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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961127010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896112701
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- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-27
- Monat1896-11
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Die transsibirische Eisenbahn bat eine Länge von 7600 Kilo meter — vom Ural an — und von Moskau an gerechnet eine Länge von 1600 Kilometer. An Länge überbietet sie Alles, was bis jetzt auf diesem Gebiet geleistet worden ist. Die Central-Pacific — von New-Ajork bis San Francisco — wie auch die Canadian Pacific von Quebec nach Vancouver an der britisch-columbischen Küste durchlaufen nur eine Strecke von je 6000 Kilometer. Der Bau der Eisenbabu wird sich auf etwa 850 Millionen Rubel belaufen, nach dem jetzigen Gange der Arbeiten zu rechnen. Die Vortheile aber, welche Rußland im Handelsverkehr aus diesem Wege erzielen wird, sind nicht zu unterschätzen. In erster Reihe wird ein großer Theil der chinesischen Thee- und SeideauSfuhr, welche zwei Drittel des gesamuileu Exports Chinas ausmachen, den Weg über diese Eisenbahn nehmen. Jetzt dauert die Fahrt mit Schnell dampfer von London nach Shanghai etwa 45 Tage (bei Benützung der Lankstrccke bis Brindisi etwa fünf Tage weniger), und die Passagierpreise dürften sich für beide Classen auf etwa 1000— 1500 .<2 belaufen. Ueber Sibirien wird cS aber möglich sein, den Weg von London nach Wladiwostok und dem Gelben Meere schon in 13 Tagen zurückzulegen, und zwar auf russischem Gebiet für 50, 75, und 100 Rubel für die drei Classen. Die Besörderung der gesammten Post, ebenso wie der Per sonenverkehr, welcher sich dort immer steigert, wird der sibirischen Bahn zufallen und unter die unmittelbare Controle Rußlands treten. Dies sind sehr bedeutende Vortheile, welche Rußland wiederum aus Kosten Englands für sich gewinnt. Der Weltverkehr erhält aber dadurch eine gänzlich ver änderte Form. Neben der sibirischen Eisenbahn arbeitet aber auch Rußland an dem Ausbau seiner centralasiatiscken Eisenbahnen. Die transkaspische Eisenbahn verdankt ebenfalls ihren Ursprung militairischen Rücksichten, sie hat aber nicht minder den Grund stein zur kulturellen Erschließung Asiens gelegt. Die im Jahre t888 eröffnete Eisenbahn führt von llsun-Ada über Kisyl-Arwat, Geok Tepe, Aschabad, Nurek und Merw nach Tschardschui, überschreitet hier die größte hölzerne Strombrücke der Welt über den Amu-Darja, nm nach Buchara, Katta, Kurgan und Samarkand weiterzuführen. Die Eisenbahn erstreckt sich aus 1700 km und bildet jetzt schon das erste Bindeglied zur Eisenbahnverbindung zwischen dem Kaspischen Meere und dem Indischen Ocean. Der Interessenkampf zwischen Eng land und Rußland in Centralasien treibt denn auch beide Staaten dazu an, ihre Verkehrswege dort noch weiter auszubaue». So hat gegenwärtig die russische Regierung beschlossen, eine Babn von Merw im Turkmenengebiet bis Kuscht in der Richtung nach Herat zu bauen, ebenso wie die Fortsetzung der Babn von Samarkand bi« Taschkent auf einer Strecke von 300 Werst ausgenommen worden ist. Ter Kuscbk-Posten liegt 312 Werst südlich von Merw am Kuschkfluß und 100 Werst von Taschk-Kepri, dem Orte der Schlacht vom 18. März 1885. Dieser de- sestigte Posten befindet sich 8 Werst vom afghanischen Posten Kera-Tepe und 140 Werst von Herat am Wege zu dem Urdewan- nnd Sheng-Kotel-Paß. Die Gesammtlänge der geplanten Bahn beträgt etwa 330 Werst; die Arbeiten sollen in zwei Jahren vollendet werden. Durch diese neue Bahn ruckt somit Rußland ganz an Afghanistan heran und befindet sich in unmittelbarer Näbe von Herat, welches an die trans kaspische Eisenbahn nunmehr angeschlossen wird. Dies treibt aber seinerseits die Engländer an, an dem Ausbau ihrer Elfen- babnen im russisch-indischen Grenzbiete weiter fortzuarbelten. Nach Ausweis der letzten englisch-afghanischen Grenzregelung ist Ouettah der Außenposten Indiens gegen Nordwesten geworden. Am 1. Januar 1892 folgte die Belriebseröffnunz des Kho,ak- Tunnels mit Fortsetzung der Bahn von Shikarpoor-Quettab bis nach dem äußersten britischen Grenzposten von Neu- Cbaman, 12 englische Meilen von Kandahar, 441 englische Meilen von Herat und 684 Meilen von Merw. Die ,xort- führung der Eisenbahn bis Kandahar ist eine beschlossene Sache. Durch die sibirische, sowie die transkaspische Eisenbahn wirb Rußland Asien vollkommen beherrschen, und die Er schließung dieses Welttbeils wird darum in erster Reihe nur dem Zarenreich zugute kommen. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß die europäischen Großmächte danach streben werden, durch neue Verkehrswege die ausschließliche Be herrschung Asiens durch Rußland zu untergraben und selbst dort festen Fuß zu fassen. Neben den Wegen, welche Ruß land eingeschlagen Hal, um Asien zu beherrschen, sowie neben den Zugängen vom Meere aus giebt es gegenwärtig nur eine Straße von Bedeutung, welche einen höchst wichtigen Theil Asiens durchquert, einen Theil, besten culturhistorische Vergangenheit für bas angrenzende Afrika und Europa von noch ungleich größerem Belang gewesen ist, als selbst Ost indien oder gar China. Es sind dies die Länder zwischen rem 30. und 40. Grad n. Br. und zwischen dem mittel- ländiscken Meere und den Hochsteppen Irans. Das Projekt einer Euphratbahn durch diese Gegenden ist nicht neu, gewinnt aber durch die sibirische Eisenbahn an Aktualität. Dieselbe soll Kleinasien, beziehungsweise die Mittelmeer- küsten Syriens mit dem persischen Golf verbinden, um neben Herstellung einer Ueberlandsroute nach Indien, beziehungsweise nach Südasien daS äußerst fruchtbare Mesopotamien, sowie die ertragreichen Gegenden Syriens zu cultiviren. Durch diese projectirte Babn wird auch Persien in den Weltverkehr treten und fick politisch, sowie handels politisch aufraffen. Denn wie die Verhältnisse jetzt liegen, ist Persien auf dem Wege, zum Vasallen Rußlands zu werden. Nachdem Rußland so viele Gebiete in den letzten Jahrzehnten dem persischen Reiche entrissen batte, bat eS jetzt einen unge heueren Einfluß in Teheran gewonnen und schickt sich nun auch an, den Bau der Eisenbahnen in Persien zu unter nehmen. Namentlich besieht ein russischer Plan, eine Bahnlinie von Bender-Busher am Persischen Golf über Ispaban, Teheran und Rescbt nach Täbris, dem Knotenpunkte der Verkehrswege nach Trapezunt und Tiflis, zu bauen. Dadurch wird sich Ruß land in Persien bis zum Indischen Ocean zu einer bedeutenden Macht entfalten. Die Euphratbahn könnte diesem Vordringen Rußlands im südlichen Asien erfolgreich entgegensteuern. Die Bahn von Kleinasien bis nach dem unteren Lauf Schatt Arab, unterhalb Balsora (Barra) soll 3300 Kilometer be tragen, dagegen von Beirut am Mittelmeer halb so viel. Veranschlagt man die Kosten für den Eisenbahnkilometer auf 200 000 so würden die Baukosten 660, beziebungSweise 330 Millionen Mark betragen. Die technischen Schwierigkeiten sind zwar groß, sieben aber hinter denjenigen der sibi rischen Eisenbahn zurück. Die Vortheile dieser Bahn sind geradezu ungeheure und werden allen europäischen Staaten in gleichem Maße zugute kommen. Es bandelt sich um die Schaffung neuer Productions-, sowie Consumtionsgcbiete, sowie um die Herstellung eines kürzeren NeberlandwegeS von Europa nach Süd- und Oftasien. Wann dieses Project in Erfüllung gehen wird, läßt sich allerdings jetzt nicht Voraussagen, in der unermüd liehen Tbätigkeit Rußlands in Asien liegt aber für die inter essieren Staaten ein Ansporn zur Aufnabme des Planes. Die letzten Ereignisse in Asien, namentlich der chinesisch japanische Krieg und der dadurch entstandene russisch-englische Kampf um Cbina, veranlassen nunmehr auch das Reich der Mitte, sich auszuraffen und zu europäisiren. Es wird zuerst eine ganze Reihe von Eisenbahnen geplant, wobei drei Linien binnen Kurzem in Angriff genommen werden sollen und zwar 1) zwischen Tientsin und Sutscheu am Flusse Jantsekiang, 2) zwischen Haukau und Tsetschuan und 3) zwischen Shanghai und Kanton. Zu gleicher Zeit ist bas Projekt von der Errichtung einer großen asiatischen Bahn zwischen Peking und Konstantinopel ausgetauchk. Als Ausgangspunkt dieser Bahn ist Tientsin vorgcschlagen. Alsdann wird dem Prrject nach die Linie fortgesetzt über Cbo-Kiang, Kwang- Ping, Kai-Foi g (am Gelben Fluß), Tsing-Tsou, Gonau und Tung-Kwan, von welchem Orte aus sie sich etwa 1500 m über dem Meeresspiegel erheben dürfte. In ihrer weiteren Fortsetzung dürfte die Linie die Städte Zuma-Kien, Kami, Turfan, Karaschar, Aksu, Marascbar und Kasckgar passiven. BeiKhokand erhebt sich die Linie 4500 m über den Meeresspiegel. Von Kbokand aus geht die Linie über Samarkand, Buchara, Merw, Mesched, Teheran, Bagdag, Tskandaran, Adana, Konia, Brussa, Konstantinopel. Die ganze Linie dürfte eine Länge von 7650 Meilen erreichen und gegen 3 Milliarden Mark kosten. Natürlich ist das Prosict zur Zeit nichts mehr als ein frommer Wunsch, es ist aber für die Erschließung Asiens charakteristisch. So wirken mehrere Faktoren zulammen, welche die Erschließung Asiens für Europa ^ur Folge haben werben, obenan steht aber die sibirische Eisenbahn, welche für den Handelsverkehr und die Cultur Asiens von gerarezu unermeßlicher Bedeutung ist. Deutsches Reich. * Leipzig, 26. November. Wie wir erfahren, hat Herr Reichsgerichts r atl> von Streich sein Pensionsgesuch eingereicht und wird am 1. Februar k. Irs. in den Ruhe stand treten. Herr von Streich ist am Reichsgericht seil dessen Errichtung tbälig gewesen. Am 19. Juni 1826 in Ellwangen in Württemberg geboren, wurde er nach ver schiedener Verwendung im richterlichen Dienst im Jahre 187 l zum Rath des obersten Landgerichts in Stuttgart, zugleich zum Mitgliede der Justizprüsungscommission ernannt. Sei: 1866 war er eine Zeit lang württembergischer Landtage abgeordneter, auch ist er Mitglied des constiluirenden deutschen Reichstags gewesen. -g- Leipzig, 26. November. Herr Senatspräsident vr. Kayser nimmt am 1. December seine Thätigkert als Präsident des fünften Civilsenates des Reichsgerichts auf. L Berlin, 26. November. Kaum ist die Rührung über wunden, die man in Deutschland empfand, als der „Vor wärts" — es war bei Gelegenheit der sächsischen Wahlreform — die Rechte der Krone Sachsen gegen d>e Nationalliberalen und die Conservativen wahrte, und schon beschämt daS socialdemokratiscke Centralorgan abermals seine Widersacher, indem es sich zum Anwalt der von ter pflichtvergessenen hessischen Regierung bei dem Abkommen über die hessische LudwigSbahn preisgegebenen Inter essen des Großherzogthums macht. Die Sache hat neben der komischen eine ernste Seite. Der „Vorwärts" behandelt die Angelegenheit durchaus mit particularistischen Instrumenten, verleugnet also das socialdemokratische Princip, das, selbst über so große Complexe wie Las deutsche Reich hinausgehend, Beseitigung der durch die Nationalität gezogenen Grenzen verlangt. Die im Süden nicht selten vorgetragene Lehre, daß die Pflege deS Particularismus der bestehenden Ordnung zu Gute komme, findet in der Haltung des „Vorwärts" jedenfalls keine Stütze. * Berlin, 26. November. Der geschäft-führende Ausschuß des Landesvereins preußischer Schullehrer bat sich mit einer Denkschrift an die Mitglieder des Landtags gewandt, die das Ungenügende der im Lebrerbesoldungsgesetz enthaltenen Sätze durch Vergleich mit den Gehältern anderer Beamten darlegt. Sie verweist auf die Gehälter von Betriebs und Postsecretairen, Bahnmeistern, Telegraphisten, Hafen meistern, Kanzlisten u. a. m., wo die Gehaltssätze zwischen 1400 und 3.500 schwanken, und bemerkt dazu: „Wenn die bisherigen Beamtengehälter nicht ausreichend sind, wie können es, selbst unter Berücksichtigung etwas höherer Beträge in theurern Gegenden, die sein, welche jetzt für die Volksschullehrer FerNH-ton. Silber aus dem heimischen Zoologischen Garten. Jetzt schweigt die Donnerstimme des Löwen im Garten und der Hyäne Hohngelächter der Hölle, Rübe ist überall auf dem weiten, sonst von einer stattlichen Besucherwelt in buntem Gewimmel belebten Plan eingezogen, und in herbst lichem Schweigen ruht der vordem von Thierstimmen erfüllte Waldpark, von dessen Baumriesen unablässig vom Frost be reifte und geknickte Blätter flattern und sich auf Weg und Weiher legen. Die Majorität der Thiere ist in ihre Winter quartiere eingerückt, Mammalia und Aves, beiden Classen tbut die Wärme wobl. Aber wo den Platz, den Raum her nehmen für die gesammte fressende Sippschaft! Das ist für unseren Zoologischen Garten im Winter eine ungemein heikle Frage. Wohl bieten die Ochsenställe im Pfaffendorfer Hof immerhin noch Unterkunft für einige der gulmüthigsten der Insassen, wie für die drei baktrischen Kameele, die in den ekrrmkres sopurees eines geräumigen Pferde- ftandeS ihr Dasein mit Fressen und Wiederkäuen verbringen, doch für die übrigen ist es unmöglich, in solchen Räumen zu campiren. Ta beißt es denn, überall zusammenrücken. Selbst „Sally", der indische Elephant, hat in seiner bobleuumzogenen Behausung Besuch bekommen, beulende und brüllende Nachbarn, in Wölfen, Pumas und Löwinnen, ab gesehen von vier anderen männlichen Löwen, die in einem großen Dressnrkäsig in den für ihren zukünftigen Künstler beruf erforderliche» gymnastische» Fächern Elementarunterricht genießen, dem der dickhäutige Indier hinter seiner gewaltigen Hoizbarriöre in aller GemüthSrude zuschaut. „Sally" ist ein prächtiges Thier. Sein mächtiger Kopf wird von einem gewaltigen Nacken gestützt, der Rüssel stark und sebnig, die Füße schlank und hoch, der Rücken kaum gekrümmt und glatt mit wenig gekieltem Widerrist; so absolut fehlerlos im Bau, ungewöhnlich stark entwickelt für seine fünsunzdwanzig Jahre, dielet da« Tbier in seinem Anblick für jeden Kenner einen hohen Genuß, während gleichzeitig die Leichtigkeit der Bewegungen den Laien in Erstaunen versetzt. Als „Sally" im Juni 1881 in den hiesigen Zoologischen Garten einzog, wog er rund 1000 Icg; heute ist sein Gewicht aus 2500 Icg Abstiegen. Er hat in den fünfzehn Jahren seines Hierseins unzählige Fuder Heu verschlungen und daS Commißbrod ganzer Regimenter aufgefressen. Seinem Appetit zu Liebe ist sogar «ine ganze GraSnuyung im Rosen« thale gepachtet worden. Zum Durltstillen nimmt er täglich mindestens sechs Eimer Wasser zu sich, was im Sommer direkt am Brunnen geschieht, wohin sich der plumpe, den Wassereimer selbst tragende Dickhäuter in Begleitung seine« Wärter- verfü-t. Im Allgemeinen kann angenommen werden, daß der kiesige Elepbant täglich durchschnittlich einen Ccntner feste Nahrung verzehrt, ungefähr fünf Brobe, einen Korb voll Rüben, 30 Pfund schwer, und dazu mindestens 30 Pfund Heu. Nicht selten kommt es vor, daß sich „Sally" auch noch auS seinem Strobnachtlager einige Appetitsbissen nimmt. Wie bescheiden lebt dagegen ein erwachsener Löwe, der sich täglich mit zehn Pfund Fleisch begnügt! Allerdings bei der Multiplikation der Mäuler, wie sie hier vorgenommen werden muß, kommen ansehnliche Quantitäten an frischem Fleisch, täglich ein Pferd, heraus. Zu diesem Zweck bat Tirector Pinkert immer ein Dutzend „Scdiachtrosse" ein gestellt, hinter dem Hundezwinger wiehern sie; eigentlich Schlachtrosse nickt im Sinne kampfbereiter Cavalleriepferde, sondern nach einer mehr praktischen Auffassung bin, insofern, als sie tbatsächlich — „geschlachtet" werden. Fast ausnahms los bilden sie recht annehmbare fette Bissen für die Bestien, wenn sich auch bin und wieder einmal ein Exemplar darunter befindet, bei welchem die Anwendung von Röntgen-Strahlen unnötbig erscheint, um erst durch sie die Partien des Knochen gerüstes der Rosinante deutlich erkennbar werden zu lassen. Seitdem der Zoologische Garten so erfolgreich die Auf ruckt von Raubtbieren betreibt, allerdings weniger aus rein speculativer Absicht, sondern mehr zur Ergänzung der all jährlich durch Krankheiten und Unfälle decimirten Thier bestände, reichen die Familienwobnungen im Raublhierhause nicht mehr aus. Es bat sich die Einrichtung einer „Kinder stube" nötbig gemacht. Eine solche, von der Wärterin Fra» Fischer in aller Behaglichkeit geschaffene „Kinderstube" befindet sich zu ebener Erde des rechten Tborbauses am Eingang der Pfaffendorfer Straße. Wer eS nicht wüßte, der würde schon durch die hier ausgestellten Büchsen mir condensirter Milch über den Cbarakler dieses Raume« belebrt. E« wimmelt dort von vierbeinigen „Babies" aller Art: ein Foxterrier rieht zwei im Garten geborene acht Tage alte PumaS auf, ein schwarzer Spitz dient drei molligen Löwen im Alter von vier Wochen al« Amme, eine Dachshündin giebt sich dagegen nur mit ihrem eigenen Jungen und dessen Milchbruder, einem Löwen, ab. Die jungen Puma« sind die ersten, welche im hiesigen Garten das Licht der Welt erblickten, nm so größer daher ti: Bemühung um ihre Aufzucht. Niedliche Thiere von röiblub grauer Färbung mit ausgeprägt schöner Flecken zeichnung, die bekanntlich bei alten Thirren ganz verschwindet, wühlen sie wie dicke, mollige, gescheckte Möpse im Heu. Als Nackbar der Puma« liegt ein junger Löwe als Patient im Stroh. Er hat sich im Raubthierbause einen tüchtigen Schnupfen gebolt und ist nun schleunigst in die be haglicher temperirte „Kinderstube" aufgenommen worden. Dicht bei diesen Kleinsten der Bestien befindet sich übrigen« eine recht boshafte zoologische „Allegorie deS Rausche«". Man bat nämlich Affe und Kater in einem Kasten vereinigt; fit vertragen sich, wie es ja auch nicht anders sein kann, aus gezeichnet. Der Affe, ein niedlicher jugendlicher HamadryaS« sprosse, mußte, um den Quälereien der langgeschwänzten Sanguiniker-Heerde, in die er ursprünglich eingereiht worden war, zu entgehen, exmittirt und im Hinblick auf seine zarte Constitution einer wärmenden Gesellschaft, wie eS jetzt zwei Katzen sind, zugetheill werden. Mit ihnen balgt er sich im Slrob, legt er sich schlafen, natürlich an jeder Seite ein wärmendes Katzenfell, und mit ibnen setzt er sich an den Milcknaps. Freilich stört er häufig genug auf recht nieder trächtige Weise die Takle ä'köte, indem er, nach zänkischer Affenart, den Katzen das Vorrecht an der Schüssel verweigert und sie gehörig an den Ohren zaust, wenn sie den Vorrang bei Tafel behaupten wollen. Außer den Elephanten lebte als jüngster Pachhderme ein Nasborn im Garten. Jetzt muß man sich freilich, „um daS RbinoceroS zu seb'n", nach einem großen ConservirungS- faß wenden, in dem die Kaut deS verstorbenen Vielhufers wohlverwahrt geborgen liegt. Augenblicklich bemüht sich aber ein amerikanisches Museum um den Erwerb von Knochen und Haut des ThiereS, dessen Ur-Urväter schon Martial Lurch Epigramme als Symbol der Wuth verherrlichte und auf da« die Römer sogar Münzen prägten. Weit mehr könnte der Tiger, von welchem der Garten eine Anzahl stattlicher Exemplare besitzt, als ein solches Symbol der Wutb und der Rachsucht gelten. Es ist eine unnahbare Bestie. Mil tückisch glühenden Augen ver folgt sie Schritt und Tritt den ihr Nabenden, fauchend fährt sie an das Gitter, sobald die geringste Störung den Uu- nahbaren aus seiner lauernden Stellung schreckt. Wie ganz anders wirkt da« Zeichen auf unS ein, wenn wir neben den mächtigen erwacksenen Exemplaren daS Nest häkchen eines TigerS betrachten, behaglich schleckend und schlürfend am Gummizulp der Milchflasche, waLm und weich ins Slrob gebettet und zärtlich von einem Pudel, seiner Amme, behütet. „Es sitzt ein Pudel im raschelnden Laub und schüttelt Len Pelz mit Behagen", singt einmal ein Dichter; vielleicht ist ihm ter Vers im Raublhierhause gekommen. Und nun die Hyänen, von denen es im Raublhierhause wimmelt! Ungeschickter kann sich kaum ein Thier bewegen, als die Hyäne. Thränen kommen dem Beschauer in die Augen, wenn er die jungen drei zahmen x-beinigen Hyänen durch den Garten schlendern und ihre Purzelbäume schlagen sieht. Neben den Löwen, Tigern, Panthern, Gepards, Hyäncn, Affen und anderem Gethier bewohnt da- Raubtbierbaus gegenwärtig ein überaus seltene- Tbier. Ein Aapok ist eS, ein Schwimmbeutler, der von fernher, von Guatemala, ge kommen und dem Garten von Herrn Hugo Fickert-Forst als werthvolles Geschenk überwiesen worden ist. DieHeimath diese« in der Freiheit schwer erreichbaren langgeschwänzten Ge schöpfe«, da« an eine Ratte mit einem riesig langen nackten Schwanz erinnert, erstreckt sich von den Küstenländern Süd amerika«, von Rio de Janeiro bi« nach Honduras. Dort hält sich dieser Raubveutler in kleinen, sparsam verstreuten Colonien auf. Seme Erscheinung ist eine höchst originelle, daS spitze Köpfchen mit dem schwarzen Strich über der Nase, die abstehenden kleinen nackten eirunden Ohren, die fünf zebigen breit auSgespannten nackten Füße, der übermäßig lange kahle Schwanz, da- sind Alles Merkmale, die dem Thiercheu den Zug deS Absonderlichen verleihen. Die Affencolonie besteht jetzt aus einigen Hundert Köpfen. Sie ist in verschiedene Winterkasten vertheilt, darunter die hinderindischen Lapunder, die gelehrigen SckweinSaffen, von Venen einst die unglaubliche Fabel ging, daß sie in ihrer Heimath zum Abpflücken von Cocos nüssen verwendet werden, die reizbaren, am Klettergerüst rüttelnden und schüttelnden Rhesusaffen, die Hama dry as, tie HundS« und Sphin xpavian e. Sie sitzen und Hüpfen aUesammt „zur Seite deS wärmenden OfenS". Der abgehärtete Bär verschmäht solche Annäherungen. Ein Gegenstück zu dem unausstehlichen krummbeinigen Bettler am Musikpavillon, dem Ilrsug mala^»nu8, der mit seinem wohlgepflezten und glattanliegenden Haarwuchs an einen frisch gebügelten „Cylinder" erinnert, bildet drüben am Bärenzwinger selbst, wo auch der Baribal baust, der eigentliche v r a u n e Bär, nur mit dem Unterschied, daß er sich anstatt aufrecht an da« Gitter auf daS in seinem Gelaü befindliche Steinguadrat stellt und hier hoch erhoben mii offenem Maule die gebratenen Tauben, oder wenn es nick: anders ist, die ihm von mitleidiger Seite zugesckleuderl<m Semmelbrocken erwartet. Der zottige Kerl steht herrli Modell auf seinem steinernen Piedestal. Ein durch seine Forschungsreisen am Nordpol bekannte und berüchtigtes Individuum aus der weitverzweigten Famili „llrsus" logirt nebenan. Ursprünglich besaß der Garten von Eisbär zwei wunderhübsche gesund entwickelte Exemplare, Männchen und Weibchen. Davon mußte der Gatte in weißen zottigen Schlafrock dem Garten in Folge eines Schlag ansalleS, noch eke er Vaterfreuven erleben durfte, unfreiwillig Adieu sagen. Einstweilen bewohnt noch die Wittwe Eisbär den Waschsaal im Zwinger, aber draußen vor dem stark ver gitterten Gelaß in einem kleinen besonderen Wartesalou antichambrirt bereit« ein Freier, ein kolossaler Bursche, lang haarig im Fell, knochig, markig, robust, rin echter Robben räuber, der, wo er zupackt, auch alle Knochen knacken macht. Vorläufig nimmt Madame Eisbär von dem ihr zugedachten neuen Gatten nicht die mindeste Notiz. Sie plumpst ungeschickt in das bis zum Rand mit Wasser gefüllte Granilbecken hinein, stellt sich dann aus reckt in« Feuchte und verharrt minutenlang im liel gewordenen Element bei einer Temperatur unter Nu» Nicht ohne einen gewissen Neid blickt der weiße Monsieur auf die erfrischende Badecur seiner Angebeteten, die, wenn sie lange genug Wasser getreten hat, die tiefe viereckig Wanne verläßt und, über und über triefend, sofort zum Gitter eilt, um fick unter eigenthümlich buckelnden Körper bewegungen den nassen Pelz an den Eisenstangen auszu drücken, erst die reckte, dann nack einer geschickten Wendung die linke Seite. Kurz darauf folgt di« übliche Siesta der
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