01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961112018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-12
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Oxtrn-Veilagkn (gefalzt), nur mit der vtoraeii - Ausgabe, ohne Postbeförderuag SO.—, mn Posidejorderung ^ll 70.—. Anzeiger. Amlsötatt des Äönigkichen Land- «nb Amtsgerichtes Leipzig, des Natlses und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Donnerstag den 12. November 1896. Annahmeschlub für Anzeigen: Nbend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. «ei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au di« Gxpeöttton zu richte». —« » Drut und Berlin von E. Bolz in Leipzig W. Jahrgang. Zur Geschichte -es -cutsch-russlschen Neutraiitätsvertrags von 1884. Schon kürzlich haben wir darauf hingewiesen, daß die Enthüllungen der „Hamb. Nachr." über den vom Fürsten Bismarck zur Sicherung Deutschlands gegen einen Angriff Frankreichs mit Rußland abgeschlossenen Neutralitätsvertrag die Welt nicht so sehr überrascht habe» würde, wenn sie ein besseres Gedächtniß hätte und einer Enthüllung des Londoner „Standard" aus dem Jahre 1884 sich erinnerte. Ver lieft man sich in die Geschichte dieses Jahres, so gelangt man zu der Ansicht, daß damals der Abschluß eines solchen Vertrages ein für alle Welt sehr durchsichtiges Geheimniß war. Verfolgt man daun die Ereignisse der folgenden Jahre und erinnert sich jenes von Herrn Stöcker dem damaligen Chefredakteur dcr „Kreuzztg." v. Hammerstein eingegrbenen Planes, das M i ß t r au e n des Kaiser» gegen den Fürsten Bismarck zu erregen, ohne daß der Kaiser es merke, so eröffnet sich auch ein interessanter Einblick in einen Theis der Machinationen, deren Folge im Jahre 1890 kie Nichterneuerung jenes Abkommens war. Nachdem am 9. September 1881 — zwei Jahre nach rem Abschlüsse des deutsch-österreichischen Bündnisses — Kaiser Alexander III. dem hochseligen Kaiser Wilhelm I. den ersten Besuch in Danzig gemacht, am 18. und 19. November 1882 Herr von Gier« den Fürsten Bismarck in Barzin be sucht und diese Besuche am 14. und 15. November 1883 in Friedrichsruh wiederholt, am 28. November desselben Jahres der Kaiser beim Empfang des Präsidiums res preußischen Abgeordnetenhauses von den „überraschend guten Beziehungen zu Rußland" gesprochen, im Teccmbcr ein russisches Ge schwader Leu deutschen Kronprinzen bei seiner Einschiffung in Genua nach Spanien begrüßt batte und im Februar nächsten Jahres Fürst Orlow als Botschafter von Paris nach Berlin gekommen war, tauchten in diesem Monate die ersten leisen Gerüchte von einem Abkommen zwischen Deutschland und Rußland auf. Bald wurden sie lauter und sicherer. Ter „Standard", der schon kurze Zeit nach Ernennung des Fürsten Orlow zum russischen Botichafter in Berlin mit- getheilt halte, daß zwischen Deutschland und Rußland schrift liche Abmachungen stattgcfunden hätte», theilte bald darauf den Inhalt dieser Abmachungen übersichtlich, nach Para graphen geordnet, mit. Es mochte das wohl ein mehr aus der diplomatischen Situation combinirter, als correcler Text sein. So wurde er denn auch Lurch das Organ der russischen Diplomatie, das „Journal Le St. Petersburg", und daS Organ des Reichskanzlers, die „Nordd. Altg. Ztg.", dementirt. Das geschah aber in milder Form. Das russische Organ sagte: „Ter „Standard" veröffentlichte diejer Tage ein Telegramm aus Berlin, welches den angeblichen Text eines Vertrages enthält, der zwischen Rußland und Deutschland abgeschlossen fei. Die so offen wnstaiirte Herzlichkeit der Beziehungen zwischen den benachbarten Reichen konnte nicht verfehlen, Erfindungen dieser Art ins Leben zu rnsen, und man braucht kein großer Schristgelehrter zu jein, um die fünf Artikel dieses angeblichen PacleS in die Welt zu setzen. Tic „Agencc Havas" hat in einer Kötner Correspondenz sich bemüht, sic ernslyasl zu disculiren, um zu dem Ergebniß zu gelangen, daß teine Lieser Vertragsbestimmungen glaublich sei, da kein Grund für ihre Ausstellung vorliege. So verhält es sich in der That, und wenngleich der Eorrespondent des Pariser Blatte» Gründe anführt, die wir uns wohl hüten uns anzueignen, fo ist doch jein rund heraus negativer Schluß correct." Darauf ließ sich die „Daily News" aus angeblich russischer Quelle von Paris melden, daß zwar keine Allianz zwischen Rußland und Deutschland geschaffen sei, aber daß Fürst Bismarck, der seine Gesundheit erschüttert sehe und das deutsche Reich zu consolidiren wünsche, während er noch die Kraft Lazu besitze, in hohem Maße bestrebt sei, zu einem Einverständniß mit Rußland zu gelangen. In Frankreich herrschte große Unruhe. Sie blickte auch durch die BeschwichligungSarlikel hindurch. Die „Agence Havas" ließ sich angeblich auS Köln folgende Mittheilungen über die Annäherung Rußlands an Deutschland telegrapbiren: „Im Hinblick auf die so verschiedenen und so unwahrscheinlichen Behauptungen, die bezüglich der Annäherung Deutichlands und Rußlands ausgestellt worden sind, ist es nothwendig, nochmals zu versichern, daß man bis aus Weiteres in dieser Evolution die ein- fache osficielle Annäherung zweier Länder erblicken muß, deren Bevölkerungen vielleicht nicht immer große Gemeinschaft oder eine ausgeprägte Shmpathie an den Tag gelegt haben, deren Sonveraine und Regierungen jedoch überzeugt sind, baß kein ernsthaftes Motiv, kein politisches Interesse im Innern wie im Auslande dafür vor handen ist, einander zu bekriegen. . . . Diese Annäherung hat nicht-, was Frankreich erschrecken könnte. Der Wahl des Fürsten Orlow, welcher dreizehn Jahre hindurch in Parts gelebt hat und während seiner neuen Mission die Wcrthschntzuiig und den Rejpect nicht vergessen kann, die er in Frankreich gewonnen hat, ist einer der besten Beweise für jene An nahme. ltebcrdies muß man diese Annäherung als ein eminent friedliches Anzeichen betrachten. . . . Die Annäherung war un vermeidlich. Rußland sand sich durch den deutschen Coloß, der an seiner Seite entstanden war, gewissermaßen gelähmt. In jeder der inneren oder äußeren Fcaqen war die russische Regierung ge- zwungen, ehe sie eine auch noch so unbedeutende Entscheidung traf, sich zu fragen, ob der oftmals mürrische Nachbar nicht in seinen Interessen getroffen werde, ob er nicht Schwierigkeiten machen würde." Indem Vie officiöse Depesche dann die Correspondenz LeS „Standard" erörterte, welche vorgab, die Klauseln eines zwischen Deutschland und Rußland abgeschlossenen Vertrages millheiien zu können, hielt der Gewährsmann der „Agence Havas" dafür, daß kein formeller Vertrag abgeschlossen zu sein brauche, sondern nur ein persönliches Einvernehmen, daS bei der Unterredung des Fürsten BiSmarck mit Herrn von GierS in Friedrichsruh erzielt wurde. In Wien gab die veränderte Stellung zwischen Deutsch land und Rußland Anlaß zu Kundgebungen mancherlei Art. Die Ofsiciöscn, die anfangs ein etwas verstimmtes Gesicht gezeigt, sammelten sich aber schnell und fanden, daß alle« aus das Beste geordnet sei. Im September desselben Jahres fand die Drei-Kaiser- und Drei - Kanzler - Zu sammenkunft in Skierniewice statt, wo unter allen Anwesenden volles und herzliches Einverständniß herrschte. Der Stachel, den der geheime deutsch-russische Vertrag für argwöhnische Gemütber gehabt hatte, war abgebrochen. Der Vertrag übte in den nächsten Jahren seine Wirkung in hervorstechenden Zügen au». Im Anfang October 1885 besuchte der russische Minister den deutschen Kanzler wiederum in Friedrichsruh. Im August 1886 verkehrten beide Minister in voller Intimität in FranzenSbad und am 3. September desselben JahreS war Herr von Giers wiederum in der Wilhelmstraße in Berlin beim Reichskanzler zu Besuch. Daß die vertrauensvollen Beziehungen, welche diesem persönlichen Verkehre zu Grunde lagen, bis zum November 1889 andauerten, bezeugen die beiden Besuche Kaisers Alexander HI. — der eine mit, der andere ohne Gemahlin — in Berlin und die rückhaltslose Kund gebung des Vertrauens, welches der russische Monarch in die deutsche Politik zu setzen erklärte, so lange Fürst Bis marck dieselbe leite. Sellen ist ein Vertrag mit einem so pomphaften Apparat von Festlichkeiten, Diptomaten-Bezegnungen und Monarchen- Besuchen inscenirt worden, als der vom März 1884. Am siebzigjährigen Gedenktage der Schlacht von Bar-sur-Aube, wo Kaiser Wilhelm al« jugendlicher Prinz unter den Augen seines Vaters zum ersten Male dem feindlichen Feuer sich aussctzte, empfing der Kaiser eine russiiche Deputation unter Führung des russischen Großfürsten Michael Nikolajewitsch, welche ihm die Glückwünsche des Kaisers Alexander HI. zu der vor 70 Jahren erfolgten Verleihung des St. Georgenordens überbrachte. Nicht nur das Regiment Kaluga, in dessen Reihen Kaiser Wilhelm sich vor 70 Jahren jene Auszeichnung erwarb, wollte durch eine Deputation am Schlacüttagc von Bar-sur-Aube dem greisen Herrscher seine Glückwünsche darbringrn, sondern es wurde bei dieser Feier auch die Ritterschaft des GeorgenmvenS selbst durch Ritter aller seiner Classen vertreten. Repräsentant der ersten Elasse war der Feldmarschall Großfürst Michael Nikolajewitsch, der als Obercommanvirender gegen die Tücken auf dem asiatischen Kriegsschauplatz den genannten Orden nach dem Fall von Kars erhielt, somit eher als sein älterer Bruder, der Großfürst Nikolau», dem er erst nach dem Fall von Plewna zu Tbeil wurde. Die zweite Clafse war durch General Gurko, de.> Generalgouverneur von Polen, vertreten, die dritte durch den Commandeur deS GardecorpS, Graf Schuwalow, die vierte durch den Commandeur des Leib- Garde-NegimentS Preobraschenski, General der Suite Fürst OboleuSki. Im Saale veS königlichen Palais zu Berlin fand am 27. Februar ein politisch-militairischeS Fest statt, wie es in den Zeiten unzweifelhafter Intimität zwischen den Hofe» von Berlin und Petersburg kaum ein Gegenstück hatte. Der von dem General von Gurt'o bei dem kürzeren Diner in dem kaiserlichen russischen BotschaftSpalaiS auf die deutsche Armee auSgebrachte Trinkspruch hatte folgenden Wortlaut: „Durch meine Stellung in naher Nachbarschaft von Preußen residirend, habe ich die Ehre, Ihnen vorzuschlagen, aus das macht volle deutsche Heer zu trinken, für welches ich die höchste Werth schätzung und tiefen Rcspect hege. Den würdigen Vertretern dieses tapferen Heeres spreche ich meinen herzlichsten Dank aus für den liebenswürdigen Empfang und die warme Gastfreundschaft, welche uns hier zu Theil geworden sind. Ich leere mein Glas aus das Glück des deutschen Soldaten." Dieser Trinkspruch des Generalgouverneurs von Polen auf die preußische Armee war um so charakteristischer für die Situation, als dieser tapfere Truppenführer zum Erben Skobelews gestempelt worden war. Den militairischen Festlichkeiten in Berlin war die Mission des Fürsten Dolgoruki in Friedrichsruh vorausgegangen. Man konnte annehmen, daß sie sowohl, als die spätere Anwesenheit des Grafen Waldersee in Petersburg im Zusammenhänge stand mit der Ordnung der militairischen Grenzverhälinisse, welche noch jüngst den Anlaß zu so weitgehenden Befürchtungen ge geben hatte. Im April deS Jahres 1884 brachten die Seebandlung und Bleichröder eine russische Anleihe auf den Markt. Dazu kam, daß bereits seit dem Monat Januar Graf Herbert Bismarck in die deutsche Botschaft in Petersburg eingetreten war. Die Symptome eines vollständigen Um schwungs der deutsch-russischen Beziehungen wurden endlich gekrönt durch die Reise des Prinzen Wilhelm zur Feier der Großjährigkeit deS russischen Thronfolgers. Der Prinz überbrachte die Glückwünsche deS Kaisers Wilhelm und die höchsten preußischen OrdensauSzeich- nungen, den hohen Orden vom Schwarzen Adler nebst dem eu sautoir zu tragenden Großkreuz des Rothen Avler- Ordcns. Die die Abreise des Prinzen begleitenden Umstände zeugten von der Wichtigkeit, die in Berlin derselben gegeben wurde. Der Prinz halte am Tage zuvor eine lange Con- ferenz mit dem Fürsten BiSmarck. Am Abend des 15. Mai begab er sich nach dem königlichen Palais, um sich von dem Kaiser zu verabschieden. Der Besuch bei demselben dauerte fast Cst- Stunde. Die dem Prinzen mitzugebenden In* structionen wurden sorgfältig erörtert und der junge Diplomat mit der vollen Würdigung seiner hoben Mission erfüllt. Auf dem Bahnhöfe waren der russische Botschafter Fürst Orlow, der russische Militairbevollmächtigte Generalmajor L la suits Fürst Dolgoruki, der Militair Altachü Oberst von Dabler, sowie sämmtliche Secretaire und Attaches der russischen Bot schaft, der russische Generalconsul rc. zur Verabschiedung ver sammelt. In Petersburg, wo er am 17. Mai anlangte, wurde der Prinz in der herzlichsten Weise empfangen und gefeiert, nament lich vom Kaiser Alexander III. selbst. Gleich bei seiner ersten Begegnung mit dem Prinzen war es ersichtlich, daß der Kaiser ein aufrichtiges und großes Wohlgefallen an ihm fand. Und in der Folge benutzte er jede Gelegenheit, um dieses Wohlgefallen öffentlich zu bekunden. Prinz Wilhelm trat in Petersburg auch mit dem Minister des Auswärtigen von Giers in Verkehr, ein Beweis, daß seine Mission auch eine politische war. Russische Blätter sprachen von einer Meldung des Prinzen bei Herrn v. Giers, die darin bestehen sollte, daß er der großen Genugthuung seines erlauchten Groß vaters, des Kaisers Wilhelm I., über die neue Wendung der Dinge durch das deutsch-russische Abkommen Ausdruck gab. Die Berliner „Nationalzeitung", die jetzt so viel Mühe gehabt, sich mit dem Separatabkommen von 1884 adzusinden, erhielt damals eine Correspondenz aus Peters burg, in der es hieß: „Prinz Wilhelm wird hier mit Aufmerksamkeiten seitens des Hofes wahrhaft überhäuft und auch die Bevölkerung interessirt sich sehr lebhaft für den preußischen Gast. Man rühmt das Männliche, Ernsthafte in der Erscheinung des Prinzen, dessen ganzes Auftreten elwas streng Militmrijches hat. lieber die politische Bedeutung der Erscheinung de» präsumtiven Thronerben dahier herrscht nur eine Stimme, um so mehr, als von Seiten der anderen Höfe wenig Eiiipresjement gezeigt worden ist, bei der für die Dynastie so be deutungsvollen Feier besonders mitzuwirken. Die Ansicht, daß Ab machungen zwischenDeutschland undRußland existiren, welche den gegenwärtigen Beziehungen eine so starke Bekräftigung geben, gewinnt unter diesen Umständen sehr an Anhängern." Mit diesen Abmachungen halten die russischen Blätter von Anfang an die ScnLung deS Grafen H. BiSmarck nacü Petersburg in Zusammenhang gebracht. Seine Ankunft im Monat Januar ließ die dortigen Zeitungen nicht zur Rübe kommen. Jede einzelne stellte die Frage auf: „Was bat die Sendung zu bedeuten?" Die „St. Petersbur^skija Wjedo mosti" bemerkte in dieser Angelegenheit, anknüpsend an eine officiöse deutsche Auslassung: „Die Freundschaft, welche ein Jahrhundert hindurch Deutschland mit Rußland verbindet, ist auf für beide Mächte gleich wichtigen und wesentlichen Interessen basirt. In Anbetracht aller diejer günstigen Bedingungen würde die Tbatsache an und für sich allein, daß Graf Herbert Bismarck von London nach St. Petersburg ver letzt ist, in unseren Augen von besonders wichtiger Bedeutung sein; wenn aber noch außerdem der Leiter der deulschen Politik osficiös erklären läßt, daß er durch die Versetzung seine» Sohnes nach St. Petersburg einen Beweis für die Aufrichtigkeit der Beziehungen zu liefern wünscht, die zwischen Rußland und Deutschland bestehen, so kann er im Voraus Lessen sicher sein, daß seinem Sohne hier der freundschaftlichste Empfang zu Theil werden wird." Es liegt auf der stacken Hand, daß die Grundlagen eines Abkommens, welches auf solche Weise zu Stande gebracht, gefeiert und gefestigt worden war, nicht zerstört werden konnten ohne Machinationen der verschiedensten und geschick testen Art. Mit einem ganzen Netze von Jntriguen muß Kaiser Wilhelm II. umsponnen worden sein, um ihn unab lässig, Sckrilt für Schritt von der Bahn abzudrängen, die er in völliger Uebereinstimmung mit dem Fürsten BiSmarck in der auswärtigen Politik gegangen war. Vielleicht haben die Herren Stöcker und von Hammerstein sammt ihren Helfershelfern gar nicht eimal beabsichtigt, auch das deutsch-russische Einvernehmen zu stören, als sie die Cartell Politik des Fürsten bekämpften und zu diesem Zwecke das Mißtrauen deS Kaisers gegen seinen ersten Rathgeber erregten, ohne daß er es merkte. Aber es liegt in der Natur der Dinge und der Menschen, daß das Vertrauen auf eine Person, wenn eS einmal erscküttcrt worden ist, im Innersten erkrankt und nicht nur in Bezug auf ein einzelnes Gebiet mehr und mehr schwindet. Und jedenfalls haben auch die mit Herrn Stöcker im Bunde operirenden Genossen gar bald bemerkt, daß das von ihnen beim Kaiser gesäete Miß trauen gegen den Fürsten BiSmarck nicht nur ans dem Ge biete der inneren Politik, sondern auch aus dciC tcr äußeren Früchte trug. Schrieb doch die „Kreuzzeitung", über die im Herbste des JahreS 1889 unternommene Rer«^ VeS Kaisers nach Konstantinopel: ( „Daß dieselbe in Petersburg nicht gern gesehen wurde, stand von vornherein fest, ebenso blieb eS damals kein Ge- heimniß, daß Fürst BiSmarck den Vorsatz des Kaisers aus Rücklicht aus Rußland nicht billigte. Der Oefsentlickkeit gegenüber kam dieser Umstand insofern zur Geltung, als die ofsi- ciöjeil Organe, obgleich der Kaiser schon Anfang Juni tem außer ordentlichen türkischen Gesandten Ali Nizami den Besuch in Kon stantinopel zugesagt hatte, noch bis Milte September das Bestehen des Planes in Abrede stellen mußten. Wenn aber irgend eine Reise des Kaisers einer ganz bestimmten und klar erkenntlichen politischen Berechnung entsprungen war, so ist es diese ge wesen; der Versuch, derselben den Charakter einer „Vergnügungs reise" zu geben, mochte aus diplomatischen Rücksichten berechtigt sein, eine kritische Würdigung dieser hochpolitischen Vorgänge wird sich dadurch nicht täuschen lassen." Rechnet man zu den UnterminirungSbestrebungen der ! Herrn Stöcker dienenden Vorder- und Hintertreppenpolitiker uock englische Einflüsse, klerikal-polnische Machinationen und daS Bestreben jenes Mannes, der als Nachfolger des Fürsten Bismarck seine politischen Talente durch möglichst weites Ablenken von den Bahnen seines großen Vorgängers zu erweisen suchte, so wird es begreiflich genug, daß der Vertrag von 1884 im Jahre 1890 nicht erneuert wurde. Deutsches Reich. * Leipzig, 11. November. Die „Cons. Corr." zeigt sich, wie schon gemeldet, sehr ungehalten über das hiesige „Vaterland", weil dieses Organ der conservativen Partei in Sachsen etwas enttäuscht der Ansicht Ausdruck verlieben hatte, der bevorstehende conservative „Delegirtentag" FeniHaton. Der Reporter. Criminal-Humorc-ke von Remirovic» Dancsenko. Au» dem Russischen von Hermann Rasch ke. Nachdruck »erboten. I. „Sascha, Tu?" ruft eine schlanke Brünette. „Herr deS Himmels, was ist geschehen? Wie siehst Du aus? Ohne Hut, mit fliegendem Haar?" „Nichts, nichts, morgen — später werd' ich Dir Alle« erzählen." Anna Fedorowna zog die Widerstrebende zärtlich an sich und blickte ihr forschend ins Auge und Sascha brach in Tbränen aus. „Laß mich, laß mich!" „Nickt eher, al« ich weiß, waS geschehen ist, und heute Nacht bleibst Du bei mir." „Nein — nein — heute muß ich noch fort, weit weg." Anna Fedorowna zwang die Freundin aufs Sopha nieder und schob ihr eine Tasse heißen Tber hin. „Du mußt trinken, draußen ist'» grimmig kalt und Du bist bald erfroren." „Ich wollte, ich wäre auf der Gaffe erfroren." „Närrcken, zum Sterben bat man immer Zeit, da» kannst Tn ja morgen auch noch. Ich werte Dich nicht davon ab hallen, sage mir nur, warum Du eigentlich sterben willst." „Ich will noch heute sterben", wiederbolte Sascha störrisch. „Nun gut, also noch heute, wenn Du e» gerade so eilig hast. Aber jetzt ist es erst zehn Uhr, also bleibt Dir noch immer Zeit genug." „Ich glaube gar, Du spottest." „Gott behüte, es ist mir nur etwa» eingefallen. Erinnerst Du Dich noch ? Einmal bist Du in der Schule in Geometrie durckgesallen und liesst schnurstracks zu mir, um vom vierten Stock herunterzuspringen. Und wolltest Du Dich nicht mit Phosphor vergiften, ehe Narasnew Drin Gatte wurde?" „Ach, hätte ich es nur gethan, wenigstens hätte ich da» nicht erlebt, was ich heute erlebt habe. Oh, wir unglücklich bin ich!" „Sascha, Du bist seit vier Jahren verbeirathet und hast mir tausendmal betheuert, daß Du glücklich bist. War da» eine Lüge?" „Ach Anna, ja, ja, ich war sehr glücklich. Aber jetzt ist mein ganzes Dasein vergiftet, denn seit einer Stunde weiß ich, daß mein LebenSglück für immer zerstört ist." „Was ist denn geschehen?" „Mein Mann ist mir untreu. Ich habe bei ihm ein Briefchen von Damenband gefunden, in welchem die Schreiberin ihn duzt. Ich habe von lym natürlich Rechenschaft verlangt, und der Treulose erwiderte kalt und ruhig: „Sascha, Du hast nicht das Reckt, fremde Briefe zu lesen." Natürlich habe ich ihm eine Scene gemacht. Ich glaube sogar, ich habe ihm etwas an den Kops geworfen. Darauf bat er mich wie ein unartige« Kind in» Schlafzimmer geführt und ist fortgegangen — zu ihr!" „Woher weißt Du daS?" „Wohin wäre er denn sonst gegangen? Wa« soll ich thun?" „Geb ruhig zurück nach Hause." „Nimmermehr!" „Nun, so trenne Dich von ihm. Du bist jung und reich." „Ich kann nickt ohne ihn leben." „Fabre für eine kurze Zeit zu Deiner Mutter. Oder komme mit mir nach Italien." „Ack Italien! Ja, dort ist's schön", seufzte Sascha un willkürlich. Und sie schwieg, ließ sich widerstandslos ins Bett legen und schlief ein. Und Anna Fedorowna lächelte wieder, ein Helles, sonniges Läckeln. Sie wußte, das Sascha nächsten Morgen sehnsuchts voll in die Arme ihres Gatten eilen werde. II. Ugrumoff liegt trotz der vorgerückten Morgenstunde noch in den Federn. Er war mißmuthig und das mit Reckt, denn er war die ganze Nacht hindurch gelaufen und hatte keine Kopeke in der Tasche. Die ganze Woche über war nicht daS Mindeste vorge fallen, was dem armen Reporter Geld eingetragen Härte. „Ich muß ja leben, Herr", batte er zu dem Nedacteur ge sagt. „Spüren Sie neuen Ereignissen nach", antwortete der Nedacteur. „Aber Herr, es geschieht jetzt nichts, gar nichts." „Nicht möglich, bei einer Million Einwohner kein Er- eigniß? In jedem Hause geschieht etwas, man muß nur eine gute Spürnase haben." „Soll ich etwa ein Verbrechen begehe», um Stoff zu haben?" „Ist auch schon dagewesen", erwidert der Nedacteur gleich- müthig. „Die amerikanischen Reporter thun noch ganz andere Dinge im Interesse ihres Blattes." „Werden Sie mir einen Vorschuß geben?" „Nein, Sie haben schon Honorar im Voraus für vierzehn Ereignisse." Ugrumoff hatte kopfschüttelnd das RedactionSlocal ver lassen. Auf der Straße sprach er jeden Polizisten an: „Nichts geschehen? Nichts Neues?" Die Polizisten schüttelten den Kopf. WaS er brauchte, war ein anständiger Mord, der mindestens 10—12 Rubel trägt. Den ganzen Tag war er in den Straßen Petersburgs umbergestreift, bis er todtmüde geworden war. Nichts! Nichts! „Agrasena!" rief er endlich verdrießlich, sich aus den Federn schälend. Eine dicke Magd steckte den Kopf herein. „Hat mich Niemand gesucht ? Nein? Laus hinunter an die Straßenecke und frage den alten Wachmann, ob nichts ge schcben ist." Fünf Minuten qualvoller Spannung verliefen, bis sie zurückkam. „Er läßt Sie grüßen. Es sei nicht» vorgefallen — aber die Hausfrau läßt Ihnen sagen, sic giebt Ihnen keine Kost mehr und verlangt die fällige Mietbe." „Sag' ihr, sie soll Dich todt schlagen, so werd' ich sie bezahlen." „Warum gerade mich?" „Oder scklag' Du sie todt. Da« ist mir egal. Was glaubst Du?" Die dicke Magd war schon an allen Gliedern bebend binauSgerannt, und Ugrumoff spann noch immer den schönen Traum weiter. Dann kleidete er sich an und machte sich wieder aus die Suche. Wieder vergeben» I Halbtodt vor Hunger und Durst kehrte er ins WirtbShaus ein und bestellte eine Portion Fisch und eine Flasche Wein. Aber wovon zahlen? Ach was, weil die Stadt ruhig ist, kann doch der arme Reporter nicht verhungern! Dann ließ er sich rin« Portion Schweinebraten
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