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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189611083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18961108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18961108
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-08
- Monat1896-11
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1896
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BezugS-PreiS j» bsr Hanptq»,ditto, b« t« Gtabs- vezirk and den Vorort», errichteren Avä- oavestellen abgebolr: otrr1eIjädr1lch^l4.X1 bet SXtmaliarr täglicher Zuftetl»»« iv »out -LO. PurL die Post bezogen für Lentfchland und Oesterreich: vtenrliäbrllch L—. Direkte täglich« Kreuzbandiendu^g Lusltwbr «o^Mch 7chL DK Dtorgeu-U^tgob« «fchekt «m '/,7 Ms. dt» Lbvck-Ausgab« Wochvuags « v U-r. Nedartio« «a- LrveLitiou: ),tza»n»s,asi, S. Die Expedition ist Wochentag« unnuterbrochen geöffnet vou früh 8 bi« Lbeudt 7 Uhr. Filialen: Dit» R>e»m t Eorrim. Mkfreb Hatz«)» Uotorrsität-siraß« S lvoulinumj. Louis Lösche, ffatbormenstr. 14. vart und Königsvlatz 7^ 5KS. MpMer TllgMaü Anzeiger. Ämtsbkatt des ÄönigNchen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Anzetgen-Prei- tzie 8 gespaltene Petttzeile D) Pf-. Reelame» «1« hem RedaeKonsflrich («am spalten) bO-^, vor den Aamiiiennachrichp» lSgeipalten) 40^. Größer« Schriften laut »»irre» Preis- verzeutzniß. Dodellarischer »nd Ftffernsa» u«y höherem Larfl. tzKttv«'Ve1Ia,e« lgrfalzy. „r «it dm Murgro-Ausgabe. ohne Postbefvrderuuß «ü—, mrt Postbesörderuu- 70.—- Ännalfmetchlvß fSr Anzeige«: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Diorg»»»Ausgabe: Nachmittag« «Uh» Bat den Filialen und Annahmestelle, je «tu« halb« Stunde früher. Uu-ei-eu smd stet« au di« ExZeditiau »u richte». Druck und -erlnn non E. Bal» tu Leipzitz Sonntag den 8. November 1896. SV. Jahrgang. «IlLlL Aus der Woche. 0 Di« „Frankfurter Zeitung" hat „Psychologisches" zu den Enthüllungen von FriedrichSruh beibringcn zu sollen geglaubt. Wir wollen in diesem Augenblicke nicht vou jenen Enthüllungen, noch von diesem auS grober Fälschung dervorgrgangenen Beitrage sprechen. Aber zu psychologischen Studien konnten dir Erscheinungen dieser Tag« aller dings anrrgen. Woher dieser ungemilderte, alle anderen Empfindungen überwältigende Laß argen den Fürsten Bismarck in gewissen Kreisen? Man hort Journalisten, die sonst un beschränkte Preßfreiheit al« da« benridenSwrrthe Gut anderer Nationen rühmen, nach dem Staatsanwalt rufen; Leute, die es beklagen, daß in Deutschland nicht wir anderwärts aus dem Amte geschiedene Minister Einfluß auf da« politische Leben nehmen, denuneiren mit vollen Lungen, und Menschen» deren Rassenhaß so ehrlich ist wie ihre Franzosen liebe, machen di« Reg»«rung des Aaren ausmertsam, daß wie Oesterreich und Italien auch Rußland es sich schuldig sei, Uber den Fürsten B>«marck Beschwerde zu führen. Rudolf Müsse tritt als Patriot auf den Plan, auf daß sich in der Politur seiner deutschen Seele ter Ver- rath deS ManneS von Gastein, Biarritz und Frankfurt spiegele, Leonidas Leopold Sonnemann deckt niil seinem Schilde das theure Vaterland gegen den Ephialtes Bismarck uvv Eugen Richter hält sich nicht zu gut für diese Kameradschaft. Der Letztere, man weiß e«, steht unter dem Banne de« Irrthum«, ihm sei wegen Bismarck'» Erscheinen der Zoll geschichtlichen Ruhmes, auf den er Anspruch zu Haden glaubte, vorenthalten worden. Zn Wahrheit wäre er bald nach seinem Auftreten inS Dunkel zurückgelreten, hätten die auf ihn fallenden Zornesblitze aus den Augcn des Großen seiner Gestalt nicht Licht geborgt. Indessen, da« er kennen zwar Richter'« politische Freunde, aber nicht er selbst, und sein Würden gegen den „Perrälher" läßt sich aus ge kränkter Eitelkeit erklären. Woher aber der lodernde Haß der anderen Frelsinnshrlden? Bismarck ist der Vater des Gesetzes über die Gleichberechtigung der Religionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung, es wird ihm zugeschrirben, daß dl« vielbesprochene Walversee-Aersammlung bi« mit Recht oder Unrecht befürchteten Folgen nicht nach sich gezogen hat. Vor geschrittenen Antisemiten gilt er als Iudeufreund. Der Ge sichtspunkt als», mit dem «in starker Haufen der wider Bismarck tobenden bürgerlichen Demokraten die Politik zu bslrachten pflegt, giebl keine Erklärung für den grenzenlosen Haß. Aber virSocialde mokratie giebt für diese ihreKamps- aenossen die Erklärung. In diesem Falle ehrlicher als die Anderen, sagt der „Vorwärts", die Legend« sei die Stärke Bismarck's, die Legend«: „ohne Bismarck kein deutsche« Reich". Und weil dem nach der Austastung deS social demokratischen Blattes so ist, so gelangt e« zu folgendem Schlüsse: „Ob „Freisinnige" ober „Frankfurter" oder gar di« alte „Voß" den letzten Bismarckstreich noch so scharf kritisiren, so lange die Axt an den Baum der Legende nicht gelegt wird, kann der Alte fortfahren zu rasseln u. s. w." An diesem Urtheil ist, abgesehen natürlich von dem Tone, nur das Eine zu beanstanden, daß Bismarck's Verdienst legendarisch genannt wirp. Nicht die Legende, sondern die T hat fache, daß er das Reich geschaffen, bestimmt da« Verhalten der großen Mehr heit ter Nation gegenüber seinem früheren Thun. Diese Tbat- sache liegt dem von dem focialdrmokratischen Blatte nicht verkannten Vertrauen zu Grunde, daß der erste Kanzler auch im Privatleben nur das Interesse de« Reichs im Ange habe, und sie liegt dem Haste bei der Demokratie und den Ultra montanen, von denen wir vorhin gar nicht zu reden brauchten, zu Grunde. Es ist daS Reich, das in BiSmarck von Socialremvkraten und Klerikalen angefeindet wird, und wenn er daS Wort „Reichsfeinbe" nicht längst gemünzt hätte, die Art, wie man soeben in der Kritik seiner Enthüllungen mit dem Vorgeben, deutsche Interessen zu wahren, dies« Inter essen an Oesterreich, Italien und Rußland preiszugeben sucht, diese rasftnirtr Erzeugung auslänbiichrn Mißtrauen« gegen eine den Einstuß und die Sicherheit des Reich« wahrende Reichspolitik hätten ibm wohl jetzt jene brandmarkende Be zeichnung auf die Lippen gezwungen. Zum Glücke sind, dasür hätte r« de« Zeugnisse« des „Vorwärt«" nicht bedurft, außerhalb de« CentrumSheere« und der Socialdemokratie die Reichsfrinde Generale ohne Armeen, und demgemäß zählen diejenigen nichtultramonianen Bürger, die sich von der Er findung des Bismarck'schen „LandesverrathS" nicht angeekelt fühlen, im Lande nickt nach Zebntausenden. Die Wahlen in Ungarn könnten auf einen Augenblick den Neid der Deutschen erregen. Eine geschlossene Mebrbeit im ersten Wahlgange, keine „unnatürlichen Wahlbündnisse" und «ine Anzahl von einstimmig gewählten Abgeordneten. Bei näherem Zuiehen wird man jevock kein Bediirfniß verspüren, auS der deutschen Haut in die ungarische zu schlüpfen. Unter den Mandaten der Regierungspartei befinden sich wohl ebensoviel erpreßte und erkaufte al- frei übertragen». Das ist freilich in Ungarn Tradition, ein Umstand, der jedoch die magyarischen und magyarisirten Publicisten de« Landes niemals gehindert hat, mitleidig aus daS „unfreie" Deutsch land herabzusrhcn. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist es aber daS letzte Mal gewesen, daß dir herrschende Partei die herkömmliche Farce mit Erfolg aufführen konnte. Der auf fällige Sieg wird den Blick für die ihm zu Grund« liegenden Ursachen schärfen, und ohnehin ist genug Zündstoff vorhanden, um den ungarischen „Liberalen" vor dem Schicksale der „Drutschliberalen" in Oesterreich bang« zu macken. Die „Germania" hat dem Erzbischof NooS von Frei- hurg i. Br. «inen warmen Nachruf gewidmet, dem gleich darauf verstorbenen Cardinal Hohenlohe ist aber von dem Erntrumsblatt sogar da« übliche koquiescat lo p»oa versagt worden. Hielt die „Germania" den Erzvrirster bei Santa Maria Maggiore in Rom für einen .Taufschein katholiken" und wünschte sie ihm deshalb nicht di« ewige Ruhe? Bei der diesjährigen Neferendarien-Prüfung in München haben von 72 Candidaten nur 24 bestanden, 21 sind durchgefallrn, 2l zurückgetreten. In Bayern bilden Nationalökonomie und Finanzmissrnschaft zwei wichtige Gegen stände der ersten juristischen Staatsprüfung, und die „Freis. Zeit." hat häufig versichert, die agrarischen Reckt-candikaten dedieateu sich zur Vorbereitung in jenen Fächern mit Vor liebe der Politischen ABC-Bücher von Eugen Richter. Die Kunst hirscS Politiker«, den Durchfall vorznbereilen, scheint sich demnach auf außerpolitischem Gebiete zu brwäbren. Eine wenig erfreuliche Perspective für den Fall, daß Herr Richter den Anlaß fände, einen Berufswechsel zu vollziehen, der den Tyrannen Dionysius den Jüngeren von Syrakus berühmt gemacht hat. Die Krawalle von Carmaur vor -er französische» Kammer. 6. Vari«, 6. November. Am 2V October haben dir französischen Socialisten dem Minister de« Innern, dessen Organe in Carmaux so energisch Ordnung ge schaffen hatten, den Kampf bi« auf« Messer geschworen. Wa« darunter zu verstehen sei, das kann man am besten au« ihren Zeitungartikeln ersehen, dir selbst für französische Verhältnisse ganz ungewöhnlich unfläkhig sind. E« ließe sich ein ganze« Schinipfwörter-Lexikon auS ihnen zusainmenstellen. Um nur ungefähr einen Begriff von dieser svcialistischen Polemik zu geben, genüge rS, zu sagen, daß „Afftngesichl" und „feiger Esel" nvck nicht die schlimm»«» unter den Namen sind, mit denen man Herrn Barihou überschüttet. Eines Trostes gegenüber derartigen Pöbel- Hastigkeiten bedarf r- nicht, sonst könnte mau darauf Hin weisen, daß dir Angriffe dieser Herren um so gemeiner zu sein pflegen, je anständiger ihr Gegner ist. Herr Barthou muß also ein ganz besonder« anständiger Mann sein. In der Tbat ist der Minister deS Innern nicht nur eins der liebenswürdigsten, sondern neben Hanotaux wohl daS be gabteste Mitglied des gegenwärtigen Ministeriums. Gestern bat nun di« erste große Redeschlacht stattgefunden. Sech« und eine halbe Stunde bat sie gedauert. Sie ließ sich günstig an für die Minister und sie endete mit ihrem Siege. Trotzdem war es kein guter Tag für sie. Daß sie über Carmaux zu Falle kommen würden, stand von vornherein fest; nmsomehr war m r^-erstaunt, daß ihr Triumph einem Pyrrhussiege sehr ähnlich '>1. Die Socialisten hatte» den Genossen Jqurö« ins Bordertreffen gesiellt. Iaur-s gilt für einen der besten Redner deS Parlaments. Auch gestern bot er alle seine Berrdtsamkrit auf, spielte er meisterhaft auf allen Registern seiner klangvollen Stimme, und die Deklamation de« Schlusses seiner Rebe war eine- großen Schauspieler würdig. Trotzdem machte diese, die ja allerdings auch mehr für seine Wähler berechnet war, auf da« Hau gar keinen Eindruck. Phrasen, Phrasen, immer dieselben Phrasen. Die Ereignisse, um die e- sich bandelte, sind be kannt. Die svcialistischen Abgeordneten hatten den Arbeitern von Carmaur, die trotz Hunger und Eiend im Streik ausgedarrt, und den übrigen Einwohnern, die sie mit all' ihrer Habe unter stützt hatten, das feste Versprechen gegeben, die neu zu gründende Vorrorie ouvxiöre in ihre Stadl zu legen. Daß sie ihr Versprechen nicht ballen konnten, sei zugegeben. Fest aber steht eS, daß sie die Leute noch mit Versprechungen hin- gehallrn haben, als da« Terrain in Albi bereits ge kauft worden war, und daß die Enttäuschung und Wutb mindestens eines Theiles derselben grenzenlos war. Die tumultuarischrnScenen, dir sich im vergangenen Winter in dem Städtchen abgespielt haben, sind nvck m Aller Erinnerung. Man konnte sich auf weit schlimmere gefaßt machen, al« jest nach der Einweihung der Glasfabrik in Albi da- socialistlsche Comitö in Carmaux rin Siegersrst feiern wollte. Mit vollem Recht halte darum der Minister alle Vorsichts maßregeln treffen lassen, hatte den Belagerungs zustand während 48 Stunden über die Stadt verbängt und einen besonderen Polizeicommissar entsandt. Allerdings scheint di« Gendarmerie zum Theil etwa- energischer aiif- getreten zu sein, al« es unbedingt nöthig gewesen wäre, aber sie bat wenigsten« «io allgemeine« Handgemenge ver hütet und, wie der Minister sehr richtig bemerkte, die Herren vor ihren eigenen früheren Freunden geschützt. Allein, was verschlägt da« den Socialisten? Nack Herrn Iaurv« war die Bevölkerung die ruhigste von der Welt und nur von dem Wunscke beseelt, ihrem geliebten Abgeordneten einen herzlichen Willkommen zu bereiten. Die Regierung trage alle Schuld, sie habe Pfeifen vertheilt, verkleidete Schutzleute komme» lassen, sie habe die Gendarmen ohne jede Ursache auf di« friedliche Menge rinreiten lassen. D»e Kammer ließ rubig und gelassen die endlose Rede de« SocialistensührerS über sich ergeben. Aber wenn man gehofft hatte, daß die äußerste Linke nun Gleiches mit Gleichem vergelten würde, so hatte man sich gründlich getäuscht. Kaum halte der freundliche, kleine Minister die Tribüne be treten, da begann schon der Lärm. Maa muß das gehört haben, um sich einen Begriff davon machen zu können, dieses Zischen, dieses Klappen Mit den Bänken, dieses Droben mit den Fäusten! Und welcher Drill in den Leuten steckt, wie sie bei allen Mlßfallrii-äußerungea auf die Zeichen ihrer Führer achten, dieser Lkek cktz claqvol Barthou sprach ganz vorzüglich. Ruhig und sachlich und doch mit einer gewissen Warme in seiner sympathischen Stimme. Satz für Satz wurden die Behauptungen des Angreifers widerlegt. Ausgezeicknrt war der Passus, in welchem er auf die be rühmte Carmagnole zu sprechen kaoi, „diese« Lied, so hassen-würdig, so gemein, so anrüchig", daß er es nicht vor lesen könne. Die ersten Zeilen möchten genügen; Wa« braucht der gute Franzos«? Eilen und Blei und »ach Brod. Lisin zu der Arbeit. Blei, um »»« zu räche», Und Brod für unser« Prüder. „Sie wollen den Bürgerkrieg entfesseln, Sie Hetzen Franzosen gegen Fraazosra zur Rach« aus Uud das »innen Sie friedliche Fest.?* Aber dann kam der böse Augenblick. »Die rede» von Attacken der Gendarmerie? Ich »ersickrre Sie, es hat keine Attacken gegeben. Sie reden von Verwundeten und Lobten. Ja, wo sind denn die Tovten?" Es heißt, daß Worte tvdtlick sein können für den, der sie gesprochen. Nach dem Höllenlärm zu urtbrilen, der fick nach diesem erhob, ist Barthou verloren. Zweihundert Fäuste ballen sich gegen den Minister, hundert Kehlen stoßen rin wüste- Durcheinander von Drohungen au«. „T>e de- dauern also, daß Niemanv grtödtrt worden >!<? Tas werben wir Ibne» vergelten! Sie sind der Tobte!" Von da an ist v>r Stellung de« Minister- ungemein schwierig. Der Lärm seiner Gegner ist verkoppelt, der Beifall der freunde ist nicht mehr so warm; brr aUe Meline schaut ganz trübselig drein. Barthou selbst beginnt nervös zu werbe». WaS hilf» es, daß er sich energisch gegen viese gemeine Deutung verwahrt; da« unglückselige Wort ist einmal gesprochen. Heute tehl es in allen Zeitungen. sout les morts? beißt der Leitartikel Rochefort'«. Ost sout les morts? überschreibt die „Pente Röpubliqur" den ihrigen. Ob «out las mort»? lönts von der „Libre Parole" zurück. DaS Wort wird ba« Scylachtgeschrri aller Gegner des Ministeriums werben. Dem Genosse» Milleranb ist von seinen Freunden auf getragen worden, zu antworten. Weniger pathetisch als Iaurö ist er darum nicht minder gefährlich. Er schließt mit der grimmigen Drohung: „Einen Ihrer Vorgänger Hal rin ähnliche« Verhalten gestürzt, Ihnen wird eS auch so gehen. Nehmen S>r stck in Acht!" Eine etwas heiterere Note bringt der brave Hutmachor Faberot in die Debatte, der eine persönlichen Erlebnisse erzäblt. Sein 6ito/su Io winst-tre macht auf ver Galerie viel Spaß. Trotz alledem ist noch auf eine starke Majorität für das Ministerium zu rechnen, als ter kleine alte „Glfizahn" Godlet — Demi-Siphon genannt — die Tribüne besteigt, um dem Minister Unkenntniß der Gesetze vorzuwerfen. Es rntspinnt sich nun ein spitzfindiger Kampf um dir Aus legung verschiedener Paragraphen, bei dem die Advocate» der Kammer aufmerksam zuhören, alle anderen sich rut- etzlich langweilen. Es ist nämlich bereits 7 Uhr. Wer Recht hat von den Beiden, wer will ba« entscheiden? Aber für Pie Radikal en ist nun ihr Votum vorgezeichnet, ie werben gegen da« Ministerium stimme». Die gestrige Verhandlung war der erste kräftige Vorstoß ver Gegner des CabinelS Mölme. Die nächsten acht Tage werden geräuschlos verlaufe». Dann komm« die Interpellation Mirman voutra Barthou. Ma» darf gespannt darauf sem, Deutsches Reich. * Let-ziff, 7. November. In ihrem heutigen, „Der Kampf gegen den Fürsten BiSmarck" überschriebenen und vom Telegraphen bereits siznalisirsen Leitartikel unter- uchen die „Hamb. Nackr." zunächst die Gründe, welche :en Haß der Gegner de« Fürsten aufs Neue empvrflammen assen, und kommen gleich un« zu dem Schluss«: „Jede Erscheinung der Art Hot doch ihre logischen Ursachen- Wir können hier keine andere entdecken, als die Mitarbeit des etzigr» Altreichskanzler- an der Herstellung des be- tchenben deutschen Reiches und die Hoffnung, bas in dieser Richtung Geschaffene zu untergraben, zu schwächen und sein Erstarken nach Möglichkeit zu verhindern." Nachvrm dann da« BiSmarckorgan auf die officiöse Unterstützung der fortschrittlichen und klerikalen demokratischen Hetzer hingewiesen, legt es dar, welche Macht allein durch das deutsch-russische Assecuranz-Abkommen sich peinlich be rührt fühlen und ein Interesse daran haben könnte, seine Verlängerung nicht zu wünschen oder gar zu hintertreiben. Diese bedeutungsvolle Darlegung, auf dir wobl auch im Reichstage zurückgegriffen werden wird, lautet wörtlich: „Dir Frage, ob voiitische Beziehung,o, di« feit mehr al- ff Jahren bedeutungslos geworden find, noch drm Gewissens« rothe drr demokratische» Blätter christlich-tugendhast, oder ruchlos waren zu der Feit, wo fi« tm Jntereff» Les Frieden- dergrslellt wurden, hat keine bewegende Kraft für di« öffent liche Meinung. Da, wo sie eine berechtigte Kritik finden konnte, bei den Genossen des Dreibundes, hat sir offenbar keine Erregung verursacht und erlangt kaum in einzelnen sporadischen Kennzeichen Berliner oificiösen Einfluss^ Beachtung. Dir sittliche Entrüstung unsicer heimischen Demokratie findet dort nur milbigen Anklang und ebenso in Frankreich. In England zeigt sich schon mehr Sympathie dafür, wie natürlich für jede« Auftauchen von Symptomen russen feindlicher Gesinnung in Preußen und in Deutsch- land seit dem Arimkriege, in der polnischen Revolution von 1863, in Bezug ans die sogenannte Seeschlange, da« preußisch-rujsische Abkommen, über welches der Chorus der preußischen Oppo- sinon, der englischen Blätter und der «ugliichen Diplomatie mit gleicher Heftigkeit hersiel. Und wenn man in England gewußt hat, daß dir russische Verstimmung, welche nach de« Berliner Lougrrß gegen Leutschland laut wurde, aus irgend einem Wege der diplomatischen versöhnlich- leit ihrer Heilung »»tgrgrnging, so wird man natürlich allen englischen Einfluß in der Diplomatie und in der deutschen Be völkerung angespannt haben, um diese Heilung zu verhindern. DieDrrikaiserbegegnuugrn von Berlin im Jahre 18^2 und vonSkierniewice imJahre1884 paßten nicht in die englische Politik, und wenn in der Dhat rin Abkommen daraus sich gebildet hat, welches Rußland» Neutralität im Falle eine« Angriffes in «ussicht stellte, so war dir Beseitigung eine« solchen Abkommen- Ausgabe der englische» Politik von drm Augenblick« an, wo ihre Leiter die Uebrrzeugung Hollen, daß es existirw. Wra» es »xistirt«, so konnte e« sein« Wirkung ja nur England »,h Frank reich gegenüber äußern. Frankreich gegenüber zu Gua sien Deulschiaads, wa« de, englischen Polltikern ziemlich gleich- giltig gewesen gewesen sein würde, aber England gegenüber ausschließlich zu Gunsten Rußlands. Zwischen dirsi» beiden Mächten konnten Händel in Asien und im Orient entstehen, und wenn dies der Fall war, so hatte die Haltung Deutschland- ihre Wichtig, krit. Ein anderer als riu englischer Angriff auf Rußland wird den Loatrahentra wohl kaum vorgrfchwrbt haben oad nament lich keiner von Seiten Oesterreichs, das sich auf einen unprovocirtra Angriff auf Rußland doch kaum jemals eingelassen haben würde, ohne seine Ab sicht«» vorher mit der deutschen Reichspolitik zu be ¬ sprechen; au- solcher Besprechung würde auch für Heid« Theile tie Klarheit darüber gewonnen worden sei«, ob »in be absichtigtes kriegerisches vorgehen «in provoeirtes sei oder nicht. Ti« Beilegung und Verhütung österreichifch- russischer Verstimmung Hot di» deutsch» Politik früher jederzeit al« ihre Ausgabe angesehen. Die schwerstwiegrnde von unseren Veröffentlichungen, wenn sich dieselben, wie e« scheint, al- begründet erweisen, liegt auch wohl nicht in drr sehr geschickten und verständige« Herstellung einer verstärkten Frirdeu-garantte, sondern in der Angabe, daß aus di» Beibehaltung derselben nach 1890 von unserer Seite verzichtet worden sei. Wenn dies» Thatsache nicht entschiedener als bj-her in Abrede gestellt wird, so wird sich ver Forlchertrieb in der Presse und eventuell im Reichs tage doch wohl mehr auf di» Gründ» dieser Ablehnung, als auf di« Motive der Herstellung und der öffent liche» Besprechung des behauptete» russischen Ab kommen- richten. Dieses Abkommen muß, wenn wir recht unterrichtet sind, von allen drei deutschen Kaisern ge billigt worden sei» bis 1890. Für seinen Abbruch, wenn es bi« 1890 bestanden ha», wär» die Frag« von Interesse, wann England ttenntniß von der Existenz desselben er halten bat." * Leipzig. 7. November. Nach einer Verordnung de« königlichen Ministerium« des Innern finden gegenwärtig auch in Täcksen Ermittelungen darüber statt, ob die Klagen berechtigt finv, die auch hier gegen die Bestimmungen des Buiidesralhes über den Gewerbe trieb in Bäckereien laut geworden sind. Die Bemerkung der „Frankfurter Zeitung", daß, wenn der Klagen gereckifertigt seien, die sächsisch« Negierung beim Bundesrathe eine zweckentsprechende Aenkerung der genannten Bestimmungen beantragen werde, ist wohl nur Vermuthung; osficirll ist davon nicht« bekannt. Dir Ergebnisse der Erörterungen sollen sobald als möglich zusanimengesteüt werden. * Lei-jis, 7. November. Kommenden Dienstag findet vor drm zweiten Strafsenat des Reichsgerichts Revisions verhandlung gegen den sokialdenivkratischen Reichstags- abgeorvnclen und Redakteur Auer und vierzehn Genossen in Sacken ihrer Verurlheiluug wegen Uebertrctung des Vereinsgesetzes statt. x Berlin, 7. November. Von sehr beachtenSwertber Seite wirb unS geschrieben: Wie wir hören, Hal der Entwurf eines Auswanberungsgesetzes die kaiserliche Sanktion zur Einbringung beim BundeSrathe noch nicht erlangt. Wenn auch an dieser Sanktion nicht zu zweifeln ist, so ergiebt sich doch daraus schon, baß die M>ttbeilungen über den Inhalt ter Vorlage mir Vorsicht aufzunehnieu sind. In jedem Falle dürfte, wie unS mitgetheilt wird, ter von einigen Seiten ge äußerte Wunsch, die Leitung der Regelung des AuewandrrungS- wesens möge der Co lonia lab tHeilung des Auswärtigen Amtes überwiesen werden, auS triftigen Gründen keine Be rücksichtigung finden. Einmal ist die Coloiiialabtbeiluog obne- bln mit Geschäften überlastet, zweitens aber liegt «in materieller Grund, dir Colvnialabtheilnng mit drr Leitung des AuS wanverung-wtseus zu befassen, nicht vor, weil ja nur ein verschwindender Bruchtbeil der jährlich aus Deutschland aus wandernden Personen künftig nach unseren Colonien geleitet werde» könnte. Es ist Haber viel eher anzunehmrn, daß dir voraussichtlich «inzurichtende Centralstelle für das Auswanderung-wesen zwar mit der Colonialabtheilung wie mit anderen Rrick-bebörtrn und einzrlstaatlickrn Behörden Fühlung haben wirb, aber io keiner Weise der Cvtonialab- tbeilung unterstellt werden wird, Wann der Entwurf dem Reichstag« zugehen wird, läßt sich natürlich noch nicht über sehen, da er eben dem Bundesrathe noch nickt zugegangen ist. Da indessen die kaiserliche Sanktion zur Einbringung beim BundeSralbe wohl bald erfolgen dürfte und die Beraihungen des Bundesrathe« über diese Angelegenheit nicht schwierige sein werden, so könnt« der Entwurf immerbin dem Reichs tage so zeitig zugestrllt werden, daß er in diesem Tagungs abschnitte noch bequem zur Erledigung gelangen kann. 6.6. Berlin, 7. November. Die Frage des Eoutraet- bruchrs wird in den Berichten der deutschen Gewerbe- aufsichtSbeamten eingehend brbanvelt. Nach diesen Be richten liegen die Verhältnisse in Deutschland lange nicht so schlimm, wie oft bebauptet wird. Fälle des Eontraclbruckes sind in den meisten Bezirken brr Gewerheaussichtsbeaniien — auch nach den Berichten drr preußischen Bergbehörde — überhaupt nicht oder doch nur vereinzelt, besonder- zu Zeiten beobachtet worden, wo der «ine oder der ander« Industrie zweig ein« außergewöhnlich lebhafte Thätigkeit entwickelte und den Arbeitern größeren Verdienst versprach. Mehrfach kamen Eontractbrüche von Seiten der Arbeitnehmer zur Kennlniß der AufsicktSbeamlen für Eoblenz, Unterfranken, Obersranken, Freiberg, Aue, Wurzen, Unterelsaß, Lothringen. „Contract bruch", so schreibt der Gewerbeaufsichlsbramt« für Baden, „kommt fast nur bei jüngeren unverheiratheten, nach Angabe der Arbeitgeber gerade bei den brauchbarsten Arbeitern vor. Nach den uns gewordenen Mittbeilungen müssen wir aber schließen, daß der Eontractbruch nicht sehr häufig ist. Aller dings haben bi« Klage» der Arbeitgeber, daß sie keiue genügenden Mittel besitzen, um sich gegen den Contracldruch «rsolgreich zu schützen, noch nicht aufgehört. Namentlich ist dies der Fall bei der nicht ganz geringen Zahl von Arbeitgebern, di« in der Arbeitsordnung gar kein« Bestimmungen darüber ge troffen haben, daß Lohnbrträge im Falle des Contract- druche« für verwirkt erklärt werden können. Sir geben an, dies unterlassen zu haben, weil sie es für unbillig dielten, wegen einzelner unzuverlässiger Arbeiter sämmtlicken Arbeitern einen Theil des Lohnes zurückzuhalten. Jedenfalls baden sie aber nickt das Recht, sich über unzureichend« Mittel zur Verhütung de« Eontractbruch^« zu beklagen, wen» sie d»e in dieser Beziehung gebotenen gesetzlichen Handhaben «och nicht benutzt haben". Di« in Folge des Contract- bruchrs verwirkten Lohnbrträge (die nötbigrnfalls ge richtlich eingetrieb«, werden können) flössen meisten« in Arbeiteruntrrstützungscassen rc. oder kamen sonst den Arbeitern »u Gute, zuweilen flössen sie auch in die Geschäft-- caffe de« Unternehmen-. Im Bezirk Niederbayern ist dar
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