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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-27
- Monat1896-11
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Directe täglich« Kreuzbandiendung t»S Ausland: monatlich 7.50. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/.? Uhr. die Abend-Au-gabr Wochentags um b Uhr. Ue-artion und Erpe-itio«: Iohannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ott» Memm's Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstratze 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Sönigsplatz 7. Abend-Ausgabe. ripWer TUMM Anzeiger. Amtsblatt des Äönigtichett Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Natyes «nd -Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigrn.Prrts die 6 gespaltene Petttzeile SO Pfg. Steclamen unter dem Medactionsstrlch (4ge- spalten) üO.ij, vor den Familieniiachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70 — Ännahmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag- 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. «0L Freitag den 27. November 1896. SV. Jahrgang: Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. November. Die gestrige Sitzung deS Reichstags hatte mit dem Tage der Interpellation über die Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten" zweierlei gemeinsam: einmal, daß die Lang weiligkeit der Berathungen über die Iustiznovelle durch eine wirklich interessante DiScussion unterbrochen wurde, und zweitens, daß der Verlauf der Debatte keineswegs einen Sieg der Interpellanten bedeutete. Wie damals das Centrum, so hatte gestern die Socialdemokratie keine Veranlassung, auf den Erfolg deS TageS stolz zu sein. Die erste Inter pellation über die russischen Zolle gelangte nicht einmal zur Besprechung, da, wie zu erwarten war, der Regierungs vertreter wegen der gerade gegenwärtig schwebenden Ver handlungen die Beantwortung ohne Weiteres ableknte. ES war ein Zeichen politischer Taktlosigkeit, daß trotzdem der socialdemokratische Abg. Ulrich eine Besprechung der Inter pellation verlangte, und eS war wenigstens erfreulich, daß der Wunsch Ulrich'S nicht die nötbige Unterstützung fand. Auch die Interpellation über die Besteuerung der Consum- vereine im Königreich Sachsen bedeutete keinen Erfolg für die Socialdemokraten. Der Abg. Bebel war naturgemäß in einer schwierigen Lage, wenn er öffentlich für Consum- vereine eintreten mußte, während doch ter Partei- beroS Lassalle die Genossenschaften und ihren Begründer Schultze-Delitzsch weidlich bekämpft und verspottet hat. Die Abgg. Zimmermann und Haußmann brachten Herrn Bebel derart inS Gedränge, daß er dann in der Form einer persönlichen Bemerkung eine Reihe von wenig wirksamen Einwendungen gegen diese Angriffe machen mußte. Bei alle dem war aber die Debatte sowohl wegen der staatsrechtlichen Frage, wie wegen der sich daran knüpfenden socialpolitischen Eröterungcn sehr interessant. Was die erstere anbelrifft, so machte es sich Herr Bebel sehr leicht, indem er sich schlank weg auf die Reichsverfassung, die Gewerbeordnung und das Genoffenschaftsgesetz zum Beweise, dafür berief, daß Sachsen nicht das Recht habe, den Consumvereinen landes gesetzlich eine Umsatzsteuer aufzuerlegen. Andererseits aber machte es sich auch der Staatssecretair v. Boetti eher etwas leicht, wenn er in seiner Widerlegung sich darauf berief, daß ja gerade der von dem Abg. Bebel ««gezogene ß 7 der Ge werbeordnung den Einzelstaaken Las Recht Vorbehalte, Gewerbesteuern zu erheben. Denn er ging eben nicht auf die sehr wichtige Untersuchung ein, ob die von einzelnen sächsischen Gemeinden bereits eingeführte Steuer aus den Umsatz der Consumvereine als eine Gewerbesteuer überhaupt anzusehen sei. Hier traf der sächsische Be vollmächtigte Geh. Rath Fischer das Richtige, indem er zu gab, daß eine exorbitante Steuer dem Sinne deS Ge setzes, d. h. der Gewerbeordnung, zuwiderlaufen würde. Wäre dies der Fall, so würde die Klausel des tz 7 der Ge werbeordnung hier nicht zutreffen und es würde weiterhin, da Reichsrecht dem Landrecht vorgebt, daS Landesgcsetz zu Unrecht bestehen, also aufgehoben werden müssen. Der Abg. Haußmann hatte also Recht, wenn er hervorhob, der springende Punct sei der, ob die Umsatzsteuer eine Prohibitivsteuer sei, d. h., ob sie die Fortexistenz der Consumvereine zur Un möglichkeit machen würde. Für diese Behauptung wurde aber in der Debatte nicht das genügende Material bei gebracht; es ließ sich nickt feststellen, daß die Umsatzsteuer die Beseitigung der Consumvereine zur nothwendigen Folge haben werde. Da der Abg. Bebel so boSbaft war, anzu kündigen, daß er die Sache nicht ruhen lassen, sondern zum Gegenstände eines Antrages machen werde, so wird es an ihm sein, bis dahin den Nachweis zu führen, daß die Steuer den Consumvereinen den Geschäftsbetrieb unmöglich macke. Gelänge ihm dieser Nachweis, so würde der Reichsregierung nichts übrig bleiben, als die sächsische Regierung zur Auf hebung der Besteuerung zu veranlassen; gelingt der Nachweis nicht, so bleibt eö nicht nur in Sachsen bei der Heranziehung der Consumvereine zur Umsatzsteuer, sondern es werden auck in anderen Staaten gleiche Schritte folgen. Aus der Debatte ergab sich nicht mit voller Deutlichkeit, welche Absicht die Socialdemokraten mit der Interpellation verfolgten. Sie selbst gaben an, daß sie nur gegen eine „Ungerechtigkeit" kämpfen wollten, aber man wird ihnen das eben darum nicht recht glauben können, weil es für sie, wie schon erwähnt, eine beikie Sache ist, für das Genossenschaftswesen einzutreten. Man wird vielmebr als Motiv erstens ihren Haß gerade gegen die sächsische Regierung, der sie eine Verlegenheit be reiten wollten, annebmen müssen, und zweitens den Umstand, daß sie die Beseitigung der sächsischen Consumvereine als eine Gefährdung für ibre sächsische Parteiorganisation anseben würden, weil sie gerade in Sacksen die Consumvereine für ibre Zwecke benutzen. Tie Entgegnungen der socialdemokra- tffcken Redner auf die diesen Umstand hervorhebenden Be merkungen anderer Redner klangen ausfällig matt. Gar nichts batten sie auf eine treffende Bemerkung des Abgeordneten Haußmann zu entgegnen, die am deutlichsten zeigt, wie wenig die gestrige Debatte für die Socialdemokratie ruhmreich war. Er sagte: wenn trotz der Lassalle'schen Theorien die Arbeiter in die Consumvereine eingctreien seien, so bewiese das, daß sie vernünftiger seien als ihre Führer und ihre Parleidoctrinen. Die polnische Araction des preußischen Landtags ist bekanntlich davon abgekommen, den Farbenerlaß und den Opalenitzaer Zwischenfall zum Gegenstand einer Interpellation zu machen. Man will bis zu dem Etat warten. Man wird in der Annahme nicht fehl gehen, daß ein wesentliches Moment bei diesem Beschlüsse die sachlich schlechte Position der polnischen Fraktion ist. Fühlte sie sich nur Halb wegs sicher, daß sie nicht Antworten gerechtfertigten Unwillens vom Regierungstisch provocirte, sie würde mit der Initiative nickt gezögert haben. Denn nach der Centrumspreffe zu schließen, würde es an der er forderlichen Unterstützung dabei nicht fehlen. Mehr aber noch haben taktische Erwägungen den Ausschlag gegeben. Die lärmende Betbeuerung, man sei zur „Abwehr" gezwungen, gehört zur polnischen Action wie die Rakete zum Feuerwerk, sowohl in Rücksicht auf die eigene Gefolgschaft, wie auf die lbätige Unterstützung der Herren Bachem und Genossen. Willkommen wäre es nun den Polen, wenn ihnen die Initiative von deutscher Seite diese vortheilhaste Schlachtstellung ver schaffte. Dazu liegt aber nicht der geringste Anlaß vor; auch hier kann man bis zur Etatsberatdung geduldig warten. Es bat vor der Hand gar keine Eile, so lange die Tbatsache wirkt, daß trotz der Ausbrüche sittlicher Entrüstungen in polnischen und klerikalen Blättern und trotz aller Drohungen von jener Seite eine selbstständige parlamentarische Beschwerde nicht gewagt werden durfte. In den achtziger Jahren wurden in Ungarn und Sieben bürgen mehrere Vereine ins Leben gerufen, welche sich, um das Ausland zu täuschen, den unschuldigen Namen „Cultur- vereine" gaben, in Wirklichkeit aber nur LaS eine Ziel ver folgten, die Arbeit der Staatsbehörden auf dem Gebiete der Magyarisirung der Slowaken, Serben, Rumänen und Deutschen nach Kräften zu unterstützen. Diese Vereine haben eine ganz ungeahnte Ausdehnung gewonnen und ergänzen die auf die Entnationatisirung der Nichtmagyaren gerichtete Tbätigkeit des Unterrichtsministeriums in wirksamster Weise. Der oberungarische Culturverein, welcher haupt sächlich im Schaerfchen Eomitate und den benach barten Gespansckaften wirkt und seinen Sitz in Eperies hat, sucht die Slowaken ihrer Muttersprache zu entfremden. Der Szeckenyi-Verein in Szathmar wirkt auf die Rutbencn in magyarisirendem Sinne ein, der Temeschwarer Culiur- verein hat die lebenskräftigen 450 000 „Schwaben" in« Banat zum Gegenstand seiner Arbeit ausersehen. Das Bedeutendste hat aber bisher dersieb en bürgisch-m agrarische Cultur verein geleistet. In Len ll Jahren seines Bestehens hat er ein Vermögen von 1 226 062 Gulden gesammelt (ein schließlich 79 Vermächtnisse und Stiftungen im Betrage von 484 487 Gulden). Er verfügte im Jahre 1895 über 66 718 Gulden Einnahme und unterhielt in etwa 90 tbeils sächsischen, theils rumänischen, theils auch svracklich ge mischten Orten, mehr als hundert magyarische Kindergärten und Sckulen. Eifrig trachtet er darnach, die 200 000 Sachsen und 1300000 Rumänen in Siebenbürgen für das Magyaren- thnm zu gewinnen und die Staatssprache über das ganze rumänische und sächsisch-deutsche Gebiet in Siebenbürgen aus zubreiten. Die magyarische Presse tritt für alle diese Vereine energisch ein. Daß sie mit der Zeit stattliche Erfolge haben werden, daß gar manche slowakische, rumänische und deutsche Ortschaft, besonders an der Sprachgrenze, im Magyaren- thum untergeben wird, kann man als sicher annehmen. Wie ganz anders würde der Allgemeine deutsche Schulverein zu Berlin dastehen, der doch nur, was deutsch seit aller Zeit ist, erhallen will und keineswegs auf Eroberungen ausgeht, wenn er vom ganzen deutschen Volke ebenso unterstützt würde wie die ungarischen Culturvereine von dem verhältniß- mäßig armen Volke der Magyaren I Mit Mißtrauen sieht man in der Lüdafrikanischen Republik der Zusammenziehung eines britischen Geschwaders vor Zanzibar entgegen, weil man annimml, daß diese Flotte bestimmt ist, wieder einmal einen Anschlag auf Louren^o Marquez auSzuführen, wie ja im September 1894 schon mehrere britische Kriegsschiffe in der Delagoa-Bai erschienen sind und bereits mehrere Hundert Matrosen gelandet batten, angeblich, um englische Interessen dem vordringenden Kaffern-Aufstande gegenüber zu schützen. Damals wurde der Anschlag durch die Energie deS portugiesischen Gouverneur» wie durch da- Erscheinen deutscher und französischer Kriegs schiffe verhindert. Der jetzige Hinweis auf gleiche Absichten des Geschwaders vor Zanzibar, wo auch nicht der geringste Anlaß zu einer großen Kraftentfaltung vorhanden ist, beweist, wie lief und unausrottbar da- allerdings vollständig berech tigte Mißtrauen der Boeren gegen die Briten ist; diesen traut man jederzeit das Schlimmste zu. Die bisher gemachten Erfahrungen beweisen freilich, daß dies mit gutem Grunde geschieht, und man braucht sich nicht zu wundern, wenn, wie den „Bert. N. N." aus Pretoria telegraphisch gemeldet wird, die ossiciöse „Volksstem", obgleich sie die Afrikander für- stark genug hält, jeder unerwünschten fremden Pression zu wibe>stehen, eö doch für nolbwendig erachtet, daß die Mächte versuchen, eine Combination bezüglich der Neutralität und Integrität der Delagoa-Bai als portu giesischer Besitzung herbeizusühren. Ebenso ver ständlich wird es, daß England immer gierigere Blicke nach der Bai wirft, wenn man den Bericht des englischen ConsulS über den Hasen und Verkehr von Louren^v Marquez und seine Bedeutung auch für Transvaal auf da- Jahr 1895/96 liest, nach welchem u. A. die Zolleinnahme im ersten Viertel jahr 1896: 46 239 Lstrl. gegen 29 258 in der gleichen Zeit des Vorjahres und die gesammte Einfuhr nach Transvaal über die Delagoa-Bai in dem am 30. Juni abgeschlossenen Rechnungsjahre 999 137,70 (davon 692 873 auS Europa) betrug. In naher Zeit dürften auch Kohlen einen Ausfuhr gegenstand in Louren^o Marquez bilden, was den englischen Neid besonders rege machen wird. Deutsche- Reich. tt Berlin, 26. November. Eine Bestimmung der Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzen wird !:ei allen Arbeitgebern Anklang finden, und das ist die Aenderuug bezüglich der Erhöhung des Kranken geldes für Unfallverletzte vom Beginn der fünften Woche an. Schon nach den bisherigen Geietzen muß vom Beginn der fünften Woche an nach Eintritt des Unfalles bis zum Ablauf der dreizehnten Woche daS Krankengeld, welches den durch einen Betriebsunfall verletzten Personen auf Grund des Krankenversicherungsgesetzes gewährt wird, auf mindestens zwei Drittel des bei der Berechnung desselben zu Grunde gelegten Arbeitslohnes bemefsen werden. Tie Differenz zwischen diesen zwei Dritteln und dem gesetzlich oder statutenmäßig zu gewährenden niedrigeren Krankengelde ist bisher der Arbeitgeber zu erstatten verpflichtet, bei welchem der Verletzte zur Zeit des Vorkommens des Unfalles in Arbeit gestanden hat. Diese Anordnung bat vielfache Anfechtung erfahren. Einmal widerspricht sie dem ganzen Geiste der staatlichen Unfallversicherung, die doch gerade geschaffen wurde, um die Solidarität der Betriebsunternebmer für die Entschädigungen der Unfallverletzten oder deren Hinterbliebenen herbeizusühren. Sie erzeugte förmlich eine Lücke in der durch die Unfallversicherung sonst geschaffenen Gemeinsamkeit der Arbeitgeber. Sodann aber konnte sie gerade die kleineren Unternehmer stark belasten. Größere Betriebe werden naturgemäß von solchen Ausgaben nickt so berührt, wie solche, in denen nur wenige Arbeiter beschäftigt werden. Gerade im Interesse der letzteren lag deshalb eine Beseitigung dieser Anordnung. In der Novelle ist sie auch nachträglich, da der Entwurf vom Juni 1894 eine solche Aenderung ver missen ließ, erfolgt. Künftig soll nickt der einzelne Arbeit geber, sondern die Berufsgenossenschaft verpflichtet sein, die Differenz zu erstatten, und zwar diejenige Berufszenossen schäft, welcher die Entschädigung für den betreffenden Unfall obliegt oder obliegen würde, wenn die Folgen deS Unfalls nickt vor Ablauf von dreizehn Wochen gehoben wären. Berlin, 26. November. Die bisherigen Verhandlungen deS Abgeordnetenhauses über die ConvertirungSvorlage haben bereits wesentliche Aufklärung gebracht über die schon lange vor Einbringung der Vorlage besonders lebhaft er örterte Frage, wie der Benachtheiligung wirthschaftlich schwacher Inhaber der vierprocentigen Staats schuld zu begegnen ist. Dazu gebören nicht nur kleine Capitalisten, welche vierprocentige ConsolS zur dauernden Anlage ihres Capitalvermögens erworben haben, sondern auch zahlreiche Stiftungen, Kirchen und Pfarreien und sonstige gemeinnützige Institute, die wichtige Culturaufgaben gerade im Dienste der arbeitenden Classen erfüllen, schon jetzt nur mühsam ihr Soll und Haben aus gleicher Höbe zu halten vermögen und dabei tbeilweise bestimmungs- und gesetzmäßig genöthigt waren, ihr Capitaivermözen in SlaatSpapieren anzulegen. Es liegt auf der Hand, daß in allen Fällen im Einzelnen zunächst eine Prüfung statrfinden muß, ob wirklich eine nennenSwerthe Ein büße mit der Conversion stattgefunden hat. Wo öffentliche In stitute der eben erwähnten Art in Frage kommen, wird, wie wir hören, in diesem Fall, vorbehaltlich der Prüfung, generell aus gleichend der Dispositionsfonds deS Finanzministeriums einlreten. I Anders liegt die Sache bei einzelnen Personen. Hier stebt einer I solchen generellen Berücksichtigung aus B»lligkcitsgründen ent- I argen, daß nur bei den Staatsbuchsckulden allenfalls der wirkliche Inhaber und sein Besitz an vierprocentiger Staatsschuld sich Nachweisen läßt. Die Eintragungen im Staat-schuldbuck sind aber meistens in capitalstarken Händen. Diese scheiden damit aus. Bei Staatsschuldverschreibungen, die sich in Privathänden befinden, ist aber die Inhabrrschaft nicht durch in Hans Jürgen. Roman von Hedda v. Schmid. Nachdruck veriote». Herr v. Saliday hatte die Übersiedelung nach dort leb haft befürwortet und sich in der großen, äußerst comsortablrn Wohnung, welche Hans Jürgen gemirthet, zwei Zimmer als Absteigequartier Vorbehalten. Er hatte sich mit der Zeit zu einem ganz respektablen Landwirtb kerangebildet und wollte nicht für die Dauer drS Winters Allersberg verlassen. Die Wirtbschaft in Lommerd-boff ging im alten Schlendrian weiter; obzwar, in Folge wiederholter, freundschaftlicher Vorstellungen des Palloküllschen, Han- Jürgen seinen diebischen Gutsverwalter Lutz entlassen hatte, so schien der Nachfolger deffelben, da er unter keiner, auch noch so geringen Controle gehalten wurde, den alten Spruch: „Gelegenheit macht Ditd«" wieder einmal zu Ehren zu bringen. Noch ein Spruch lautet: „Wie der Herr, so der Kneckt". Die Leute in Lommerd-boff sahen, daß ihr Herr da- Geld mit vollen Händen au-streut« — sollten sie etwa zu Gunsten eine- so reichen Gebieter» sparen? Sie wollten auch leben und gut leben, da es ihrem Herrn ja nicht darauf ankam, wenn «S auf seine Kosten geschah. * * * Die Saison war in vollster Blüth«. Hortense batte beschlossen, bei sich eine größer« Gesellschaft zu geben. Sie wollte alle Vorbereitungen zu derselben selbst in Vir Hand nehmen und verbat sich Han- Jürgen - und Ellen'- Einmischung. Sie hatte die Absicht, ihrem Manne den Beweis zu liefern, daß sie auch verstünde, selbstständig etwas zu arrangiren. HanS Jürgen ließ sie achselzuckend gewahre», er wußte, gegen ihren Eigensinn ließ sich nichts auSrichten. Hortense hatte Bruno Mengen, den sie seit den letzten Wochen lebhaft — so weit diese indolente Natur lebhaft sein konnte, — in ihre Nähe gezogen, als ihren Adjutanten er nannt; auf ihren Wunsch bestellte er die Cotillonorden, half ihr die Einladungskarten ausfüllen u. s. w. Bruno kam sich als angehender Troubadour vor, er war jebt unumstößlich davon überzeugt, daß Hortense von den Meisten verkannt werde und daß ihr eigener Gatte sie nicht »ach Verdienst würdige. „Eifersucht ist em Beweis von Liebe" hatte Hortense erst kürzlich irgendwo gelesen; wenn HanS Jürgen sie liebte, so mußte er auf Bruno eifersüchtig werden, er mußte doch endlich, wenn er wahrnabm, daß Andere ihr huldigten, aus seiner Gleichgiltigkeit ausgerüttrlt werden. HanS Jürgen kam eS jedoch gar nicht in den Sin», derartige Gefühlsregungen zu Haden, er fühlte sich, trotzdem, daß er sich im Gesellschaftsstrudel treiben ließ und äußerlich liebenswürdig und Lbermülhig wie immer war, unglücklicher denn je zuvor. Eines Vormittag-, zwei Tage vor dem Ball, saß Hans Jürgen in seinem Zimmer, da- Für und W>v«r einer Reise nach Berlin in seinen Gedanken erwägend. Immer dichtere Rauchwolken blies er vor siH hin, immer düsterer wurde der Ausdruck seines Auge-, in immer krausere Falten zog sich seine Stirn. Die Sebnsucht nach Hans Joachim wallte übermächtig in ibm empor, doch er wollte rin Wiedersehen mit Irma vermeiden. Endlich erhob er sich «nmuthig und verließ sein Zimmer, er wollte in den Tattersall, um dort auf andere Gedanken zu kommen. Im kleinen Salon seiner Frau vernahm er Bruno'- Stimme. Bruno trug Vers« vor; in seinem Vortrag lag etwa- sehr Sympathische»; «» gehört« zu seinen Talenten — er besaß allerdings deren wenige — gut Vers« vorzulesen. Er wußte diese-, und man behauptet« von ihm, daß er stet- «in Bändchen Gedichte in ter Tasche trage. Heute hatte er da« tiefempfundene, in seiner ernsten Wahrheit wunderbar ergreifende Gedickt von Christoph Mickwitz: „Um Nichts I" gewählt und brachte eS fast meister haft zum Ausdruck. Hans Jürgen blieb unwillkürlich hinter der PortiSre stehn und lauschte: „Ihr, dl« Ihr wie verstekn«rt dort Ihn still umsteht, bürt ihr da- Wort, Versteht Ihr die gewalt'qe Lehre? Tönt Euch der Rus nicht fort und fort In- Ohr, wir Donner des Gerichts: „Um Nichts I" schloß Bruno seinen Vortrag, und HanS Jürgen schlug die Falten der Portiöre zurück und betrat den Salon seiner Frau. Bruno legte den geschmackvoll gebundenen Band Gerichte aus der Han» und erbob sich, um den Hausherrn zu begrüßen. Dieser drückte ihm di« Rechte und küßte dann seiner Frau flüchtig die Fingerspitzen. „Pardon", sagte er, „ich störe, aber Ibr Vortrag, die Worte de« Dichter-, lockten mich unwiderstehlich an", wandte er sich an Bruno. „Wie ich sehe", fuhr er fort, „sind Sie wieder so liebens würdig, meiner Frau bei ihren Ballvorkehrungen zu helfen." Damit wie- HanS Jürgen auf eine Anzabl zierlicher Karten, welch« aus dem runden Tische, an dem Hortrnse und Bruno saßen, lagen. „Ah — Tischkarten, sehr hübsch, nur ein wenig zu matt gebalten in den Farben." „Du tadelst auch Alle«", versetzte Hortens« gereizt. Die fand ihren Geschmack üt»«r alle Kritik erhaben und hatte auf ein Lob auS Han- Jürgen - Mund, gehofft. ,Freine«weq«", warf Han« Jürgen gleickmüthig bin. „Die Tischkarten sind ia auch Nebensache, wenn da- Menu nur ni.1t mit ibren blassen Tonen übereinstimmt, so hat ja die Sache nichts weiter auf sich Ich begreife nur nicht, weshalb Du nicht Elle» Alle- überläßt? Daß Letzter« einer solchen Aufgabe gewachsen wär», daran zweifle ich nicht." „Du raubst mir meine Ha«-frau«nr»chtt", fuhr Hortens« aus, ihr Taschentuch zn einem Knäuel in der Hand znsammrn- ballend; um ihr« schmalen blutleeren Lippen zuckte e- v«r- rätherisch. „Hortense, sei nicht albern", entfuhr eö fast gegen seinen Willen HanS Jürgen. Diese Frau konnte ihn mit ihren Thränen zur Verzweiflung bringen. „Nein, ick bin nickt albern, sondern eine unglückliche Frau", schluchzte Hortense, sich in die Polster des kleinen Divan- zurückwersend, Bruno erbob sich von seinem Fauteuil und trat, sich kerzengerade ausrichtend, auf Hans Jürgen zu. „Herr v. Lommerd, Sie beleidigen Ihre Frau Gemablin, nickt genug, daß Sie dieselbe in einer unerhörten Weise vernachlässigen. Mir, als einem Cavalier von Ehre und ritterlichen Grundsätzen widerstr«bt es " Hans Jürgen, der den Sprecher zuerst ganz Verständnis; loS angeblickt hatte, fand die Situation plötzlich komisch — Hortense batt« also ihren Ritter gefunden, der gute Bruno mackte sich zwar lächerlich, aber aus seinen Augen leuchtete eine ehrliche Ueberzeugung. „Lieber Mengen", fiel ibm Hans Jürgen ins Wort, „Sic scheinen die Sache tragisch aufzufassen, ebenso wie meine Frau", und, setzte er gutmütbig hinzu, denn er suchte in ter Thal keine Händel mit Bruno, „wenn sich «in Dritter in eheliche Streitigkeiten mischt, so macht er sich im besten Falle dadurch nur lächerlich." „Lächerlich", brauste Bruno auf, der sich mindestens wie einer der alten Uhland'scken Minnehelden vorkam, „für dieses Wort werden Sie mir Rede stehen, Herr v. Lommerd." Wie mit einem Schlage veränderte HanS Jürgen seine Haltung. Wenn sich dieser junge Mensch herauSnahm, ibm Vor schriften zu machen, ihm Moral zu lesen, was hinderte ihn dann, den vorwitzigen Gelbschnabel dafür zu züchtigen? Hans Jürgen wär nicht der Mann, der sich ungestraft etwas bieten ließ. Zuerst hatte er Bruno'S Anmaßung als etwas Knaben haftes betrachtet, daS man von der heiteren Seile nehmen mußte, aber SS lag trotzdem viel Wahres in dem ibm ent gegengeschleuderten Vorwurf, und nichts trifft uns Menschen empfindlicher, al- die unliebsam« Wahrheit über un-und unser Thun ans dem Munde Anderer zn hören. „Ich stehe zn Diensten", sagte HanS Jürgen kalt. „Die sollen noch beute Nachmittag von mir hören, ich schiae Ihnen meinen Cartelllräger", erwiderte Bruno, machte Hortense eine tiefe Verbeugung und verließ den Salon. Hortense war dem kleinen Vorgang mit weitgeöffncten Augen gefolgt. Jetzt war die Sache ganz so gediehen, wie
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