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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961123023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896112302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-23
- Monat1896-11
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8S82 alle» TageSzritauge» geschrieben: 'Kronstadt, EhalonS, England- Schwanken re. Da- ist sehr wahr und darüber hätte der Reichstag verhandeln müssen! Sveciell darüber, ob denn wirklich die Gründe, die zum Aufgeben der Basis dieser Stellung Deutschlands bewogen, so vollwichtig waren, wie der Reichskanzler behauptet hat." Da- „Leipz. Tagebl." bat sich, wie unseren Lesern erinner lich sein wird, in demselben Sinne geäußert. * Berlin, 21. November. Wegen Beleidigung der Staatsanwaltschaft in BreSlan stand gestern der Redakteur des „BorwärtS" Iacobey vor der 4. Straf kammer des Landgerichts I. Unter Anklage gestellt waren drei Artikel, die mit der Beschlagnahme und Freigabe der bekannten Märznummer sick beschäftigten, die auf Ver anlassung der Breslauer Staatsanwaltschaft wegen angeb licher Majestätsbeleidigung beschlagnahmt worden war. Diese Maßregel ist im Instanzenznge aufgehoben worden. In den Artikeln des „Vorwärts" wurde nun Beschwerde darüber geführt, daß über die Freigabe der beschlagnahmten Ballen erst drei Wochen nach dem Eintritt der Rechtskraft deö frei sprechenden Erkenntnisses die Berliner Polizei benachrichtigt habe, daß die Freigabe der beschlagnahmten Exemplare zu erfolgen habe, die Freigabe aber erst am 7. August erfolgt sei. Wodurch die Verzögerung entstanden sei, unterstehe, wie der Vorsitzende ausführte, nicht der Prüfung deS Gerichts hofes, der bei dieser Sachlage dem Angeklagten an sich den Schutz des 8 193 des St.-G.-B. zugebilligt habe. Der Ge richtshof habe weder im ersten ncch im zweiten, Wohl aber im dritten Artikel eine Beleidigung der Breslauer Staats anwaltschaft gefunden. Dieser werfe deutlich eine grobe Pflichtverletzung vor, und da dem Angeklagten bei diesem Artikel nicht mehr der Schutz des ß 193 zur Seite stehe, so habe ibn der Gerichtshof zu sechs Wochen Gefängniß verurtheilt. — Dem am 19. verstorbenen Fürsten Otto zu Stol berg-Wernigerode widmet der „Reichs-Anz.", wie schon erwähnt, einen längeren Nachruf, in dem cs nach Anführung der biographischen Notizen beißt: „Neben den hohen amtlichen Functionen entfaltete der Verstorbene auch eine weitreichende gemeinnützige Tdätigkeit, mit Vorliebe eine solche für die Armee, der er als General der Cavallerie k la suite augehörte. Unvergeßlich werden namentlich die großen Verdienste bleiben, welche er sich als Vorsitzender des Central-ComiWs der deutschen Vereine vom Rothe» Kreuz nm die Organisation der freiwilligen Krankenpflege im Kriege erworben hat. Durch seine Geburt auf die Höhen des Lebens gestellt, hat der Entschlafene seine besten Kräfte jederzeit in den Dienst des allgemeinen vaterländischen Interesses gestellt und damit ein leuchtendes Beispiel edler, wahr haft vaterländischer Gesinnung gegeben. Sein Andenken wird in hohen Ehren gehalten werden. — Die „Col. Corr." schreibt: „In den Zeitungen ist in den letzten Tagen die Nachricht aufgetancht, daß Se. Hobest der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg znm Nachfolger des Gouverneurs Major v. Wissmann ausersehen sei, und eS wurde sogar behauptet, daß mit ihm Unterhand lungen gepflogen würden. Diese Nachrichten entbehren, wie wir versichern können, einer jeden realen Grundlage, sie sind augenscheinlich nur die Wiederbelebung eines Gerüchtes, wel ches bereits dieses Frühjahr auflauckte und kategorisch demen- tirt wurde. Mit diesen neuen Gerüchten verhält cS sich ebenso, sic sind wieder eine absolute Erfindung, und es wäre nun endlich an der Zeit, daß man aushörte, den Prä sidenten der Deutschen Colonialgesellschaft, welcher als solcher eine sehr umfassende und segensreiche Thäligkeit entfaltet und gar nicht ersetzt werden kann, mit dem Gouvernenrposten in Ostafrika in Verbindung zu bringen." — vi. Karl PeterS wurde am Freitag vom Geh. Legationsrath Or. Hellwig, der die Untersuchung gegen ihn führt, vernommen. Am 12. December findet der Termin in dem BeleidigungSproceß Lange-PeterS statt. Einziger Zeuge darin ist, wie die „Post" hört, der Director der Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft Assessor Lucas, der bezeugen soll, daß vr. Peters, was vr. Lange bestreitet, diesen im Winter 1888/89 hat auf Pistolen fordern lassen. — Wie die „Franks. Oder-Ztg." in der Liebert'schen Angelegenheit noch mittheilt, balle Major v. Wissmann am Sonntag eine längere Unterredung mit dein Oberst Liebert. — Die Marineverwaltung beabsichtigt laut dem „Hambg. Corr.", bei der weiteren Vergebung von SchisfS- ncubautcn, vor Allem der in den neuen Etat eingestellten, hauptsächlich Privatwerften heranzuziehen. — DaS preußische Herrenhaus hat vorläufig die Herren v. Manteuffel und Becker wiederum zu Vice präsidenten gewählt. Als Candidaken für das Präsidium sollen die Herren Prinz Heinrich VII. Reuß, Fürst Plcß und der Herzog von Ratibor in Frage kommen. — Der Führer der Hochorthodoren Schleswig-Holsteins, Pastor Paulsen in Kropp, schreibt zur Verurtheilung des Herrn Stöcker im Proccß Witte-Stöcker Folgendes in seinem Organ, dem „Kirchlichen Anzeiger": „Das Vorgehen Stöcker's gegen Pastor Witte und die Behand lung dieses Amtsbruders, durch ihn ist ein trauriges Blatt in Stöcker'S Leben und wir möchten wünschen, er könnte dasselbe heraus reißen. Stöcker trägt diese Strafe mit vollem Recht für seine un- erhörte Herausforderung; denn das Vorgehen Stöcker's gegen Witte ist in jeder Beziehung unerhört und wir können uns nur freue», -Deutsches Reich. * Leipzig, 23. November. Man schreibt uns aus Greiz: „In einer vom hiesigen Gewerbeverein auf den 19. d. M. einberufenen öffentlichen Versammlung hat der als Redner auftretende antisemitische Abgeordnete Bindewald im Ver lauf seiner Ausführungen bemerkt, „es sei entschieden auf das Conto der Thäligkeit der Rrformpartei zu setzen, daß das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu Stande gekommen sei und zur Durchführung gelangte". Dieser aus der Ver sammlung heraus leider unwidersprochen gebliebenen Be hauptung gegenüber muß nachträglich darauf hiuzewiesen werben, daß die Mehrheit der Antisemiten unter Führung „ihres" Juristen, vi. Vielhaben'S, im Reichstage gegen das Gesetz gestimmt, praktisch also das gerade Gegentheil einer mittelstaudSfreundlichen Politik bcthätigt hat." * verli», 22. November. Der Reichstag mit seiner Mehrheit von Ultramontanen und Demokraten erhält für sein Verhalten in der jüngsten Bismarckdebatte eine derbe Lectiou von einem der angesehensten Blätter der eidgenössischen Republik, dem Berner „Bund". Es heißt dort: „Um den Hauptpunck, die Erörterung darüber, ob der 1890 orräabrrte CurS der auswärtigen Politik Deutschlands der richtige ist, haben sich mit Ausnahme eines einzigen Redners, der auch nur drilüufig darauf einging, ave hcrumgedrückt. Line unglaubliche Unzulänglichkeit in Fragen der auswärtigen Politik zeigt die Debatte im Reichstag. Man scheint gar kein Gefühl dafür zu haben, wie sehr sich doch Vieles verändert hat und um wie wichtige Dinge es sich handelt. Eine Inter- prllation über den simplen Fall Brüsewitz passionirt augenscheinlich den Reichstag mehr als die ganze auswärtige Politik. . . . Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe gab über de» fraglichen Punct die Erklärung ab, daß er die Veränderung des Curies als aus voll wichtigen Gründe» unternommen ansehen müsse. Zu einer Be gründung ließ er sich nicht herbei. Und der StaatSsecretair Marschall, dem die eigentliche Rechtfertigung oblag, hielt «ine Rede, dir ein geistvoller Berichterstatter bezüglich dieser Frage treffend mit den Worten resümirt: „Er (Marschall) sichte demzufolge in seinen Ausführungen ungefähr darauf: Zen« Politik der Rückversicherung durch doppelte Allianzen konnte wohl ein so genialer und von aller Welt anerkannter, d. h. gefürchteter Staatsmann wie Bismarck wagen, aber für einen lchwächeren Nachfolger erschien diese Politik zu coinplicirt. Ich be- wundere neidlos seine Größe, aber wir kleineres Geschlecht müssen n»S einfacher durchhrlfen, deshalb wäre es nnrecht, Caprivi anzu greifen, der nach bester Urberzeugung handelte. Im Uedrigen be wiesen dir unverändert guten Beziehungen zu Rußland, daß eS auch so ganz gut ging " Und das war Alles! Das ist aber mager. Die übrige Debatte drehte sich zumeist um die Frage, ob BiSmarck eine» „Berralh" begangen habe, und was dergleichen Tratsches mehr war. Worum eS sich jedoch handelte, daS war ganz was Au-«»S. Wir wollen es mit den Worten einer englischen Zeit schrist sagen. „Fürst BiSmarck — schreibt England» angesehendste Dochenschrist, die „Satnrday Review" — leistete Deutschland den Dienst, daß er Rußland, Frankreich und England von einander ge- trennt hielt, während er gleichzeitig den Dreibund fest zusammen- fügte. Da» Umgekehrte von jenem glänzenden Meisterstück konsequent verfolgter Diplomatie ist da« von seinem Nachfolger erzielte Ergeb- niß. AlS Bismarck ging, war Deutschland stark und allseitig ge- achtet. Frankreich war vereinzelt, Rußland freundlich und England war — in Wirklichkeit genommen — rin Anhänger des Dreibundes, and der Dreibund stand fest wie rin Fels. Die Mächte, über die er nicht als Verbündete gebieten konnte, trieb Bismarck gegeneinander and Deutschland beherrschte die Lage. Was ist die Wirkung von Kürst BiSmarck'« Ersetzung gewesen? Die Antwort fei längst in KaiskrS gleichzeitig mit dem König von Serbien der russische Großfürst Michael Nikolajewitsch nach Wien gekommen ist, um an den morgen beginnenden Hofjagden :heilzunrhmen. Mit dieser Einladung hat Kaiser Franz Josef zweifellos in Petersburg auch den leisesten Argwobn, daß an der Donau gegen Rußland „conspirirt" werde, vorbeugen und mit der Annahme der Einladung hat man russischerseits ebenso zweifellos zu verstehen geben wollen, daß man von einem Argwohn nach dieser Richtung hin völlig frei ist. Damit muß man sich vor der Hand begnügen. Daß die österreichische Politik bestrebt ist, durch die Pflege freundschaft licher Beziehung«» zu deu Balkanstaateu Eventualitäten einer späteren Zukunft zu begegnen — man weist dabei neben der entschiedenen Besserung der serbisch-österreichischen Beziehungen auf den Besuch Kaiser Franz Joseph s in Bukarest, auf den veS König» von Griechenland in Wien, sowie aus die Ver leihung eines hohen Ordens an den bulgarischen Kriegs- Minister als symptomatisch hin — liegt gewiß nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, wie man auch der An nahme kaum widersprechen kann, daß die Besuche des KöuigS Alexander in Wien und Nom die freundliche Stellung Serbiens zu dem Dreibunde beleuchte». Allein damit ist man bereits hart an dem Gebiete der Conjecturen an- gelanat, auf dessen unsicheren Boden auch der noch so vorsichtig tastende Fuß leicht versinkt. Vorläufig läßt sich als charakteristisch für die internationale Lage nur constatiren, daß man in Petersburg gegenwärtig die Pflege guter Beziehungen der Balkanländer zu den Dreibundstaaten mit einem freundschaftlichen Verhältniß der letzteren zu Rußland nicht für unvereinbar hält. Andern falls würde schwerlich, wie schon angedeutet, ein russischer Großfürst mit dem Kaiser von Oesterreich, ein anderer mit dem Kaiser von Deutschland gemeinschaftlichen Hofjagden obliegen. daß daS Gericht in energischer Weise diesem Auftreten Stöcker's eia Ende gemacht hat. Ein Verständnis für die ganze Action haben wir nicht. Stöcker hätte sich eiue schwere Niederlage ersparen können, wenn er verstanden hätte, sich mehr zu beherrichrn." — Die angekündigte Novelle zum Vereinsgesetz wird, wie die „M. Z." hört, in der Thal eine genauere Umgrenzung der gesetzliche» Befugnisse enthalten, die einem Mißbrauch des freien Vereins und BersammlungsrechtS v orzubeugen bestimmt sind. Ein Eingriff in daS CoalitionSrecyt, wie ihn die Socialdemokraten zu fürchten vorgeben, wird nicht beab sichtigt, schon aus ^dem Grunde, weil die CoalitionSfreiheit Reichsrecht ist. — DaS Capitel vvm ambulanten Gerichtsstand der Presse ist um einen sehr bezeichnenden Paragraphen bereichert worden. Der Margarinefabrikaut LandtagSabgeord- neter I. H. Mohr in Altona-Bahrcnfeld hat bekanntlich wegen Abdrucks eines Wormser Polizeiberichts gegen Hunderte von deutschen Zeitungen die Privat-BeleidigungSklage erhoben, auch gegen die „Germania" und gegen die „Katholische „Volkszeitung", welche beide in demselben Verlage erscheinen und von Herrn I. Ritter als verantwortlichem Redakteur gezeichnet werden. Nun ist gegen die „Germania" unter ausdrücklicher Berufung aus die bekannte Entscheidung des Reichsgerichts bei dem Schöffengericht in Hamburg, gegen die „Katholische Volkszeitung" dagegen bei dem Schöffengericht in Berlin Anklage eroben worden, und beide Privatklagen richten sich gegen denselben verantwortlichen Redacteur in derselben Sache. — Der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Oldenburg find aus Saatfeld hier eingetrosfen. — Ein Unfall ist dem conscrvativen Reichstagsabgeordneten v. d. G roeben-Arenstein zugestoßen, er hat beim Ausgleiten das rechte Bein gebrochen. — Zwei Reichstags sie nographen Gabelsberger'schen Systems feiern Enke dieses and Anfang des nächsten Monats ihr LüjährigeS Jubiläum als amtliche Parlamentsstenographen. Es sind die Herren I)r. Ml. Max Weiß, früher Mitglied erster Classe Les königlichen stenographischen Instituts zu Dresden, seit >887 etatsmäßiger Stenograph beim Reichstage, und Prof. vr.jur. Richard Raetzsch, Mitglied erster Classe derselben Staatsanstalt für Stenographie, die beide Ende Les Jahres 1871 in das stenographische Bureau der sächsischen Ständevcrsammlung eintratcn. Weiß, damals euuil. tbeol. et pbil., wurde ans Königsberg i. Pr., Ractzjch, damals eanck. jur., aus Leipzig nach Dresden berufen. Sie haben sich seitdem ausschließlich der Stenographie gewidmet und sich einen Namen als Meister in Theorie und Praxis erworben. * Königsberg, 2l. November. Der Student der Natur wissenschaften Pank Jacob, der in einem hiesigen Cafö einen Kaufmann durch Stockhiebe auf den Kopf schwer verletzt batte und dafür zn drei Monaten Gesängniß verurtheilt worden war, ist auf ein Gnadengesuch bin zu dreimonatiger Festungshaft begnadigt worden. Hamburg, 22. November. In einer sehr zahlreich be suchten Versammlung haben die Korn-Accord arbeiter und Kohlen arbeiter fast einstimmig beschlossen, sick sofort dein ÄnSstand ter Schauerleule anznschließen. Im Laufe der Verhandlung wurde mitgetheilt, daß die Hafenarbeiter in Holland, Belgien, England und Amerika ihre Unterstützung zugesagl haben. * Parchim, 22. November. Der „Schutzverband der mecklenburgischen Landleute" hat die Genehmigung deS mecklenburgischen Ministeriums erhalten. * Nürnberg, 2l. November. Die sccialdcmokratische „Fränk. Tagespost" ist vor das Schöffengericht in Coburg verwiesen worden wegen eines Artikels, den ein Coburger Blatt abdruckte und in welchem sich der Oberstallmeister in Coburg angegriffen hielt. Die „Fränk. Tagespost" that Schritte gegen diese Verweisung, da die Sache vor das bayerische Schwurgericht gehöre. * Straßburg, 21. November. Der Bezirkstag von Lothringen nahm, der „Franks. Zlg." zufolge, eine Reso lution an, wonach die französische Sprache in den Elementarschulen des französisch redenden Theiles von Loth ringen, namentlich in den oberen Classen, mehr als bisher berücksichtigt werden -soll. — Das wird hoffentlich ein frommer Wunsch bleiben. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 22. November. An dem Diner in der Hofburg zu Ehren deö Großfürsten Nicolaus Nikolajewitsch nahmen auch die Erzherzoge Otto, Ludwig Victor, Eugen und Rainer, das Gefolge des Großfürsten, der russische Bot schafter Graf Kapuist, die Mitglieder der Botschaft und der Militairattach« Oberstlieutenant Wocouin The»l, ferner der Minister des Aeußeren, Graf Goluchowski, der öster reichisch-ungarische Botschafter in Petersburg Prinz Liechtenstein, der Kriegöminister von Krieghammer, der Cdes des Generalstabes Freiherr von Beckh, der Generalinspecteur der Cavallerie Graf Paar, der General-Truppcn-Änspecteur Schönfeldt, der Corpscommanvant Graf Uerküll-Gyllenband und die obersten Hofchargen. Italien. * Rom, 22. November. Bei der heute stattgefundenen Eröffnung der Ackerbauschule in Portici hielt der Acker- bauministerGuicciardini eine Rede, in der er au-sttbrte, die Regierung werde die innere Colonisatioa-thätigkeit begünstigen und einen Gesetzentwurf über die Auswanderung eiubringen, welcher den feste» Willen des Staate«, seine Rechte zu vertheidigen und seine Pflichten zu erfüllen, zu erkennen geben werde. Der Minister kündigte auch Vor schläge zu Gunsten derLandwirthschaft auf Sicilien, sowie über den Schutz der Bergarbeiter und die Einführung sach verständiger Beiräthe in landwirthschaftlichen Fragen an. Unter anderen Maßregeln sei auch eine Verminderung der fiScalischen Abgaben auf Sardinien und die Förderung deS landwirthschaftlichen Credit« geplant. Orient. Die türkischen Wirren Konstantinopel, 22. November. Der katholische Armenier Ferid-Effendi ist zum Kaimakam von Hadjin und der Armenier Nazaret-Effendi zum Kaimakam von Hafik (?) ernannt worden. * Athen, 22. November. Nach einer Meldung de« „Asty" aus Salonichi drangen Bulgaren in die griechische Kirche der Ortschaft Langovani ein und forderten eine so genannte bulgarische Messe zu hören. Wegen der dadurch hervorgerufenen Ruhestörungen sah sich die Polizei genötbigt, einzuschreiten, und ließ die Kirche schließen, die auch trotz des nachdrücklichen Einspruchs des Metropoliten von Salo- nichi versiegelt blieb. * Athen, 23. November. (Telegramm.) Die Zeitung „Asty" berichtet auS Konstantinopel, daß die Pforte dir Ernennung Scaltzonni's zum Mitgliede der krete el fischen Iustizcommission genehmigt habe. Die Berichte der Iustizcommission, sowie derjenigen zur Umgestaltung der Gendarmerie seien den Botschaftern übermittelt worden. Saad Eddin Pascha sei als Abgesandter für die Gendarmeriecommission nach Canea abaereist. Der französische Consul schließe sich der Commission an und werde am Dienstag abreisen. * London, 23. November. (Telegramm.) Die „Daily News" melden aus Konstantinopel, daß Reverend Maccall um, der zufolge einer Nachricht vom 20. dS. von der türkischen Polizei verhaftet worden war, jetzt wieder freigelassen worden ist. Der englische Botschafter Sir Currie habe der Pforte Vorstellungen gemacht, daß in allen Angelegenheiten, in denen englisches Leben und Eigen- thum in Frage komme, England kein willkürliches Vorgehen dulden werde. Reverend Maccallnm wird gestattet werden, sein Woblthätigkcitswerk fortzusetzen. — Wie die „Times" aus Konstantinopel berichten, Haden die Botschafter der Pforte mitgetheilt, daß, gleichviel ob die türkischen Com- niissare bereit seien oder nicht, die ausländischen Mit glieder der Commission zur Neugestaltung der Gendarmerie am Dienstag und diejenigen der Gerichts commission am Donnerstag nach Kreta abgeben. Asien. Der Nothstand in Indien. * Bombay, 23. November. (Telegramm.) In der Provinz Rajpulana ist Regen gefallen. In den Gebieten, wo Negensall slattgefunden hat, wird die Noth vermindert, aber nicht gänzlich beseitigt. Amerika. Spaniens Kampf um Cuba. * Philadelphia, 22. November. In dem Procesfc gegen den Oberst Nunez und Capitain Dickmann als die Haupttheilnehmer an dem Laurada-Freibeuterzugenack Cuba konnten sich die Geschworenen nicht einigen. Die Anklage lautete auf Verletzung des Neutralitätsgesetzes durch Dorschubleistung einer bewaffneten Expedition gegen eine befreundete Nation (Spanien). Ter Cabinetswcchsel in Chile. ? Valparaiso, 22. November. Die Neubildung des Cab inets bat sich nunmebr endgiltig vollzogen. Das Portefeuille deS Innern hat Carlos Antunez, dasjenige des Aeußeren Morla Vicunna übernommen. Fmanzminister ist Iustiziano Soltomayor, Zustizminister Federigo Puga-Borne, Kriegsminister Fernandez AlbanS, Minister für Industrie und öffentliche Arbeiten Borja ValdeS. London, 22. November. Den „Times" wird aus Rio de Janeiro von gestern gemeldet: Die Lage hat sich etwas gebessert infolge der Ankündigung der Regierung, daß sic in allen Verwaltungszweigen Ersparnisse durchzusetzen be absichtige. Außerdem schlägt der Vicepräsident u. A. vor, dir Staalseisenbahnen zu verpachten, die Zollgefälle in Gold zu erbeben und, nachdem die Verpachtung ver Eisenbahnen durch geführt sein wird, das Papiergeld mit den jährlichen Uebec- fchüssen deS Staatshaushalts einzulösen. , ESSS-S-SSS-S-S-»--».. 1... > mit Herrn v. Lommerd'« Neigung zu Irma", bemerkte sie dann laut in wegwerfendem Ton. Daun fiel ihr eine Arußerung ein, welche sie bei ihrem letzten Besuch bei Tante Susanne von Frau Tröming ver nommen, möglicherweise ließ sich das Gehörte für ihre Zwecke auSnutzrn. Hortense erhob sich mit einem Seufzer. „Gute Nacht", fasste sie, „ich bin der Ueberzeugung, daß Sie richtig urtheilen, Ellen, e« wird eine erfundene Geschichte sein. Han« Jürgen macht sich gewiß gar nichts aus Irma." Als Ellen allein war, warf sie sich auf ihr Lager und lag so unbeweglich, in die Dunkelheit des Zimmer» hinein starrend. Erst al« sich ein bleicher Morgenschimmer durch die Vorhänge stahl, erst dann schloffen sich ihre Augen zum Schl-mm-r. * H Durch aufspritzende Wasserrinnen, über überschwemmte Brücken rollte unentwegt eia elegantes zweisitziges Coup6 auf oer Landstraße zwischen Allersberg und Hohenort dabin. ES war nun zum dritten Male während kurzer Frist, daß Hortense und Ellen nach Hohenort fuhren. Beide verfolgten stillschweigend ihre besonderen Zwecke dabei. Hortense wollte sich scheinbar persönlich nach dem Befinden deS Baron«, dem eS wieder ein wenig bester ging, erkundigen, >n Wahrheit nährte sie die Hoffnung, mit Hans Jürgen, welcher sich in Allersberg nicht blicken ließ, in Hohenort zufammrnzutreffen. Ellen wollte beobachten und über Hans Jürgen'« und Irma « Beziehungen zu einander ihre Schlüsse ziehen. Für Hortense waren die beiden ersten Fahrten al- ver fehlt, zu betrachten gewesen, für Ellen hatten sie genügt, ihr darüber Gewißheit zu verschaffen, daß Hau« Jürgen Irma keineswegs gleichgiltig war. Irma verstand e« noch nicht, ihre Empfindungen für Hao« Jürgen durch erheuchelte Gleichgiltigkeit vollständig zu verbergen. Ihre Liebe war ihr selbst noch zu neu, unbewußt verrirto sie dieselbe Ellen'« scharsrr Beobachtungsgabe. Nach gemachter Entdeckung hatte Ellen bald ihren Ent- schllch gefaßt. ES ist doch eine nützliche Einrichtung in der Welt, daß e« Menschen auf derselben giebt, die sich willig al» Marionetten »»brauchen lassen, die der Meinung sind, selbstständig zu bandeln, und die doch nur Werkzeuge find in der Hand Anderer, Geschickterer, deren Zwecken sie dienen. Di« Mi« »ar bald gelegt — wann sie platzen würde, daS wußte Ellen nicht, doch daß eS damit nicht lange aus sich warten lassen würde, davon war sie überzeugt. Als die Damen in Hohenort eintrafen, fanden sie die Baronin lesend im Salon; die stattliche Frau schien gealtert in den letzten Wochen. Hortense erfuhr auf ihr Befragen, daß es dem Baron heute besser ginge, HanS Jürgen hätte ihn besucht und wäre vor einer halben Stunde fortgeritten. In Hortensen'S Wangen stieg ein leichtes Roth. „Und wo ist Irma?" fragte sie in nervöser Hast. „Ich glaube, auf Ihrem Zimmer, wir sahen zusammen auS dem Fenster HanS Jürgen fortreiten", erwiderte die Baronin. „Ich will Irma aufsuchen", sagte Hortense und erhob sich schnell. Ellen warf ihr einen schnellen Blick nach, dann setzte sie ihre Unterhaltung mit der Baronin in ihrer ruhigen, an genehmen Art fort. Nach einer kleinen Weile wurde die Baronin zu dem Kranken gebeten. „Sie entschuldigen mich Wohl", sagte sie, ausstehend, zu Ellen, „in dem Zimmer meiner Pflegetochter finden Sie gewiß die beiden jungen Damen." Ellen erhob sich und durchschritt die lange Zimmerreibe. Als sie eben an Irma'» Thür klopfen wollte, wurde letztere heftig aufgeriffen und Hortense trat schnell heraus, während sie die Worte hervorstieß: „Es war Christenpflicht, eS Dir mitzutheilen, Irma, wenn Du es eine Zwischenträgerri und eine Lüge nennst, so ist eS Deine Sache. Ich habe jedoch meine Pflicht als Christin gethan. Ah — Ellen, bitte be stellen Sie unser» Wagen." „Die Mine ist explodirt", dachte Ellen und befriedigt ver ließ sie diesmal Hohenort. Sie errieth, was heute zwischen den Cousinen vorgefallen, und zweifelte nickt daran, daß nach dieser Unterredung ein Stachel in Irma'S Brust zurückbleiben würde. Ellen hielt Irma mit Recht für eine stolze Natur, sie wußte, daß nun ein Gefühl der Demüthigung Letztere be herrschen würde; jedenfalls war dem Verkehr zwischen Han- Jürgen und Irma von Seiten der Letzteren der Stempel der Unbefangenheit geraubt. Während da» CoupS Allersberg zurollte, stand Irma regungslos in ihrem Zimmer und blickte in den Märztag hinaus. Thräne um Thräne rollte über ihre Wangen hinab, ein tiefe« Weh malte sich in ihren Zügen. Sollte eS wahr sein, waS Hortense ihr eben erzählt? Sollte DaS, waS sie in den letzten Wochen so unsagbar be glückt, nur eine geschickt maskirte, kühle Berechnung sein? Sollte cS soviel Lüge und Verstellung geben in der Welt, und sollte vollends Der, den sie so unsagbar lieb hatte, einer solchen fähig sein? Und Irma barg ihr Antlitz in beide Hände — sie hatte eS ausgeträumt, daS kurze Märchen vom Glück. Hr Hr AuS Irma'S Dasein schien seit den letzten Wochen alle Freudigkeit gewichen zu sein. Doch siel es Niemandem auf, daß sie so ernst und still war, denn Hohenort umschwebten die Schatten deS Todes. „Der Baron würde den Sommer nicht erleben", so lautete der Ausspruch der Aerzte, und die Baronin und Irma konnten sich die herbe Wahrheit desselben nicht verheblen. Es war am ersten Mai, als HanS Jürgen nach Hobenort geritten kam — er war bäusig in den letzten Wochen dort gewesen — aber stets war es ibm nicht Hellingen, Irma ohne Zeugen unter vier Augen sprechen zn können. Die Zutraulichkeit, da» unbefangene Entgegenkommen, welche sie ibm im Laufe des Winters bewiesen, war einer ihm unerklärlichen Kälte und Abneigung gewichen. Er zerquälte sein Gebirn mit verschiedenen Vermutbungen und kam doch zn keinem Schluß darüber, was es wohl sein mochte, daß Irma dergestalt gegen ihn umgeslimmt. Dieser förmliche Gruß, den sie ihm jetzt zu bieten pflegte — sie behandelte ibn so, als wäre er rin wildfremder Herr, dem sie zum ersten Mal auf dem Parquet begegnete. Dieses Ausweichen ihrerseits, wenn er den Versuch machte, ein Gespräch mit ihr anzuknüpfcn. DaS frische reizende Mädchen war wie auszetauscht und Hans Jürgen stand einem völligen Rätbsel gegenüber. Aber heute wollte er die Gelegenheit, sie ungestört zu sprechen, herbeizwingen, heute wollte er sie fragen, was eS sei, das ihn in ihren Augen so herabgesetzt, weSbalb sie ihm mit solch' einer eisigen Ab lehnung begegne, ihn kaum eine- Wortes, eines Blickes würdige... Und er war sich ihr gegenüber keiner Schuld bewußt. Er übergab, in Hohenort angelangt, sein Pferd dem herbeieilrnden Stallknecht und erkundigte sich in der Vorhalle beim Diener nach vem Befinden des BaronS. „Dem gnädigen Herrn gehe es etwas besser und der Herr Doctor wäre eben bei ihm", lautete die Antwort. Han» Jürgen stieg die Treppe hinan, im Salon traf er Niemanden, er schritt weiter und gelangte in den Speisesaal einen hoben getäfelten Raum, den die Nachmittagssonnc goldig dnrchfluthete. Und, von Sonnenstrahlen umspielt, das dunkle Köpfchen ein wenig zur Seite geneigt, stand Irma vor einem der, mit prachtvollem Schnitzwerk verzierten offenen BuffelS, beschäftigt, eine hohe Blumenvase mit CrocuS, Hyacinthen, Goldlack uno schwanken, zartgrünen Gräsern zu füllen. Als sie HanS Iürgen'S sporenklirrenden Schritt vernahm, schrak sie empor und eine CrocuSblütbe entglitt ihrer Hand. Hans Jürgen hob die Blume rasch auf und dieselbe Irma überreichend, erfaßte er die kleine Mädchcnhand, welche in seiner Rechten zuckte und sich dem Druck seiner Finger zn entziehen strebte. „Ich gebe Ihre Hand nicht eher frei, Fräulein Irma, als bis sie mir offen gestanden haben, warum sie eine solch: Abneigung gegen mich hegen?" „Bitte, geben Sie meine Hand frei", rief Irma, sie war blaß geworden und ihre Stimme bebte. Hans Jürgen gehorchte und trat dann einen Schritt zurück: „Ich bitte nm Entschuldigung", sagte er, „aber ich beharre bei meiner Frage. Wodurch habe ich Ihr, in letzter Zeit so stark hervortretendes Mißfallen erregt?" „Ich bin mir nicht bewußt, unhöflich gegen Sie gewesen zu sein", entgegnete Irma trotzig, aber ihre Hände zitterten bei diesen Worten so stark, daß sie daS geschickte Blumen arrangement total verschoben. „Unhöflich — nein — aber eS giebt eine Art von Höflichkeit, welche nicht deutlich genug sagen kann: „Ich kann Sie nicht leiden, belästigen Sie mich nicht mit Ihrer Gegenwart." „Und diese Höflichkeit wende ich Ihnen gegeuüber an?'« „Ja — und deshalb frage ich Sie: „was habe ich ver brochen? Wissen Sie Venn nicht —" HanS Iürgen'S Stimme vibrirte und die Worte schienen ihm auS tiefster Brust zu quellen — „wissen Sie denn nicht, daß Sie mir weh tbun, unsäglich weh." (Fortsetzung folgt.)
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