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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961212021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
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Mts. ab eine zweite halbjährliche Abschlagszahlung von ein und dreiviertel Procent oder bS Mort SS Pfennig für den Dividendenschein Nr. 2 bei der ReichSbanlbauptcasse in Berlin, bei den Reichsbankhauptstellen, Reichsbankstellen, der Reichs« bankcommandite in Insterburg, sowie bei sämmtlichen Reichsbank« Nebenstellen mit Casseneinrichtung erfolgen. Berlin, den 9. December 1896. Der Reichskanzler. In Vertretung: von Boetticher. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. Decunber. Man kann aus dem Beginne einer Sitzung des Reichs tags niemals Schlüsse ziehen, wie ihr Verlaus sich gestalten wird. Die gestrige Sitzung begann mit einer recht schläfrigen DiScnssion, die sich vor einem kleinen Häuflein von Ab geordneten abspielte, aber gegen den Schluß der Debatte hin wurden die Erörterungen immer lebhafter und der Saal immer gefüllter. Es bandelte sich um eine Anzahl von Resulutionen zum Bürgerlichen Gesetzbuch«, die der Regierung eine baldige weitere Ausgestaltung des ein heitlichen Rechtes in Bezug auf eine Reihe von Materien nahelegten, die, wie die Regelung der Berufsvereine, das Bergrecht, Jagdrecht, Versicherungsrecht, Verlagsrecht, Wasserrecht, im bürgerlichen Gesetzbuchs nicht behandelt worden sind. . Die Regierung fügte hier ihren vielen Niederlagen in dieser Session eine neue hinzu. Der Staatsserretair Nieberding trat für die Ablehnung der Resolution ein, weil die Regierung in einer absehbaren Zeit wegen der Ueberbäufung mit juristischen Arbeiten nicht dazu kommen werde, sich mit diesen Materien zu befassen, und weil außerdem einige dieser Materien sich zu reichsgesetzlicher Regelung nicht eigneten. Dieser stritt ablehnende Standpunct wurde eigentlich nur von dem Abgeordneten v. Kardorff getheilt, während die Abgeordneten von Bennigsen und Spahn mit aller Entschiedenheit hervorboben, daß der Reichstag bei der Berathnng des Bürgerlichen Ge setzbuches nur darum von einer Einfügung dieser Materien abgesehen habe, weil man das Zustande kommen dieses nationalen Gesetzes nicht habe verzögern und gefährden wollen. Damals aber habe die Regierung sich freundlicher zu den von der Commission beschlossenen Resolutionen gestellt. Da nach den Reden der beiden letzt genannten Abgeordneten die Annahme der Resolution mit großer Mehrheit gesichert war, so würde die weitere Debatte ein lebhafteres Interesse kaum erregt haben, wenn sich nicht zwischen Conservativen und Christlich-Socialen über den Begriff der Arbeiterfreundlichkeit ein hitziger Kampf entsvonnen hätte, bei dem die Socialdemokraten die toNii 8kuaente8 spielten. Hatten aber die Socialdemokraten An laß, Über diese Kämpfe und die mit großer Mehrheit erfolgte Annahme brr Resolution über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufsvereine zu triumphiren, so ver wandelte sich ihre Freude in Wehmuth, als eine von ihnen eingebrachte Resolution, die Gewerbegerichte auch auf die Streitigkeiten zwischen Dienstboten und ländlichen Arbeitern mit ihrer Herrschaft auSzudehnen, nach kurzer DiScussion ab gelehnt wurde. ES war kein Wunder, daß der Abg. Singer des Lobes über die Leistungen der Gewerbegerichte voll war; sind diese doch z. B. in Berlin so zusammengesetzt, daß die Socialdemokrateu in vielen Eollegien das Uebcrgcwicht haben. Abgesehen aber von dem Bedenken einer weiteren Stärkung der Socialdemokratie durch Erweiterung der Eompetenz der Gewerbegerickte, muß man dem RcgierungSvertreter Recht geben, wenn er darauf hinwieS, daß das Gewerbegerichts gesetz nur auf gewerbliche Streitfälle zugeschnitten sei. Schließlich nahm das Haus mit großer Mehrheit eine Resolution an, die sich dahin aussprach, daß bei dem Rechts studium das Bürgerliche Gesetzbuch den Mittelpunct der privatrcchtlichen Studien bilden soll. Der Proretz Leckert-Lützoto wird voraussichtlich im Reichstage bereits am Montag bei der dritten Lesung der Justiznovelle zur Sprache kommen. Tie Social- demokralen werden in der angenehmen Lage sein, nicht nur in der GeneraldiScussion, sondern auch in der Special debatte ihre Glossen zu dem Processe zu machen, da sie zweifellos den schon in der zweiten Lesung von ihnen gestellten Antrag zu tz 53 der Sirafproceßordnung, nach dem öffentliche Beamte über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsver schwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde vernommen werden dürfen, wenn die Zeuznißverweigerung im Interesse des Staates liegt, wieder ein bringen werden. Nach diesem Anträge sollten im Falle einer solchen Verweigerung deren Gründe dem Gerichte glaubhaft gemacht werden. Die anfängliche Weigerung des Herrn v. Tausch, den Namen des Gewährsmannes zu nennen, der ihm Herrn v. Huhn als Verfasser des Artikels der „Köln. Zig." über „Flügeladjutantenpolitik" bezeichnet hatte, wird nun von den Socialdemokrateu als wirksamer Hebel zur Unterstützung ihres Antrages benutzt werden. Daß es dabei nicht ohne eine scharfe Kritik der Dienstbehörde abzehen wird, die eS im Interesse de« Staates für geboten hielt, Herrn ».Tausch die Nennung seines Gewährsmannes zu ver bieten, liegt aus der Hand. Außerdem wird Herr Bebel mit Stotz darauf Hinweisen, daß er bei Begründung seines Antrags in der zweiten Lesung schon auf den berüchtigten Norman», Schumann hingewiesen hat, der dann tm Lützvw-Proceß wiederholt erwähnt worden ist. Selbstverständlich werden aber die Socialdemokraten den Proceß nicht nur für ihren speciellen Antrag, sondern auch zu scharfen Angriffen auf das gesammte Polizeiwesen und zu einem Ritte in das Gebiet der hohen Politik benutzen. Hoffentlich bemüht man sich weder am Regierungstische, noch auf der rechten Seite des Hauses, Unhaltbares zu halten. Je bereitwilliger man auch auf dieser Seite ist, Schäden als Schäden rinzugestehen und die Hand zu ihrer Beseitigung zu bieten, um so mehr sind die Umstürzler gezwungen, zuzugestehen, daß sie in einem recht achtbaren Rechtsstaat« leben. Im preußischen Abgeordnetenhaus« wird der Proceß, wie es scheint, von ganz anderer Seile zur Sprache gebracht und zu einem Vorstöße gegen den Staatsserretair v. Marschall benutzt werden. Inder „Post" finden wir nämlich heute folgende Auslassung: „Der Proceß Lützow-Leckert ist in der Presse bisher ausschließlich vom politischen Standpunkte aus betrachtet worden. Daneben her sind aber andere Commentare, im Speciellen der Proceßsührnng gelaufen, die, wenn sie auch bisher ihren Weg in die Presse noch nicht gesunden haben, aufmerksameren Beobachtern unseres öffentlichen Lebens schwerlich entgangen sein werben. Gegenwärtig scheint nun der Augenblick gekommen zu sein, wo diese Erörterungen, die bisher auf engere juristische Kreise beschränkt geblieben waren, mehr in den Vordergrund treten. Uebrr den Anlaß dazu wird uns geschrieben: „In juristijchen Kreisen hört man allgemein Er staunen darüber äußern, daß unter stillschweigender Ge nehmigung des Vorsitzenden de» Gerichtshöfe» im Proceß Lützow-Leckert ein Zeuge gewissermaßen als Dirigeut der Ver handlungen und gleichzeitig als Staatsanwalt austreten konnte. Namhafte Juristen haben, wie wir hören, mit Parla mentariern in dieser Angelegenheit Fühlung genommen, und man nimmt in Liesen Kreisen an, daß bei Berathung des Etats im Abgeorbnetenhausc der Justizminister die Frage zu beantworten haben wird, ob er cs für vereinbar mit dem Geiste der Strafprvceßoronung hält, daß, wie ein Jurist sich ausdrnckte, der Vorsitzende Les Gerichtshofes dem Staatssecretair des Auswärtigen Amtes nachgelassen hat, sich in dieser Tri- Plicität vor Gericht zur Geltung zu bringen.'"' Da es die freiconservative „Post" ist, welcher diese Zuschrift zügelst, so ist anzunehmcn, daß der Vorstoß gegen Herrn v. Marschall von der rechten Seite des Hauses auS- geben werde. Die Herren werden dann einfach aus den ihnen anscheinend noch unbekannten stenographischen Bericht ver wiesen werden können, aus dein klar hervorgebt, daß Herr v. Marschall — von einem belanglosen Zwischenrufe ab gesehen — sich streng in den Grenzen eine« Zeugen gehalten hat. Vortheile für Herrn v. Tausch bei seinem bevor stehenden Meineidsproceß werden daher au» diesem Bor stoße gegen Herrn v. Marschall nicht erwachsen. Noch immer ist die Frage: Existirt ein rnsstsch-italicutscher Tonvcrvertragk ohne endgiltige Beantwortung. Wie wir mittheilten, hat Ministerpräsident di Rudini einem Vertreter der „Italic'* gegenüber erklärt, die Meldung aus wärtiger Blätter, daß er, Rudini, im Jabre 1891 einen Vertrag mit Rußland unterzeichnet habe, sei falsch, er sei im October des genannten JabreS mit v. GierS zusammen getroffen, habe diese Gelegenheit aber nur dazu benutzt, diesen über die Erneuerung des Dreibundes zu beruhigen. Hierzu bemerken die „Hamb. Nachr.": Wir finden es brmerkenswcrth, daß der italienische Staatsmann diese Eröffnungen in der unverbindlichen Form eines Zeitungs berichte« und nicht im Parlamente gemacht hat. Was speciell seine Erklärung über die von anderer Seite behaupteten italienisch russischen Abmachungen betrifft, so wird sie kaum genügen, die Annahme zu entkräften, daß eine solche Urbereinkunft bestanden hat oder noch besteht, di Rudini bestreitet da» auch gar nicht, sondern äußert sich nut dahin, daß er, al- er 1891 im Amte war, keinen „Vertrag" mit Rußland unterzeichnet habe. Wir kaffen e- dakingestellt sein, ob dies so ansgelegt werden soll, daß die italienische Verständigung mit Rußland italienischerseils nicht als „Vertrag" angesehen wird, oder daß sie zu einer andern Zeit als 1891 ratificirt, oder daß sie nicht vom Ministerpräsidenten, sondern durch einen andern bevollmächtigten Staatsmann Italiens unter zeichnet worden ist. Jedenfalls sind wir überzeugt, daß eine Urbereinkunft, laut welcher Rußland als Aequivalent für italienische Zugeständnisse in der Orientpolittk die Verpflichtung übernimmt, unter gewissen Voraus setzungen zu Gunsten Italiens in Paris Mediation zu üben, thatsächlich ersolgt ist, und wir sind sehr weit davon entfernt, darin eine Verletzung der Dreibundspflicht Italiens zu er blicken. Es kann den Verbündeten des Königsreiches nur erwünscht sein, wenn es gute Beziehungen zu anderen Großmächten unterhält und sich eine Rückendeckung gesichert hat, die mit seinen Verpflichtungen gegen Deutschland und Oesterreich-Ungarn in keiner Weise rollidirt und erst dann zu realisiren wäre, nachdemItalien seinen AUianzvflichtrn entsprochen hätte. Zu Len weiteren Erklärungen Rudini's — immer vorausgesetzt, daß die Mitthei- lungen der „Italic" correct sind — mochten wir bemerken, daß es doch nicht sowohl die Beunruhigungen über di« Erneuerung des Dreibundes gewesen sind, welche tm Jahre 1891 zu Kronstadt mit der Marseillaise geführt habe», sondern daß diese Kundgebung ein Ergebniß der von Deutschland abgelehnten Erneuerung des deutsch.russischen Neutralitätsvertrage» war. Die Franzosen hatten keinerlei Grund, sich über die Erneuerung des Dreibundes zu beunruhigen; die Beunruhigung konntemitweit größerem Rechte aus der russischen Seite gesucht werden. Auch ist kaum verständlich, weshalb es eine Aufgabe gerade der italienischen Politik gewesen sein sollte, Herrn v. Giers im October 1891 von der Grundlosigkeit der Beunruhigungen zu überzeugen. Wir glauben, daß, wenn di Rudini im Oktober 1891 das Bedürsnih empfunden hat, sich mit Herrn v. Giers in Mailand über die enropäijche Lage zu unter- hatten, ihn dabei ausschließlich italienische Interessen geleitet haben. Die Frage des russisch-itclkienschen Vertrags bleibt also noch ia llubio, und man kann, so lange die positiven Be hauptungen Nudini'S und der in diesem Falle zweifefellos vom Fürsten Bismarck inspirirten „Hamb. Nachr." sich dircct cntgegenstehen, nur als wahrscheinlich annehmen, daß in der von Rudini mit auffälliger Eile herbeigeführten Unterredung mit dem russischen Minister ve- Aus wärtigen e« sich thatsächlich nicht blos um eine Beruhigung wegen der Erneuerung des Dreibundes gehandelt hat — Er klärungen nach dieser Richtung hin batten doch correcter Weise von den Dreibundmächten gemeinsam oder, wenn von einer einzelnen auSgegangen, nicht ohne vorherige Ver ständigung mit den übrigen erfolgen müssen —, son dern, daß am 13. October 1891 in Mailand die russisch - italienischen Beziehungen den Hauptgegenstand der Unterredung gebildet haben, und da, wie gesagt, die Initiative zu der Zusammenkunft von Rudini auSging und die Eile, mit welcher er sie entrirte, die Vermuthung nahe legt, daß sie in der Hauptsache gefährdeten italienischen Interessen galt, so gewinnt «S den Anschein, als habe zu diesem Zeitpunct bereit- eine Vereinbarung zwischen den Cabinetten beiver Staaten bestanden und Rudini sei in der Befürchtung, die Erneuerung des Dreibundes könne die russische Diplomatie mißtrauisch gegen Italien machen, beflissen gewesen, jeden Argwohn nach dieser Richtung so rasch als möglich zu beseitigen, um nicht die Rückgängigmachung der Uebereinkunft durch Rußland riSkire« zu müssen. Daß freilich jemals ein „Vertrag" in aller Form bestanden habe, soll damit keineswegs behauptet werden, und auch die „Hamb. Nachr." haben darüber keine Gewißheit. Gegenwärtig dürfte ein solcher, falls er jemals bestanden hat, schwerlich noch in Kraft sein, sonst würde die ofsiiciöse italienische Presse ibn nicht mit solcher Bestimmtheit, wie es in der „Opinione" und in einem früheren Artikel der „Jtalie" geschieht, in Ab rede stellen. Allein eS ist sehr wohl möglich und sogar wahr scheinlich, daß eS sich um eine Uebereinkunft in andrer Form handelt, und daß eine solche bestanden hat und noch besteht, ist bi» jetzt nicht dementirt. Von den Engländern ist in WitU im Juli v. I». ein bürgerlicher Suaheli Namens Omar Hamadi gegen ein Monatsgehalt von 200 Rupien (ca. 250 »um Sultan von Witu ernannt worden. Dieses Vorgehen Hal im ganzen Sultanat große Erbitterung hervorgerufen, denn ob die Er nennung im Einklang mit dem Berliner Vertrag vom 1. Juli 1890 steht, durch den da» deutsche Reich Witu an England abtrat, und in detn England ausdrücklich Erhaltung und An erkennung der Souveränetät de» Sultan« von Witu aus sprach, erscheint im höchsten Grade zweifelhaft. Jedenfalls halten die Vertreter des rechtmäßigen Sultans, die Gebrüder Denhardt, die dort Vie Interessen der Deutschen allein wahrnebmen, das Vorgehen der Engländer für einen Ver tragsbruch und haben, wie die „Post" mittheilt, Fsnillsts« unseliges das nun mit der Sie mußte ihm nach, und zwar sofort! Sie wollte Fella I abholen und mit ihr zu Detlev fahren, der vielleicht gefähr lich erkrankt war. Heftig klingelte sie und herrschte Jambo, der ihr öffnete, an. „Anspannen. Das Coup«, schnell!" Das goldene Herz. Novelle von E. Fahrow. Nachdruck »rrbotca. 9! Sie starrte ibn entgeistert an. War er plötzlich wahnsinnig geworden? Seine Augen flackerten so seltsam, und diese« unsinnige, dröhnende Lachen Detlev aber wandte sich plötzlich um, und immer noch lachenv, stürzte er zum Hause hinaus und in seinen Wagen hinein, der noch vor der Thür stand. „Fort!" schrie er. „Schnell fort! Nack Haus!" Fort stoben die Füchse. „Detlev!" rief in Todesangst Mira, die ihm nachgeeilt war, „Detlev!" Sie stand in der Haustbür, dir der Wind scharf hinter ihr zuschlug, so daß sie nun draußen war, wo der Schnee ihr wirbelnd ins Gesicht geworfen wurde. Die Laternen seine« Wagen« waren schon weit im Walde, und jetzt verschwanden sie ganz. Mira rang aufschluchzend die Hände. WaS batte denn das Alles zu bedeuten? Welche« un begreifliche Unglück brach über sie herein? Sie erschauerte in dem scharfen Ostwind. Und plötzlich kam eS ihr vor, al« sei st« ausgestoßen für immer au« Wärme und Glück und Helle, und al» irre sie hrimathlo» im Walde umher, verlassen und elend. Verlassen! Sir fühlte, daß, wenn Detlev sie je verlassen würde, ihr Leben zerbrochen sein würde. Wie kam sie denn nur auf so entsetzliche Gedanken? Detlev konnte sie doch nicht verlassen wollen? Weshalb denn? — Ja, weshalb hatte er sich eben so sonderbar be nommen? E» war nicht anders möglich, er mußte krank sein! Sie hatte wohl gefühlt vorhin, wie seine Stirn gebrannt uad wie sein Herz geschlagen hatte. Jambo war gar nicht gut zu Muth. Seinem engen Verstände wollte cs doch nun scheinen, als wenn nicht nur Lord Geyern, sondern in erster Linie seine eigene, vergötterte Herrin leiden würde. Was batte er an gerichtet! Er hatte ja natürlich wieder gehorcht und war aus dem Schluß deS Auftritt- nicht reckt klug geworden. Warum Lord Geyern in rin so gräßliches Lachen ausaebrochen und warum er dann wie ein Verrückter aus dem Hause gestürzt war, das konnte er nicht fassen. Jetzt zog er selber seinen dicken Livereemautel an, da er bei einer abendlichen Fahrt immer mitzufahren pflegte. Aber Santa Maria! wie sah seine Herrin auS, als sie nach einer Weile angekleidet in die Halle trat! Jbre Augen warrn geröthet und von dunklen Schalten umgeben und ihr Gesichtchen ganz entstellt von tiefer Herzensangst. Sie lehnt« sich im Wagen weit in dir Kissen zurück. Wie ihr die Glieder zitterten! Oh, nur ihn nicht verlieren, jetzt, wo sie sich dem Glück der Liebe gebeugt, wo es sie eben leuchtend überschauert und umhüllt hatte, vaß sie nun zum ersten Male wußte, wie süß di« Liebe da» Leden macht! Oh, nur nickt ibn verlieren! Der Wagen rollte lautlos über den Asphalt deS Knr- fürstendamme« und hielt dann endlich vor Fella'S Hau«. Aber neues Mißgeschick. Die gnäcige Frau war nicht zu Hause, war mit dem Herrn Rittmeister zu einem Castnoscst nach Potsdam. Wa» thun? Es dünkte Mira unmöglich, mit ihren wirren Gedanken, mit ihrer tobenden Angst im Herzen rach HauS zu fahren. Sie mußte, ja, sie mußte sich zuvor Gewißheit verschaffen, wir c» Detlev ging. Was er nur mit dem Herzen gewollt batte! Sie hieß den Wagen nach einer bestimmten Ecke fahren und dort auf sie warten. Sie selbst nahm eine Droschke und fuhp zn Detlev's Wohnung. Zaghaft und doch doll stiller Entschlossenheit klingelte sie an seiner Tbür. Der Diener öffnete, aber schon an seinem gleichgiltigen, beiteren Gesichte sah sie, daß Detlev nicht schwerkrank sein konnte. „Melden Sie Herrn von Geyern eine Dame." „Herr von Geyern ist vor zehn Minuten fortgegangen." „Fortgegangen? Ist der Herr denn nicht krank? „Krank? Aber nein!" „War der Herr allein?" Dem Diener erschieß die aufgeregte, fremde Dame merk würdig. „Nein, Herr Balmer hatte hier auf ibn gewartet und noch zwei andere Herren, die ich nicht kenne." „Und wo ist der Herr hingcgangen?" „Ick weiß eS nicht, aber jedenfalls in irgend ein Restau rant. Der Herr sagte, er würde um 10 Ubr zurück fein." „Und war der Herr ganz — ganz wie sonst?" „Jawohl, gewiß. Der Herr wär ganz ruhig und gesund." „Danke." Ohne rin weiteres Wort wandte sie sich und ging die Treppe wieder hinab. Sie verstand nickt» mehr. Mechanisch stieg sie in die Droschke. Der Kutscher kletterte vom Bock und trat an den Schlag. „Wo fahren wir denn hin, Fräulein?" Sie besann sich eine Sekunde. Dann fiel ihr das Herz ein: „Zu Schaper, PotSdainerstraße." Ja, das Herz wollte sie holen, daS einen so unbegreiflichen Aufruhr in Detlev verursacht batte. Dunkel dämmerte in ibr die Erkenntniß, daß »ur irgend ein abscheuliches, unseliges Mißverständnis der Sache zu Grunde liegen könne. Frcilicp, — was e« war, ahnte sic nicht. Bei Schaper übergab man ihr da» fertige Herz, zum Oeffnen eingerichtet war. Sie bezahlte und ging, das goldene Herz fest kleinen Hand umklammernd. Welcher wunderbare Zufall hatte eS gefügt, daß sie beute Nachmittag auf Detlev'- drinaenge Fragen das Schmuckstück nicht vorzeigen konnte. — Gewiß, wenn sie es ihm gezeigt hätte, wäre diese ganze rälhselhaste Scene nicht entstanden. Aber sie schalt sich nun auch im Stillen, daß sie ihm nicht gleich ganz offen gesagt hatte: „eS ist bei Schaper, ich will eS für Tuch ändern lassen." Nun, dann wäre eben ihre Ueberraschung verdorben gewesen! Und wa» sollte sie nun bis rum nächsten Morgen ansangen? Diese ganze, lange, quälende Nacht hindurch? ES war ja gar nicht an- Schlafen zu denken, da- fühlte sie jetzt schon. Sie batte inzwischen wieder die Ecke erreicht, wo ihr Wagen hielt. Jambo stand zitternd vor Frost und vor Gewissensangst neben dem Wagenscklag und warf einen scheuen, forschenden Blick auf seine Herrin. Carrambo! Sie war noch blasser als vorher! — Er schwang sich auf den Bock, und fort ging-, dem Grüne wald wieder zu. Jambo beschloß, am nächsten Morgen Herrn San Pandez zu sagen, daß er nicht- mehr mit der Sach« zu thun haben wolle und seiner Herrin lieber Alle- erzählen wolle. Sie war so gütig, — sie würde ihm seinen Antheil an der Geschichte vergeben. Jambo war sehr unheimlich zu Muthe. * * * Detlev war allerdings, wie r- sein Diener gesagt hatte, mit Balmer und zwei anderen Herren — dem Cartellträger San Pandez und seinem eigenen Sekundanten — fortgegangen, aber nicht um zu soupiren, sondern um fassungslos und todes unglücklich im dunklen Thiergarten umberzurennen. Als er bei seiner Nachhaujekunst Balmer und dir anderen Herren vorgesunden hatte, war seine Macht der Beherrschung groß genug gewesen, um keinem der Anwesenden etwas von seiner zerrissenen Gemüthsstimmung merken zu lassen. „Ich höre eben das erste, daß auch Du diesem Herrn morgen gegenüberstehen wirst", sagte Erwin zu ihm. „Ich
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