02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-05
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Neclamen unter dem RedactionSstrlch («ge spalten) 50^, vor den gamiliennachrichten (6gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. t-rtra-Beilagen (gefalzt-, nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung vO.—, mit Postbesörderung .Ni 70.—- »o—kx— Ännahmeschluß für Anzeigen-. Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgev-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei dm Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. December. Da der Reichst«« für die erste EtatSberathung ein sehr geringes Interesse bekundet hat, so war vorauszuseben, daß er der Besprechung einer größeren Anzahl von Petitionen im Plenum ein noch weit geringeres Interesse entgegenbringen würde. Wenn man bedenkt, welche unendliche Mühe ost auf gewendet wird, um die Agitation für eine Petition ins Werk zu setzen und nur eine möglichst umfangreiche Anzahl von Unterschriften für die Petition zu gewinnen, so muß mgn sagen, daß diese viele Mühe in einem crassen Gegensätze zu der summarischen Behandlung, die den Petitionen im Plenum des Reichstages zu Theil wird, steht. Gestern entspann sich nur wegen zweier Petitionen eine lebhaftere Debatte, weil es sich hier um wichtige principielle Fragen handelte. Der eine Fall, bei dem wegen der Rückerstattung von Zoll petitionirt worden war, gab Anregung zu der Erörterung, ob es sich nicht empfehlen würde, sowohl ein einheitliches Reichs; olltarif-Amt zu schaffen, wie einen obersten Gerichtshof für Zollentscheidungen. ES war be dauerlich, daß der Reich Sschatzsecretair sich auf den particularistischen Standpunkt stellte und erklärte, daß cS sich hier um verfassungsmäßige Rechte der Einzelstaaten handle. Das ist an sich ganz richtig, aber man sollte doch die Möglichkeit, einen verfassungsmäßigen Zustand zu ändern, der sich als unzuträglich herausgestellt hat, nicht zurückweisen. Selbst das sonst so particularistisch gesinnte (Zentrum stimmte in diesem Falle mit den sehr entschieden ausgesprochenen Wünschen der nativnalliberalen Abgg. Ham macher und v. Cuny überein. Bei einer anderen Petition handelte es sich um Mittel znr Bekämpfung der Unsittlichkeit. Es wurde beklagt, daß seit der verunglückten lox Heinze nichts geschehen sei und daß infolgedessen die Unsittlichkeit sich immer breiter mache. Staatssecretair Nieberding suchte die Abgeordneten des EentrumS, die sich besonvers ungeduldig in dieser Frage zeigten, damit zu trösten, daß Erwägungen schwebten. Man kann es ven Abgeordneten nicht verargen, wenn sie nach den Erfahrungen, die Bolksvertretung und Volk machen, wenn die Negierung von schwebenden Erwägungen spricht, sich damit nicht be gnügen, sondern einen Antrag einbringen wollen. Da der Abg. Bebel der Klage des couservativen Pastors Schall über die Unsittlichkeit in den großen Städten die Bemerkung ent gegensetzte, er würde bei der Besprechung des Antrages Spahn über die Unsittlichkeit auf dem Lande Aufklärungen geben, so kann man sich auf eine mehr lebhafte als erquick liche Debatte über die Frage, ob der Stadt oder dem Lande der Preis der Unsittlichkeit gebühre, gefaßt machen. Erwähnt sei noch, daß bei der Berathung einer Petition, betreffend die Abänderung des Servistarifs, der Abg. Or. Hasse darauf hinwies, wie ungerecht es sei, Leipzig in der ersten Tarifclasse zu belassen. Wir werden auf diese dankenswertbe Anregung des Herrn Abgeordneten zurückkommen, wenn der stenographische Bericht über die gestrige Sitzung vorliegt. In der „Köln. Ztg." finden wir heute die folgende, den Protest Lntzow-Leckcrt betreffende Auslassung: „Bemerkenswerth ist, daß ein in die „Hamburger Nach richten" übergegangener Artikel eines Leipziger Blattes Über- Len Chef der geheimen Polizei, Criminalcommissar v. Tausch, der Leute wie Normann-Schumann, den angeblichen Urheber der Ent hüllung über Bötticher und den Welfenfonds, und v. Lützow mit der Ermittelung des Urhebers von Scandat-Artikeln beauftragt hat, welche diese Herren selbst in die Presse gebracht hatten, folgendes sonderbare Urtheil formulirt: Und jetzt tritt ein Mann auf die Bühne des Gerichts- faaleS, elegant, geschmeidig, mit durchdringenden, klugen Augen, der Chef der politischen Polizei, Herr von Tausch. Er hat die Nachforschungen in der Kotze-Affaire in den Händen gehabt, er führt die Laudesverrathsprocesse, er tritt in Action, wo immer ein ernsthaftes politisches Interesse in Frage kommt, und er führt die Acten über Alles, was La politisch webt und strebt, sonderbare Acten, an die aktderthalbtausend Register I Seit achtzehn Jahren ist er an seinem Posten — wenn er einmal Memoiren schriebe! . . . Nun sind wir ohne Weiteres zu der Annahme geneigt, daß sich Heinrich Leckert, der unreife Bursche, der bis dahin noch nicht einmal mit der Nase in die Politik ge rochen hatte, die Jngredientien zu einer feinen, weithin wirkenden Jntrigue sich nicht selbst hergestellt hat. Wir glauben ausnahmsweise an den geheimnißvollen Unbekannten. Sollte der Name desselben nicht fcstzusiellen sein? Auch von einem so geschickten Criininalisten nicht, wie er in Herrn v. Tausch am Zeugentische erscheinen wird?" Je bemerkenswerther der „Köln. Ztg." diescö Urtheil er scheint, um so mehr hätte das rheinische Blatt sich ver pflichtet fühlen muffen, nicht von einem „Leipziger Blatte" zu reden, sondern bestimmt zu sagen, daß es das Urtheil in den „Leipziger Neuesten Nachrichten" gefunden hat. Die Unart, flüchtig und ungenau zu citiren, ist nicht viel entschuldbarer, als die Leichtfertigkeit, mit der manche Zeitungen ohne gründliche Prüfung sensationelle Meldungen aus zweifelhaften Quellen veröffentlichen und comnienliren, oder über Personen, die in einem sensationellen Processe als Angeklagte oder Zeugen auftreten, aburtheilen, bevor selbst die Richter zur Klarheit gelangt sind. Diese letztere Unart, die derselben Quelle entspringt, wie die kritiklose Uebernahine und Verbreitung uncontrolirbarer Sensations nachrichten, rächt sich jetzt bitter an solchen Blättern, die aus irgend welchem Grunde entweder schon vor oder unmittelbar nach dem Beginn der Verhandlungen dem Eriminalcommissar v. Tausch ein Loblied singen zu sollen glaubten. Die gestern von dem Angeklagten v. Lützow aufgestellte Behauptung, daß er von dem Zeugen v. Tausch zu seinen Thaten, ja sogar zur Fälschung der Unterschrift Kukutsch'S angestiftet worden sei, ist ja noch nicht erwiesen, jedenfalls aber werfen dieAussagen gewicktigerZeugcn auf Herrn v. Tausch und die ganze Thätigkeit der Berliner politischen Polizei ein höchst ungünstiges Licht. So stellte der Staatssecretair v. Marschall fest, daß in einem Falle, in welchem das Aus wärtige Amt selbstständig den Urheber eines gegen den Kaiser, den Grafen Eaprivi und Herrn v. Marschall gerichteten Angriffs der „Saale-Ztg." ermittelt hatte, die politische Polizei das Vorgehen des Auswärtigen Amtes an die Urheber des Angriffs verrathen hatte. Tausch ist in hohem Grade verdächtig, von der Fälschung der Unterschrift des Herrn Kukutsch gewußt zu haben. Diese Quittungsgeschichte hing zu sammen mit dem Bemühen, zu ermitteln, ob ein Artikel der „Münchener Neuest. Nachr.", wegen dessen man Herrn v. Köller im Verdachte batte, aus dem literarischen Bureau des Ministeriums des Innern stamme. Auch diesen grund losen Verdacht scheint die „politische Polizei", resp. Herr v. Tausch, erregt zu haben. Genug, das ganze Bild der unsauberen Angelegenheit hat eine für Herrn v. Tausch so ungünstige Veränderung erfahren, daß man sich nicht wundern kann, wenn ans dem Zeugen ein Angeklagter wird. Die Hereinziehung dcS deutschen Botschafters in Wien, Grafen Philipp Eulenburg, dem v. Tausch über die Machenschaften gegen das Auswärtige Amt berichtet haben will, macht vielleicht eine Ausdehnung des ProcesseS auf noch andere Personen und Gegenstände nöthig. WaS am Ende dabei herauskommt, läßt sich schlechterdings noch nicht übersehen. Um so größere Vorsicht ist der Presse bei ihrem Urthcile geboten. Und sollte schließlich bei der ganzen Sache nicht viel mehr herauskommen als eine Säuberung der Berliner politischen Polizei und eine Klarstellung der Mittel und Wege, auf denen professionelle Fabrikanten von Hetz- und Sensationsnachrichten ihre Mach werke in einen Theil der Presse lanciren, so wird schon dadurch viel gewonnen sein und dem kritiklosen Hascben vieler Blätter nach solchem „Material" wenigstens ein Riegel vorgeschoben w:rden. Die Edinburger Rede Lord Wolselcy's, welche der Telegraph als einen fortgesetzten Lobeshymnus auf die all gemeine Wehrpflicht charakterisirt, dürste allen denjenigen unserer deutschen Volksgenossen zur geneigten Kenntniß- nahme sich empfehlen, welche vom hohen Kothurn der frei sinnigen oder socialvemokratischen Doctrin herab über daS System des „Militarismus" den Stab brechen und nicht müde werden, das schweizerische Miliz- oder daS englische Söldnerheer in den Himmel zu erheben. Es liegt eine gewisse Ironie des Schicksals darin, daß der englische Generalissimus seiner Bewunderung sür die deutsche Wehr organisation gerade in demselben Augenblicke beredten Aus druck lieh, wo Herr Liebknecht im Reichstage wieder einmal nach bekanntem socialdemokratischen Hetzrecept gegen den „Militarismus" wetterte und England glücklich pries, daß es Dank seiner freiheitlichen Institutionen vor einem Einbruch des „ Militarismus" bewahrt sei. Genosse Liebknecht, der in demselben Athemzuge auch darüber triumpbirte, daß die auf schweizerischem Boden hervorgetretenen Bestrebungen nach einer „Verpreußung" des Heeres in ein FiaSco aus gelaufen seien, sollte doch den Tag nicht vor dem Abend loben. Allerdings, wer wie unsere bürgerlichen und socialen Demokraten der Anschauung ist, daß cs zur Umwandlung des Bürgers in einen Soldaten genügt, dem Manne ein Gewehr ^in die Hand zu drücken, und wer demnach die Notbwendig- keit einer bejonderen militairischen Ausbildung in Friedens zeiten höchstens für die sogenannten Specialwasfen anerkennen will, den wird eS weiter nicht anfechten, daß das Urtheil aller Fachmänner in alle» Ländern der preußisch-deutschen HeereSorganisation die Palme reicht und ihrer möglichst ge treuen Nachahmung das Wort redet. Es gehört von englischer Seile, angesichts der jenseits deS EanalS im Schwange gehenden leidenschaftlichen Antipathie gegen Alles, was das Gepräge des maäo iu Oermauz- aufweist, immerhin ein gewißer Muth zu einer Kundgebung, welche, wie der Wolseley'sche Panegyrikus auf die bahnbrechenden Verdienste des preußisch-deutschen Heerwesens um die Erringung und Befestigung der nationalen Einheit, in die Empfehlung des deutschen militairischen Vorbildes zur Nachahmung aus läuft. Lord Wolseley beschämt unsere parlamentarischen Armeeverkleinerer durch die an Begeisterung streifende Wärme, mit der er von der „starken und gesunden Armee" spricht, ,welche dem Volke Kraft gab, welche der Wächter der Ehre und der Interessen der Nation und der Schirm ihres Rechts und ihrer Freiheit war". ES ist ja sehr leicht und bequem für Leute, die dem Geiste unbedingter Monarchentreue, stricten Gehorsams, eiserner Disciplin und selbstloser Hingabe an Las Vaterland grundsätzlich abhold sind, deutsche Männer, die der Ehre und den Verdiensten des vaterländischen Heeres gebührende Anerkennung widmen, „Mordspatrioten" u. dergl. zu schimpfen. Dem englischen Höchstcommandirenden gegen über werden sie sich so etwas, ohne sich selbst lächerlich zu machen, nicht herausnehmen dürfen. Hier bat der Fach mann gesprochen, und sein Zeugniß kann umsomehr als ein klassisches betrachtet werden, als eS aus englischem Munde, also von einer Seite stammt, die unter den obwaltenden Um ständen eher geneigt ist, den Deutschen gegenüber des Guten zu wenig denn zu viel zu thun. Deutsches Reich. Berlin, 4. December. Dem Abgeordnetenhause ist eine Petition zugegangen, in welcher die Bureau- beaniten der kürzlich verstaatlichten Werra-Saal- und Weimar-Geraer Privatbahnen um Gleichstellung mit den SlaatSeisenbahn-Betriebssecretairen bitten. Die Klagen der Beamten, welche früher im Privatdienste gestanden haben, sind nicht neu, denn sie kehren bei jeder Verstaat lichung wieder. ES ist auch selbstverständlich, daß dieselben sich dem preußischen BeamtenorganismnS bei ihrer Ueber- nahme in den Staatsdienst anpaffen müssen. Der Uebergang bringt natürlich auch einige Härten mit sich, die zwar im All gemeinen unvermeidlich, aber doch soviel als möglich ge mildert werden sollten. Wenn eS nun in der Begründung der Bittschrift heißt, daß die meisten der Bureauassistenten und Anwärter eine mehr als 20 jährige Dienstzeit hinter sich haben, und daß ihr pecuniäres Einkommen um einige hundert Mark sich verschlechtert hat, so sollte man die ausgesprochenen Wünsche wohl für billig halten. Läßt eS sich doch nicht leugnen, daß bei der Kaufsumme dem Staate gegenüber immer die Ueber- nahme, d. h. die Verpflichtung der weiteren Fürsorge für die bisherigen Beamten, iu Anrechnung gebracht ist. Es wäre daher Wohl angebracht, wenn die PetitionScommission der Budgetcommission, die ja während dieser Session nicht so übermäßig beschäftigt ist, die Petition zur wohlwollenden Er Wägung überweisen würde. * Berlin, 4. December. Nach der Verfügung des Reichs kanzlers zur Ausführung des kaiserlichen Erlasses über die Errichtung deS Colonial rathS vom 10. October 1890 sollen die mit kaiserlichem Schutzbrief ausgestatteten oder in den Schutzgebieten durch die Anlage wirthschaftlicher Unternehmungen von bedeutendem Umfange thätigen Colonialgesellschaften aus ihrer Mitte Mit glieder zum Colonialratb in Vorschlag bringen. Danach haben nicht nnr alle deutschen Colonialgesellschaften und größeren Pslanzungsgesellschaften Mitglieder dazu ge wählt, sondern auch die englische South West Africa Company hat ihren eigentlichen Leiter, den Rechtsanwalt vr. Scharlach in Hamburg, vorgeschlagen, der seit 1891 auch Mitglied deS Colonialraths ist. Ebenso soll nun auch die South African TerritorieS Co., sobald die staat liche Anerkennung ihrer Gerechtsame erklärt worden ist, znr Wahl eines Mitgliedes für den Colonialratb aufqefordert werben. Wie eS nach den „Berl. N. N." beißt, würde das deutsche Mitglied ihres VerwaltungsratheS, der Minister resident Or. Goering, in Vorschlag kommen. Dann bat der Colonialrath 29 Mitglieder. — ES wird dem „Hambg. Corr." mitgetheilt, daß die seiner Zeit abgebrochenen Handelövertragsverhand lungen mit Portugal seit einigen Monaten wieder auf Mvmmen sind und Aussicht haben, zu einem positiven frgebniß zu führen. FeiriHetsir Das goldene Herz. 3j Novelle von E. Fahrow. Nachdruck Verbote». ' „Schönste Waldfee," schrieb er, um sofort das Blatt zu zerreißen. „Detlev, Kerl, wo bleibt Dein Tact?" schalt er sich und nahm ein anderes Kärtchen; nun ging es besser: „Gnädigste Frau! ' Mit dem Gefühle, Ihnen als ein ganz ungeschliffener Patron zu erscheinen, nabe ich mich Ihnen; ich weiß nicht, ob Ihr beharrlicher Diener mich bereits angeklagt hat — immerhin tbue ich es aber hiermit. Anstatt mich über diese, wie Sie mir noch soeben gesagt hatten, „beschränkte Intelligenz" hinweazusetzen, ließ ich mich soweit binreißen, sie mit einem Gertenhieb zu züchtigen. ES ist eigentlich unverzeihlich, aber dennoch bitte ich Sie, mir zu verzeihen! Verhängen Sie über den reuigen Sünder welche Strafe Sie wollen, — nur auS Erbarmen nicht die der Verbannung! Wenn Sie mir eS nicht verbieten, komme ich am Sonnabend zu der so gütig gestatteten Stunde zu Ihnen und hole mir mein Urtheil. Ihr tief ergebener Berserker Detlev v. Geyern." * * * In einem Cafv Unter den Linden saß einige Tage später eine vergnügte Gesellschaft von jungen Männern beim Punsch. Detlev, an der Schmalseite deS kleinen MarmortischeS, hatte zu seiner Rechten den Rittmeister v. Schmock, seinen Schwager. Links von ihm saß ein stämmiger Germane, ein „Bruder in Apoll" von Detlev, der zu den jüngsten Stürmern und Drängern gehörte. Erwin Balmer hatte sich schon einen bekannten, wenn auch nicht gerade einen guten Namen ge- macht, denn vorläufig schilderte er noch mit Vorlieb« alles, waS er an Schmutzigem und Verrottetem in der Hauptstadt auftreiben konnte. Neben ihm hatte rin Herr San Paudez Platz genommen, dem man den Südländer auf den ersten Blick ansab. „Ein schöner Mensch", sagten die Damen von ihm; für Detlev'« Geschmack war Alle« an ihm „zu viel"; er batte zu weißt Zähne, zu sanfte Augen, einen zu bläulichen Schimmer auf den Wangen, sein Schnurrbart war z u seiden weich und seine Gestalt zu biegsam. Dennoch?behandelte er ihn mit derselben ausgesuchten Höflichkeit, welche ihm so sehr daS Gepräge eines CavalierS gab. Die Herren plauderten über dies und jenes und Alle be fanden sich in jener behaglichen Stimmung, welche Einen bei elektrischem Licht in eleganten Räumen bei einem guten Ge tränk überkommt. Besonder- Detlev war in der glücklichsten Laune; er scherzte mit Erwin, neckte seinen Schwager über seine drei kleinen Töchterchen und behauptete, eS stehe in den Sternen geschrieben, daß die Linie derer von Schmock auS- sterben solle. Der Rittmeister lachte und meinte, aus ihm spräche der pure Neid, weil er sein schäbiges Junggesellen- thum satt habe. „Wohl möglich", sagte Detlev, „aber wat nich iS, kann noch warn." „Lt tu Brüte!" rief Erwin, indem er seine großen Kinder augen erstaunt auf den Freund heftete. „Na, na, Erwin, — Du hast doch nicht etwa selbst Be- kehrungSgefühle." Und da der Riese erröthrte, fuhr er lustig fort: „Stoßt an, gsutlemon — 6erwrnicu8, — der Saulu« ein Paulus will heirathen!" „DaS habe ich nicht gesagt", wehrte sich Erwin. „Doch Deine- Blutes flüchtige Welle Färbte di« Wangen mit Morgenrothhelle" — improvisirte Detlev; „da« ist auch ein« Antwort!" „Ja, ja, Sie sind roth geworden, — aber lasten Sie man, da« schad't ja nicht«", sagte der gutmüthige Rittmeister. O meine Herren", ließ sich jetzt die wrichr Stimme von San Pandez vernehmen, — „e- nützt ihm nicht«, er bekommt sie doch nicht." „Sie wissen also? — Heraus damit! — Sie kennen die Dame?" schwirrte e« durcheinander. San Pandez strich mit dem Handrücken de» Schnurrbart von den brennend rothen Lippen zurück. „Ich kann mich natürlich irren" sagte er lächelnd. (Erwin hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.) „Aber daß Herr Balmrr eine gewisse Dame liebt, da« kann jede« Kind sehen." „Lieben und h«irathen ist zweierlei", sagte der praktische Rittmeister. San Pandez ließ sich in srinen Indi-cretionen nicht stören. „Sie ist klein, etwa« voll, brünett, blühend jung, sehr verwöhnt und — aber ich will nicht invi-cret sein." „Na, da« sind Sie nu eigentlich schon reichlich gewesen", sagte Erwin grob. „Wollen wir nicht von WaS Anderem reden? — Ich brauche Euch wohl nicht erst zu sagen, daß sich Herr San Pandez irrt", fügte er zu Detlev und Schmock gewandt hinzu. „Ich habe übrigens nickt mehr viel Zeit", sagte San Pandez, indem er eine winzig kleine Taschenuhr hervorzog. „Um sieben Uhr habe ich eine Verabredung — gestatten die Herren, daß ich mich empfehle!" Die Herren hatten nichts dagegen, — die Herren fühlten sich sogar sichtlich erleichtert, als der Portugiese aufbrach, Detlev stand höflich auf, da er sich quasi als Wirth des kleinen Stammtisches betrachtete, und der Rittmeister gab ihm mit einem verständnißvollen ,.donu« kortuno" die Hand. Erwin blieb sitzen, — „wie ein Klotz,' dachte San Panvez, als er hinauSging. Erwanderte langsam die Linden herauf, ging dann durch daS Brandenburger Thor und verfolgte die Thiergartenstcaße bi« zur Hobenzollernstraße; dort bog er ein und ging mit demselben, zögernden Schritt, den er bisher eingebalten batte, bi« zu einem Hause, dessen sehr schmale Front in« ersten Stock hell erleuchtet war. An der Thür jedoch drehte er wieder um und wandelte unentschlossen die Straße auf und ab. Er wußte, dort oben wurde er ungeduldig erwartet; aber mit einer stillen Grausamkeit, die tief in seiner Natur lag, fand er ein Vergnügen daran, auf sich warten zu lassen. Schließ lich mußte er auch Schischi nicht zu sehr verwöhnrn! „Llle «st trop« «Ligeavt«", sagte er sich leise. Er sprach stet französisch, wenn ihm einmal ein Satz im Selbstgespräch ent schlüpfte. Und diese Schauspielerinnen sind so sehr gewöhnt, daß man ihnen huldigt, daß sie selbst in der Liebe anspruchs voll werden. Ja, Schischi liebte ihn, daS wußte er ganz sicher. Und dieser dumme deutsche Bär, der Balmer, wagte e«, sie anzubeten! — klebrigen«, taut pis pour lai, — ich für meinen Tbeil sehe e« mir ruhig mit an. Länger al« riuen Winter lodern meine Flammen ja doch nicbt. ,,^b quell« macliiuo qu« l'komnisl" Und mit einem resignirten Kopfschütteln zog er endlich die Glock«. Oben sprang die braunlockige Schischi vom Schreibtische ans, wo sie rin soeben «»gekommene« herrliche« Lirbe-gedicht gelesen batte. ES war von Erwin Balmer und sprach in feurigen Tönen von der „heiligen Gluth «»betender Liebe", di« er ihr darbot. Schischi la« mit hochgrrölbeten Wangen zum dritten Male die Dithyrambe durch, welche ihr leicht bewegliche« Herz tief rührt«. San Pandez' Eitelkeit hatte sich verrechne», wenn er meint«, ungeduldig erwartet zu werden. Als jetzt Schischi, die einen spielfreien Tag hatte, seinen Schritt hörte, schob sie schnell daS Blatt mit dem Gedicht in ihre Mappe und begann im Zimmer auf und abzuschreiten, nicht um etwa Ungeduld zu markiren, sondern weil dies eine Gewohnheit von ihr war. Als San Pandez hereintrat, fand er seine Freundin weniger herzlich in der Begrüßung als sonst. Sie rückte jedocb mit freundlicher Geschäftigkeit einen Sessel für ihn zurecbt und schellte nach dem Thee, der gleich darauf von einem nied liehen Zöschen hereingebracht wurde. Diese Theeabende, welche Pandez mit Schischi in irgend einem Circus oder dergleichen zu beschließen pflegte, fanden zwei oder dreimal wöchentlich statt. Pandez liebte e«, mit dem Gefühle deS (freilich nur äugen blicklichcn) Alleinherrscher« in Schischi'S kleinem gelben Salon zu sitzen und den Duft von exquisiten Cigaretten gemiscbk mit Chypre-Parfüm «inzuathmen. Wenn dann die reizende Frau ihm gegenüber daS seine Prosilchen gegen den dunklen Sammet ihre« Lehnstuhles legte und ihn mit schimmernden Augen anschmachtete, bi« er aufsprang und tolle«, verliebtes Zeug in ihr kleines Ohr flüsterte, oder wenn sie in mull williger Laune ein Lied nach dem andern am Clavier schmetterte — sie hatte eine winzige, sonderbar schrille Stimme (eine „auftreibrnde" Stimme nannte sie Erwin heimlich) — und schließlich in ein Sprühfeuer von Spott und launiger Fanfaronade au-brach — immer, immer war sie berückent. Und da Schischi klug, sehr klug war, wußte sie, daß Pandez trotz seiner fixen Idee, daß die Frauen nach ihm angelten, so verliebt in sie war, al« r« die Grenzen seiner kleinen Natur erlaubten. Uebrizen« war sie ihm ebenfalls recht gut. Pandez betrachtete verwundert Schischi, welche heute ganz gegen ihre Gewohnheit zerstreut und einsilbig erschien. Sie batte die Ampel, welche über dem Theetisck hing, tief herabgezogen und starrte träumerisch in die bläuliche Opal glocke hinein. „Eine neue Bekanntschaft habe ich heute gemacht", sagte er schließlich, da ihm rin intime« Geplauder nicht gelingen wollt-. „So?" — Pause. „Wer ist« denn?" „Der Tölpel, der Balmer, machte un« miteinander bekannt, ein getvisser Geyern, — von Geyern glaube ich." Schifchi wurde plötzlich aufmerksam. „Vielleicht Detlev von Geyern?" fragte sie. „Ja, ich glaube. Kennst Du den auch? Du kennst wohl alle Cavaliere Berlin«, nm Mit«?" „Beinahe", sagte sie trocken. „Herrn von Geyern hasse ich!" „Ah!" — (Fortsetzung folgt.)
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