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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961114012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-14
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Es dürste nickt lange mehr dauern, daß auch Niederschlrsien und die nördlichen Tbeile der Neumark bis nack Pommern als Theile ces alten polnischen Reiches vom Polonismus in Anspruch genommen würden. Das wirksamste Mittel gegenüber diesen Bestrebungen sei, den Feurrbrand des agitatorischen Polo- niSmu» zu löschen, die Organisation, die zu der centralen Zusammenhäufung aller unruhigen polnischen Elemente führe, auseinander zu legen und die ermähnten Theile mit andern, zuverlässig deutschen LandeStbeilen zu verbinden. Die „Köln. Zig." empfiehlt unter Hinweis darauf, daß ein solcher Plan ernstlich zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms I. erwogen worden sei, dir Einheitlichkeit zwilchen Provinz und Armeekorps, die im ganzen Staate herrsche, auch in jenen Landeslbeilen zur Durchführung zu bringen. Dazu sollen die Oberlausitz von Schlesien abgezweigt, die südlichen und südwestlichen Theile PosenS Schlesien zugetheilt und aus der Oberlausitz und ^heilen der Niederlausitz eine neue Provinz gebildet werden, welche letztere als ein langgestrecktes, von der sächsischen bis zur russischen Grenze reichendes Gebilde eine überwiegend deutsche Provinz darstellen würde. Wenn man überhaupt diesem Gedanken näher treten will, so empfiehlt es sich vielleicht, eine neue Provinz Niederschlesien loder Lausitz?) zu bilden und zwar derart, baß die Provinz Oberschlesien nur auf die Regierungsbezirke Oppeln und Breslau beschränkt würde. Tie Provinz Schlesien, die zweit größte Preußens (nach Rheinland mit seinen mehr al» fünf Millionen Einwohnern) hat mit ihren 4 414 460 Einwohnern (2. December 1805) die für den Umfang einer Provinz wünfchenSwerlhe Größe längst überschritten. Eine aus die Regierungsbezirke Oppeln und BreSlan beschränkte Provinz Oberschlesien würde immer noch 3 347 721 Einwohner zählen und die zweitgrößte Provinz res preußischen Staates bleiben. Der unbeutsche Charakter des Regierungsbezirkes Oppeln (1890: 600 333 deutsche gegen 077 398 fremdsprachige) würde dabei durch den deutschen Charakter des Regierungsbezirkes Breslau (1890: 1 539 768 deutsche gegen nur 59 554 fremdsprachige) ausgewogen. In der gesammten Provinz würden die Deutschen mit 67,4 Proc. oder reichlich zwei Drittel die herrschende Stellung beibehalteu. Einer Provinz Riederschlesien könnten nun folgende Verwaltungsbezirke überwi.sen werden: Von der P ooinz Schlesien der Regierungsbezirk Liegnitz mit 1 066 739 Einwohnern, von der Provinz Brandenburg die Kreise Züllichau, Sckwiebus, Krossen, Guben, Lübbe», üuckau, Kalau, Kollbus, Sorau, Spremberg mit zusammen 480 413 Einwohnern und von der Provinz Posen die Kreise Kempen, Schiltberg, Adelnau, Ostrowo, Pieschen, Krvloschin, Koschmin, Gostvn, Rawitzsch, Liffa, Kosten, Fraustadt, Schmiegel, Bomst mit zusammen 543 742 Einwohnern. Die Provinz Neuschiesien würde damit 2 090 594 Ein wohner zählen, während die Provinzen Brandenburg mit 2 341 160 und Posen mit 1284 453 Einwohnern durchaus lebensfähig blieben. Aus geographischen und Berwaltungszründen könnte aber vielleicht der Zuweisung der Kreise Kempen und Schildderg an den Regierungsbezirk Breslau und die Provinz Ober» scklesien brr Vorzug zu geben sein. Dir Loslösung der südlichen Kreise der Provinz Posen von dem polnischen (Zentrum in Posen empfiehlt sich durchaus. Sie sind bi» am wenigsten deutschen im preußischen Staate. Lin Kreis« Abrliiau sprechen 928,9 pro Mille der Bevölkerung polnisch, in den Kreisen Kosten 886,6, Schildderg 885,8, Gostyn 658,7, Kempen 848,7. Sie würben durch Zulammen- sassnng mit den deutschen Markgrafschaften Ober- und Riederlausitz, den Fürstenthümern Sagan, Glogau (mit SchwiebuS), Jaurr, Wohlau, den Herrschaften Trachtnbrrg und Militzsck und den allen selbstständigen Kreisen Krossen und Züllichau zu einer Provinz Niererschlesien zu einer polnisch-wendischen Minderbeit berabgedrückt werden. Nach der jüngsten Erhebung der Muttersprache vom Jahre 1890 würde daun eine Provinz Niederschlesien Einwohner zählen, itberbaurt t-roii teun'«' Pro«, xoliujch:c. Pro«. Reg.-Bez. Liegnitz 1047 405 1013 78? 96,7 33 618 3,2 Vom N-g-Bez Frankfurt a/O. 558 499 518975 9L,ö 395S4 7,07 Boni rkea.-B'».Posen »25 8'2 165668 31,5 860 144 68,49 Niederfchiefieu zus. 2 131716 1698 430 79,6 433 286 20,2 An die Stelle der bisherigen vier östlichen gemischt sprachigen Provinzen des preußischen Staates mit folgender Zusammensetzung iiterbaupt Lavo» Zürich Proc. v.Inischr«. Pro«. Pro». Sch'rsieo . 4 224 458 3 153 888 74,6 1 070 570 24,8 - Posen . . 1 75'642 702357 40 0 1 049 285 59,9 . Westpreiißeu 1 433 681 949'17 66.2 484 564 33 7 . Osip'eußen 1 9586,63 1 525 920 77,8 432 743 22.1 zusamminen 9 388444 6 331 282 67,5 3 037 >62 32,4 da on teulich 2140101 1 698 430 -'M 689 949 >17 I 52ö 920 Prov. Oberscklesien - Niederschlrsien - Polen iLübpr.) - Westpreußen . Ostpreußen pvtniich 1 036 952 433 2,6 6-iS 141 481564 432 743 3O7Z 686" A),9 Proc. 82.7 20.3 56.2 33.7 22 1 üdtrhauvt 3177 053 2131 716 1 225 830 1 433 681 ^958 663 — 9 926'943 6 850 257 69,0 wurden fünf Provinzen treten mit der folgenden etwas günstigeren sprachlichen Zusammensetzung: Proc. 67,3 79.6 43.7 66,2 77.8 An dem überwiegend polnischen Charakter der Provinz Süvpreußen (Posen) wird also auch hierdurch nur wenig geändert. Der Schwerpunkt liegt in den Wirkungen der sprachlichen Zusammensetzung der neuen Provinz Nieder schlesien. Dieselbe Sache wurde schon vor langer Zeit von einer anderen, nämlich von der nördlichen Seite, durch den be rühmten General von Grolmann angesaßk, der in seinen 1831 nirdergesckrirbenen, 1848 derauSgegebenen und 1886 von Flemming in Glogau neu aufgelegten „Bemerkungen über dasGroßherzozthumPosen" u.A.sagt: „Noch ein Haupt mittel, wodurch die Nebel gründlich gehoben werden können, ist: die Auslösung der Provinz Posen und ihre Vereinigung mit den alten Provinzen des Staates. Es gehört gewiß zu den unglaublichsten Mißgriffen deS Jahres 1815, daß man den schon seit dem Jadre 1772 besessenen Tbeil von West preußen zu dem Posenschen schlug. Dieses Land, das 34 Jahre unter preußischer Verwaltung gestanden hatte, fast eine neue Schöpfung Friedrich's des Großen war, nichts mit dem Posenschen gemein, und selbst sich viele preußische Ein richtungen unter der kurzen sechsjährigen Warschauer Ne gierung erkalten barte, da« zur Hälfte von Deutschen be wohnt wird, ward ohne allen Grund mit dem ihm ganz fremdartigen Posenschen vereinigt und dadurch in jedem Vor schreiten gehindert und in jeder menschlichen Ausbildung zurückgehalten. Dieses Land, durch das vermittelst der Netze die Haupt verbindung zwischen Preußen und der Mark gebt, das in allen Zeiten zu Pommern gekörte, und durch den unglücklichen Streit deS brutschen Orden» mit seinen eigenen Sränven von Preußen getrennt wurde, und nur durch beimtückiscke Be nutzung deS inneren Zwiste» unter die Botmäßigkeit der polnischen Könige fiel, nie aber einen eigentlichen Tbeil Polens anSmacktr, die» Land wurde durch dir preußische Ne- aierunz selbst von Preußen abgesondert und zu dem ganz fremdartigen Posenschen geschlagen, von dem r» durch eine Reihe wüster unwegsamer Wälder getrennt, und mit dem es auch nickt durch da» mindeste merkautilische Interesse ver bunden ist. Die Wiedervereinigung mit der Provinz Preußen ist so einfach und natürlich, daß e» ter erste Schritt eine» besseren, wahrbaft preußischen System» sein muß. Ter westliche Tbeil ter Provinz, zürn Flußsystem der Trage und Kudvow ge hörig, wäre vielleicht am besten mit Hinterpommern zu ver einigen, um dadurich da- alte Projekt einer schiffbaren Ver bindung mit der Persant« wieder aufzunrhmrn und diesen Gegend««, denen r» an innerem Verkehr und Leben fehlt, den Absatz ihrer Products nach einem Hasen der Ostsee, nach Colberg, zu verschaffen. Tie Kreis« Birnbaum und Meseritz, ganz von der Neumark umsaßt, selbst in früheren Ze^^n bis zur Obra zu dieser Provinz gehörig, fast ganz von Deutschen bewohnt, sind von der Natur bestimmt, zu dieser Provinz ge schlagen zu werden, sowie der Bomster und Fraustädter Kreis, di« schon in älteren Zeiten Theile des HerzogthumS Glogau waren, wieder zu diesem Laute zurückkehren müßten." Wir haben unseren Lesern dieses interessante und wenig bekannte Material zur Beleuchtung einer jetzt viel behandelten Frage nicht vorenthalten wollen, haben aber nur einen geringen Glauben an die Wirksamkeit organisatorischer Veränderungen, so lange es an den maßgebenden Stellen an dem guten und starken Willen fehlt, bestehenden oder künftigen Einrichtungen aus diesem Gebiete den allen preußischen oder den neuen deutschen Geist rinzuhaucdrn. Eine grobe englische EMeUnng. * Wenn am Montag im Reichstage bei Besprechung der Enthüllungs-Interpellation des CentrumS die Rede auf die Einflüsse kommt, die zur Nichterneuerung des deutsch-russischen Assecuran;-Abkommen- beigeirazcn haben, so wirb man sich nicht wundern können, wenn die Ver- mutbnng ausgesprochen wird, auch englischer Einfluß sei im Spiele gewesen. Beweist doch ein jveben aus London eintrcssendes Telegramm, mit welcher Unverfrorenheit man dort sich rühmt, den deutschen Kaiser beeinflussen und ein schüchtern zu können. Das Telegramm lautet: „Im Laufe einer in Whitehaven gehaltenen Tischrede gab Lord Lonsdale Ausschlüsse über die Entstehung des Telegramms Kaiser Wilhelm'« an den Präsidenten Krüger, dos — wie Grund zur Annahme vorhanden ist — vom Kaiser selber hrrrühre. Nach Lord Lonsdale war der wahre Thatbestand etwa folgender: Krüger bat den Kaiser um Hilfe vor Jamesoa'S Einbruch. Der Kaiser verweigerte diese. Dann kam der Einbruch und besten schmähliches Fia«co. Als der Kaiser sah, daß es Krüger gelungen, den Raubzug zu bewältigen, beglückwünschte er Krüger lediglich dazu, daß ec keiner Hilfe bedurfte. Hätte Ler Kaiser ahnen können, daß sein Telegramm eine solche Mißstimmung in England erzeugen würde, würde er es nicht abgesandt haben. Aber es log ihm jede Absicht fern, England zu beleidigen. Dies zu sagen — schließt Lonsdale — sei er vom Kaiser ermächtigt." Obgleich es ganz selbstverständlich ist, daß der Kaiser niemals die Absicht gehabt haben kann, England zu beleidigen, ist eS doch unmöglich, daß er Lord LonSvale zu einer solchen Erklärung ermäcktiat habe. Denn ganz abgesehen davon, daß Monarchen ihre Erklärungen über die auswärtige Politik ihrer Staaten durch verantwortliche Minister oder die von diesen beauftragten Gesandten, nicht aber durch Privatleute abgeben zu lassen pflegen, ist eS absolut undenkbar, daß der Kaiser sich zu einer Art von Entschuldigung wegen eines Telegramms Herbtigelaffen haben sollte, durch das „England" sich nur bann gekränkt fühlen kann, wenn e- durch Jrenti- sicirun g mit dem Einbrecher Jameson sich selbst erniedrigt. Und endlich kann der Kaiser Lord Lonsdale zu seiner Er klärung schon deshalb nicht ermächtigt haben, weil sie dem an den Präsidenten Krüger gerichteten Telegramme des Kaisers direkt widerspricht. Da- officiell pubsicirle Telegramm lautet nämlich: „Ich spreche Ihne» Meinen aufrichtigen Glückwunsch aus, daß es Ihnen, ohne an die Hilfe befreuudeter Mächte zu apprllirrn, mit Ihrem Volke gelungen ist, au« eigener Thatkraft gegenüber den bewaffneten Schaaren, welche al- Friedensstörer in Ihr Land «ingebrochen sind, den Frieden wieder herzustellen und die Unabhängigkeit de» Landes gegen die Angriffe von außen zu wahren. Wilhelm." Es ist also allermindrsten« eine grobe Entstellunader Wahrheit, wenn Loro LonSdale behauptet, vom Kaiser ermächtigt worden zu sein, da» kaiserliche Telegramm al» Folge eine» Hilferuf- de» Präsidenten Krüger binzustellen; eine grobe Entstellung der Wahrheit, die nur den Zweck haben kann, den deutschen Kaiser al) Bittsteller um die Verzeihung England» erscheinen zu lassen Wir erachten eS daher für selbstverständlich, daß der eble Lord, dem wiederholt die Ebr« zu Tbeil wurde, een Kaiser al» Gast bei sich zu sehen, und der diese Ehre nun mit Undank ver gilt, eine Zurechtweisung erfährt, die an Deutlichkeit nichts zu wünsche» übrig läßt. Deutsches Reich. * Leipzig, 13. November. Zur Bismarck-Hetze wird unS vom Rhein, 12. November, geschrieben: Daß das Kesseltreiben, das aus Anlaß der Hamburger „Enthüllungen" wider den Fürsten Bismarck veranstaltet worden ist, nickt einmal i» den ultramontanen Kreisen einen so ein- mlllhigen Beifall hat, wie es nach der Wiesbadener Hetzrede deS Dr. Lieber scheinen könnte, jeigt eine Zuschrift an die klerikale „Rheinische Bolkssti in me", worin ausgeführt wird, daß die Katholiken, im Besonderen die katholischen Landwinde, absolut keine Veranlassung Kälten, sich der Enttassunz des Fürsten Bismarck so besonders zu freuen. ES sei seitdem Vieles schlechter, statt besser geworden. Auch der päpstlichen Ordensauszeichnulig des Fürsten Bismarck wird gedacht und das Facil wie folgt gezogen: „Was wir für den Fürsten Bismarck eingetauscht hoben, ist weder in katholischer, noch in agrarischer Beziehung «in Gewinn gewesen und von diesem Standpuncte aus sind daher die an dauernden Jubelgesäage über den Abgang Bismarck'» durchaus un- gerechlsertigt." Natürlich hat sich in dem Blatte sofort eine Entgegnung eingestellt, aber nicht von ter Redaktion, sondern auck wieder aus dem Leserkreise; die Redaktion selbst hat zu der ersten Einsendung bemerkt, daß auch sie die Bedeutung des Fürsten Bismarck „fast" ebenso ansfasse. Die „Deutsche Reicks zeitung" ist ganz außer sich über solche Gesinnung, aber sie kann durch ihren Zorn die Aeußerunz nicht mehr un geschehen machen, und wir dächten, man sollte das werlb' voll« Sliuimungsanreichen auch in der nationalen Presse nicht unbeachtet lassen. Der agrarische Slantpnnct der „Rheinischen Volksstimme" hat damit nur zum Tbeil zu lhun, eS wird ausdrücklich, und zwar in erster Linie auck vom katholischen Standpunkt aus dem Fürsten Bismarck, speciell für den raschen Abbruch der Maigesetze, Anerkennung gezollt. * Leipzig, 13. November. DaS Reichsgericht verwarf die Revision des Staatsanwalts gegen das Urtheil deS Land gerichts II in Berlin vom 3. Juli, durch welches der Druckerei besitzer Babing von der Anklage aus H l30 des Slr.-G-V freigesprochen worden ist. Es handelte sich um die rothe Märznummer vom vorigen Jahre, die ohne Vorwiffen Bading'S in dessen Druckerei hergestellt wurde. In zwei früheren Urtbeilen des Landgerichts l war Badinz unter Annahme de- Dolus evsutualis zu Strafe verurtbeilt worden, und diese beiden Urthrile hatte das Reichsgericht auf die Revision deS Angeklagten s. Z. aufgehoben. x. Berlin, 13. November. Es war vorauSzuseben, daß die CentrumS presse die Verfügung der preußischen Ne- i gierung über die Aenderung der Farben der Provinz Posen mißfällig deurtheilrn würde. Wir würden darüber kein Wort verlieren, wenn nicht die „Germania" zwei Unter stellungen wachte, die der Zurückweisung und Richtigstellung betürsen. Die „Germania" nimmt erstens an, daß die preußische Negierung mit der Farbenverfügung „Rache für Opalenitza" nehmen wolle, und sie spricht ferner ihre Ver wunderung darüber aus, daß die Regierung gerade in rem Augenblick, in dem sie über de« „Landesverrath" des Fürsten BiSmarck erzürnt sei, den Freunden des Fürsten eine Freude mache. Zu dem ersten Punkte ist zu bemerken, daß die preußische Ncgienrng gar keine Veranlassung hat, für Opalenitza Rache zu nehmen. Wir wissen ganz genau, daß die Regierung schon lange vor diesem Processe den Ausgang desselben für sehr ungewiß dielt und daß sie sowohl in dieser, wie in einigen ähnlichen Angelegenheiten den dringenden Wand in Lerlin. Eia« Silrular-Erinnerung*). Bvti Professor Dr. Rudolf Ben-e (Vrrlln). rr.chdro- o«tl><NkN. E« war am Sl. November N9V, al« in Berlin die Anschlagezettel de» königlichen National-Theater- eine Auf führung von schiller'» „Räuber" verkündeten, mit der unter dtm Pessbnenverzeichniß flehenden besonderen Bemerkung: „Herr Jffland wird die Ehr« haben, al» Franz Moor auf- zNtreten." Die „Räuber" waren für Berlin langst nicht mebr ne«, und auch Jffland hatte bereits seit dem 26. Oktober desselben Jahres in Pot-kam wie in Berlin verschiedene Nollen gespielt. Aber die Rolle de» Franz Moor war eS gewesen, mit ter ter „junge Jffland" in Mannheim 1782 bei der ersten Aufführung deS stürmischen Jugendtrama» Friedrich Schiller's seinen Ruf al« Schauspieler begründet batte. Man sah deshalb gerade dieser Darstellung in Berlin mit besonderer Spannung entgegen, und da- Dbeater aus dem Gendarmenmarkte — eS war noch bi» 1802 da- ehe malige sogenannte „französische KomLdienhanS" — ver- möchte an diesem Abend bei Weitem nicht die Zabt der nach Einlaß Begehrenden zu fassen. Abgesrken von der Be deutung deS Gaste» und seiner berühmten Nolle, war «» noch ein anderer Umstand, der diesem Auftreten eine hervor- ragende Bedeutung gab, denn Jffland war sch,« seit einer ") Jffland'» Theatrrlritung in Berlin, die fllt La» Modern« Tckaujpinivejen von eingreifender Bedeutung werbe« sollte, begann am 14. November 1796. Woche, am 14. November, durch dru König als Direktor de» Nalional-TbeaterS angestellt worden mit einem Jahrr-gehalte von 3000 Tblrn. Ein längst gehegter Wunsch de« König« Friedrich Wilhelm U., der im Gcgensap zu seinem großen Vorgänger sich brr deutschen Kunst fordernd angenommen hallt, war damit in Erfüllung gegangen. Zebn Jabre früber batte er da- unter der Dirrckon Döbbrlin^» stebenbt Tbrater durch Bewilligung tines jährliche« Zuschüsse- von 5000 Ihalern zu einem „königlichen" gemacht. Aber nachdem der alte Döbbelin batte pensionirt werden müssen und nachdem einige Jahre lang die Leibe« Professoren Engel und Ramler die Direktion geführt hatten, unter Mitwirkung des Geheim rath« von Warsing, war erst jetzt in Jffland der Mann ge funden, der alle Fädigkeiten besaß, da- Theater zu einer künstlerischen Bedeutung zu erbeben, und mit feiner Anstellung batte dir inbaltreichste und wichtigste Epoche ve- königlichen Theater- begonnen. Schon früber hatte der Köniz mit Jffland Unterhand lungen »ingeleitrt, denn er hatte ibn in Mannheim sowohl al» genialen Schauspieler bewundert, als auch seine Be fähigung für dir künstlerische Leitung kennen gelernt. DaS Mannheimer Tkeaker war in den neunziger Jahren durch die KrirgSverbältnisst in seinem Fortbestand gefährde«; Jffland selbst war in eine drvränat» Lage gekommen, und da außerdem sein gutes Bkrl'ältniß zu rem ansgczeichneteii Intendanten Freivrrra von Dalberg durch verschiedene Um stände erschüttert worden war, so hatte er endlich da- von Berlin au- ihm gemachte Anerbieten angenommen. Seine künstlerischen Einsichten, seine enonne Arbeitskraft und nickt zum Mindesten dir strengste Redlichkeit seine» Charakters Ware« für den König Bürgschaft, daß er r« rubig wagen konnte, ibm bik wettgkdrndstkü Zugeständnisse zu machen und ihm für seine Stellung die unbeschränkteste Vollmacht zu ertheilen. August Wilhelm Jffland war 1759 in Hannover ge boren und stand sonach beim Antritt seiner Berliner Stellung erst in seinem achtunddreißigsten Lebensjahre. Aber nicht nur alS Schauspieler, sondern auch als fruchtbarer und erfolgreicher Theaterdichter war Jffland'» Ruhm, als er nach Berlin kam, schon fest begründet. Seine zahlreichen Schauspiele, unter denen namentlich „Dienstpflicht", „die Hagestolzen", vor Allem aber „dir Jäger" und „ter Spieler" den ersten Platz rinnrhmen, waren auf allen deutschen Bühnen gern gesehen. Und wenn er auch in der Gab« ter Erfindung gegen Kotzebue zuriickstand, so war er diesem doch überlegen in dem echt deutschen Geiste, au- dem er sein« Stoss« debanbelle, wir durch den stet- reinen sittlichen Gehalt seiner Werke. Die elbische Tendenz trat bei ihm nicht hervor in wortreichem Moraliflrrn, sondern in den von ibm geschilderten Charakteren und den Situationen, dir er an» dem deutschen Familienleben zu entnehmen und mit feiner Beobachtung anschaulich zu macken verstand. Er selbst hatte seinen Werth als Dichter nur sehr gering angeschlagen, aber die Anerkennung da>f ihm auch beute nicht versagt werde», »aß er auf dem Boden de- deutschen Familienleben» rin Meister in der Darstellung war. Al» Schauspieler hatte Jffland seinen großen Vorbildern Eckbof und Schröder Mit Begeisterung Nackgestrebt. Aber seine Nattirbtgabung war anders geartet, und waS seinen Darstellungen besonder» im bürgerlichen Schau- und Lust spiel einen fesflludcn Reiz gab, und wa» am meisten bewun dert wurde, das war di« seine Ausarbeitung der von ibm gespielten Charaktere, wenn er auch dabei iu der Anwendung von allerlei feinen Nüanren oft zu weit gegangen war. Für die Darstellung deroisckcr und großer ir>vrnschast» sicher Charaktere fehlte ihm daS tragische Pathos und hin- reißende Feuer. Zu den längst vergessenen Stücken, in denen er sich durch eine vielbewunderte Kunst der Kleinmalerei eine Glanzrolle geschaffen batte, gehörte rin französische» Schauspiel: „Der Essighändler" von Mercier. Bei seinen eigenen Schauspielen würde eS sebr nabe gelegen baden, baß er dir von ibm selbst zespielten Rollen sich nach seiner eigenen Individualität gc chaffen batte. Da« war abrr nicht der Fall, weil er vor Alleui dir strenge Motivirung der Charaktere und die Gc- sammtwirknng de» Stückes im Auge bedielt. Daß er meist „dankbare" Rollen schrieb, war da» Resultat seiner großen Bnbnenkrnnlniß und seiner eigenen schauspielerischen Tdäiigkett. In seiner Eigenschaft als Echanspirldichtrr und al» Dircclor unterschied er sehr wobl zwischen denjenigen Stücken,dir wie seine eigenen, nur für das Bedürsniß de« Theater» waren, und denen, di, einen köderen Rang als wirkliche Dichterwrrke beanspruchen durften. Für Schiller, mit dem er von Anbeginn seiner Berliner Direktion fortdauernd im lebhaftesten Brirtwecksel stand, hegte er rin« unbegrenzte Verehrung, und c» war sein Stolz, jede» der Schille?sch«n Werke — di« jetzt schon ter reiferen Periode de« Dichter« angcbörtrn, — so bald wie möglich vom Dichter zu erhalten und bri der Ausführung dir größtmögliche Sorgfalt daraus zu verwenden. So kamen unter Jffland'» Tirerlivn von den Schiller'schen Dramen noch zur Aufführung: Wallenstein (in allen drei Theilrn), dir Jungfrau von Orleans, Maria Stuart, die Brant von Mcssina, dir Beaibeituug von Gozzi'» Turandot und endlich da» letzte Werk deS großen Dichter»: Teil. In seinen Briese« batte ihm Schiller auch bereit» dir Malteser und Demrtriu» in Aussicht gestellt, aber der frühe D»d des Dichter» ließ dies« Werk« nicht mehr zur Vollendung kommen. Jffland begnügte sich aber keineswegs mit Dem, was die reiche dramatisch« Literatur dieser Zeit ihm «iufack rarbot, sondern er verstand e» auch, jüngeren und noch un bekannten Talenten zur Anerkennung zu verhelfen. Zu diesen gehörte der Köaig»d«rger Zachana» Werner, dessen
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