02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961124024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112402
- OAI-Identifier
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-24
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Größere Schriften laut unsereul Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung ./l! 60.—, mit Postbesörderung 70.—. —»«»r».— Almahoreschtuß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 598. 90. Jahrgang: Dienstag den 24. November 1896. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. November. Die Nichtigkeit des SatzeS: „Zentrum ist Trumpf" tritt auch bei der Berathung der Justiznovelle im Reichs tage mehr und mehr hervor. Die vcm Centrum gestellten Anträge gelangen fast durchweg zur Annahme. Gestern konnte die Partei drei derartige Triumphe feiern. Zuerst nämlich gelangte ein Antrag Nintelen, daß die Durch suchung einer nickt verdächtigen Person gegen ihren Willen nicht stattfinden dürfe, zur Annahme, obwohl von dem Negierungsvertreter durchaus mit Neckt hervor gehoben worden war, daß in diesem Falle die Erforschung der Wahrheit erschwert werden würde. Durch die Annahme zweier weiterer Anträge wurde die Negierung noch mehr betrübt, weil dadurch ibr fiscalisches Interesse geschädigt wird. Der eine dieser Anträge ging dahin, daß vor den Schwurgerichten als nothwendige Verth ei diger (sogen. Osficialvertheidiger) nur noch Rechtsanwälte, nicht wie bisher gelegentlich auch Referendare, fungiren dürften. Vergebens wies der Regierungsvertreter daraus hin, daß die Ausbildung der Referendare unter dieser Bestimmung leiden müßte und daß sie ja auch nur bei nicht schwierig liegenden Fällen verwendet würden; der Antrag wurde angenommen, ebenso der Antrag, daß bei der nothwendigen Ver- theidigung die Staatskasse auch die Kosten der Wa hl- vertheid igcr tragen solle. Während nun diese Anträge die Ausgaben des JustizfiScus, wenn auch nicht in erheblichem Maße, erhöben, werden durch die Annahme eines andern Antrages seine Einnahmen vermindert. Der Aba. Strombeck beantragte nämlich, daß die Proceßvollmacht der Ver- lheidiger in Strafsachen künftig stempelfrei sein sollte. Der Negierungsvertreter wies ohne Erfolg darauf hin, baß cs sich hier um einen Act der Landesgesetzgebung bandele und daß es zudem unbillig sei, im Strafverfahren Stempelfreibeit zu gewähren, während im Civilverfahren der Stempel gezahlt werden müßte: Eentrum blieb wieder Trumpf. In ziemlich vorgerückter Stunde ging das Haus noch auf die Berathung der sehr wichtigen Frage der Erweiterung des Privatklage-Verrabrens ein Während cer Negierungsvertreler die Ausführungen des konservativen Abg. Himburg, der gegen eine Erweiterung der Privatklagc eintrat, zu widerlegen versuchte und in seiner Rede eine kurze Pause machte, verkündete der Präsident die Vertagung. Dieses Mißverständniß erregte natürlich leb hafte Heiterkeit, die dem Hause wohl zu gönnen war, denn dies war der einzige Witz des TageS. Wir baben gestern auf die großen Schwierigkeiten hingewiefen, die die konservative Partei zu überwinden baben wird, wenn sie gemäß den vom Frhrn. v. Manteuffel auf dem Ber liner Delegirtentage entwickelten Grundsätzen zu der Nieder haltung der a g r a r d e m a g o g i s ch e n Elemente die Hand bieten will. Aus der Politik der n ationallib e ral en Partei in den letzten vier Jahren geht hervor, daß ihr diese Absicht der Conservativen ebenso sympathisch ist, wie ihr jene Hindernisse bedauerlich sind. Dieselbe Befriedigung muß bei uns die Beurtheilung erwecken, die das Centrum im Munde deS conservativen Führers gefunden hat und die, wenn die konservative Parteileitung künftighin noch ernst genommen werden soll, eine mehrfach geänderte Haltung gegenüber dem Klerikalismus nach sich ziehen muß. Natürlich müssen nach beiden Richtungen hin Thaten der Partei abgewartet werden. Diesen Vorbehalt zu machen, ist nothwendig. Aber es kann zu Mißverständnissen Anlaß geben, wenn in nationalliberalen Blättern als Antwort auf die Erklärung deS Herrn v. Manteuffel bemerkt wird, „daß die nationalliberale Partei nach den Erfah rungen der letzten Jahre nicht im Geringsten sich veranlaßt fühlen kann, von der absoluten Selbstständigkeit ihrer Entschließung abzugehen und diese anstatt durch sachliche Erwägungen etwa" durch plötzlich erwachte Sympathien auf konservativer Seite bestimmen zu lassen". Was die absolute Selbstständig keit angeht, so hatte sie der konservative Führer für seine Partei proclamirt, und es brauchte ihm wohl nicht gesagt zu werden, daß die nationalliberale Partei der conservativen nicht etwas bieten werde, was diese ihrerseits nicht gewähren zu wollen ausdrücklich erklärt. Um ein Auf geben der Selbstständigkeit handelt es sich für beide Theile nicht. Wohl aber ist, wenn es den Conser vativen ernst mit ihren Entschlüssen ist, ein Zusammen wirken möglich, dem keineswegs derVerzicht auf „sachliche Er wägung" bei den Nationalliberalen vorausgegangen sein muß, sondern der vielmehr auf solcher beruht. Daß eine solche Constellation wünschenswert!) wäre und im Interesse des Reiches wie der Einzelstaaten läge, war jeder Zeit die Meinung der Nationalliberalen, und daß sie das sein muß, geht aus folgender Berechnung hervor, die wir in der neuesten Ausgabe der „Mittheilungen für die Vertrauensmänner der national liberalen Partei" finden: Die gesammte Rechte (64 Conservative, 28 Freiconservative, 17 Antisemiten) verfugt im Reichstag über 109, die liberale Linke (50 Nationalliberale, 40 Freisinnige, 12 Volksparteiler) über 102, Las Eentrum mit den Welfen, Polen und Elsaß-Lothringern über 133 Stimmen. Je zwei dieser Gruppen bilden also im vollbesetzten Reichstag eine Mehrheit, wobei schon das Eentrum insofern im Vortheil ist, als es für sich immer beanspruchen kann, als sicherer Mehrheitsfactor respectirt zu werden, während auf der Rechten wie auf der liberalen Linken ledesmal erst ziemlich disparate Elemente zur Einigung gebracht werden müßten, wenn es auf Kraftproben, sei es gegen die Conservativen oder gegen das Eentrum, ankäme. Noch weniger annehmbar erscheint die Krästevertheiluug, wenn man .von der obigen Gruppirung, der selten oder gar nicht praktische Folge gegeben wird, absieht und diejenigen Gegensätze ins Auge saßt, die thatsächljch die parlamentarische Lage beherrschen: den Gegensatz der geiNößigtbn zu de.' rudicalen Richtungen im Parteiwejeu und den Gegensatz iu Streitfragen der nationalen Politik. Die gemäßigte Richtung (Mittelparteien) ist durch 50 nationalliberale und etwa 80 conservative und freiconservative, zusammen durch 130 Stimmen vertreten. Fast ebenso stark ist der Radicalisinus in allen seinen Spielarten. Das Centrum hat zwischen beiden zu entscheiden! Für nationale Zwecke ist vielleicht auch die ganze Rechte und die freisinnige Vereinigung in Anspruch zu nehmen. Aber das sind zusammen erst 174 Stimmen. Wieder ist das Centrum in der Lage, das Gewicht auf der Gegenseite so zu verstärken, daß die Waage dort zum Sinken gelangt. Eentrum und kein Ende! Aber unsere Radikalen wollen ja nicht empfinden, daß dieser Zustand eine fortdauernde Demüthigung ist! Diese Betrachtung muß niedergeschriebeu sei», ehe der Bericht über den conservativen Delegirtentag bekannt ge worden war. Die Lehre, die das officielle nativnalliberale Parteiorgan auS seiner Aufstellung mit Recht gezogen sehen will, verliert durch die Rede deS Herrn v. Manteuffel gewiß nichts an Eindringlichkeit. Der Pariser „Figaro" widmet der Reichs tags rede des Frhrn. v. Marschall bereits den zweiten Leitartikel. Den politischen Kern derselben glaubt das Blatt in dem Satz zu finden: „Auf der andern Seite bietet gerade die Ent wickelung unserer überseeischen Interessen voraus sichtlich der Zukunft Gelegenheit, mit denselben Mächten wiederum zusammenzugehen, mit denen wir im vorigen Jahre zusammengegangen sind." Es sei auffallend, daß die eng l i s ch e Presse, wie auf eine Losung, diesem Hauptpunkt der Rede keine Beachtung geschenkt habe, da doch dieser Satz bedeute, wenn in den orientalischen Angelegen heiten im Ganzen genommen das britische Cabinet eine vereinzelte Rolle spielen und das europäische Einvernehmen lahmlegen möckte, so brauche es auf die Unterstützung der deutschen Diplomatie nicht zu rechnen. Wer seien die Mächte, mit denen Deutschland im vorigen Jahre zusammen gegangen sei? Frankreich und Rußland bei der Regelung der vstasiatischen Angelegenheiten. Frhr. v. Marschall habe eben daran erinnern wollen. Er habe damit neue Aussichten für die Gruppirung der europäischen Mächte mit Bezug auf die Möglichkeiten eröffnet, die sich jetzt darbieten. „Wenn nun diese Gruppirung bereits eine vollzogene That- sache für die türkischen Reformen ist, kann man da hoffen, daß Deutschland mit demselben Nachdruck darauf be stehen wird, wenn die egyptische Frage gestellt wird? Das ist die Frage, die es zu losen gilt, da liegt die Bürgschaft für die politische Schwenkung, die sich zu Gunsten deS französich - russischen Bündnisses wahrnehmen lassen wird." „Figaro" fordert Deutschland alSdann zur Unterstützung dieser Politik in der Türkei und in Egypten auf. Dann wäre jede Gefahr beseitigt. Solle ein verderblicher Zusammenstoß in Europa ver mieden werden, so gelte cS nur mehr, daß Deutschland seine Absicht kundgebe, wie eS das von Frhrn. von Marschall vor gezeichnete Programm auSzufllhren gedenke, mit denselben Mächten wie im vorigen Jahre zusammenzugehen. Nicht reckt klar ist, was der „Figaro" unter dem „verderblichen Zusammenstoß in Europa" versteht, den Deutschland durch ein Zusammengehen mit Rußland und Frankreich in der egyptische» Frage vermeiden könne. Soll eS heißen, daß Deutschland einen Krieg mit Rußland und Frankreich zu fürchten habe, wenn eS nicht in der egyptische» Frage eine „Schwenkung" zu Gunsten des französisch-russischen Bündnisses mache? Der „Figaro" möge sich also deutlicher auSdrücken. lieber die Heirat!) der jungen hoUänSischeu Königin Wilhelmina tauchen in der außerholländischen Presse aller paar Monate neue Gerüchte aus; immer wieder von durchaus unterrichteter Seite wird der Frühumworbenen bald dieser, bald jener Prinz als Bräutigam zugewiesen. Obwohl »u» die junge Fürstin bekanntermaßen noch sehr kindlich gehalten wird und obwohl die holländischen Kammern, an deren Zu stimmung die Heirath geknüpft ist, unzweifelhaft einen katho lischen Bewerber ablehneu würden, ist neuerdings der Roman leidenschaftlicher und mütterlicherseits begünstigter Liebe zu dem Grasen von Turin in die Welt gesetzt worden. DieHolländer freuen sich nicht wenig der eifrigen Aufmerksamkeit, welche der Heirath ihrer Königin im Auslande zugewandt wird und vergnügen sich über die schnell wechselnden BerlobungSpläne, die namentlich die deutschen und französischen Zeitungen aus- zutischen wissen. In Wirklichkeit wird die HeirathSfrage erst im übernächsten Jahre nach der Thronbesteigung unter Mit wirkung der Regentin-Mutter und des Staatsrathes der Lösung entgegengebracht werden. Die Regentiu soll als ge borene Prinzessin von Waldeck einem deutschen Prinzen den Vorzug geben wollen, die Königin aber die deutschen Sympathien nicht theilen und unter dem Eiufluffe ihrer eng lischen Erzieherin Miß Wilson für England schwärmen, soweit davon in ihrem jugendlichen Alter überhaupt die Red: sein kann, klebrigen« wird die Stellung des Prinz-Gemahls nicht allzu sehr zu beneiden sein; in der nach der Geburt der Königin erlassenen Zusatzacte zu der Verfassung ist das Be streben ausgedrückt, denselben von jeglichem Einfluß aus die Rcgierungögeschäste fernzuhalten. Im Einverständniß damit trat noch vor Kurzem in der holländischen Presse eine starke Strömung hervor, um mittels eines gesonderten Kammer beschlusses die durch das Landesgesetz bedingte Abhängigkeit der Ehefrau für die Königin aufzuheben; das Ministerium verhielt sich jedoch ablehnend, da die erwähnte NachtragSacle die Selbstständigkeit hinlänglich sichere. Von den „Segnungen" d-S englische» Regiments in den Colonien, die Lord Hamilton neulich nicht hoch genug preisen konnte, kann man in äanztbar ein Liedchen singen. Anfang October hatte eine große Zahl dort ansässiger Inder, angeblich 5—600, eine Beschwerdeschrift ver faßt, in der die Vorgänge bei der Entfernung Sair Khalid's und namentlich das Verhalten der englischen B. Hörden gegen die Inder geschildert sind. Die Beschwerde wurde dem englischen Generalconsul zugestellt, ist aber auch in Ab schrift den europäischen Kaufleuten auf Zanzibar bekannt gc worden. Einer der letzteren hat die Beschwerdeschrift mit dcr Versicherung, daß diese Darstellung der Vorgänge von Ende August wahrheitsgemäß sei nnd sich von Uebcrtreibnngcu fernhalte, einem deutschen Blatte zngehen lassen, vielleicht mit Rücksicht daraus, daß die englische Presse bisher von dem Aktenstücke keinerlei Notiz genommen Hal Die Unterzeichner constatiren zunächst, daß die Zahl der ans Zanzibar wohnenden Inder sich auf mehr als 10 000 Köpfe belaufe, deren Antheil an Vermögen, Grundeigenthum mir Geschäften sich auf viele Millionen Rupien berechne. Diese ganze Bevölkerung ist während deS Bombardements dec- Sultan-Palastes ohne jeden Schutz geblieben, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen, war sic außer Stande, da ihren nach dem Zollamt beschiedcnen Vertretern erst am Vorabend des Bombardements hiervon Mitthciluug gemacht wurde, zu einer Zeit, wo sie nicht einmal im Stande waren, ihre Familien zu benachrichtigen. Tic Gc meindevorsteher waren angewiesen, ihre Familien in den ver schiedenen Religionshäusern zu sichern; sür jedes derselben war eine Beschützuug durch 20—25 A-kariS in Aussicht gc stellt. „Als unsere Familien", beißt es in der Beschwerde scbrift, „im Vertrauen auf ihre Sicherheit fick am nächsten Morgen nach den ihnen anbesohlenen Plätzen begaben, war kein einziger von deu versprochenen 20—25 ASkarst- zu sehen, und statt einer gnädigen Fürsorge waren sic dem Mitleid von Raufbolden prciszegeben, welche hervor gebrochen waren, um zu rauben und zu morden." Die Polizei ließ alles geschehen. Weiterhin erfährt mau, das; ergriffene Plünderer und Mörder nicht deu Gerichten aus geliefert, sondern meist ohne Untersuchung srcigelassen und sogar in den Dienst eingestellt worden sind u. s. w. Di: Beschwerdeführer haben nun „in dem geheiligten Namen britischer Gerechtigkeit" die unterthänigsten Wünsche aus gesprochen, daß die von der Plünderung Betroffenen voll entschädigt werden, sür die Unterhaltung der Frauen, deren Männer ermordet und die bis aus den letzten Pfennig von den Aufrührern ansgeplündert wurden, Sorge getragen und daß endlich die Aufrührer und gewisse Araber, welche die Hauptanstister waren, iu deren Hausern gestohlenes Eigen I thum vorgesunden und recognoScirt wurden, bestraft werden Frirrlletsir Hans Jürgen. Roman von Hedda v. Schmid. Nachdruck verboten. Irma, wie von magnetischer Gewalt angezogen, wandte ihr Auge Hans Jürgen zu, und was sie in seinem Blick laS, trieb ihr eine Blutwelle in das Antlitz. Einen Augenblick hindurch wars ihr zu Sinn, als öffne sich der Himmel über ihr, und ein Strom nie gekannter Seligkeit fluthete durch ihr Herz — dock daneben flüsterte ein böser Dämon jene Worte ins Gedächtniß, die sie von Hortense vernommen. Das Blut strömte ihr jäh zum Herzen zurück — der Stolz, der Starrsinn der Beversdorff machte seine Rechte geltend. „Irma", klang es jetzt dicht an ihrem Ohr, „wissen Sie's denn nicht, barsch Sie^iebe über Alles, Alles m der Welt? Irma, wollen Sie Ihr Schicksal in meine Hand legen, wollen Sie mir Ihr Herz, Ihr Leben schenken?" Irma ergriff cs wie ein Schwindel — aber ein Gedanke in ihr beherrschte alle anderen: „Lüge! Verstellung!" schrie cs in ihrem Herzen, und schneidend und hart entrang eS sich ihren Lippen: „Nein, Herr v. Lommerd, ich kann Ihnen nicht angehören — verzichten Sie aus meinen Besitz." Hanz Jürgen sah, wie eS in dem blassen Mädchenantlitz wie Hohn aufzuckte — das gab ihm seine durch die schroffe Abweisung verlorene Fassung wieder. „Irma", rief er schmerzlich, „warnm weisen Sie meine Liebe so schroff und kalt zurück. Geben Sie mir auch keine Hoffnung für die Zukunft ?" „Es mag Ihnen wohl seltsam erscheinen, daß die Tochter eines Schauspielers, ein beimathloscS Geschöpf, das bei Fremden eine Heimstätte gefunden, auf die Ehre, Frau von Lommerd zu heißen, verzichtet, allein eS giebt doch noch Naturen, welche" — Irma suchte nach einem recht verletzen den Ausdruck — „welche mehr von dem Manne ihrer Wahl verlangen, als Siege auf der Rennbahn." HanS Jürgen verbeugte sich tief, dann richtete er sich straff empor. „Ich danke Ihnen, mein gnädiges Fräulein, Sie haben mir eben eine Lektion ertbeilt. Mit anderen Worten haben Sie gesagt, daß ich bi« jetzt noch nicht« geleistet, daß ich mich nur von, Taumel meiner Sportleidenschaft habe fortreißen lassen. Sie vergessen, daß ein Fluch auf meinem Geschlecht ruht, der Fluch des Leichtsinns. Heut' dank' ich Dir, mein Ahn, unter dem grauen Stein, für da« Erbe, das auch mir von Dir geworden — es soll mir Helsen, über die bitterste Enttäuschung meines Lebens hinwegzukonimen, es soll mich vergessen lehren, daß ich noch an ein Glück für mich geglaubt." Die Neitersporen klirrten zusammen und HanS Jürgen hatte das Zimmer verlassen. Irma stand allein — vom Maiensonnenscheiu umfluthet, aber wem der sonnige Schimmer nicht in ein lachend Herz fällt, dem bringt sein grelles Licht nur verdoppelte Qual. „Wissen Sie schon das Neueste? Hans Jürgen reitet heute nicht mit." „Was Sie sagen — zahlt er Reugeld?" „Nein, Lenningen vertritt ihn. Sehen Sie, da kommt Ersterer schon in vollem Dreß. Er ist nicht wenig stolz darauf, Lvmmerd's berühmten Gladiateur durchs Ziel zu steuern." „Da« Pferd ist gut, aber ob es unter seinem heutigen Reiter reüssiren wird, das ist noch die Frage." „Warum reitet denn Lommerd nicht selbst?" „Er hat sich den Arm verstaucht." „Was? sollte er aus dem Sattel geflogen sein?" „Gott bewahre, eher kommt der Olaithurm ins Schwanken. Nein, er ist auf den Stallfliesen auSgeglitten. Der Anno- ferscke meint zwar, eS sei ursprünglich eine Verstauchung deS Harzen«, wleche sich nachher auf den Arm geworfen, aber ^ie wissen, der Annofersche macht immer faule Witze. Als ob Hans Jürgen s Herz je an unglücklicher Liebe kranken könne. Trotz seiner — unter uns gesagt, ganz be denklich zerrütteten Finanzlage — braucht HanS Jürgen nur die Hand auSzustrecken, um an allen zehn Fingern eine Braut zu haben." So schwirrte eS von den Lippen der der Sportswelt an gehörenden Herren, welche auf dem LakSberge neben der Renntribüne versammelt waren. „Aber Lommerd ist doch anwesend?" frug ein Neuling. „Selbstverständlich. Er hat auf dem Sattelplatz zu thun: er überwacht da« Satteln seiner Rennpferde immer persön lich und prüft jeden Riemen, jede Schnalle am Sattelzeug mit eigener Hand. Heute mag er mit ganz besonderer Sorg falt verfahren, da er nicht selbst, sondern Lenningen den nervösen Gladiateur reiten soll^" „Wenn das uur gut abläuft", meinte der Pallotüllsche. „Gladiateur hat sich an Lvmmerd's Hand gewöhnt — eine falsche Nachhilfe, ein unzeitiger Zügelruck Lenningen'« — und der eigensinnige Hengst bricht aus der Bahn oder weigert sich, ein Hinderniß zu nehmen." Unterdessen stand Gladiateur gesattelt, und Lenningen, in stolzer Reiterlust glühend, schickte sich an, aufzusitzcn. Allein so leicht ging dies nicht. Mochte Gladiateur die ungewohnte Zügelführung bereits wittern — genug, er machte eine» Satz zur Seite und erst, als HanS Jürgen ihm be ruhigend und schmeichelnd den schlanken Hals klopfte, hielt er still, bis Lenningen in den Bügeln war. Mit einer gewissen Bcsorgniß betrachtete HanS Jürgen den edlen Fuchs. „Wissen Sie, Lenningeu, am Ende wär'S besser, ich zahlte Reugeld", sagte er ein wenig gepreßt. „Bewahre", rief Franz, „vertrauen Sie mir deu Gaul etwa nicht an, oder fürchten Sie für mich eine Gefahr? Es macht mir so viel Freude, Ihnen heute einen Dienst erweisen zu können, und so viel ich bemerkt habe, liegt Ihnen doch daran, daß Gladiateur den ersten Preis nimmt." HanS Jürgen nickte zustimmend. Allerdings lag ihm daran, daß Gladiateur siegle. Er halte in nächster Zeit einer fast erdrückenden Masse von pekuniären Verpflichtungen nachzukommen. . . . Die Paar- Hundert, welche der Sieg seines Renners ihm eintragen würde, waren freilich nur so viel Werth wie ein Tropfen im Meer; allein, wenn daS Pferd, da« er im vorigen Jahr als Dreijähriges gekauft, und nun seine ersten Lorbeeren auf dem Rennplätze ernten sollte, siegreich unter seinen Mitbewerbern bervorging, so stiegen sein Werth und sein Preis um das Doppelte, und es gelang HanS Jürgen dann vielleicht, e« vortheilhaft zu verkaufen. Ueber HanS Jürgen war seit den letzten acht Wochen ein gewisser Trotz gekommen. Irma hatte ihn abgewiesen mit dem schnöden Hinweis, daß er zu weiter nichts tauge, al« „Siege zu erfechten auf dem Rücken eine« flüchtigen Renners". In ihren Augen galt er also nicht viel mehr al« ein Jockey . . . Alle Welt hatte ihn bisher verwöhnt und verzogen, Aller Arme hatten sich ihm offen entgegengestreckt, er hatte nie heuchlerisch um Freundschaft gebuhlt, man hatte ihm dieselbe entgegengetragen. Nur Irma, die er — da« wußte er jetzt — mehr liebte, al« er Margaret je geliebt, die ihm theurer war als sei» Leben, nur sie hatte ihm verächtlich den Rucke» gewandt. Wie eine schmerzhafte Empfindung überkam Hans Jürgen der Gedanke, daß er doch eigentlich allein dastehe in dcr Welt — die Beflissenheit, mit der mau sich ihm näherte, entsprang sie nicht egoistischen Gründen? „Guten Tag, Lommerd, jammerschade für Sic, daß Sie den Arm in der Binde tragen und nicht mitreiten können. Ihr Gladiateur ist ja ein Prachtthier", tönte es jetzt an Hans Jürgen s Ohr; ein junger blonder, auffallend hübscher Mann hielt aus einer Rappstute vor ihm. „Wollen Sie den Fuchs kaufen?" warf HanS Jürgen nachlässig hin. „Vielleicht, meine Fran schwärmt für Füchse. Sic ist heute iu Todesanst meinetwegen, am liebsten hätte sie cs gesehen, wenn ich nicht mithielte, aber die Eitelkeit, mich im Dreß zu sehen, überwog doch die Furcht davor, daß ich mir den Hals breche. Eine ganz unbegründete Furcht, ich sehe «licht ein, warum ich Pech haben sollte? Für unS Andere ist Ihre Verstauchung ein Glück, unter Lenningen Hal Ihr Gaul lange nicht die Chancen, Len Sieg davonzutragen, die er unter Ihrer Führung gehabt hätte. Arme, kleine Krau, sie bangt dock um mich, sie winkt mit dem Sonnenschirm zu mir herüber." Der junge Ehegatte erhob grüßend seine Reitgerte nach der Richtung hin, wo auf der großen Tribüne es von bellen Damentoiletten schimmerte, bann nickte er Hau« Jürgen cordial zu und sprengte Lenningen nach. Han« Jürgen schlug den Weg zur Tribüne ein. Dieser blonde junge Mann, der so selbstbewußt auf seiner courbettirenden Rappstute dahinflog, hatte vor Jahresfrist nickt« sein eigen genannt. Da hatte er sich eiu« der Gold fischchen der Provinz zu erobern gewußt, uuv nun mangelte ihm anscheinend nicht« zu seinem Glück — ja, die Geld- heirath schien beinahe einer Verbindung au« Liebe zu gleichen. Die junge Frau, welche klein und unansehnlich war, und auSsah wie ein mageres schwarzes Kätzchen, war jedenfalls bi« über die Ohren verliebt iu ihren schönen Alfred, und er und seine pecuniären Verhältnisse befanden sich äußerst wohl dabei. Tausende handelten ebenso, Tausende schlossen Eben um des schnöden Geldes willen, warum sollte er, Haus Jürgen, nicht auch nach dem rettenden Seil greife»? Noch vor wenigen Wochen hätte er eineu derartigen Ge danken nicht gehegt, jetzt, in seiner augenblicklichen GemüthS Verfassung galt ihm Alle« gleich. Er beschönigte seinen Leicht
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