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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961125016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896112501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-25
- Monat1896-11
- Jahr1896
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Die Morgen-AuSgabe erscheint UM */,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: vttö Klemms Sartim. (Alfred Hahn), UniversitStsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Latharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Nedactiou un- Expedition: JehanneSgafse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezug-Preis i» der Hauptexpedition oder den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten Aus- gabestellen abgrtzolt: vierteljährlich^i4.bO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliSbrlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbaadsendung In- Ausland: monatlich ^l 7.50. Morgen-Ausgabe. KiMM. T agMall Anzeiger. Ämloölatt des Königlichen Land- nnd Ämtsgerichles Leipzig, des Ncütjes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (4ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/<L. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. tpxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung .-l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz kn Leipzig. Jahrgang. Mittwoch den 25. November 1896. Die Verhandlungen über die deutsch-russischen Zollschwierigkeiten. Im auswärtigen Amte zu Berlin tagt die Commission, welche die zwischen Deutschland und Rußland entstandenen Zollschwierigkeilen beseitigen soll. Nickt ganz 3 Jahre ist es Ker, seit der Handelsvertrag mit Rußland im deutscken Reichstage berathen wurde und seit Graf Caprivi gegenüber den von verschiedenen Seiten geäußerten Bedenken seiner Ueberzeugung Ausdruck verlieb, daß Rußland sicherlich den Vertrag loyal beobachten würde. ES hat sich also nach einer verhältnißmäßig recht kurzen Zeit herauSgestellt, daß die Hoffnungen des Grafen Caprivi allzu optimistisch waren. Die gegenwärtigen Zollschwierigkeiten nehmen allerdings von einer durch Deutschland auSgefübrten Maßregel ihren AuSgang: von der Beschränkung der Schweineeinfuhr. Wenn nun aber auch zugegeben werden soll, daß Rußland diese Beschränkung sehr unangenehm empfindet, so kann dockRußlanv nicht die Behauptung einer illoyalen Handlungsweise Deutsch lands aufstcllen. Deutschland hat von veterinair-polizeilichen Maßnahmen Gebrauch gemacht, zu denen es, wie selbst die „Franks. Ztg ", die eine Gegnerin dieser Maßnahmen ist, zu geben muß, durchaus berechtigt war und mit denen es in keiner Weise gegen den Wortlaut deö Handelsvertrages verstieß. Rußland hingegen hat nicht nur gewisse Erleichterungen, die es allerdings auch nur in Folge einer Annehmlickkeit, nämlich der Aufhebung des Lombardverbotes gegen russische Papiere, bewilligt halte, wieder aufgehoben, sondern sich auch offen bare Verletzungen des Wortlauts des Handelsvertrages zu Schulden kommen lassen, indem eS z. B. Artikel aus gewöhn lichem Leder mit den hohen Zollsätzen belegte, die für Fabri kate auS feinem Leder festgesetzt sind. So steht Deutschland also schon hinsichtlich deö Nechts- bodenS in einer günstigeren Position als Rußland und kann und muß verlangen, daß Rußland vor allen Dingen jede illoyale, dem Vertrage Zuwiderhandelnde Handlungsweise unterläßt. Freilich werden sich die russischen Unterhändler darauf berufen, daß die ungerechtfertigten Bestimmungen nicht von der Centrale in Petersburg, sondern von den einzelnen Zoll ämtern ausgegangen sind; für den deutschen Exporteur aber ist es schließlich gleickgiltig, wer ihm den Schaben zugefügt hat, und er kann verlangen, und seine Negierung muß ihn darin unterstützen, daß jede Zuwiderhandlung gegen bestehende Verträge unterbleibt, und daß, soweit rhm daraus ein materieller Schade erwächst, dieser Schade ihm von dem Schädiger restituirt wird. Deutschland ist aber nicht nur in rechtlicher Hinsicht günstiger bei den Verhandlungen gestellt als Rußland, sondern, was im Verkehr der Staaten mit einander vielleicht noch wichtiger ist, in materieller Hinsicht. Denn Rußland ist das jenige Land, das für seinen Export nach Deutschland eher eine Erhökung als eine Verringerung auf die Dauer erwarten kann, während Deutschland nicht gan z so sicher ist, daß sein Export nach Rußland sich auf der Höhe hält. Die Rohstoffe und Lebensmittel, die Deutschland aus Rußland bezieht, wird es aller Voraussicht nach stets beziehen müssen und wird sie, soweit es sie nicht auS Rußland beziehen muß, doch stets dann aus Rußland beziehen, wenn dieses Land ihm keine Ckicanen bereitet. Bel der Ausfuhr von Deutschland nach Rußland aber nehmen die Halbfabrikate und Fabrikate einen höchst beträchtlichen Procentsatz ein, und je mehr die russische Industrie sich hebt, desto schwieriger wird auch bei mäßigen Zollsätzen die Ausfuhr nach Rußland sich gestalten. Mit anderen Worten: derjenige Staat, der dem anderen noth- wendige Lebensmittel, wie Getreide, liefert, ist seiner Ausfuhr sicherer als der, der dem Nachbarstaate Fabrikate, wie z. B. Lederwaaren, liefert. Daraus folgt, daß Rußland aus einem günstigen zollpolitischen Verbältniß zu Deutschland einen dauernden sicheren Vortheil zieht und daß darum daS Auf hören eines solchen Verhältnisses für Rußland einen ganz besonderen Nacktheil bedeuten würde. Wie bedenklich für Rußland ein ungünstiges handels politisches Verhältniß zu Deutschland ist, hat sich in der Zeit des Zollkrieges vor dem Abschlüsse des Handelsvertrages zur Genüge gezeigt. Wir haben damals Gelegenheit gehabt, mit russischen Kreisen zu verkehren und haben genügsam erfahren, wie sehr man in Rußland das Ende deS Zoll krieges und daS Zustandekommen eines Handelsvertrages herbeisehnte. Wir wissen nicht, ob die deutschen Unterhändler zur Zeit deö Handelsvertrages diese schwierige Position Ruß lands genügend auSnutzten. Wir hoffen aber, daß unsere gegenwärtigen Staatsmänner sich vor Augen halten werden, daß Rußland Deutschlands dringend bedarf und zwar nicht nur auf handelspolitischem, sondern auch aus finanz politischem Gebiete. Denn auch die finanziellen Verhältnisse Rußlands lassen ihm ein günstiges handelspolitisches Verhältniß zu Deutsch land als dringend erwünscht erscheinen. Rußland hat ja einige Jahre hindurch die Freundschaft mit Frankreich vorzüglich auszunutzen verstanden. ES wurde ihm indessen schon in diesem Sommer nickt leicht, von de« Franzosen noch Geld herauszubckommen, und nur die Reise de-Zaren nach Paris erleichterte die Aufgabe de- russischen FinanzministerS. Ruß land wird aber bei den großen verkehrSwirthschaftlichen Projekten, die eS unternimmt, auch in Zukunft noch mancke große Anleihe aufnebmen müssen und dann wäre eS ihm recht fatal, wenn eS nicht auf die CapitalSkraft Deutschlands rechnen könnte. In dieser Beziehung besteht nun keinerlei Reciprocität zwischen Deutschland und Rußland, denn Deutsch land ist in der angenehmen Lage, daS Geld, daS es etwa braucht, mit großer Leichtigkeit im eigenen Lande aufzubringen. Fragt man nun nack den politischen Folgen, die etwa ein entschiedenes Vertreten der deutschen Interessen durch die deutschen Bevollmächtigten haben könnte, so muß man sagen, daß Rußland ein ebenso großes Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland hat, wie Deutschland an guten Beziehungen zu Rußland. Außerdem würde eine durch die Sache selbst nicht gerechtfertigte Nachgiebigkeit gegen Rußland die politischen Beziehungen zu diesem Staate keineswegs fördern. Es muß der russischen Politik nachgerühmt werde», daß sie eS nicht verübelt, wenn der Andere sein gutes Recht wahrt. Aus allen dielen Gründen dürfen wir Wohl mit Sicher heit erwarten, daß die deutschen Bevollmächtigten nur das Interesse Deutschlands im Auge haben werden. ES soll von ihnen gewiß nicht verlangt werden, daß sie sich da un nachgiebig zeigen, wo eine Concession mit dem deutschen Interesse sich verträgt; es soll noch weniger von ihnen ver langt werden, baß sie dem Beispiele der Illoyalität, das Rußland gegeben hat, folgen. Nur das darf wobl erwartet werde», daß sie der günstigeren Position, in der sich Deutsch land befindet, Rechnung tragen; denn handelspolitische Ab schlüsse dürfen sicherlich nicht nach den Grundsätzen der Sentimentalität gemacht werben, sondern nach dem Grund sätze der Erlangung des größtmöglichen Vortheils. Deutsche- Reich. Berlin, 21. November. Die letzten Zweifel darüber, wie wenig Bedeutung den Beschlüssen der zweiten Lesung der Justiznovelle in Beziehung aus die rnd- giltige Erledigung der Vorlage znkommt, behebt der AuSgang der Sonnabendsitzung des Reichstags, welche die Annahme des klerikalen Antrags ermöglichte, daß die Vernehmung eines Geistlichen sich nicht auf Dasjenige erstrecken dürfe, was ihm unter der Verpflichtung des Beichtgeheimnisses anvertraut worden sei. Begründet wurde der Antrag damit: der Geistliche müsse vor dem „unanständigen Zwang", daS ihm unter dem Beichtsiegel Anvertraute zu verrathen, geschützt werden. Der Antrag hat damit den selben Stempel erhalten, den genau vor einem Jahre die langen Abhandlungen in der klerikalen Presse trugen anläß lich einer Verhandlung vor dem Schwurgericht zu Mül hausen i. E., das einen Pfarrer wegen Meineids zu einem Jahr und drei Monaten Gcfängniß verurtbeilte, weil er, über den Verbleib von Werthpapieren eidlich vernommen, auSgesagt hatte, „er wisse nichts", obwohl die fraglichen Papiere ihm übergeben worden waren, wie er nachher be hauptete, „unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses". Die klerikale Presse vertrat damals den Standpunkt: ein katho lischer Geistlicher dürfe nicht schwören: „Ich weiß etwas, aber ich darf es nickt sagen", er müsse schwören: „Ich weiß nichts." Es handelte sich also in dürren Worten um die Forderung, daß ein katholischer Priester ungestraft eine Handlung begehen darf, die für jeden Andern die Strafe des Meineids nach sich ziehen würde. Schon damals sind die klerikalen Ueber- hcbunzen mit dem Hinweis darauf abgewiesen worden, daß die Wahrung deS Beichtgeheimnisses durch das bestehende Gesetz gegen jede Verletzung vollständig geschützt ist. Der Geistliche braucht nach 8 52 der Strafproceßordnung bei der Verneh mung nur zu sagen, daß er über die Sache absolut nichts Anderes weiß, als was ihm in Ausübung der Seel sorge anvertraut sei. Es geht nicht an dem dis kretionären Ermessen des Geistlichen einen weiteren Spiel raum in der Behandlung solcher Dinge zu gestatten, die er nicht nur im Beichtstuhl, sondern auch zugleich bei anderer Gelegenheit erfahren hat. Denn darüber, was er als Mensch und Staatsbürger erfahren, ist er ebenso zum eidlichen Zeugniß vor Gericht verpflichtet, wie jeder Andere. Es wäre mit der Bewegungsfreiheit der Rechtspflege nicht verträglich, wenn daS Gesetz hierin dem Geistlichen eine weitere Ausnahmestellung als die bestehende einräumen wollte. Und darauf gebt der klerikale Antrag hinaus. Während jetzt durch das Beichtgeheimniß lediglich objektiv die Möglich keit, durch zeugeneivliche Vernehmung eines Priesters den Thatbestand festzustellen, begrenzt ist und eS dem Priester überlassen bleibt, gewissenhaft zu erwägen, inwieweit ihn daS Beichtgeheimniß zum Schweigen zwingt, inwieweit ibn daS anderweite Wissen zur Aussage verpflichtet, wird durch den Centrumsantrag in einer mit den Ansprüchen einer korrekten Rechtspflege nicht in Einklang zu bringenden Weise dem Richter subjektiv die Vernehmung eines Priesters erschwert. Dir Commission hat auch darum diese klerikale Zumuthung abgewiesen. Im Reichstag hätte eS erst recht geschehen müssen, zumal da, wie oben mitgetheilt, die Begrün dung die Ueberhebung des Klerikalismus in so heraus fordernder Weise zur Schau trug. Wie sah aber der Reichstag auS! Ringsum leere Sitze; — zur Stelle war nur das Centrum. Im letzten Augenblick kamen von der Fraktion genug, um gegenüber der bescheidenen Zahl der Anwesende» den Antrag durchzudrücken in einem völlig be schlußunfähigen Hause. Der geringste Zweifel an der Be schlußfähigkeit hätte die ganze Farce unmöglich gemacht. So wird der klerikale Vorstoß unter den Beschlüssen der zweiten Lesung figuriren. Wir halten eS für zweifellos, daß in der dritten Lesung der Zusatz wieder gestrichen wird. Hoffentlich wird dann aber auch die gegenwärtige Versäumniß nach geholt und vor dem Lande deutlich zum Ausdruck gebracht, daß eS für die Ansprüche des Klerikalismus noch Schranken giebt, wenn jetzt auch da- Jahr 1896 und nicht da« Jahr 1876 geschrieben wird. * Berlin, 24. November. Zur Zeit ist der selten zu ver zeichnende Zustand eingetreten, daß sämmt licht Re ich«- tag-mandate besetzt sind. Seit den allgemeinen Wahlen des JahreS 1893 haben einschließlich der fünf Nachwahlen, dir durch Doppelwahlrn nothwendig geworden waren, nicht weniger als 54 Wahlen stattgefunden. Dabei haben sich »ach einer Zusammenstellung der „Köln. Zig." folgende Verände rungen in dem Besitz st andeder Parteien vollzogen: Die Deutschconserva tiven haben fünfMandate verloren, keinS gewonnen; verloren gingen: 1. Plauen (v. Polenz) an die Social demokraten; 2. Mörs (Gescher) an das Centrum; 3. Löwen berg (v. Holleufer) an die freisinnige Volkspartei; 4. Köslin (v. Gerlach) an die freisinnige Bereinigung; 5. Herford (o. Hammerstein) an die Nationalliberalen. Die Frei- conservativcn verloren, ohne daß sie dagegen einen Ge winn z» verzeichnen haben, zwei Mandate: 1. Glückstadt (Graf Moltke) an die Socialdemokraten; 2. Schlettstadt (Pöhlmann) an die Elsaß-Lothringer. Die National liberalen büßten vier Sitze ein: 1. Ulm (Bantleon) ist an die deutsche Volkspartei übergegangen; 2. Dortmund (Möller) an die Socialdemokraten; 3. Westbavelland (Wiefike) an die Socialdemokraten; 4. Waldeck (Böttcher) an die Antisemiten. Gewonnen wurde dagegen Herford l^.uentin) von den Conservativen; ferner wäre hierher der Fürst zu Fürstenberg zu rechnen, der mit Hilfe der Nationalliberalen an Stelle des verstorbenen v. Hornstein in Donaueschingen gewählt wurde, v. Hornstein gehörte keiner Fraktion an. Die freisinnige Vereinigung gewann Köslin (Benoit) von den Conservativen und verlor Halle (vr. Meyer) an die Socialdemokraten. Die Antisemiten verloren Dresden- Land (Häbnicken) an die Socialdemokraten und gewannen Walbeck (Müller) von den Nationalliberalen. DaS Cent rum gewann MörS (Fritzen) von den Con- servativen und Mainz (Schmitt) von den Socialdemo kraten. Die Elsaß-Lothringer gewannen Schlett- statt (Spieß) von den Freiconservativcn. Die freisinnige Volkspartei gewann Lennep (Fischbeck) von den Social demokraten und Löwenberg (Klopsch) von den Conservativen. Die deutsche Volks Partei gewann Ulm (Hähnle) von den Nationalliberalen. Die Socialdemokratie gewann: 1. Glückstadt (v. Elm) von den Freiconservativen; 2 Plauen (Gerisch) von den Deutschconservativen; 3. Dortmund (Lütgenan) von den Nationalliberalen; 4. Westhavelland (Pölis) von den Nationalliberalen; 5. Dresden-Land (Horn) von den Antisemiten; 6. Halle (Kunert) von der freisinnigen Vereinigung. Sie verloren: Lennep (Meist) an die freisinnige Volkspartei und Mainz (Joest) an daö Centrum. * Berlin, 24. November. In der „Kreuzztg." liest man: „Der Abg. Frhr. v. Manteuffef hatte auf dem Delegirtenlag der deutschen conservativen Partei die Unzu verlässigkeit der deutschsocialen Reformpartei gekenn zeichnet und dabei auch daraus hingewiesen, wie sich diese Partei ihre Mandate fast ausschließlich durch Einbrüche in den conservativen Besitzstand verschaffte, während sie sich vor Berührung derjenigen Wahlkreise, in den hauptsächlich ihre jüdischen Feinde sitzen, scheute. Der „Staats bürger-Zeitung" ist die Constalirung dieser Thatsache natürlich " höchst unbequem, sie möchte immer noch den Glauben aufrecht erhalten, daß die Conservativen der deutschsocialen Reformpartei zu besonderem Danke verpflichtet wären, und bezeichnet deshalb kurzerhand die Feststellung des Freiherrn v. Manteuffel als ein „altes Märchen". Dem gegenüber genügt es zu constatiren, daß mehr als die Hälfte aller deutschsocialen Reickstagsmandate, nämlich die Wahl kreise Fritzlar, Bautzen, Meißen, Neustettin, Dresden links und Dresden rechts der Elbe und Hersfeld bis dahin rum conservativen Besitzstand gekört haben und andererseits leoiglich durch das ganz aussichtslose Sondervorgehen der deutschsocialen Reformpartei in einer Reibe von Ersatzwahlen alte conscrvative Wahlkreise (Halle-Herford, Kolberg-Köslin) an den Liberalismus verloren gegangen sind." V Berlin, 24 November. (Telegramm.) Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, traf heute früh um 5 Uhr 12 Min. in Berlin ein und nahm, ebenso wie die Prinzessin Albrecht, welche bereits gestern Abend angelangt war, auf einige Tage in dem Palais in der Wilhelmstraße Wohnung. L. Berlin, 24. November. (Privattelegramm.) AuS Marienburg meldet die „Nat.-Ztg.": Unter dem Vorsitz deS Oberpräsidenten von Goßler findet hier heute eine Con serenz Uber den weiteren Ausbau des HochschlosseS der Marienburg statt, zu welcher auch Commissare aus dem Ministerium eingetroffen sind. Gegenstand der Berathungen ist auch die Aufbringung der zum weiteren Ausbau erforder lichen Geldmittel, da Vie diesjährige Schloßbaulottrrie die letzte der genehmigten war. Es wird beabsichtigt, eine neue Schloßbaulolterie zu veranstalten. L. Berlin, 24. November. (P rivatt e leg ramm.) Die Abendblätter melden: Die Hauptverhandlung gegen den Journalisten Heinrich Leckert und Genossen wird am 2. Tecember vor der dritten Strafkammer deS Landgericht« I stattsinden. Angeklagt sind der Journalist Heinrich Leckert, genannt Heinz Leckert-Lasten, der Journalist frühere Hauptmann Karl von Lützow, der verant wortliche Redakteur der „Welt am Montag" vr. Alfred Ploetz, der Journalist Georg Berger, der Gerichts berichterstatter Oskar Foellmer und der Vater des verhafteten ersten Angeklagten Kaufmann Bruno Leckert. (Den Angeklagten wird bekanntlich zur Last gelegt, wider besseres Wissen in Beziebung auf den Oberhvfmarschall des Kaisers Grafen zu Eulenburg, sowie auf die leitenden Beamten des Auswärtigen Amtes, besonders aus den Staats- secretair Freiherr« Marschall von Bieberstein, unwahre Thalsachen behauptet zu haben, die diese Beamten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind.) Den Vorsitz wird Landgrrichlsbirector Rösler führen, während die Änklagebrhörde durch den Oberstaatsanwalt Drescher vertreten wird. Die Vertheidigung haben die Rechtsanwälte vr. Gennerich, Or. JverS, Glatzel und vr. Braß übernommen. Von der Staatsanwaltschaft sind 12 Zeugen geladen worden, worunter sich der Prinz Alexander zu Hobenlohe-SchillingS- fürst und der Staatsminister Freiherr Marschall von Bieber stein befinden. Die Vertheidigung hat bis jetzt noch keine Entlastungszeugen benannt und wird damit bi» zur Haupt verhandlung zurückhalten. Sicherem Vernehmen nach wird nach 8 173 G.-V.-G. unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt werden, da eine Gefährdung der Staatssicherheit zu besorgen ist. Auf Beschluß der IV. Strafkammer Land gerichts I. bleiben die Angeklagten Heinrich Leckert und Karl von Lützow in Untersuchungshaft. » — Für die Zulassung der Frauen zu den Armier« der öffentlichen Armenpflege (al« unbesoldete Frauen- beamtinnrn) erklärte sich eine öffentliche Versammlung von Damen nnd Herren, welche gestern Abend in Keller'« großem ^aale (Köpnicker Straße) unter Vorsitz deS Stadtverordneten Rosenow (Mitglied der städtischen Armrndirection) tagte. — Die preußischen Minister sür Landwirthlchaft und des Innern beabsichtigen, Regierungsassessoren, welche sich eingehender mit landwirthschaftlichen Studien beschäftigen wollen, Gelegenheit zu geben, sich mit dem praktischen Betriebe der Landwirth- schast auf rationell bewirthschafteten Staatsdomänen unter der Leitung tüchtiger Domünenpächter bekannt zu machen. Der Minister des Innern ist bereit, den Beamten, soweit es die dienst, liehen Verhältnisse gestatten, einen auf sechs Monate zu bemessenden Urlaub zu ertheilen, welcher, damit er die für die Landwirtschaft wichtigsten Perioden der Frühjahrsbestellung, der Ernte und der Herbstbestellung umfasse, auf den Zeitraum von Anfang April bis Mitte October festgesetzt werden wird. * Kiel, 24. November. (Telegramm.) Die Enthüllung des Denkmals sür Kaiser Wilhelm I. hat heute Vormittag statlgesunden. Nachdem der Kaiser, die Kaiserin und Prinz Heinrich denKaiserpavillon betreten hatten, vor dem der Corps commandeur Graf Waldersee, sowie sämmtliche Admirale und Officiere der Garnison Aufstellung genommen batten, hielt Graf Neventlow, der Vorsitzende des Denkmals-Ausschusses, eine Ansprache. Dieses Denkmal sei das erste, welches Schleswig- Holstein einem Landesherrn errichtet, es sei ein Wahrspruch sür die Nachkommen und erinnere ständig an die Zugebörig- keit zu dem deutschen Reiche. Nachdem der Kaiser hierauf den Befehl zur Enthüllung Les Denkmals ertheilt hatte, fiel die Hülle, während die Ehrcncompagnien präsenlirten und drei HurrahS ausbrachten. Der Bläserchor intonirte den Choral „Nun danket Alle Gott"; die im Hafen liegenden Schiffe gaben einen Salut von 21 Schüssen ab, die Kirchen blocken läuteten. Das Kaiserpaar besichtigte sodann unter Führung deö Bildhauers Bruett und des Denkmals- Ausschusses das Reiterstandbild. Ein Parademarsch schloß die Feier. Hieraus begaben sich der Kaiser und Prinz Heinrich um ll^/« Uhr zur Vereidigung der Marine re crut en. Nach der Vereidigung nahmen der Kaiser und Prinz Heinrich das Frühstück im Casino der Marineofsiciere ein und kehrten um 2t,Uhr Nachmittags nach dem Schlosse zurück Die Kaiserin fuhr bald daraus nach Plön, während der Kaiser den Kreuzer „Sperber" besichtigte. * Lübeck, 24. November. (Telegramm.) Heute früh wurden die nicht streikenden Arbeiter des Thiel'scheu Emaillirwerkes von Ausständigen unterwegs überfallen. Es kam zu einer sehr heftigen Schlägerei, in deren Verlaufe, wie mehrfach behauptet wird, auch Schüsse gefallen sein sollen. Mehrere Arbeiter sind schwer verletzt worden. Die Polizei nahm verschiedene Verhaftungen vor. (Wiederholt.) * Hamburg, 24. November. (Telegramm.) Die Hamburg-Amerika-Linie hat auf Anfragen ihren Kunden empfohlen, ihre Güter über Bremen, Antwerpen und Rotterdam zur Versendung zu bringen. Die dortigen, dem Verbände der nordatlantischen Dampferlinie an gehörenden Gesellschaften übernehmen alle Verbindlichkeiten und Verträge der Hamburg-Amerika-Linie. In derselben Weise erfolge auch die Beförderung der Reisenden über die Nachbarhäfen. Die „Hamburgische Börsenhalle" fügt hinzu: Durch den sogenannten Pool-Vertrag, den die Hamburg- Amerika-Linie mit den übrigen großen Gesellschaften unter halte, sei der Gesellschaft ihr voller vereinbarter Antheil am gesummten Verkehre gesichert, auch wenn sie in Zeiten wie die gegenwärtige nicht in der Lage sei, ihren Verkehr aufrecht zu erhalten. Die Gesellschaft erleidet also einen pekuniären Schaden durch den Ausstand nickt. — Die SeemannSverfammlung beschloß gestern Abend, daß nicht angemusterte Seeleute nicht anmustern sollen, nm Schauermannsarbeiten zu verrichten. Es wurde ein Aus schuß gewählt, um den Rhedern neue Forderungen der See leute zu unterbreiten. Mittwoch soll in einer Versammlung das Ergebniß bekannt gegeben werden. Heute früh stellten sich alle Arbeiter, die gestern gearbeitet batten, und dazu etwa 200 neue zur Arbeit ein. Der Betrieb findet in größerem Maße statt als gestern. Die Schutzmannschast ist bedeutend verstärkt und verhindert jeden Verkehr der Aus ständigen mit den zur Arbeit sich meldenden Arbeitern. * Breme», 23. November. Die „Frage" der Reckts- giltigkeit ter Bäckereiverordnung beschäftigte auch das hiesige Schöffengericht. Im Gegensätze zu den Anschauungen des Hamburger und Berliner Gerichtes bat das Bremer Gericht die Competenz der Gerichte zur Nachprüfung der Frage, ob die Voraussetzungen, unter denen dem Buntesrathe das VerordnungSrccht gegeben, erfüllt sind, bejaht, und kommt bei der Prüfung dieser Frage zu dem Ergebniß, daß dies der Fall ist, hat somit die RechtSgiltigkeit der Verordnung an erkannt. * Hannover, 23. November. Hier ist der Fall vorgekominen, daß ein Geistlicher es ablehnte, die Leiche eines hochangejehenen Mannes einzusegnen, weil der Verstorbene letztwillig verfügt hatte, daß seine Leiche nach Gotha übergesührt werden solle, nm dort verbrannt zu werden. Der Verstorbene ist der Kaufmann Ang. Meyer, sein Leben war in jeder Beziehung tadellos. Der Gesttliche, der trotzdem die Einsegnung der Leiche verweigerte, ist Pastor Crome an der Pauluskirchr. Herr Lrome hatte auch seine Einwilligung dazu abgelehnt, daß ein anderer Geistlicher Las Amt des Seelsorgers bei der Trauerfeierlichkeit übernehme. * Magdevur-, 23. November. Der hiesige Magistrat plant die Einrichtung eines städtischen Arbeitsamtes. Nach dem vom Magistrat ausgearbeiteten Entwürfe der Satzungen deS Arbeitsamtes wird dasselbe unter der Aufsicht des Magistrats von einer Commission geleitet. Diese soll bestehen auS einem Mitglied« des Magistrats als Vorsitzendem und je fünf Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Beisitzern, von denen je drei von den Beisitzern des Gewerbegerichts und je zwei von der Stadtverordnetenversammlung auf drei Jahre gewählt werden. Die ArbeilSververmittelung durch daS Arbeitsamt geschieht unentgeltlich. Vorläufig soll nur für männliche Arbeiter, Dienstboten und Lehrlinge Arbeit vermittelt werden. Für später ist auch die Errichtung einer Abtheilung für daS weibliche Gesinde in Aussicht genommen. * Köln, 23. November. Die Abtheilung Köln der Deut scken Colonialgesellschaft hat folgenden Beschluß ge faßt und den Hauptvorstand der Gesellschaft ersucht, in gleichem Sinne zu beschließen: 1) Es muß angestrebt werden,
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