seines Sohnes Rücktritt erfolgten Vln er vielen Rußlands, den geheimen Vertrag zu ver- langern, und von der Weigerung Deutschlands, daraus einzugehen, Mittheilung gemacht haben?" Mit dieser Frage weist das Frankfurter Demokratenblatt auf den höchst gewichtigen Umstand bin. daß Fürst Bismarck gar nichts enthüllt hat, was während seiner Amtsführung sich zugetragen und was er also als Staatsg^beimniß auszusaisen gehabt hätte. Die deutsche oder die russische Quelle, die ihm von diesen Vorgängen Miitbeilung machte, hat jedenfalls diese Vorgänge nicht als S t a a l s g e b e i m n iß be trachtet. Tas sagt man sich jedenfalls auch an der maßgebenden Stelle in Berlin und hütet sich daher sorgfältig, gegen den Fürsten einen Vorwurf zu erbeben, den ;u conllruiren die „Köln. Ztg." und verwandte Blätter als ihr ureigenstes Verdienst in Anspruch nehmen können. Je sorgsamer aber der „Reichsanzeiger" vor einen« un bedachten Vorwurfe sich gehütet hat, um so mehr mußte es auffallen, daß die als Organ der badischen Negierung geltende „Karlsruher Zeitung" in tadelnden Aus lassungen gegen den Fürsten sich erging. Zu unserer Freude wird nun aber in der Münchener „Allgem. Zeitung" von einer der badischen Regierung nahestehenden Seite erklärt, daß diese Regierung keine Veranlassung sehe, in einer Sache, „die sich so ausgesprochen als Reichsangelegenbeit qualisicirt, von sich aus Stellung zu nehmen". Das ist deutlicy genug. Wümckenswerth wäre es, daß auch die großherzoglich wei- marische Regierung feststellte, sie habe keinen Aulheil an den Auslassungen der „Weimar. Zlg." und ihrer jeden- salls mehr unbedachten als böswilligen Betbeiligung an dem Verdammungsgeschrei wider den Fürsten Bismarck. Delegirtentage der nationalliberalen Partei zu vergleichen sein wird, ist noch nicht klar ersichtlich. Während dieser — außer von den Reicks- und LandtagSabgeordneten, sowie den Mitgliedern des Eentralvorstandes der Partei — von all sicm durch die Vereine neugewäblten Mandatslrägern der Partei genossen im Reiche gebildet war, hat man von Wahlen zum conservativen Delegirtentage nichts gehört. Auch die Wahl Les Versanimlungslocals, eines nicht übermäßiggeräumigenZim uiers im ReichstagSgebäude, spricht nicht für die Annahme, daß ein Parteitag, der diesen Namen verdient, in Aussicht genommen sei. Für den nationalliberalen Delegirtentag war es nicht leicht, in Berlin einen hinreichend großen Saal zu finden. Jedenfalls besteht ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Veranstaltungen insofern, als der nationalliberale Delegirtentag vorder ausgeschrieben wap, den Conservativen im Reiche aber zur Besprechung der Lage ihrer Partei nur eine sehr Iur;e Spanne Zeit gelassen ist. Bei den Nationallibcralen batte das Parteiorgan ausdrücklich zur Erörterung der inneren Parteisragen in Len Vereinen und in der Presse aufgefordert, nud diesem Verlangen ist in ebenso ausgiebiger wie förder- samer Weise entsprochen worden. Von den conservativen Blättern hat unseres Wissens npr die „Kreuzztg." neuerrings tie Gesammtlage der Partei einer Betrachtung unterzogen; sie ist Lasur von dem Organ des Bundes der Lanbwirlhe eines unnolhigen und gefährlichen Beginnens geziehen worden. Immerhin bieten die zwei Wochen bis zum „Delegirtentag" noch Zeit zu einem regen Meinungsaustausch. „Zu sagen" baden sich die Eonservativen mebrals die Nationalliberalen; denn während diese in Len eigentlichen politischen Fragen immer einig gewesen sind, giebt es unter den Eonservativen recht zahlreiche politische „Nuancen", und das Skelet der wirth- schafispolilischen Meinungsverschiedenheit- hat die conser- vative Partei trotz anscheinender Geschlossenheit eben auch im Hause. Ueber den Antrag Kanitz hat man selbst dort, materiell wie taktisch, nicht überall die gleiche Ansicht, und es hätte einer von der „Kreuzztg." sehr schmerzlich empfundenen Aeußerung des Oie. Weber in München-Gladbach nicht bedurft, um der Welt zu wissen zu thun, daß viele Eonservalive das Project der Verstaatlichung der Ge treideeinfuhr nur als ein politisches AgitationSmittel zur Er regung der Massen benutzen und andere Parteimitglieder solche Demagogie nicht billigen. Aber nickt nur über den Antrag Kanitz, sondern über die ganze politische Methode, soweit sie bei der Agrarpolitik einsetzt, gehen die Meinungen auseinander. Die Absicht, wieder in die Bahnen der Mäßigung einzulenken, ist von mehr als einer Seite und auch in der „Kreuzzeitung ' angedeutet worden. Viel leicht ist es dieser Sinnesänderung zuzuschreiben, wenn gestern der neueste Hetzarlikel des Herrn Ring-Düppel in der „Deutschen Tageszeitung" erschien und nickt in dem leitenden Parteiorgane, das sonst dem extrem agrarischen Agitator be liebig viel weißes Papier zur Verfügung gestellt hatte. Wie der Präsident des Bundes der Landwirthe Mitglied der con- servaliven ReichStagSfraction ist, so gehört Herr Ning der preußischen Landtaassraction der Partei an; man kann Beide also nicht nur als Mitglieder des Bundes «»spreche», sondern muß sich mit ihnen als Parteigenossen auSeinandersetzen, wenn man sich überhaupt agrarpolitisch auSeinandersetzen will, oder richtiger, wollen zu dürfen glaubt. Es ist das zu be zweifeln. Aller Vermuthuiig nach wird der „Parteitag", wie früher in einer Rede des Herrn v. Manteuffel „gipfeln", in der vorzugsweise die Nationalliberalen krilisirt werden und FeniH-tsn. Die Schul- -es Fürsten Nomanskoi. 31j Roman von Cour. Fifcher-Sallstein. Nachdruck »ertöten. Die rothbaarige Ljubotscha schrie und patschte in die Hände wie besessen, offenbar hatte di« Person in der Leute stube, die zum Schnapsladen geworden war, zu vielen Grog getrunken. Neben anderen Dirnen drängten fick auch die der Frau Gräfin so unangenehmen Pferdeknechte, Wassili, Philipp und Wolodja hinzu. Wer ist denn nur angekommen, daß Alles so in Aufruhr gerätb? Ein schlanker junger Mensch in warmem neuem Ueberrock fällt der Gräfin besonders auf. Jetzt kann sie ihm endlich in daS angenehme, von der frischen Luft gerölhete Gesicht sehen, erkennt den Studenten Michael Jasmorin und tritt wie beleidigt vom Fenster zurück. „Also doch," sagte sie zu Natascha, die im Zimmer ge blieben war, „der Anschlag deS Grafen Jlija Andrei war von langer Hand vorbereitet, man hält die Sache für so vollständig reif, daß dieser junge Mensch, — ick meine den Studenten, der sich einmal um die Stelle als Vorleser be warb, — den Muth hat, ins Schloß zu kommen. ES ist gar kein Zweifel, daß auch Lidia mit in diese Verschwörung verstrickt ist. Man hat mich hintrrgangen. Welch' eine Welt, der Bräutigam verschachert seine Braut!" Sie hatte inzwischen ihren Sessel wieder erreicht, setzte sich nieder und versteckte sich fast in ihren großen Pelz. „Ich bin für den jungen Menschen niemals zu sprechen, Natascha, Niemand soll mich belästigen!" „Ich werde Niemand vorlassen", lispelt Natascha. „Lidia soll kommen, ich will mit ihr sprechen! Immer war ihr mein« Liebe und meine Fürsorge eine Last, ich wußte eS längst, aber noch immer war eS mir gelungen, ihre Wider spenstigkeit zu brechen, und ich will eS heute zum letzten Mal« versuchen, sie zur Lernunst zu dringen." Natascha eilte fort. Unter der Thür begegnete ihr Iran, der fick m Heller Aufregung befand. Sie trat wieder inS Zimmer zurück und wollte hören, was er zu berichten habe, denn neugierig war Natascha immer. „Mit Ihrer gütigen Genehmigung, Fra», Gräfin, Graf Michael MatscherSkofi, Gräfin MatschcrSkoff, Maria Feodorowna, Sonja Petuschkiwna!" Die Gräfin Slroganowna saß Augenblicke hindurch wie versteinert da. Wie eine schwache Greisin rang sie mit einem Entschluß und schien ihn nicht fasten zu können. Da öffnete sich von außen die Thür und die Angemeldeten traten in das Gemach. Wie ein Gebilde auS Wachs saß die Gräfin da und wußte nicht, ob sie nickt wenigstens der Petuschkiwna die Hand entgegenstrecken sollte oder nicht. Achtzehntes Capitel. Jlija Andrej Matsckerskoff ritt nicht so allein und welt verlassen, wie man meinte, über daS weite Schneefeld hinweg, über daS ein naßkalter Sütoft fegte, sondern die WolsSheerde seiner Gedanken zog hinter ihm nach. Er macht« auch gar k«inen Versuch, sir abzuschütteln, sie los zu werden, sondern «r ließ sich von ihnen jag«n wie ein Wild, daS da weiß, daß «S kein Entrinnen aus dem geschlossenen Kreis des Geheges giebt. Nachdem er d«n Park mit seinen Banmriesen verlaffen, reitet er langsam dem Urwald entgegen, wie «in Mensch, dem die Begriffe über Zeit und Ziel abhanden gekommen. Ueberall hin schweift sein Blick, nur nickt rückwärts. D«r Gaul unter ihm scheint einschlafen zu wollen. Nichts entgeht der Aufmerksamkeit deS Grafen, jedes Reis, daS unter der Schneedecke hervorragt, da« Schreien der Raben Uber seinem Haupte, das Glitzern der Schneekrystalle, auf die da« Pferd den Huf setzt, wird mit geschärftem Interest« gewUrdigt. Das Thier steht jetzt still, wendet den Kops und möchte sein«« Reiter heimwärts tragen, aber wild fährt in demselben Moment Jlija Andrej au« seinen Betrachtungen auf, reißt da« Pferd herum, tritt ihm in die Weichen, so daß daS ge ängstigte Thier aufbäumt und wie vom Bogen geschnellt in di« Ferne jagt. Der wilde Ritt thut ihm Wohl, ja er ist ihm Bedürfniß und darum ist er gewillt, ibn fortzusetzen, so lanae daS Pferd unter seinem Leibe sich auf den Husen halten kann. Sein Blut wird durcheinander gerüttelt, die Pupillen weiten sich und eS scheint ihm zu gelingen, sich über all da« hmauSzusetzen, dem er glaubt verfallen zu sein. Er sieht einen Reiher sich stolz au- dea Sümpfen er heben. Wozu da-, ruft Jlija Andrej auS, in den Sumps muht Du doch wieder zurück! Es ist gar kein Unterschied zwischen einem Adler und einer Schnecke, deide kommen nach Vollendung ibrrr Jagd nach dem Glücke an demselben Ziele an. Da- Leben ist ein Tovtentanz, fahrt Jlija Andrej fort, wozu wird er aufgrsührt? Und wie wohl ihm diese Betrachtungen thun! Ein ironische« Lächeln umspielt seine Lippen und dabei empfindet er einen wahren Durst, diese Betrachtungen weiter zu spinnen. Da« W«rden ist eine Schuld, von der da« Vergehen uu« erlöst. Der Muthige führt diese Erlösung herbei, sobald e« ihm gefällt, der Feige wartet, bis diese Zerbröckelung ein tritt, mit Zittern und Zagen. In diesem Sinne ist der Mörder der Erlöser seines Opfer«. Und dieser Gedanke erhebt sich in ihm zum Dogma, bringt ihn wieder seinem Onkel Stepan Wassilitsch näher und versöhnt ihn mit diesem. Die Nüstern des Pferdes sind mit Sckaum bedeckt, das Fell des Renners wird dunkel und unter der Satteldecke hervor rinnt schon der Schweiß. Und immer noch stürzt es weiter in wilder Hast, als ob es sich vor seinem Reiter entsetze. Endlich ist der Wald erreicht. Neue Bilder dringen aus Jlija Andrej ein. Keuchend suckt da« Tbier seinen Weg durch das wildverwachsene Nicdergebölz. Dem Grafen ist eS einerlei, wohin sein Roß ibn trägt, ebenso wie es ihm gleichgiltig ist, wohin seine Gedanken ihn jagen. Da, wo daS Pferd unter ihm zusammenbricht, wird die Schuld gesühnt, blüht ibm daS Vergeben und die Erlösung. „Guten Morgen, Jlija Andrej!" ruft jetzt eine harte, raube Stimm« au« dem mit Schneebärten bebangrnen Gebüsch brrvor, „blickt rückwärts, hierher, ich bin«, Ihr alter Iwanowitsch Librandij. Sah Euch über die Kuhfelder herüber reiten und weiß, Jbr sucht mich." D«r Graf wendet den Kopf, und zu gleicher Zeit steht mit einem Ruck das Pferd stille, wir wenn ihm ein Gespenst in dir Zügel gefallen wäre. DaS verschlungene Gehölz knackt, die Ruthen und Ranken werden auseinander gezerrt und em großer, hagerer, einäugiger Mann, iu ein prachtvolle« Bären fell gekleidet, tritt bervor. Der Pelz ist nicht gefüttert, er hat da- Fell selbst dem Meister Petz vom Leibe gezogen, e« gegerbt und zurecktgenäht. Dir Pelzmütze sitzt ihm bis über die Obren auf dem Kopfe. DaS wild verwachsene Gencht zeigt einen gutherzig«» Aus druck, als er sich da dem Grafen nähert. Diesem ist e« nickt recht, daß der alte Bärenvater, dem der Zar Alexander I. so manche Aufmerksamkeit zu Tbeil werden ließ, ihm in drn Weg tritt. Die Fragen, die der Förster sicherlich an ihn stellen wird, sind ihm unangenehm. „Ab, Ihr seid eS, Iwanowitsch." Fester ergreift Jlija Andrej die Zügel seine« Rosse-, eS scheint, daß er dem Reitthier in d,e We.ch«n treten will, um davon zu jagen, «in«rl«i wohin, aber er zögerte, griff dann unter drn Rock, nahm seine golden« Uhr hervor und warf sie dem Alten zu. „Nimm, Iwanowitsch, da« Ding da habe ich Euch von mriner Rrise um die Welt mitgebrach», «in Andenken bin ich Euck schuldig. Nun aber lebt wohl, ick bade «S eilig." Der Förster bückt sick nicht nach drr Uhr, di« vor ihm im MooS liegt, sondern, fest daS Gewehr mit drr Hand umklammernd, schüttelt er den Kopf; der junge Herr gefällt ihm nicht. „Ihr babt es eilig? Wohin Jlija Andrej, so ganz ohne Waffen? Meine Bären sind unruhig seil dem Schnee fall. Die Wölfe rotten sich schon zusammen und streifen umher. Steigt vom Gaul herunter, ich will das Thier führen, wir sind weit ab vom Forslbaus." „Laßt mich in Ruhe mit Eurer Besvrgniß, Iwanowitsch Librandij", brauste der Graf ärgerlich auf, „zudringliche Menschen waren mir immer verhaßt! Die Wölfe kommen mir gerade angenehm. Ich reite dahin, wo wir Alle einmal Hinreisen müssen, nach Hause, wenn man will." Er zerrte an den Zügeln seines Pferdes und trieb eS durchs Gebüsch. Der Alte griff die Uhr vom Boden auf und folgte ihm nach. „Ich sebe es jetzt selbst ein, daß Ihr nicht gesund seid ', rief Iwanowitsch hinter ihm drein, „ich wollte es nickt glauben, damals, als man es mir sagte, und das geschah, als der Fürst in die Grube gesenkt wurde. Nun sebe ich's selber ein. Steigt ab, Jlija Andrej, ich will Euch beistehen." Ueber die Lippen des Grasen wälzte sich ein unheimliches Lachen. „Bleibt doch zurück, alter Narr, ich reite ja zum Doctor, der mir nur allein helfen kann." Er batte eine Lichtung gewonnen und jagte jetzt wie toll über diese hinweg. „Er hat den Verstand verloren, er reitet in den Tod", ruft der Förster aus, ich schieße ihm das Pferd unter dem Leib zusammen, und dann ist er mein!" Aber der halbwilde Mensch schreckt selbst vor dieser Tbal zurück. Weit reitet er doch nickt in dem Nictergchölz und dort drüben beginnen die Sümpfe, man muß ihn embolen und kann ihn dann, wenn« nölhig ist, mit Gewalt nach rem Herrenhause zurückbringen. Und er rennt ihm nach durch Dick und Dünn. Die Dornen reißen ihm die Mütze vom Kopfe, der Pelz bleibt im Gebüsche hängen, was fragt er darnach? Er sieht sich vor eine Aufgabe gestellt, der er L«ib und Seele widmen muß. Und immer toller stürmt er weiter hinter dem jungen Herrn von Sl«kok drein. Daß so viel Kraft und Ausdauer noch in feinen alten Knocken sitze, da« hätte er selber nickt ge dacht. Es ist nur gut, daß der Reiter vor dem Röhricht der großen Sünipfe Hal« machen muß, und dort werden sie Zu sammentreffen, der Gras und sein alter Förster. Gott im Himmel, warum wurde er auch nach Indien geschickt. Eine solche Krankheit holt man sich nur im Aus land! Wenn das Stepan Wassilitsch erlebt batte Lo reich zu sein, wie der junge Erbe, und doch kein Glück!
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