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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961211020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-11
- Monat1896-12
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Die Konservativen sind es gewesen, die die negirende Mehr heit mit dem größeren Tbeil ihrer Fraktion verstärkt haben. Sie haben damit die erste Gelegenheit, die sich ihnen bot, den auf ihrem letzten Delegirteutage proclamirten Grund satz der sachlichen Politik inS Leben zu übersetzen, un genützt verstreichen lassen. Auch der nationalliberale Redner batte Bedenken im Einzelnen vorzubringen; was aber Herr v. Leipzige rNamens der Mehrheit seiner Parteigenossen gegen die Subvention anführte, waren Vorwände; ihm war es offenbar um die Verkündigung eine« Standpunkt« zu thun, mit dem man vor den verhetzten Landwirtben „Staat machen kann. In ihrem Grundto» weicht seine Rede nicht von der jenigen ab, in der Herr v. Ploetz hier in Leipzig der In dustrie mit der Revanche für die Zustimmung zu den Handels verträgen gedroht hat. Den Beweis dafür, daß die Land- wirthschaft durch die Fahrten deutscher Postdampfer nach Ostasien geschädigt werde, ist Herr von Leipziger schuldig geblieben. Daß der Norddeutsche Lloyd einmal indisches Getreide frachtfrei als Ballast nack Deutschland ge führt habe, erwies sich als eine der falschen Behauptungen, von denen hochconservative Parlamentarier neuerdings häufig heimgesucht werden. Daß die subventionirten Postdampfer gelegentlich auch australische Wolle bringen, spricht natürlich nicht gegen die Subventionirung der ostasiatischen Linie; ob die Waaren durch jene Schiffe deshalb billiger nach Deutschland befördert werden, al« auf anderen Fahrzeugen, steht dahin. Sicher ist hingegen, daß an dem Export deutscher Erzeugnisse, dessen Hebung die Subventionirung dient, die Landwirtbschast in hohem Maße interessirt ist. Oder sollte bei den Conservativen die Meinung vorherrschen, daß z. B. dir große deutsche Ausfuhr von Leder und Lederwaaren ohne Einfluß auf den Preis der beimischen Thierhäute sei? Den Gegengrund, daß die subventionirten Dampfer auch auslän dische Waaren befördern, hätten die Eonservativen doch Herrn Richter überlassen sollen. Diese Thätigkeit beruht einmal auf Gegenseitigkeit, sodann kommen die fremden Waaren doch erst an die Reibe, wenn die heimischen eingeladen sind und Raum verfügbar geblieben ist. Bleiben unsere Schiffe in Folge Ablehnung der SubventionSerhöhung nach wie vor in Bezug auf Häufigkeit der Fahrten und auf Fahr geschwindigkeit hinter denen der concurrirenden Staaten zurück, so gewinnt der ausländische Export weiteren Vor sprung, ohne daß ersichtlich wäre, wie dadurch der inländischen Getreides gesteigert würde. Umgekehrt besteht kein Zweifel, daß von den 59 Millionen Mark, die in neun Jahren in Folge der Subventionirung dem deutschen Handel und der deutschen Industrie zuflossen, große Summen für die Erwerbung inländischer landwirthschaftlicher Produkte verausgabt worden sind. Schiffe von der Größe der Postdampfer wurden vor der Subventionirung in Deutschland nicht gebaut, erst die dem Norddeutschen Lloyd auferlegte Verpflichtung, Dampfer für die subventionirten Linien auf deutschen Werften entstehen zu lassen, hat unserem Schiffsbau seit 1885 28 Millionen Mark zugeführt, die sonst nach England geflossen wären. Das Aufblühen dieser In dustrie Hal nicht zum geringen Tbeil zur Verringerung der Auswanderung und somit zur Mehrung der Abnehmer der deutschen Landwirthschaft beigetragen. Von der Ersparnis an deutschem Nationalvermögen gar nicht zu reden. Daß die Gleichwerthigkeit der deutschen Postdampfer mit den französischen und englischen Schiffen dein wirtbschastlichen Ansehen und somit den wirthschastliche» Interessen Deutsch lands zum Vortheil gereicht, und daß mit der Subventionirung ein gewisser militcnrischer Zweck erreicht wird, ist früher auch von den Conservativen nicht geleugnet worden. Darin liegt eben das Bedauerliche, weil daS Charakteristische der Stellungnahme der conservativen Partei zu der Frage, daß sie jetzt, wodieaünstigenWirkungen derSubventionirungzuTage liegen, der Verneinung zuneigt, während sie zu einer Zeit, wo der Erfolg zum Mindesten noch nicht sicher war, ihre Hand zur Mitwirkung geboten hat. Sie hat 1885 und 1890 geschlossen für die Bewilligung von Dampfersubventionen gestimmt, während das Centrum in dieser Frage immer getheilt gewesen ist. Da seitdem das nationale Interesse an dem Gedeihen der deutschen Schifffahrt fick nicht gemindert, sondern gesteigert hat, so stehen die Conservativen vor der Frage, ob sie durch Ablebnung die Abschwächung des natio nalen Charakters ihrer Partei «inräumen wollen. In einem Artikel über den Proeetz Leckert-Liitzotv traten gestern die „Hamb. Nachr." der „Kreuzztg." entgegen, die von der Suche nach „Hintermännern" des Herrn ».Tausch neue Beunruhigung befürchtet hatte. Diese Ansicht des kon servativen Blattes bekämpfte das Organ des Fürsten Bismarck folgendermaßen: „Das thun wir auch, glauben aber, dgß das beste Gegen mittel darin besteht, daß von keiner Serie versucht wird, dem Forschertrtebe, der sich der öffentlichen Meinung hinsichtlich der eigentlichen Urheber der ermittelten Jntriguen bemächtigt bat, Gewalt anzuthun. Es besteht nun einmal, gleichviel mit welchem Rechte, in weiteren Kreisen der Eindruck, daß der Proceß namentlich in seinem letzten Stadium nicht auf alle Fragen, die auf- worsen waren, genügende Antwort gegeben habe, und man fragt sich, wie dies gekommen sei. Es ist jo möglich, daß man dabei von falschen Annahmen und Voraussetzungen ousgeht, aber dann besteht um so weniger Grund, von einer weiteren Be fassung mit der Frage der Hintermänner Nachtheil zu erwarten. Auch wird es sich ja in dem bevorstehenden Proceß Tausch zeigen, ob der Berliner Polizeicommissarius bei Anstiftung der Preßintriguen lediglich seinem eigenen Antriebe gesolgt ist, oder ob er irgend welche Hintermänner gehabt hat. Es ist nicht anzunchmen, daß Herr von Tausch, wenn ihm Ver- urtheilung zu Zuchthaus wegen eines Meineids droht, den er im Zusammenhang mit den Recherchen über die fraglichen Jntriguen geschworen hat, zögern wird, die eigentlichen Anstifter derselben zu nennen. Es hat also keinen Zweck, die Erörterung der Hintermänner-Frage in der Presse abzuschneiden. Man erweckt damit nur den Anschein, daß wirklich irgend etwas vorliege, was nicht in die Oeffentlichkeit kommen dürfe, und schadet dadurch der Sache, der man nützen möchte. Außerdem aber halten wir e« für ein Gebot der Gerechtigkeit, daß kein Mittel, auch kein außergerichtliches, unangrwendet bleibt, um festzustellen, ob Herr v. Tausch Hintermänner gehabt hat, oder nicht, und wenn ja, wer dieselben gewesen sind. Denn in einem Lheil der Presse ist bereits ganz bestimmt Verdacht nach verschiedenen Seiten hin geäußert worden. So schreibt die „Kölnische Zeitung" unter der Ueberschrist: „Gemeingefährliche Jntriguanten , „Herr v. Tausch stehe unter dem Verdacht, seit dem Amtsantritt Eoprivt'S die Jntriguen gegen den Kaiser, Laprivi, Marschall, Bötticher geleitet zu haben; er dürfte dabei ein Werkzeug in der Hand eines gewichtigen Hintermannes sein; die Bermuthung läge nahe, daß derselbe in einer der frondireuden Gruppen zu suchen sei; es würde zur Aufdeckung des gemeingefährlichen Jntriguen- Netzes beitragen, wenn man öffentlich feststellen könnte, zu welcher der frondireuden Gruppen dieser Herr gehöre". Wir theilen letztere Auffassung des kölnischen Blattes vollkommen und haben den dringenden Wunsch, daß nichts verabsäumt wird, um den Schuldigen, wenn ein solcher wirklich vorhanden ist. zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen, grundlos oder böswillig Verdächtigte aber zu entlasten. Heute spricht das Hamburger Blatt die Ansicht auS, daß der Staatchecretair v. Marschall durch sein gerichtliches Bor geben sich zwar bei der „Frkf. Ztg." und anderen Blättern ähnlicher Richtung beliebt gemacht habe, von anderer Seite aber den Vorwurf erfahren werbe, „daß er doch etwas mehr, als absolut nothwendig und nützlich war, in die Anschauungen des früheren StaatsanwalreS zurückgefallen ist und den Diplomaten zu sehr abgestreift Hal". Durch diese seine heutige Auslassung scheint da« Hamburger Blatt sich in Gegensatz zu seiner gestrigen zu stellen, aber dieser Gegensatz ist eben nur ein scheinbarer. Thatsächlich wird jener Vor wurf da und dort gegen Herrn v. Marschall erhoben, und er wäre begründet, wenn der Herr Slaatssecretair vor seinem gerichtlichen Vorgeben nicht den Versuch gemacht hätte, auf andere Weise hinter das Treiben des mit Herrn v. Tausch in Verbindung stehenden Gesindels ru kommen. Das ist aber geschehen, leider freilich vergebens. Und warum der Versuch mißglücken mußte, das erklären die „Hamb. Nachr." heule folgendermaßen: „Wir sind der Ansicht, daß eine Gerichtsverhandlung kaum als der geeignete Ort für die Behandlung von Controversen zwischen Ministern zu betrachten, sondern daß das Staats ministerium eher als das zuständige Forum anzusehen sein wird. Der feste Zusammenschluß im letzteren ist allerdings durch die 1890 erfolgte Aufhebung der Cabinetsordre von 1852 gelockert worden, und cs wird erinnerlich sein, daß die Weigerung des Fürsten Bis- marck, ihrer Beseitigung zuzustimmen, einen der letzten Gründe seines Rücktritts gebildet hat. Wir halten es für eine Malice des Schicksals, wenn heute ein Blatt wie die „Frank furter Zeitung" der Hoffnung Ausdruck geben kann, „der Proceß Leckert möge dazu beitragen, den Mitgliedern der Regierung etwas mehr Zusammenhang und Rückgrat zu geben". Der heutige Artikel der „Hamburger Nachrichten" ist also lediglich ein. Ergänzung des gestrigen. Im Zusammenhang betrachtet, legen beide Artikel dar, wodurch Staatssecretair von Marschall zu seinem Vorgehen gezwungen wurde, be zeichnen einen festeren Zusammenschluß deö preußischen Ministeriums als daS einzige Mittel, das in Zukunft einzelne Minister vor der Zwangslage, ähnliche Wege beschreiten zu müssen, bewahren kann, und geben endlich der Ueberzeugung Ausdruck, daß dieser Weg, nachdem er einmal beschritten worden ist undnachLage derDinge hat beschritten werden müssen, bis anS Ende, d. h. bis zur völligen Lösung aller noch sich auf werfenden Fragen verfolgt werden müsse. Daß aus dem be schrittenen Wege konsequent vorgegangen werden wird, unterliegt keinem Zweifel; es bleibt also nur der Wunsch übrig, daß durch das Mittel, welches die „Hamb. Nachr." andeutcn, das preußische Staatsministerium wieder in eine Verfassung ge langt, die keinen einzelnen Minister nötbigt, vor Jntriguen und Verleumdungen, die von Untergebenen anderer Minister gesponnen werden, an die Oeffentlichkeit sich zu flüchten. Die Besitznahme Egypten« durch England bedeutet, so heißt es zutreffend in einem Artikel der „Hamb. Nachr", für die Weltpolitik unendlich viel mehr, als die Frage, wem Elsaß-Lothringen gehören soll, und rückt den Schwerpunkt der orientalischen Frage voni Bosporus an den Suezcanal. Auch verleiht sie England in Afrika ein riesiges Uebergcwicbk, wie schon aus folgenden Zahlen erhellt: der Handel Afrikas (Ausfuhr und Einfuhr) ist von 1871—1891 von 530 Millionen Franken auf 2151 Millionen, also innerhalb 20 Jahren auf daS Vierfache gestiegen —Ziffern,die daSAfrikafieber der europäischen Mächte begreiflich machen —, und von diesem Handel kommen 847 Millionen auf Englisch-Afrika, 714 Millionen auf Egypten. Es bandelt sich also für England darum, ob iS an dem handel Afrikas mit nur 847 oder mit 1561 Millionen, also mit '/i betheiligt sein soll. Begreiflich, daß Frank reich, daS mit 648 Millionen betbeiligt ist, mit dem größten Mißvergnügen wahrnimmt, wie die englische Herr schaft sich in Egypten mit der längeren Dauer der Besetzung immer mehr befestigt. Die Engländer ver stehen recht gut, südliche Mischvölker zu ergebenen Unter- lhanen zu erziehen. Dabei ist die Sprache dort wie ander wärts der Bahnbrecher für die Macht und die Franzosen klagen schon lange darüber, daß ihre Sprache, die früher dort die herrschende war, au« den Schulen vertrieben und durch die englische ersetzt wird. Daß England soviel erreicht hat und vielleicht noch mehr erreichen wird, ist die Folge de« Angriffes der Franzosen im Jahre 1870 auf Deutschland. Dieser Krieg mit seinen Folgen, namentlich aber die einseitige Richtung der französischen Politik auf Revanche, hat Eng land unermeßliche» Vortheil, Frankreich aber nichts weniger als Dank von England eingebracht. Frankreich hätte alle Ursache, sich zu erinnern, das seine Kriege wider uns im vorigen Jahrhundert ihm Amerika und Indien gekostet haben, wo e« vor England einen großen Vorsprung hatte. Heute stehen für Frankreich nicht minder große Interessen in Afrika und im Orient auf dem Spiel. Die englische Politik will Deutschland durch Frankreich und Frank reich durch Deutschland im Schach halten und ähnlich die anderen Großmächte gegen einander ausspirlen, uni inzwischen die von Dilke in seinem „Oreater Lritaiu" ange kündigte Weltherrschaft Englands vorzubereiten. Diese Politik der Ränke soll daS außerordentliche Mißverhältniß zwischen den Ansprüchen und den realen Machtmitteln ausgleichen. Die Herausforderung, welche sich in dem neueste», die Räumung Egypten« all Oraec»« calovcka« verschiebenden Schachzug der englischen Regierung ausspricht, wiegt um so schwerer, al- sie wie eine Antwort aussteht auf die Er klärung des französischen Minister- deS Auswärtigen in der Kammer, daß Frankreich und Rußland demnächst energisch die Räumung Egypten« verlangen würden, eine Erklärung, die zu ausfällig mit der gleichzeitigen (und nicht demcn- tirten) Ankündigung einer russisch-französischen Action in officiösen russischen Blättern („Nord" u. a) Übereinstimmt, als daß sie durch ihre nachträglich beliebte Verwässerung wieder ausgelöscht werden könnte. Der Eindruck, daß sich ernste Dinge hinter den Coulissen vorbereiten, bleibt bestehen, und wie ein Echo klang eS, als russische Blätter für Rußland die Durchfahrt durch die Meerengen forderten. Mußten diese Stimmen auch wieder verstummen, so bleiben sie für die Lage doch ebenso charakteristisch, wie die Aeußerung der französischen Presse, daß in dem neuen Kriegsbafen Biserta bald eine russische Flotte neben der französischen über wintern werde. Feirrlleton Das goldene Herz. 8j Novell» von E. Fahrow. Nachdruck vkrtotm. Nach einigen Stunden der Ruhe indessen betrachtete sie den Ausbruch San Pandez' als daS, was er war: eine romantisch hochgeschraubte Laune, der sie nicht zu viel Werth beimeffen durfte. Wenn nur erst Detlev käme, daß sie ihr Glück fassen und halten könne. Und er kam. Zn dem schon dämmernden Walde hörte sie lebhaftes Schellengeläut, sah sie die wohlbekannten weißcn Kopffedern der Füchse aufleuchten. Nach einer Minute, und er stand vor ihr, mit fragenden Augen, doch stumin. Sie wollte sprechen, doch brachte sie keinen Laut hervor. Ihr ganzes Sein drängte dem Manne vor ihr entgegen, und doch stand sie blaß und regung-lo« vor ihm. Endlich trat Detlev eine» Schritt vor. „Sie bieten mir nicht die Hand?" sagte er. „Ist da« ein böse« Zeichen für mich?" Da lächelte sie; ein himmlisches, gnadenvolles Lächeln breitete sich über ihr süßes Gesicht, und sprachlos erhob sie die beiden Arme und streckte sie ihm verlangend entgegen. Mit einem Iubelschrei stürzte er auf sie zu und riß sie an seine Brust. „Mein! mein! mein!" stammelte er unter Küssen. „Ist cs wahr, Mira, ist es wahr? Du willst meine kleine, ge liebte, eigene Frau werden?" Sie nickte mit nassen Augen zu ihm auf und schmiegte sich an ihn wie rin Vögelchen. „Und Kalo?" fragte er, „bald, mein Lieb?" „So bald Du willst", flüsterte sie. „Dann morgen I" ries er, indem er sie hoch in di« Luft hob. „Um Gottes willen!" lachte Mira. „Laß mich herunter, Du Wilder! Neiu, — morgen, da« wäre nicht schicklich. Aber im Februar schon, wenn Du willst." „Noch über vier Wochen soll ich mich gedulden?" seufzte er. „Aber ja, ja, — Alle«, was Du befiehlst. O Du meine Göttin, wenn Du mir befehlen würdest, sieben Iabr« um Dich zu dienen, ich thät' eS ja auch! Was für eine Angst bade ich um Dich auSgebalten, — dachte ich doch, Du neigtest Dich dem Portugiesen zu. Aber nun Du mein bist, bin ich ja ein seliger Mann." Als nach kurzer Zeit Senhora Oliveira in den Salon trat, blieb sie wie angewurzelt stehen. Wirklich und wahr haftig stand Mira vor Herrn von Geyern, batte beide Hände auf seine Schultern gelegt und ließ sich von ihm küssen. „Mira!" Mira drehte das Köpfchen und nickte der Tante freund lich zu. Gelassen stellte sie dann Detlev vor: „Mein künftiger Gemahl, liebe Tante." „Santa Emilia!" hauchte die Tante und hielt sich am Thürrahmen fest. „Aber Tantchen, gratulirst Du un« nicht?" Die würdige Dame ermannt« fick, und indem sie Jedem die Hand hinrrichte, sagte sie einen feierlichen Glückwunsch brr. Dann, mit ihrem unbezwinglichen Talent, an der un passenden Stelle etwas zu sagen, bemerkte sie: „WaS wird San Pandez sagen ?" Detlev'« Stirn umwölkte sich; WaS ging den Herrn ihre Verlobung an? Doch Mira beruhigte ihn schnell. „Ich begreife Dich nicht, Tante", sagte sie geniessen. „San Pandez wird zunächst nicht« erfahren, da er nur heute früh mitgethrilt bat, daß er nach Amerika zurückgebt; und im Uebrigen — WaS für ein Interesse sollte er für dergleichen Neuigkeiten haben?" Die Tante sagte nichts mehr, pflanzte sich aber mit so ostentativer Duennamiene in die Sopbaecke, daß die Liebenden sich verzweifelte Blicke zuwarfen. — Endlich kam Detlev ein rettender Gedanke. „Fella läßt Dir sagen, daß sie Dich beute Nachmittag um sechs Ubr bestimmt erwartet; du hättest ihr schon zugejagt, zum Abend zu bleiben." „Kein Wort" begann die ehrliche Mira, unterbrach sich aber und fügte lächelnd hinru — „natürlich, ja, ich werde kommen. — Wollen wir Verlobung«anzeigen versenden?" „Nein, mein Lieb, nicht im Allgemeinen, wenn e» Dir recht ist. Ich werde meine nächsten Verwandten und Freunde beaachrichtigeu, und da« sind nicht viele. Die BermäblnngS- anzeige können wir ja dann iu die Zeitung setzen lassen." „Gut, — so werde ich'« auch machen. Auf Wiedersehen denn deute Abend, Lieber." Mira begleitete Detlev in den Borsaal, wo wieder Iambo saß, dessen schwarze Hautfarbe von fahlem Grau erschien. Detlev nickte ihm in seiner glückseligen Stimmung ver söhnlich zu, aber Iambo stand nur soldatisch stramm und ließ sich nicht zu dem kleinsten Grinsen herbei. Wenige Stunden später finden wir Iambo bei Herrn San Pandez, wo er alsbald von der stattgehabten Verlobung Bericht erstattete. Der Portugiese biß sich auf die Lippen und fluchte dann gotteslästerlich. Plötzlich hielt er inne, der Zweck fiel ihm ein, um dessentwillen er Iambo zu sich bestellt bat. Im Augenblick, wo wieder ein Plan für ihn auftauchte, wurde er eiskalt in seinen Berechnungen. So wie er sich am Tage vorher in seine wieder erwachte Leidenschaft für Mira hinein- phantasirt hatte, so beschloß er jetzt, ihr zu schaden, wo und wie er konnte. „Iambo", begann er, „wo hast Du dieses kleine Herz her?" Und er streifte die Manschette zurück und zeigte daS Kleinod. Iambo erblaßte, doch antwortete er, ohne eine Sekunde zu zögern. „Von meinem todten Herrn, der jetzt bei den Seligen ist." „Lüge nicht!" donnerte San Pandez. „Wahrscheinlich hat Dir Madame — Madame Schischi gesagt, daß Du diesen Blödsinn mir und aller Welt anftische» sollst! Aber nimm Dich in Acht, Kerl — wenn Du mir nickt jetzt und jederzeit die Wahrheit sagst, so werde ick Dir Deine Schurkenstreiche versalzen, daß Du genug bast. — Sprich die Wahrheit, — dann " San Pandez schlug mit der Faust auf den Tisch und hätte beinahe gesagt: „dann werde ich Dir bei denselben Helsen." Aber er besann sich zur rechten Zeit. „Sprich also", fubr er nach einer kurzen Pause fort; „wo hast Du da« Herz her?" „Ich — ich haben e« lassen machen", stotterte Iambo. „Wozu?" „Wollte Herzchen Lord Geyern einstecken. Herrin sollten glauben, Lord bat Herzchen gestohlen." San Pandez lackte spöttisch auf. „Du Rindvieh!" rief er erbost. „Und wo sollte da« wirk liche, eckte Her, bleiben?" „Iambo lassen verschwinden andere Herz", erklärte der Schwarze mit Seelenruhe. San Pandez starrte ihn verständnißloS an, er begriff da« durchs»« nickt. „WaS beißt da«? Wenn Dn schon einen so furchtbar dummen Plan hattest, warum nahmst Du dann nicht das Herz von der gnädigen Krau dazu?" „Iambo stehlen nicht!" erklärte stolz der Neger. „So so! Also Iambo stehlen nicht. Und wa« wolltest Du denn sonst tbun als stehlen, wen» Du nachher das richtige Herz nahmst?" „Iambo werfen richtiges Herz ins Wasser." „Welche Philosophie!" dachte San Pandez. „Stehlen nennt der Kerl also nur ein Nehmen aus Geldgier!" „Nun höre mir gut zu", sprach er laut. „Du kannst den Lord Geyern nicht leiden, und ich auch nicht; daß ihn Madame Schiscki nicht leiden kann, scheint mir auch klar zu sein. Tu nickst? Schön also. Wir werden den guten Lord kränken. DaS Wie überläßt Du aber mir, ver standen? Du rückst und rührst Dich nicht ander-, als ick eS Dir befehlt. Unterstehst Du Dick, mir auch nur im Geringsten unfolgsam zu sein, so sage ich Deine ganze Teufelei Deiner Herrin. Hast Du begriffen?" „Ja, Herr." „Nun also: Du suchst auf irgend eine Weise noch beute das goldene Herz Deiner Herrin in Deine Hände zu be kommen. — WaS Du damit machst, ist mir gleichgiltig, nur verschwinden muß eS. — Gelingt e« Dir nicht beute, so muß eS morgen oder in den nächsten Tagen sein. Ver standen ?" „Ja, Herr." „Sobald daS Herz weg ist, meldest Du eS mir." „Ja, Herr." „Wenn Du Deine Sacke gut machst, erhältst Du hundert Mark von mir. Erwähnst Du irgend einem Mensche» gegen über auch nur eine Silbe davon, daß ick bei der Sache bc theiligt bin, so erbälst Du hundert Peitschenhiebe." Iambo richtete fick straff ans. Er sagte nicht«, aber der Blick, den er San Pandez zu- warft besagte nicht« Gute«. Dieser aber hatte kein Verfländniß für „Sclavenblicke". „Gehe jetzt", sagte er. „Ich erwarte Deinen Bericht." * * * Der Schwarze sollte Glück haben. Bisher ohne die geringste Idee, auf welche Weise er fick in den Besitz de« goldenen Herzen« setzen sollte, da« Mira um den Hal« trug, sah er zu feiner größten Ueberraschung noch an demselben Abend da« Schmuckstück in der Hand seiner Herrin. Sie betrachtete eS zärtlich, nnd ibre Lippen murmelten liebkosende Worte, die ihrem todten kleinen Mädchen galten. „Es ist das Kostbarste, was ich bade", flüsterte sie, indem sie das Herzchen küßte. „Deshalb will >ck es ibm geben, dem lieben, einzig Geliebten."
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