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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961112021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-12
- Monat1896-11
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Amlsvkatt -es Hönigkichen Land- and Ämtsgerichles Leipzig, des Natlfes und Nolizei-Ämtes der Ltadl Leipzig. 2lnzeigen»Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 ge spalten) 50-H, vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernjatz nach höherem Tarif. Eitra-Vellage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung .H 60.'—, mrt Postbesürderung .al 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 577. Donnerstag den 12. November 1896. SV. Jahrgang. Vie Interpellation des Centrums wegen der „Enthüllungen". * Nach schwerem Kopfzerbrechen hat die Eentrumsfraction res Reichstages endlich die Form gefunden, in der vom jetzigen Reichskanzler Auskunft über seine Stellung zu den Fnlbüllungen der „Hamb. Nachr." erbeten werden soll. Diese ,;orm ist eine überaus zahme, denn sie lautet: „Ist der Reichskanzler in der Lage, Auskunft darüber zu geben l) ob bis zum Jahre 1890 ein geheimer Vertrag zwilchen dem deutschen Reiche und Rußland bestanden hat; 2) im Falle daß ein solcher Vertrag bestand, welche Vorgänge dazu geführt haben, ihn nicht zu erneuern; 3) welche Einflüsse die jüngsten Veröffentlichungen über diese Angelegenheit auf die Stellung Deutschlands im Drei- buude und sein Verhültniß zu den übrigen europäischen Mächten gehabt haben?" Wenn Fürst Hohenlohe will, so kann er sich darauf be schränken, auf diese Interpellation einfach zu erklären oder erklären zu lassen, er sei nicht in der Lage, die gewünschte Auskunft zu geben. Aber wir glauben nicht, daß er sich darauf beschränken wird; denn die Form der Interpellation beweist, daß die Herren Interpellanten mindestens in starken .Zweifel darüber gekommen sind, ob ihr Borgehen zu ihrem Lwrtheile ausschlagen werde. Die „Post" hält sich denn auch zu folgender Auslassung berechtigt: „Man darf erwarten, fdaß die Interpellation keine scharfen Angriffe gegen die Person des Fürsten von Bismarck, wie eine Minderheit des Centruins es wünscht, enthalten wird. Auch die Debatte wird vom Centruin anscheinend nicht so hitzig geführt werden, wie man nach der scharfen Preßfehde hätte an nehmen dürfen. Von gewisser Seite wird nian versuchen, die An gelegenheit mehr gegen die Preßtreibereien in der ganzen An gelegenheit zuzuspitzen, als gegen die thatjüchlicken Enthüllungen. Auf der conservativen Seite des Hauses herrscht bisher anscheinend wenig Neigung, der Centrumsiuterpellation zu größerem Relief zu verhelfen. Wie wir hören, wird der Staalssecretair Les Aus wärtigen Amtes Freiherr von Marschall die Interpellation beantworten. Wir haben Grund, anzunehmen, daß Freiherr von Marschall die Mißbilligung der Regierung über die Art Oer Veröffentlichung aussprechen, im Uebrigen aber der Politik des Fürsten Bismarck vollste Gerechtigkeit widerfahren lassen wird." Daß gerade der Staatssekretär v. Marschall ausersehen sei, die Interpellation zu beantworten, beruht wahrscheinlich nur auf Bermuthung. In welcher schiefen Situation die Interpellanten sich befinden, mögen sie nun als Hort ter Einigkeit des Dreibundes, oder als Schützer der jetzigen Regierung gegen den grimmig gehaßten Altreichskanzler sich aufspielen, legt die „Nationalliberale Eorrespondenz" folgender maßen dar: „lieber die Beweggründe der Interpellation wird der „Germania" mitgetheilt, die Fraction sei einmüthig der Ansicht, es müsse doch Lem „Dreibunde und der ganzen an der Erhaltung des Friedens iuleressirten Welt jede mögliche Beruhigung gegeben werden". Es wäre begreiflich und ist auch wahrscheinlich, daß das Auswärtige Amt angesichts der stellenweise ungeheuer- lichen Auslegungen, welche das abgelaufene Abkommen mit Rußland gefunden — namentlich in der Centrumspresse —, das Bedürfnis zu einer Aussprache auch vor dem Reichstag fühlt. Um so seltsamer mutbet es aber an, wenn sich als Hort der Einig» leit des Dreibundes dabei gerade diejenige Partei vor- siellen will, die sich mit ihren fortgesetzten Bestrebungen für die Wiederherstellung des Kirchenstaates offensichtlich in den flagrantesten Widerspruch mit den Voraussetzungen der Dreibundpolitik setzt. Wäre es wirklich der Grund, dann hätte sich doch auch die Formulirung der Interpellation mit Leichtig keit gefunden, anstatt daß bis in den späten Nachmittag die Fassung bin und her erwogen werden mußte, ehe man zum Ziele kam. Weit näher liegt es, in der „Staatsrede", die der Abgeordnete vr. Lieber am 8. d. M. zu Wiesbaden gehalten, die Motive der Interpellation zu suchen. Und diese Rede ist durch zweierlei Tendenzen charaktcrisirt: sich als Hüter der Krone Preußens vorzustellen und hinter dieser Deckung, materiell dazu durch die Immunität gesichert, den brennenden Haß gegen den Fürsten Bismarck zu entladen. Zunächst bemühte er sich, zu behaupten, die Action desHamburgerBlattes sei „gegen den jugendlichen Kaiser gerichtet" und es sei die „Pflicht eines Jeden, der sich deutsch nennt", mit ihm „sich an die Seite desKaisers zu stellen". Da ist man doch wohl auch berechtigt zu fragen: Wo bleibt die Parole von dem „EntscheiLungskampf auf dem märkischen Sande", wo der „Mußpreuß" von Aschaffenburg?! Als diese Losungen in das Land hinausgingen, hat vr. Lieber nicht auf der Seite gestanden, wohin er jetzt so eilig sich drängt. Ter zweite Zug der Rede, der Haß gegen den alten Kanzler, kommt so elementar zum Durchbruch, daß man in alte Zeiten überhaupt nicht mehr zurück zugreisen braucht. Er nennt den Fürsten Bismarck „Busch klepper" iin Sachsenwald und tadelt den Fürsten ob seines „Schimpfens". Er stellt dem Fürsten in Aussicht, er würde als „vergessener, verachteter Mann sterben" — obwohl die letzten vier Sommermonate Herrn vr. Lieber nahegesührt haben könnten, wie wenig mancher Mann zu thun hat, um in wenigen Wochen vergessen zu sein. Soweit wir unterrichtet sind, ist das Centrum in einem argen Irrt hum, wenn es glaubt, durch die Antwort der Regierung Wasser auf seine Mühlen zu erhalten. Die Regierung hat auch um so weniger Anlaß dazu, als in derselben Wiesbadener Rede außer sonstigen geschmack- vollen Wendungen auch noch diejenige, unter dem stolzen Hinweis auf die Festigkeit des Eentrums, producirt wurde, daß das „Ver duften" zum Berufe der Minister zu gehören scheine." Höchst interessant ist, was unser Berliner N.-Eorrespon- dent uns zu der Angelegenheit schreibt: „Jago unterhält sich viel und gern, aber er verräth nur in un belauschten Selbstgesprächen, daß er es bei seinen Anschlägen gegen Tesdemona aus Othello abgesehen hat. Jago ist ein gescheuter Ehrenmann und er erreicht auch sein Ziel. Herr vr. Lieber hat eS offen ausgesprochen, daß die vom Centrum geplante parlamentarische Bismarckhetze auf den Kaiser berechnet sei. Herr vr. Lieber erreicht fein Ziel nicht. Der Kaiser findet offenbar nichts Verlockendes in einer Situation, die ihn an der Seite des Centrums gegenüber dem der „Verachtung" anheimfallenden „Buschklepper" Bismarck zeigt. Die Interpellation, die gestern im Reichstag eingebracht wurde, ist weit davon entfernt, das zu besprechen und herbeizusühren, was das Centrum ursprünglich sagen zu dürfen und herbei- führen zu können gehofft hatte. Sie ist zunächst das Product einer grenzenlosen Verlegenheit, in die Herr Lieber seine Partei gebracht hat, und sodann das Ergebniß unerwarteter und unerwünschter Einwirkung von Stellen, auf die Herr Lieber seinerseits einzuwirken gedacht hatte. Das Centruin ist nicht blamirt, Gott bewahre, und wir sehen in der „Germania" und der „Köln. Bolsztg." der Versicherung entgegen, diese Interpellation sei ihrer ganzen Entstehungsgeschichte nach ein Ausbund von sachlicher Schärfe und zugleich staat-männischer, die Speculation aus die „Leidenschaft der Mafien" mit patriotischer Sorgfalt vermeidender Mäßigung. Aber mir beneiden die klerikalen Publicisten nicht um die Aufgabe, diese Darstellung zu geben, »amentlich nicht, wenn sie am Dienstag Abend in der Fractionssitzung des Centcunw und gestern im Reichstage anwesend gewesen sind. Tort ging man unverrichteter Dinge auseinander, und hier bedurfte es vielstündiger Anstrengung, um der für die Einbringung einer Inter pellation genügenden Anzahl von Centrumsmitgliedern bcizubringen, daß, nachdem Herr Lieber in Wiesbaden einmal gesprochen hatte und ein Theil der befreundeten Presse in seine Fußtapftn getreten war, etwas geschehen müsse, wenn Jago nicht am anderen Tage als Junker Schwächlich dastehen sollte. Wir verzichten auf die Erzählung der Geschichte dieser Interpellation. Wir kennen sie anch nicht ganz, sie ist uns an einem Puncte unklar, der wenig er götzlich, aber sehr viel wichtiger ist als die Verbindung von bösem Willen und — Staatsunklugheit, in der Action des Herrn Lieber die Bewunderung herausfordert. Es wird behauptet, der Vater der Interpellation, auf deren Mutterschaft das Centrum unbestrittenen Anspruch hat — nmtor 86mper corta. — befinde sich außerhalb des klerikalen Lagers. Und That jache ist, daß von nichtultramontaner und nichtparlamentarischer Seite der Versuch gemacht worden ist, andere, in Bezug auf ihre Reichs politik und die Umstände ihrer Stellung „an der Seite" des Kaisers unverdächtige Parteien zur Cooperation mit dem Centruin zu gewinnen. Wir kennen den Urheber dieses Ver- suches nicht, gewiß aber ist, daß, wenn der abwesende Reichskanzler in die Angelegenheit hätte eingreisen können, die etwaigen Bemühungen des Fürsten Hohenlohe gemäß dessen wohlbekannter Auffassung sich bewegt hätten. Die Sonne wird den Namen des unglücklichen Werbers für das Centrum schon an den Tag bringen. Herr Lieber freilich wird ihn trotz feiner Redseligkeit nicht nennen, er ist ja der erklärte Feind von „Enthüllungen." Aus die Beantwortung der er- wähnten Interpellation durch die Regierung braucht man nicht neu- gierig zu sein und aus den Verlauf der „Besprechung" auch nicht. Das Centrum ist nach dem gloriosen Verlauf seiner Sache gezwungen, die Beschimpfung des Fürsten Bismarck den Herren Liebknecht und Richter zu überlassen; diese werden das Geschäft bestens be sorgen und der Ausgang wird moralisch — abgestimmt wtrd nicht — der vom 23. März 1895 sein. Die nationalen Parteien, die voraussichtlich nur kurzgefaßte Erklärungen verlesen lassen, werden in den Augen des In- und Auslandes als Sieger über Thorheit, Bosheit und Gemeinheit hervorgehen, vor allen Dingen aber wird nichts geschehen, waS den Anschein er- wecken könnte, das Centrum stände „an der Seite" des Kaisers." Diese Darlegung wird di; Spannung, mit der man im ganzen Reiche und weit über seine Grenzen hinaus den Ver lauf der nächsten Montagssitzung des Reichstags entgegen siebt, noch erhöben. Sicherlich theilen aber auck alle national- gesinnten Kreise Deutschlands unseren Wunsch, daß die zu verlesenden Erklärungen der nationalen Parteien nicht zu kurz ausfallen möchten. Fürst Bismarck selbst, der die Situation im Reichstage trotz seines „FernstehenS" vom parlamentarischen Leben ebenso klar übersieht, wie die Weltlage, sieht augenscheinlich dem Verlause der Interpellation mit der vollen Ruhe eine« reinen Gewissen« entgegen. Dies geht auS einem „Die Interpellation" überschriebenen Leitartikel hervor, den heute die „Hamb. Nachr." veröffentlichen und der nach uns zu gehender telegraphischer Meldung folgendermaßen lautet: „Tie Aufregung in der Presse, zu der unser Artikel vom 24. Oclober Anlaß gegeben hat, läßt sich jetzt in ihrem Umfang.- ziemlich übersehen und das Ergebniß des Ueberblickes gewährt un eine gewisse Geuugthuung. Die Tragweite unseres Artikel beurtheilen wir nicht blos aus der Zustimmung, sondern ein gewichtiges Element der Beurtheilnng liegt auch in der Frage: „Wer sind unsere Gegner?" Wr haben uns darüber schon in unserem Artikel vom 7. No vember ausgesprochen und haben ein Verständniß dafür, wen» Fürst Bismarck, wie uns privatim mitgetheilt wird, in be freundeten Kreisen gesagt haben soll: „Ich muß doch dem deutschen Reiche und der Monarchie gute und wirksame Dienste erwiesen haben, daß die Gegner noch heute, nachdem ich 6 Jahre niclu mehr inr Dienste bin, einen so rachsüchtige» Haß gegen mich empfinden." Wir sind durch dieses Vorgewicht, mit dem die Aufregung über unseren Artikel sich gegen den ersten Reichskanzlei richtet, unsererseits in einer behaglichen Deckung geblieben; wir haben wenigstens keinen Artikel in Erinnerung, in welchem den „Hamburger Nachrichten" eine Verschwörung gegen das deutsche Reich wegen ihrer Veröffentlichung schuldgegeben wird. Vielleicht wird dies noch der Fall sein, nachdem die im gestrigen Abendblatte mitgetheilte Interpellation über die Ent hüllungen der „Hamburger Nachrichten" von der Centrumc Partei im Reichstage eingebracht ist und, wie es heißt, dort zur Discussion gelangen wird. Die competenten juristischen Behörden haben bisher keine Neigung zu einem Einschreiten gegen uns gezeigt; möglicher Weise wird sie ein Reichstagsvotum dazu ec- inuihigen. Wir sind vollständig darauf gefaßt und werden uns in unserer Abwehr der Würde eines angesehenen und unbescholtenen Organs der deutschen Presse entsprechend verhalten. Die Interpellation bezieht sich in ihren beiden ersten Fragen auf Vorgänge unter Kaiser Wilhelm I., d. h. auf den Abschluß des deutsch-russischen Neutralitätsvertrages neben dem Dreibunde und auf die Nichterneuerung dieses Abkommens durch den Grasen Caprivi ft» Jahre 1890. Wir glauben, daß die Discussion der Intec pellation, wenn sie stattsindet, wesentlich nach der letzteren Richtung hin gravitiren wird. Die Münchener „Allgem. Zeitung" sagt in einein Wiener Artikel vom 27. October: „Was der erste Kanzler geknüpft und der zweite gelöst hatte, war für den dritten nur eine historische Thatsache, von der er vielleicht gar keine Kenntniß hatte. Somit bleibt auch nicht der Schatten des Mißtrauens an feiner Politik haften und die österreichischen Staats lenker werden mit derselben Zuversicht wie bisher den Bund pflegen." Wir glauben kaum, daß eine retrospective Dis kussion im Reichstage über die Frage, ob ein russischer Vertrag 1884 im Interesse des deutschen Reichs erwünscht und richtig war, noch heute einen lebhaften Anklang in der öffentlichen Meinung finden wird. Uns könnte es ja nur erwünscht sein, wenn die Aui- fassung, die wir für die richtige halten, dabei zur vollen Klarheit und Anerkennung käme, dahingehend, daß die Regierung Kaiser Wilhelm's I. sich durch eine Rückversicherung des Friedens mit Rußland Anspruch auf den Dank nicht nur der Deutschen, sondern aller Friedensfreunde in Europa, einschließlich der Mitglieder des Dreibundes erworben habe. Besonders lebhaft dürste sich im Reichstage das Interesse Heraus stellen, die Gründe kennen zu lernen, durch welche Graf Caprivi 1890 sich genöthigt gesehen hat, den noch bestehenden Draht, der uns mit Rußland verband, abzuschneiden. Es wird den etwaigen Erklärungen der Regierung gewiß leicht werden, der Nation die Beruhigung zu gewähren, daß bei diesem Entschlüsse auswärtige Einflüsse von Mächten, welchen ein deutsch-russisches Abkommen unbequem sein konnte, nicht wirksam gewesen sind. Wir sind der Ueberzeugung, daß eine vollkommen durchsichtige Oefsentlichkeit der Verhandlungen und Er Wägungen, welche dabei stattgefunden haben können, im Interesse des deutschen Volkes liegt, und als Freunde der verfassungsmäßigen Institutionen, unter denen wir leben, würde es uns auch erwünscht sein, wenn aus diesen Erörterungen ein verschärftes Ge- fühl ministerieller Verantwortlichkeit, wie die Verfassung sie uns verspricht, bervorginge. Die Frage, ob en: mächtiges Nachbarreich wie Rußland mit uns oder mit unser» Gegnenl in Europa engere Fühlung hat, ist für die ge jammte Bevölkerung des deutsche» Reiches eine Frage von her- Hans Jürgen. Roma» von Hedda v. Schmid. Nachdruck verbale». „Meine verehrte Schwiegermutter will Sie nicht eitel machen, mein gnädiges Fräulein", sagte er scherzend, „doch ich höre einen Wagen auf der Landstraße daherrollen, eS wird der Palloküllsche sein mit dem Notar; wir wollen zum Gut hinabgehen." Schweigend schritten Sie die Anhöhe hinab und über den Heuschlag dahin. Kurz vor der Pforte, durch welche man in den WirthschaftShof von SaliSfer gelangte, wandte sich Hans Jürgen zu Irma: „Wir sehen unS heute zum ersten Mal und wir wissen, daß wir Rivalen sind, wie werden wir einander nach einigen Jahren gegenüberstehen, als Feinde oder als Freunde?" HanS Jürgen sagte e« scherzend und Irma siel ihm schnell inS Wort: „Wie Alles sich auch wenden möge — jedenfalls als Freunde." Der Notar, ein vertrocknete« Männchen in einem dunkeln Flügelmantel, unter welchem eine umfangreiche Lebermappe hervorschaute, und der Palloküll'sche IngerSheim, ein jovialer älterer Herr mit einem rothen Gesicht, standen auf den Treppenstufen der Veranda, al« Irma und HanS Jürgen sich letzterer näherten. Der Palloküll'sche kniff das rechte Auge msammen und raunte dem Notar zu: „Hören Sie, mein Bester, daS ist vermnthlich die Irma Monfort. Wollen mal seben, ob das schlanke Mädel dem HanS Jürgen die flotte Erbschaft wegschnappt." „Er hat ohnedies zu leben", bemerkte der Aogeredete trocken. „Versteht sich, aber er hat das Verleben auch au« dem Grunde lo«, und — ich bitte Sie — wer könnte je de« schnöden Mammons zu viel haben?" „Liebster Freund", begrüßte der redselige Herr dann Han« Jürgen, „ich traue meinen Augen kaum, der schneidige ReiterSmann zu Fuß?" Herr von IngerSheim war stet« guter Laune, er vergaß auch heute offenbar ganz, daß e« eigentlich noch ein Trauer- hau« war, in welch«« er » «i»e, «rasten Angelegenheit ge- > kommen, und ließ seiner allzeit vergnügten Stimmung auch heute die Zügel schießen. „Ich wählte den nahen Fußsteig über die Gerstenstoppeln und den Friedhof und kam deshalb ausnahmsweise nicht hoch zu Roß, Sie wissen jedoch, ich liebe die Abwechslung", entgegnete HanS Jürgen, dem Palloküll'sche» und dem Notar, den er von früher her kannte, die Hand schüttelnd. Dann lellte er die beiden Herren Irma vor, welche schüchtern eine Verbeugung machte. Bald konnte nun zur Verlesung de« bereits vor Gericht geöffneten Testamente« geschritten werden; ein feierliche« Schweigen lagerte über dem Wohnzimmer, in welchem der Act vollzogen wurde. Dort auf dem altmodischen Sopba, hinter dem Tische, auf welchem Frommhold v. BeverSdorff fast allabendlich seine Patiencen gelegt, nahm jetzt der Notar Platz. Nach kurzer Sichtung der bei ihm deponirt ge wesenen Papiere eröffnete er den Anwesenden die letztwilligen Verfügungen Frommhold's v. BeverSdorff. Bis auf einige kleine, der Dienerschaft in SaliSfer vermachte Legate fiel da« Baarvermöaen de« Verstorbenen — im Ganzen waren e« fünfzebntausend Rubel — Irma zu. „Ich habe", lautete e« im letzten Willen, „e« früher fast als eine Last empfunden, daß die Procente, welche mein seliger Bruder mir großmütbig von den Einnahmen de« Gute« zugrwiesen, allmählich zu einer größeren Summe an wuchsen. Ich habe allzeit wenig Bedürfnisse für meine eigene Person gehabt, ich konnte nie meine Einkünfte ganz auszehren, und wer, wie ich, nicht für Weib und Kind zu sorgen hat, der fragt sich unwillkürlich: „Für wen schaffe und spare ich?" Nun aber hat meine Arbeit Zweck und Ziel gefunden — ich weiß, mein seliger Bruder hat für das Kind seiner Tochter nur bedinaungSweise gesorgt, aber mein Er sparte- soll meiner GrohlMte Irma Monfort^ ohne jegliche Klausel, ohne jeglichen Vorbehalt zufallen. Sollte e« Gott dem Allmächtigen gefallen, mich au« diesem Leben abzurufen, eh« da« Kind, da« mir in den wenigen Wochen, seitdem ich e« kenue, so fest an'« Herz gewachsen, sicher auf eigenen Füßen steht, sollte seine Zukunft noch nicht klar vor ihm liegen, so bitte ich eine Frau, die mir al« eine der verebrungS- würdigsten ihre« Geschlecht-erscheint, so bitteich die Frau Baronin v. Hohenort auf Hohenort, sich der verlassenen Waise anzu nehmen und dieErziedung de« heimathlosenKinde- zu vollenden. Mir sind dir Testamentsverfügungen meine- seligen Bruder bekannt, mir hat er «S anheimgegeben, für den Fall meine« vor de« vollendeten «inundzwanzigsten Lebensjahr« seiner Großtochter eintretenden Tode- meinen Nachfolger in der Verwaltung des Gutes zu wählen. Als vorzüglichen Land wirt!) und als Ehrenmann in jeder Hinsicht schätze ich Herrn Arvid v. IngerSheim auf Palloküll, ihn bitte ich, die Ober verwaltung von SaliSfer zu übernehmen —selbstverständlich fällt ihm für seine Mühe ein gewisser Procentsatz der GutS- einnahmen zu, ferner ernenne ich ihn zum Vormund meiner Großnichte Irma Monfort. Herr v. IngerSheim wird — wie ich ihn zu kennen glaube, obzwar wir unS persönlich nie besonder« nahe gestanden — eS nicht ablehnen, da« Erb- tkeil einer unmündigen Waise zu verwalten, daS zwiefache Erbe, denn ich sehe es als eine Gewißheit an, daß meine Großnichte Erbin von SaliSfer wird." 'Nun folgen noch einige Bestimmungen, die den Leuten zuzefallenen Legate betreffend, und dann schloß der Notar die Vorlesung. Die erste, die jetzt daS Wort ergriff, war die Baronin Hohenort. „Ich trete meine Erbschaft an", rief sie, Irma in ihr» Arme schließend, in ihrer resoluten Art, „eigentlich habe ich dies schon vor vier Wochen gethan. Ein ahnende- Vorgefühl sagte mir, als ich Dich abholte, mein Kind, daß ich im Sinne Deines verstorbenen Großonkels handelte." Der Palloküll'sche erklärte sich ebenfalls bereit, die Ober verwaltung von SaliSfer und die Vormundschaft über Irma zu übernehmen, dann gratulirte er letzterer zu der gemachten Erbschaft und der in Aussicht stehenden. „DaS wird sich ja erst nach Jahren ausweisen, wie eS damit wird", antwortete Irma ablehnend. Ihr war e« so peinlich, Uber diese Sache zu reden; noch vor kurzer Zeit batte man allgemein HanS Jürgen als den Erben von SaliSfer bezeichnet — die Wenigsten batten um ihre Existenz auf der Welt gewußt — nun war sie zwischen seine An sprüche getreten. Sie kam sich fast wie eine Erbschleicherin vor, obgleich sie ja Loch ein gesetzliche« Anrecht auf da« Erbe besaß. Ihr Blick flog zu Han« Jürgen hinüber, er unterhielt sich mit seinem Schwiegervater. Wie mochte er über die Erb- schast-angelegenheit denken? E« wurden noch einige Formalitäten erledigt und dann setzte man sich zum Frühstück, welches unterdessen von der Mamsell servirt wurde. Irma konnte fast keine» Bisten genieße», in Erinnerungen an den Großonkel, voll dankbarer Lied« gedacht« sie de« schlichten alten ManneS, der sein Erspartes nun ihr zu gewendet. Sie kam sich dadurch wie von einer Last befrei: vor, denn in letzter Zeil hatte sie sich oft Fragen, welche ihre Zukunft betrafen, vorgelegt; sie hatte sich gesagt, daß sie auf die Dauer nicht daS Gnadenbrod in Hohenort essen, nicht Alles, WaS sie für ihre Person benötbigte, so ohne Weiteres auS den Händen der Baronin empfangen könne, und wo sollte sie die Mittel hernehmen, um ihre Bedürfnisse, und wenn dieselben auch noch so gering waren, zu bestreiten? Ihr Vater hatte ihr, außer einigen Costümbildern, welche ihn in seinen Glanzrollen — ein schäbiger Glanz freilich — darstellten, nichts hinterlassen. Und sie mußte noch lernen, viel lernen, hatte die Baronin gesagt. Irma empfand es wie ein gütiges Geschenk des Schick sals, daß sie nun mit Fug und Recht in Hohenort bleilcn durste. Sie fühlte sich so unendlich Wohl dort, die prächtige gerade Art der Baronin gemahnte sie ein wenig an das Wesen des Großonkels, — die vornehmen sanften Manieren des BaronS glichen so wohlthuend da« zu Energische im Gebühren seiner Gattin au«, und der ganze Zuschnitt des Hohenort'schen Hauses trug den Stempel jener wahren Vor nehmheit, welchen Geistes- und Herzensbildung verleihen. Man ehrte Irma'S Trauer um den Verstorbenen, man ver stand ihre Schüchternheit, von der sie in den ibr noch fremden Verhältnissen beherrscht ward, und ließ sie rulng auf ihr Zimmer sich zurückziehen, wenn, WaS in Hohenort oft der Fall war, sich Gäste auS der Nachbarschaft einfanden. Der erste Besuch Margarets und Hans Iürgen'S, den sie al« Vermählte den Eltern gestern abgestattet, batte sich beinahe zu einem kleinen Fest gestaltet, zufällig waren noch einige Nachbarfamilien eingetroffen, und Irma halte gebeten, auf ihrem Zimmer bleiben zu dürfen, als die Baronin sie benachrichtigen ließ, daß außer dem LommerdShoff'sche» auch noch anderer Besuch da wäre. Da hatte e« in der Dämmerung an der Thür gepocht und auf ihr „Herein" war Margaret ins Zimmer geschlüpft. „Mama sagte mir, ich könne e« schon wagen, zu Ihnen einzudringen, Irma, ich darf Sie doch so nennen, nicht wahr? Und Sie müssen Margaret zu mir sagen, Sie sind jetzt meine Pflegeschwester. Aber mir ist's doch, als hätte ich Sie bereits einmal geseh'n — natürlich — Sie waren da« fremde junge Mädchen, welche« mein Taschentuch auf-
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