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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-18
- Monat1896-12
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Abend-Ausgabe np.Mr Tageblatt Druck und Verlag von ik. Polz in Leipzig. 90. Jahrgang. 043 Freitag den 18. December 1896. s Amtlicher Theil FereiHrtsn 3j sir«) Die Morgen-An-qabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausqabe Wochentags um 5 Uhr. Siir«» derrsolit" dsuvIii-UllUt. vi- srdrlt ctsr OolO krsovd Soutli 157 25 »890 169,25 »16,50 ltt,7O 40.70 168.20 ls»2v 167,60 174.80 6 101.70 ^",60 107'40 107.00 97.80 103,50 88 SO 88.70 SS.10 i.r.Üokd» »oU «U«v»a8 l») U. Ilr 86 30 11 ISO 282,75 18450 171.50 118,- 183,— 122,— 252- 81.25 241.25 82.25 175.- 12S.I0 »II 0,01). V0 20 86.25 81.50 187,25 181.— 88.25 123.80 88.75 86.50 4'. iso,SO 103.75 12S.10 158,30 128.75 12850 Itl- »87,50 157.50 115.50 142.60 > 83.25 260.75 192.40 160.10 118.75 . 47,82 157.75 167.60 168.97 178.50 111.50 134,25 S0,25 S»1,- S8.40 «27, Ännahmeschlu- für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund» früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. »n d. - »r. »r. Redaction und Expedition: Ashannedoafie 8. Die Expedition ist Wochentags «nnnterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche» Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. > rlor. Ulo.^ol. No. clo. rläreol« roosor. °»r. Xnl. Linvd-kr >dl. <7»rt. ?L0iüc ^Id.?rioi. l.Ll>.-kr. e.6m>t.-8 toräoitd. lolood. rt(tioa»ld >esrk»tlv iwploo Iscoot der süd- Leivziger se Straße I»k.8t.-L I,Iv74 i, 8>ordr. Lackere. p<8oldr> (H»rkw.) ). 8rU-V. r.Seküllli »»r «re Ur. 8»Illl. »x., eoo» clisIUt 82'. 62 > 25'^ V7>. 28-, 8'» 2'u Bekanntmachung. Am 16. Deeember d. I. gegen Mittag ist hier an westlichen Ecke des RathhauseS ein Motorwagen der ... Elektrischen Straßenbahn entgleist und über die Griinmaische Straße gegangen und sind durch den Anprall des Wagens an das Haus Grimmaische Straße Nr. 2 zwei auf dem Trottoir stehende Personen schwer verletzt worden. Wer die Entgleisung des Motorwagen- mit angesehen hat, wird ersucht, schleunig Namen und Wohnung zur Voruntersuchung gegen den Wagenführer Otto hierher mitzutheilen. Leipzig, den 18. December 1896. Der Untersuchungsrichter bei Sem Königlichen Landgerichte. V. 11,62 96. Haußer. e 188,90 Su—t. 180,25 >»v»ok 119,— . 0r«iit »14,10, IIS,— U 2I3.SV 82»,- I! »9,7» <i 10».— 1! 220,— c> «IN »tUvk Anzeiger. AmtsVkaü des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Ämteo -er Lta-t Leipzig. k. >r. lk U. o. Extra-Veilageu (gesalzt), nur mit der Morst,n>Ausgabe, ohne Poflbefötderung ->l 60—, mit Postbefürderung 70.—. >m»rio»vilLwpser Vampker,Xiu«>e> »werlli 0" l» Srewell I«r In t-eipr'l- (1612) r>° > 7 lwr 1lorx«i>» lsodar»^ (16 12) I» >»« rolot »12> von rr—ixi. !kier.-?5! 155 iv»..i^S37 antod. 788 l.-S. I I! 6S9 »o»v.U > 487 llomwrij 502 .) stramw. L.-8d»r.I IS atr.-^otj 85'. on 91/8. Bezugs-Preis In der HauptexpediNon oder den im Stodt- lezirk und Len Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^14mO, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ./t S.50. Durch die Post bezogen für Tentschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsrndnng in» Ausland: monatlich ^ll 7.50. Ooar» 101,S0 d-8 88,— U. 1«»,— 6 222,— 0 91,— L 109,10 v. tvSdO 6. «SSO 8 183,60 8 17^— 18b,— 8 10»,- 9 OS,— U 184— 6 Die kurze Zeit unterbrochene Discussion über den deuts ch- russischcn Affecuranzvertrag wird jetzt in österreichischen und russisch en Blättern wieder ausgenommen. Die Friedrichs- ruber Auffassungen zum Ausdruck bringende, in der Wiener „Neuen Freien Presse" veröffentlichte Zuschrift, welche die Behauptung des ungarischen Abgeordneten Polonyi, Oester reich sei von der Politik deS alten Curses hint ergangen worden, zum Anlaß hat, haben wir schon kurz telegraphisch skizzirt. Die bemerkenswerthesten Sätze derselben lauten wörtlich: Das Protonpseudos der falschen Auffassung liegt in der Ver kennung des Zweckes deS deutsch-russischen Neutralitäts-Vertrages. Dieser Zweck bestand in nichts Nnderm, als in der verstärkten Sicherung Deutschlands gegen die Eventualität, daß Frankreich, wenn es zur Verwirklichung seiner Revanche-Ideen einen neuen Krieg gegen Deutschland begänne, die Unterstützung Rußlands finde» könne. Laut Artikel 2 des deutsch-österreichischen Bündnihvertrages wäre zwar Oesterreich für den Fall, daß Rußland in Form einer activen Cooperation oder durch sonstige militairische Maßnahmen, , . welche Deutschland bedroht hätten, den französischen Angriff auf i bat stets ausgesprochen, daß möglichst freundschaftliche Be- Deutschland unterstützte, verpflichtet gewesen, Deutschland mit I ziehungen zu Rußland die beste Gewähr für die Er- seiner gesummten Kriegsmacht beizustehen, aber es log I Haltung des Friedens seien. Alles, was von Berlin aus in begreiflicherweise sowohl im Interesse Deutschlands, wie im > dieser Richtung geschehen ist, wurde von uns stets mit vollem Ber- Gestern ist auch das preuhischc Abgeordnetenhaus in die Wri hnachtSferien gegangen. Gleichfalls ungewöhnlich früh, zwei Monate vor dem herkömmlichen Zeitpunkt bk' rufen, hat es — und nach ihm daS Herren Haus — zwei seiner wichtigeren Aufgaben vollständig erledigt. Das Gesetz über die Ewerbung der Hessischen LudwigSbahn ist bereits vorgestern verkündigt worden, und auch dgS ConvertirungSgesetz, demzufolge Milliarden Mark vierprocentiger Anleihen in 3'/»procentige um gewandelt werden, ist für die Sanktion reis. Diese Gegenstände boten dem Abänderungseifer des Parla ments keine» Spielraum. Wo für diesen ein Boden vorhanden war, hat er sich bisher recht lebendig gezeigt. Zwar ist auch eine Vorlage über die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen — eine Conse quenz i>er Gewerbenovelle — mit einer nur geringfügigen, mildernden Aenderung angenommen worden, aber die Lehrer besold ungSvor läge hat in der Commission eine nicht unerhebliche Umgestaltung zu Gunsten der Lehrer erfahren und von dem Miquel'schen Entwürfe, der gesetzlich vor geschriebene Schuldentilgung und die Anlegung eines Ausgleichungsfonds vorskb, ist nur die von 's auf 2/5, Proc. erhöhte Schuldentilgung geblieben und der Fonds, der „Topf", wie er genannt wurde, in der Commission cassirt worden. Damit noch nicht zufrieden, hat die Commission mit großer Mehrheit die alte nationalliberale Forderung nach einem Gesetz erneuert, welches die über einen bestimmten Betrag hinausgehenden Ueber schlisse der TtaatSeisenbahnverwaltung der Verwendung für allgemeine Staatszwecke entzieht. 0r. Miquel ist von dem bisherigen Verlause der Sache, in der übrigens kaum schon das letzte Wort gesprochen sein dürfte, wenig erbaut. AuS der Initiative des Landtags ist hervorgegangcn ein Beschluß deS Abgeordnetenhauses wegen Vermehrung und Verbesserung der Fortbildungsschulen, sowie eine Interpellation im Herrenhause, betr., die Vertretung der Landwirthschast und der Müllerei in den Vorständen der grundsätzlich von den Fondsbörsen zu trennenden Produktenbörsen. Die Antwort der Regierung ging dahin, daß eine solche Trennung bei den kleineren Börsen nicht überall durchzuführen sei. Interesse des Friedens, dem das Bündniß dienen sollte, daß diese Eventualität vermieden blieb. Dies wurde erreicht durch den Abschluß des deutsch-rnjsischrn Neutralitäts-Bertrages. Derselbe baue, kurz ausgedrückt, den Zweck, Rußland zu verhindern, seine Armee in den Dienst der französischen Revanche. Idee zu stellen; er wollte dadurch die Gefahr eines europäischen Coalition-. krieges vermindern. Er war namentlich mit Rücksicht aus die Eventualität geschlossen worden, daß in Rußland polnische, pan« flawislische und französische Einflüsse ein Schwergewicht erlangten, welches im kritischen Momente auf die russische Politik in dem Maße gedrückt haben würde, daß Rußland, ohne durch eigene Lebensinteressen zwingend dazu genüthigt zu sein, sich dazu bet' gegeben hätte, den Franzosen zu Elsaß-Lothrlngen mit der Rhein grenze und der Reactivirung der 1870 verloren gegangenen ,,pr^- ponclSraoce ISl-itiuio" zu verhelfen. Wir glauben, daß dieser Zweck des deutsch-russifchen Vertrages nicht nur im Interesse Deutsch lands lag, sondern ebensogut in dem Oesterreich- Ungarns, welches dadurch der Verpflichtung überhoben war, seine Soldaten gegen Frankreich niarschirrn zu lassen, wenn dieses Deutschland ongriff und dabei von Rußland unterstützt wurde. Ter deutsch-russische Vertrag war mithin eine Friedensgarantie im eminentesten Sinne des Wortes, und er hat, wie wir zu wissen glauben, die Zustimmung der öfter- reichisch - ungarischen Staatsmänner nicht nur ver dient, sondern auch gefunden. Einwände gegen den Vericag konnten von österrrichisch-ungarischer Seite nur von solchen Politikern erhoben werden, welche entgegen der friedlichen Tendenz de- deutsch- österreichischen Bündnisses die Ansicht vertraten, daß dasselbe Deutsch, land zur militairische» Hilfeleistung an Oesterreich-Uligarn auch für den Fall verpflichte, daß letzteres Rußland seinerseits angreife. Wenn die Vertreter dieser irrigen Auffassung, die immer mehr trans- als cisleithanisch vorhanden waren, ini Rechte gewesen wären, dann — aber auch nur dann — wäre der Vorwurf berechtigt gewesen, daß Deutschland versucht hätte, sich seinen Verpflichtungen gegen Oesterreich-Ungarn durch den Abschluß des Abkommens mit Ruß- land zu entziehen. Wie schon angedeutet wurde, glauben wir zu wissen, daß die österreichisch-ungarischen Staatsmänner von dem deutsch«russischen Abkommen nicht nur ge wußt, sondern dasselbe auch gebilligt und stets bereist willig im Interesse des eigenen Landes es acceptirt haben, daß Deutschland auf Grund seiner Beziehungen zu Ruß land in der Lage war, Conslicten zwischen Oesterreich-Ungarn nnd Ruß land oderwenigslens einer friedensbedrohlichen Entwicklung derselben vorzubeugen. Daß andererseits von Oesterreich-Ungarn selbst die Ver- einbarung eines bilateralen Verhältnisses zu dem verbündeten Staate und zn Rußland anerkannt worden ist, beweisen unter Anderm die Reden, die Graf Kalnoky tm Mai »nd Juni 1894 im aus wärtigen Ausschüsse der ungarischen Delegation nnd im Budgel- Ausschusse der österreichischen gehalten hat. Der Minister erklärte damals, daß sowohl bei Kaiser Alexander III., wie bei dessen Regierung nur günstige Dispositionen gegenüber Oester- re ich-Ungarn vorherrschten, und daß dies eins der gewich tigsten Motive dafür sei, daß die militairische Spannung in Europa aufhöre. Die damit dem Charakter der österreichisch - russischen Beziehungen für die Gestaltung der europäischen Verhältnisse beigelegte Bedeutung war eine solche, daß von deutscher Seite die Frage mindestens mit dem gleichen Rechte wie die des Abg. Polonpi zu stellen gewesen wäre, ob dies vom Grafen Kalnoky be- kündete intimeVertr auensver hä ltn iß Oesterreich-Ungarns zu Rußland mit der Bündnißpslicht gegen Deutschland zu verein- baren sei. Gras Kalnoky hat aber gleich darauf, als in der deutschen Presse entsprechende Vorhaltungen versucht wurden, in der Sitzung des Budget-Ausschusses der österreichischen Delegation vom 9. Juni 1894 mit voller Berechtigung erklärt, es sei von den alliirten Regierungen stets daran sestgehalten worden, daß ihr Bündniß unter einander gute Beziehungen zn anderen Mächten durchaus nicht ausschließe. „Fürst Bismarck selbst" — fuhr Graf Kalnoky fort — „der doch den Grundstein zu der Bündniß-Polttik gelegt, Anzeigerr-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile V) Psq. Reklamen unter dem Redactisnsstrich («ge spalten) 50/^, vor den Familiennachrichien <6gespülte») 40 3Z. Größere Schriften laut unserem Preis- ver^eichnitz. Tabellarischer und Ziffer.iiatz nach höherem Tarif. Gesicht neben mir sehen, al« das ihre, keine anderen Hände über meinen Kindern wissen, als die ihren." „DaS ist ja eine förmliche Brautwerbung", spöttelte der RegierungSrath und begann nun auch den Paletot abzuwersen. „Ja, Vas ist es auch", bestätigte die Frau trinmphirend, „oder, meinten der Herr RegierungSratb, ich würde ander- hier aus dem Hause gegangen sein, als wenn es sich nm eine Heirath gehandelt?" Mit einem Ruck flog jetzt auch der Paletot in die Ecke, und der Herr Rath stand kerzengerade vor der Wirthschasterin. „Wernicke, Wernicke, das kann nicht Ihr Ernst sein, darf eS nicht", sagte er verweisend. „Bedenken Sie, daß sich eine Thorbeit, in unserem Alter (Fran Wernicke zuckte zusammen) begangen, doppelt rächt, und lassen Sie ab von einer Ide», die sich nur für junge Leute schickt und paßt." „Junge Leute" — die Wernicke verbarg nur schlecht ihren Aerger, in das alte Register geworfen zu sein — „oh, Herr Rath, man bat schon oft gehört, daß die Ehen der Alten am besten ausgefallen sind, und wer bürgt mir denn dafür, daß der Herr RegierungSratb nicht selbst einmal Lust bekommen, in die Ehe bineinzuspazieren, und «baß es für mich dann an der Reihe ist, znm Hause hinauszugehen «nd mir einen neuen Dienst zu beschaffen?" „Frau Wernicke", der iRath sprach mit einer gewissen Feierlichkeit, „wenn das Ihre Sorge ist, so seien sie ruhig, ganz ruhig, der Fall tritt niemals ein, denn ich mache mir aus dem ganzen Weibergeschlecht nichts, und ehe ich in meinem Alter eine solche Thorheit begehe, eher müßte sich die Welt umdrehen, und —" „Nun, und — ?" fragte die Wernicke, um die Pause a»«- zufüllen, die ihr Herr eintreten ließ. „Ein Mohr sich weiß waschen, eine Gouvernante zum Engel ummoveln lassen", ergänzte dieser, dem ver zwiefache Aerger mit der Wernicke und mit der Erzieherinnenbesorgung durch den Kopf glitt. Dachte er aber auch durch den schwachen Scherz, der in seinen letzten Worten lag, da« Gespräch von dem ursprüng lichen Thema abgebracht zu haben, so irrte er doch. Frau Wernicke kämpfte für ihr Lebensglück und streckte deshalb die Waffen nicht. In eindringlicher Rede pries sie nochmals die Vortbrile, die ihr die Werbung eine» Manne« in auskömmlichen Verhältnissen, böte und schloß damit, ihre Entlassung zum Januar energisch zu fordern, zu gleicher Zeit aber auch zu bitten, der Regierung»rath möge in Ansehen dazu abzuverlangen, brauchte eS doch nicht so vieler Worte. Nun lassen Sie mich aber auch gehen, meiner Schwester ist viel darum zu thun, die Erzieherinnenfrage, die dieser Brief bringt, möglichst bald beantwortet zu wissen, und ich bringe ihr am liebsten die Antwort schon mit, wenn ich am Freitag ür die Festzeit zu ihr reise." Die Wernicke stand wie ein Baum, sie wich und wankte nicht, nur ihre Augen gewannen einen so erstaunten Aus druck, daß der Natb sich veranlaßt fühlte, noch einmal zu wiederholen: „Sie sollen sie haben, gewiß. Sie sollen sie haben." „Ihn haben, wollen der Herr Rath sagen", stieß die Frau hervor, „ihn, oh, ich wußte es ja, daß der Herr es be- greifen würden, wenn man sich für sein Alter versorgt wissen will. Ich bade eS ja lange genug von der Hand gewiesen, aber, nun eS ihn gar so unglücklich macht, wenn ich immer wieder rinwende, es würde mir zu schwer, vom Herrn Re- gi«rung»rath zu gehen, nun habe ich endlich ja gesaat und bin heute nur gekommen, um anzukünden, daß ich zum Januar fort muß" „Fort? — Frau, um Alle« in der Welt, was veranlaßt Sie denn dazu?" rief der Rath jetzt mit erhobener Stimme und warf seinen Hut aus den Tisch. „Für Ihr Alter sorgen? Wer bietet Ihnen denn mehr Gehalt al« ich, wer bat Sie mir auSgemiethet, zu wem wollen Sie ziehen? Es wird sich mit dem Menschen doch wohl noch sprechen und eine Vereinbarung treffen lassen, daß er Tie mir überläßt." Di« Wernicke schüttelte den Kopf, ihre Schürze wurde jetzt wieder aufs Unbarmherzigste von ihr maltraitirt nnd sie schlug die Augen zu Boden. „Das thut er nicht, Herr RegierungSratb, er hat seine ganze Wirthschaft jetzt schon daraus eingerichtet und Alle« wieder angeschafft, wa« seit dem Tode der Krau irgend ruinirt worden ist." „Also zu einem Wittwer wollen Sie sich begeben", ries der RegierungSratb, jetzt schon in gelinder Aufregung, „Kindtrerzirhung wollen Sie vielleicht auch mit übernehmen? Wissen Tie, daß Sie »ine ganz gut« Person skr einen ledigen Herrn sind, daß ich Sie aber nicht für fähig halt», allen solchen Ansprüchen genügend nachzukommen?" Die Wernicke wurde um einen Schein blasser, sie sah jetzt sehr gekränkt au» und bemerkte empfindlich: „Er ist aber nicht der Meinung; er hat die Wahl unter einem Dutzend Anderer gehabt und seine Augen dock nur aus mich geworfen. Christine, sagte er, und er hat eS mir mehr al« einmal gesagt, Sie sind gerade die rechte, und ich möchte kein audereS Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. December. Dem vorgestern in die Weihnachtsferien gegangenen Reichstag haben wir bereits im Morzenblatte eine Quittung für die seit seinem Wiederzusammentritte geleistete „Arbeit" ausgestellt. Je geringfügiger, ja erbärmlicher diese ist, um so überflüssiger würde es sein, nochmals aus den abgeschlossenen Sessionsabschnitt zurückzukommen, wenn nicht in dem Theile der deutschen Wählerschaft, der nicht zum Centrum oder zur Socialdemokratie schwört, eine Zerfahrenheit herrschte, welche die Befürchtung erweckt, daß die nächsten Reichstagswahlen ein noch kläglicheres Resultat sich ergeben werde, als die letzten ergeben haben. Für Jeden, der nicht nur die Thätigkeit des jetzigen Reichs tags aufmerksam verfolgt, sondern auch die Gründe erwägt, welche diese Thätigkeit zu einer unerquicklichen und häusig beschämenden machen, liegt es auf der Hand, daß eine frucht bringende, den großen Aufgaben der Zeit gerecht werdende Thätigkeit der deutschen Volksvertretung nur dank» möglich ist, wenn in ihr wie in den ersten Jahren ihres Bestehen« eine starke nationale und selbstlos das Wohl des Ganzen erstrebende, von allen extremen Forderungen sich fernhaltende Parteigruppirung entsteht, die den ver bündeten Regierungen als Stütze dienen nnd dem römischen Centrum sowohl wie dem Radikalismus die Spitze bieten kann. Aber statt rechtzeitig auf dieses Ziel hinzuwirken, sehen wir überall in den Kreisen, aus denen starke nationale nnd gemäßigte ReichStagsfractionen hervorgehen müßten, nicht nnr immer heftiger entbrennenden Streit über Jnteressenfragen, sondern auch immer neue Anläufe zur Bildung neuer Parteien, Erscheinungen also, die nur dazu dienen können, bei künftigen Wahlen den fest ihre gemeinsamen Ziele ins Auge fassenden Heerhaufen des Centrums und der Socialdemokratie den Sieg über ihre zerspaltenen und einander zer fleischenden Gegner zn erleichtern und neue Mandate zuzu führen. Diesen Erscheinungen gegenüber kann man nicht oft und eindringlich genug darauf Hinweisen, daß die Arbeit ve« jetzigen Reichstages die Frucht der Arbeit des deutschen Volkes bei den Reichstagswahlen im Jahre 1893 ist, daß die „WeihnachtSbescheeruug", die der jetzige Reichstag seinen Wählern unter den Christbaum legt, eigenstes Fabrikat der deutschen Wähler darstellt, und daß daS Ende dieses Jahr- Llm die Weihnachtszeit. Novelle von Anna Gnevkow. Nachdruck vkrbdtkn. Der Herr Rath knöpfte langsam den Knopf des linken Handschuh« auf und begann ihn abzuzieben. Frau Wernicke wollte sicher irgend einen Gegenstand in der Haushaltung mit ihm besprechen nnd daS war löblich, aber daß es dann sobald kein Fortkommen gab, war ebenso gewiß, und man mußte sich fügen, wollte man dabeim immer Alles in so ge regelter Ordnung haben wie sonst. „Sprechen Sie nun", sagte er ruhig, nachdem er auch den zweiten Handschuh abgestreist und umsonst gewartet hatte, daß die Frau ihre Rede von selbst beginnen würde; und sich auf« Sopha setzend, behielt er noch immer den Hut in der Hand, für den Fall, daß kein allzulanger Aufenthalt einträte. „Herr RegierungSratb", die Wernicke hustete ein paarmal und richtete sich dann mit plötzlich erwachter Energie in di« Höhe, „Herr RcaierungSrath, ich habe treu gedient" „Gewiß, liebe Wernicke, gewiß, eS sind Wohl bald schon zehn Jahre, und wenn eS so fortdauert und Sir halten recht lange bei mir au«, dann bekommen Sie noch von der Kaiserin daS goldene Kreuz für treue Dienste. Sie wissen ja, ich las Ihnen noch neulich einen Fall aus der Zeitung vor, wo c« verliehen worden." „Ach, der Herr Rath sollten nicht scherzen", klagte die Frau, und jetzt wurde der weiße Schürzenzipfel bi» zu den Augen emporgezozen, „der Herr Rath sollten daran denken, daß ich mich immer bemüht, den Haushalt zur Zufriedenheit zu führen, daß der Herr ruhig sortreisrn konnten, ost für lange Wochen, wie vor zwei Jahren zur Vertretung de« Herrn Präsidenten nach Meiburg, daß ich alle Gewöhn- beiten deS Herrn Rath kenne, daß ich treu und ehrlich bin, daß" Der RegierungSratb war aufgesprungen. Ihm kam plötzlich die Erkenntniß, auf seinen Geldbeutel sei e« ab gesehen. eine Zulage sollte erpreßt werden, und er war nicht abgeneigt, eine solche zu geben, wo eS galt, sich die Ruhe und Bequemlichkeit für seine Person zu sichern. „Sic sollen sie haben, sollen sie haben, Wernicke", sagte er deshalb auch beschwichtigend, „um meine Einwilligung u»»«n i tiLll-Vlsn 260 75 Oz-Q -7>. w«r nd»am . l7.8k.-I>r. iiiltt» ktrod«» »«r >l» I-IovO r»°K«tt. 4 r«eiüo Iri«: S«k^t>cd-i cliln«».) -iritn« 70erIo» wir tt» k»drltv kaolsQ «IN. Oomm 7rs<i1k ,k. l.D ckltsot. r.s»ak an (Inrue. Iowa tts i»la >oo»t V.-?r. ! roaocklt »O7.Sl kost. tt» r»d«o Hunderts nochganzandrrt„Bescheernngen" bringen wird,wennbis zu den nächsten Reich-tagswahlen die nicht ultramontanen und nicht radikalen Wähler sich nicht auf ihre Pflicht gegen das Reich und sich selbst besinnen. Möchte hierzu die Würdigung, die unser Berliner L2-Correspondent den letzten Arbeits leistungen des Reichstags 1883er Crescenz angedeihcn läßt, beitraqen. Er schreibt: „Äuhig mag ich euch erscheinen, ruhig gehen sehn" — der Reichstag hat sich auf vier Wochen vertagt, und die Berliner Blätter widmen ihm nicht einmal den am Schluffe von „Tagungsabschnitten" üblichen AbschiedSgruß. Freilich, einen Rückblick ans die Thätigkeit dieser — im übertragenen Sinne, nicht körperlich — hochansehnlichen Versammlung könnte nur ein Mann wagen, der wie Jmmerman's Münch hausen die Kunst, Luft zu gestalten, sich zuschreibt. Im vorigen Jahre war der Reichstag erst auf den 3. December einberusen worden, und als am 23. Mär^ noch nicht einmal der Etat erledigt war, da machte der Socialdemokrat Bueb die Re gierung für das geleistete Nichts verantwortlich, „die Regie rung, die uns so spät zusammenberufen, in der sicheren Ueberzeugung, dadurch manche unangenehme Wahrheiten nicht gesagt zu erhalten". Nun, diesmal hat die Regierung den von dem ehrenwerthen Mitglied? für Mülhausen i. E. ver mißten Muth wacker an den Tag gelegt, die Jagd für die socialdemokratischen und sonstigen WahrycitSschützen hat schon am 10. November aufgegangen, es hat auch 29 mal daS statt gefunden, was der Optimist Sitzung zu nennen fähig ist, aber unter dem parlamentarischen Weibnachtsbaum findet sich wieder das Nichts vom vorigen Jabre und dazu noch ein separirter leerer Fleck, auf dem die Justiznovelle hätte auf gebaut werden sollen. Etliche Theile des Etats, die man wegen des frühen Zusammentrittes vor Weihnachten in zweiter Lesung zu absolviren gedacht hatte, sind noch nicht einmal in der Budgetcommifsion durchgenommen worden, anderen Commissionen überwiesen ist von wichtigeren Dingen die Dampfersubventions- und die vor Thor- schluß durch die erste Lesung gepeitschte SubhastationS- vorlage. Dazu ein paar Wahlprüfungen, eine Anzahl Petitionen und drei Interpellationen nebst Besprechungen, und man hat daS Ergebniß dieser fünfwöchigen „Arbeit". Und auf die Interpellationen dürften ihre Urheber kaum mit vem Gefühl ungemischten Behagens zurückblicken. Daß die Consum- vereine in Sachsen gemäß dem Gesetze behandelt werden, weiß man jetzt in ganz Deutschland, während es vorher da nnd dort bezweifelt worden war, Fürst Bismarck steht noch immer nicht in dem Lichte eines LandesverrätherS, und der Glaube, daß Herr v. Brüsewitz ein Vorbild der deutschen Ofsiciere sei, ist auch nicht verallgemeinert worden. In den 14 auf die Zubereitung der schließlich zum Fenster hinauS- geschütteten Justiznovelle verwendeten Tagen hat der Reichstag den Beweis erbracht, daß er sich ebenso gut in den Zustand ter intellektuellen wie in den der numerischen Beschlußunfähigkeit zu versetzen vermag. Das ist keine Ursache des Stolzes, und so würde diese Sitzungsperiode die Ruhmestitel des 1893er Parlaments nicht um einen einzigen vermehrt haben, wenn eS nicht gelungen wäre, mit dem verrosteten Vorurthril, daß um des Staatswvhles willen vertraulich gemachte Mittheilungen gebeim zu halten seien, gründlich zu brechen. Diese Ehre bleibt dem Reichstage, in dem Centrum Trumpf ist, und sie strahlt um so Heller, als sie ohne Zuthun des gar nicht an wesenden Herrn Ahlwardt errungen werden konnte. iw. llck. dr». »rtn». »»ol. >, a l«> 76' - 1 (risui»t») 88 ) :ont ! I SO ihrer treuen Dienste, seine Gunst auch auf den Bräutigam übertragen. Im höchsten Aerger blieb der Herr Rath zurück, al« die Wirthschasterin ibn dann verlassen und mit auf dem Rücken verschränkten Armen im Zimmer hin mid herwandernd, ge langte er endlich dahin, daS Facit zu ziehen, daß unter allen Frauen des Erdenrunds die unerträglichsten, unzuverlässigsten die Gouvernanten nnd Haushälterinnen seien. Am andern Tage suchte er die ihm leider schon so wobl bekannten Räume der Frau Schulz, Stellenvermittlerin für Erzieherinnen, Bonnen rc., auf, trug ihr sein Anliegen vor und hatte von dem Augenblicke an die ihm auch schon ge läufige Ausgabe, denn wie ost hatte ihn die liebe Schwester nicht damit betraut, ganze Stöße zierlicher Damenbriefe, be gleitet von Empfehlungsschreiben «nd ven üblichen Abschriften der Zeugnisse, zu durchlesen und in prüfen. Da war kein einziges der jungen oder älteren Mädchen, dem nicht die vor züglichsten Empfehlungen zur Seite standen — ein neuer Aerger für den RegierungSratb, der im Innern ein hartes Urtbeil für alle die Familien hatte, die ihre Erzieherinnen, von denen sie geplagt nnd geärgert worden (denn warum dritten sie sie sonst entlassen), auS Schwäche und falsch angebrachtem Mitleid mit einer Lobyymne versehen, in die Welt hinauSgehen ließen. Mit den Papieren einiger Damen ausgerüstet, die er zur engeren Wahl anserseben, begab er sich auf seinen Weihnachtsurlanb nach Waltersdorf. Einen sehr kühlen Ab schied nahm er von Frau Wernicke, welche ihn in die un angenehme Lage brachte, gleich nach seiner Rückkehr ans eine Wirthschaftkrin fahnden zu müssen, denn — über den ersten Februar hinan«, hatte sie ganz kategorisch erklärt, könne sie, trotz all ihrer Liebe und Anhänglichkeit für ihren Herrn nickt bleiben. E« war ein herrlicher Wintertag, der Schnee lag wie ein unberührtes, weiße» Tuch Uber Feldern, Wiesen nnd Wäldern, yoldig glänzende Sternchen ließ der strahlende Sonnenschein daraus hervorblitzen, und von den Aesteu der Bäume hingen die Eiszapfen wie eia krystallner Behang herab. DaS Herz ging den meisten Passagieren auf, die von dem brausendn Dampfroß durch die Fluren dahin gezogen wurden, viele frobe, leuchtende Augen flickten im Vorbeialeite» edeS Häuschen zu erblicken, auS dessen Schornstein der Rauck 0 kerzengerade hinaus in die blaue Luft stieH, al- wolle er fick Umsehen, woraus sich da oben all daS Licht, der Glanz und die ungetrübte Bläue znsammensetze, und der RegierungS- rath Below war vielleicht der einzige, der lange Zeit hindurch Io. idsok Lol. 25,12' k«oloo»« 108,— I 26,18 »oaat I — M»«I. 774 ,—, 6u»vo 74 75 , 108,— »0» — >urx kr 215,80 Ix. 212,70 i»o kor» 215 80
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