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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-18
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93S0 «rauen nvd der» besten Wünschen begleit«». Et ist also widersinnig, üaß, w«an wir constatireo, daß unsere Beziehungen zu Rußland freundliche sind, deutsche Blatter darin etwa» erblicken, was eine Entfernung von unserem Bündnißverhältnisse bedeute." Diese Aruherungen det Grasen Kalooky lesen sich wie eine anticipirte Zurückweisung der Berdächtigung, die der Abgeordnete Polonyi jetzt gegen Deutschland gerichtet hat, weil dasselbe durch seinen Vertrag mit Rußland gute Beziehungen zu diesem Reiche gepflegt und den Friede» gesichert hat. Nach diesen überzeugenden Ausführungen, deren logischem Zwange sich nur blindes Borurtheil oder gehässiges Uebel- wollen entziehen kann, nimmt sich der Schlußsatz des Artikels: „Wir glauben, daß Oesterreich-Ungarn trotz des russischen Neutralitätsvertrages keinen einsich tigeren Freund besessen bat, als den Fürsten Bismarck", wie eine unumstößlich bewiesene historische These auS, und es wäre nur zu wünschen gewesen, daß die „große" an die Interpellation Hompesch im Reichstag sich knüpfende Debatte diesem Kern punkt der ganzen Sacke einige Aufmerksamkeit geschenkt hätte, statt sich in weitabliegende Nebensächlichkeiten zu verlieren. Im Uebrigen sagen die obigen Erörterungen, abgesehen von der Betonung der Zustimmung der österreich ischen Staatsmänner zu dem genialen Schachzug Bismarcks, nichts Neues — ihr Gebankengang deckt sich mit unseren wiederholten Ausführungen zur Sache —, von Bedeutung aber ist, daß daS österreichische Blatt dieselben zu den semigen macht und sie als geeignet bezeichnet, „das Residuum an Mißverständniß oder Argwohn, das von österreichisch ungarischer Seite auS den Erörterungen über das deutsch-russische Abkommen gegen die Ehrlichkeit der damaligen oder jetzigen deutschen Politik zurückgeblieben sein könnte, zu beseitigen". Aus d«n Artikel der „N. Fr. Pr." ergicbt sich zugleich, wie thöricht eS war, den Assecuranzvertrag als zu complicirt und nicht „ehrlich" genug ablaufen zu lassen. Wer davon aber noch nicht überzeugt sein sollte, mag sich von der bekannten russischen Monatsschrift „Westn. Iew", in diesem Falle gewiß ein unverdächtiger Zeuge, eines Besseren belehren lassen. Das angesehene Petersburger Blatt schreibt, nachdem es aus englische Einflüsse bei der Nicht erneuerung der Assecuranz, denen Graf Caprivi nicht ent- gegcnzuwirken verstanden, sehr deutlich hingewiesen, u. A.: „Wenn es dem Fürsten Bismarck gelungen wäre, den Vertrag noch vor feinem Sturz zum Abschluß zu bringen oder aber, wenn unter feinem Nachfolger das Anerbieten des Grafen Schuwalow nicht zurückgewiejen worden wäre, so hätte auch nach 1890 unsere formale Verbindung mit dem deutschen Reich fort gedauert und es wäre weder zu den Manifestationen in Kronstadt, noch zu den Festen in Toulon, ja vielleicht nicht einmal zu der gegenwärtigen franco- russischen Entente gekommen. Ereignisse und Stimmuugen in Berlin, die mit unseren Interessen wenig gemein hatten, spielten bis in die jüngste Zeit aus bestimmten Gründen eine bedeutende Rolle bei sehr wichtigen Acten unserer auswärtigen Politik — diese Seite der Enthüllungen des Fürsten Bismarck, die unsere Diplomatie betrifft, bedarf noch der Enthüllungen von autoritairer Seite. Wie dem aber auch sei, die Dreibundmächte hatten keinen Grund, mit dem alten Kanzler um des Ver trages mit Rußland willen zu grollen, für sie be deutete der Schritt des Grafen Caprivi, der die neueste franco-rujsische Freundschaft möglich machte, keinen Gewinn." Aus diesem Bekenntniß mag auch der italienische Minister präsident di Rudini entnehmen, wie irrig seine Annahme ist, daß die Erneuerung des Dreibundes es gewesen sei, die zu den Tagen von Kronstadt und Toulon und zu dem russisch- sranzösiscken Bündniß geführt habe. Dies war lediglich die nothwendige Folge der Nichterneuerung des deutsch-russischen Abkommens, für welche der neue CurS die Verantwor tung trägt. Trotz der von der deutschen Negierung durchgesetzten Be strafung der Verbrecher, welche in Marokko in den letzten Jahren Mordthalen an Deutschen begangen haben, ist, wie gemeldet, dort schon wieder ein Deuischer, Bankier Haeßner, Mördern zum Opfer gefallen. Ob ein Raub mord vorliegt, ergiebt sich aus dem im heutigen Morgenblatt veröffentlichten Londoner Telegramm nicht, doch ist eS wahr scheinlich. Die Unthat erhält diesmal aber einen besonders schweren Charakter dadurch, daß sie in unmittelbarer Nähe des Stadtthors von Tanger, etwa 350 Meter von demselben entfernt, begangen wurde. In Tanger leben sehr viele Europäer, die Stadt ist gewissermaßen das Verbindungsglied zwischen Europa und Marokko, und eS muß daher vorausgesetzt werden, daß die öffentliche Sicherheit wenigstens in ihr und ihrer nächsten Umgebung von den marokkanischen Behörden gewährleistet werden kann. Die deutsche Regierung wird natürlich nicht verfehlen, eine strenge Untersuchung des Falles von der marokkanischen Negierung zu fordern, sowie mit einer solchen auch ihren Vertreter in Tanger zu beauftragen, und man darf mit der „Nat.-Ztg." überzeugt sein, daß ze nach Befund alle erforderlichen weiteren Schritte unverzüglich gethan werden. Deutsche» «et». * Leipzig, 18. Drcrmber. Wie erinnerlich, hakte der Abg. Schocnlank den Bund der Landwirthe (Ritter gutsbesitzer vr. von Frege uud Genoffen) wegen Verstoßes gegen das sächsische VereinSgesrtz bei der Leipziger Staats anwaltschaft denuncirt. Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr ein strafrechtliches Einschreiten mit einem Bescheide a b - gelehntin dem eS heißt: „Nach den Ergebnissen der angestellten Ermittelungen ist nicht beanzeigt, daß die innerhalb des Königreichs Sachsen bestehenden Gruppen des Bundes der Landwirthe Vereine im Sinne des sächsischen Gesetzes vom 22. November 1850 bilden. Auf die bezeichneten Gruppen haben daher die Vorschriften der tztz 24, 25, 33 deS gedachten Gesetzes und des tz 6 der Ausführungsverordnung vom 23. November 1850 keine Anwendung zu finden." 4s Berlin, 17. December. Die NeichStagsmitglieder haben in die Weihnachtsserien schwerlich das Bewußtsein mit nehmen können, baß sie in der Zeit seit dem 10. November irgendeine bedeutende positive geietzgeberische Arbeit geleistet haben. Folglich ist die Hauptarbeit im Reichstage nach den WeihnachtSferien zu leisten. Von größeren Entwürfen liegt dem Reichstage zunächst die Novelle zu den Un- sallversicherungsgesetzen vor. Sie schafft keine neuen Grundlagen für diesen VcrsichernngSzweig, hat also keine hervorragende principiclle Bedeutung, ist jedoch so reich an neuen Einzelheiten, daß tüchtige Arbeit dazu gehören wird, sie rechtzeitig zu Stande zu bringen. Daß neben ihr in der laufenden Tagung noch ein anderer auf die staatliche Arbeiterversicherung bezüglicher Entwurf, die Novelle für Invaliditäts- und Altersversicherung, die gegenwärtig einer eingehenden Berathung in den BundeSrathSausschüssen unterzogen wird, dem Reichstage unterbreitet werden wird, ist nicht wahrscheinlich, immerhin aber möglich. Hauptsäch lich wird nach den WeihnachtSferien die neue Militair- strasprocetzordnung die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Sie dürste noch recht unifangreiche Erörterungen herbeisühren. Daneben wird auch ein Entwurf über die Handwerksorganisation zur Berathung gelangen. Nach dem der Reichstag den Entwurf über die Errichtung von Handwerkskammern, wie er ihm im ersten Abschnitt der laufenden Tagung unterbreitet war, einer Weilerberathung nicht unter zogen hat, wird der Bundesrath sich in irgend einer positiven Form über den von preußischer Seite gestellten Antrag auf Annahme eines Organisationsenlwurfs schlüssig machen müssen. Es ist zwar noch nicht völlig festgestellk, auf welcher Basis dreS erfolgen wird, daß eS aber erfolgen wird, darf als sicher angenommen werden. Von ven umfangreichen Vorlagen, welche mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche zugleich in Kraft treten sollen, ist das SubhastationSgesetz dem Reichs tage bereits zugegangen und von diesem einer Commission zur Berathung überwiesen. Ob es opportun erscheinen wird, noch einen der anderen Entwürfe in der laufenden Tagung vor zulegen, steht dahin. Es ist aber bisher als ziemlich sicher angesehen, daß das neue Handelsgesetzbuch noch der Volksvertretung unterbreitet werden soll. Bedenkt man nun, daß, entgegen der ursprünglichen Absicht, auch die zweite Lesung des NeichshauShaltsetats vor Weihnachten nicht begonnen ist, also zweite und dritte Etatslesung auch noch in die ersten Monate des neuen ZahreS fallen, so wird man er kennen, daß den ReickSlag nach den WeihnachtSferien eine Fülle von BerathungSstoff erwartet. * Berlin, 17. December. DaS heutige parlamenta rische Diner beim Reichskanzler, über welches wir im größten Theil der Auflage des letzten Morgenblattes telegraphisch schon berichtet haben, erhielt durch die Anwesen heit des Kaisers eine erhöhte Bedeutung. Der Kaiser, welcher kurz nach 6 Uhr Abends Wildpark verlassen hatte, war, begleitet von seinen beiden Flügeladjutanten Oberst lieutenant v. Löwenselvt und Freiherrn v. Berg, außerordentlich früh im ReichSkanzler-PalaiS eingetroffen und hatte vor dem Diner eine etwa 20 Minuten währende Conserenz mit dem Reichskanzler. Prinz Alexander von Hohenlohe, Wirkl. Geh. Ober-Negierungsratd v. Wilmowski und der persönliche Adjutant des Reichskanzlers Rittmeister Graf v. Schoenborn machten unterdessen die Honneurs und empfingen die zahl reichen Gäste. Wir bemerkten u. A. die Minister von Boeklicher, vr. Miquel, dem man die Spuren der überstan denen Krankheit noch ansah, Thielen, vr. Bosse, Schönstedt, Freiherrn von der Recke, Breselb, von Goßler; ferner waren anwesend der königliche Hausminister von Wedel, Unterstaatssecretair Humbert, Ober-Hof- und Haus marschall Graf zu Eulenburg, Chefprasident von Wolff. Vom Herrenbause bemerkten wir den ersten Vicepräsidenten Frhrn. v. Manteuffel und den zweiten Vicepräsidenten Oberbürgermeister Becker, sowie die Mitglieder Wirklichen Gebeimen Rath Grafen v. Dönhoff-Friedrichstein, Wirklichen Geheimen Rath Grafen v. Frankenberg, Oberbürger meister vr. Giese, Major Grafen v. Hutten-Czapski, Landrath Grafen v. Klinckowstroem, Kammerherrn Frhrn. v. LandS- berg-Velen, Wirklichen Geheimen Rath vr. v. Levetzow, Fürsten von LichnowSky, Oberst-Jägermeister Fürsten von Pleß, Staatsminister Frhrn. Lucius von Ballhausen, Kammerherrn v. Helldorf-Bedra, Grafen v. Mirbach, Fürsten zu PutbuS, StaatSminister v. Puttkamer, Herzog vou Ratibor, Legation-rath Grafen v. Rebern, Ernst Günther, Herzog zu Schleswig-Holstein, Grafen v. Seidlitz, Geh. Commerzienrath Frhrn. v. Stumm-Halberg, Major Grafen v. Welczeck, den hannoverschen Kammerherrn Grafen zu Inn und Knypbausen, endlich den Bureaudirector Reissig. Vom Abaeordnelenbause waren anwesend: der Präsident Wirkt. Geh. Rath v. Köller, die beiden Vicepräsidenten Frhr. v. Heeremann und vr. Krause und von den Mitgliedern Kammerhrrr Frhr. von Erffa, Kammerherr Rabe v. Pappenheim, Major a. D. Frhr. v. Huene, I)r. Lieber, Landrath a. D. Fritzen, v. Eynern, Wirkl. Geh. Ratb Hobrecht, Director Ist'. Sattler, Staats minister vr. v. Ackenback, Consul a. D. Stengel, LandeS- director a. D. Rickert, AmtSgerichtsrath Motty, Meyer zu Selhausen und der Bureaudirector Geh. RegierungSratb Klein schmidt. Ehe man sich zur Tafel begab, zeichnete der Kaiser, der recht animirt war, verschiedene der geladenen Herren durch längere Ansprachen aus, darunter den Herzog v. Ratibor. Dem Kaiser zur Rechten saß der Präsident des Abgeordneten- banses von Köller, zur Linken der erste Vicepräsident des Herrenhauses Freiherr vou Manteuffel, dem Kaiser gegenüber bal'e seinen Platz der Reichskanzler Fürst von Hohenlohe, recnts von demselben saß der Herzog Günther von Schleswig- Holstein, links Fürst von Pleß; es folgten dann weiter Fürst von PutbuS, Vicepräsident des Abgeordnetenhauses vr. Krause. Der Kaiser zeigte sich bei der Tafel recht gesprächig. Nach dem die Tafel aufgehoben war, hielt er Cercle. Bemerkt wurde es, daß der Kaiser den Oberbürgermeister von Altona, Giese, in ein sehr langes Gespräch zog; er ließ sich von diesem über den Hamburger Hafenarbeiter streik berichten. Tann ging der Kaiser auf den ehe maligen Präsidenten des Reichstages Wirklichen Geheimen Rath von Levetzow zu unterhielt sich mit ihm einige Minuten, zeichnete dann den CultuSminister vr. Bosse und denKammer- derrn von Helldorf-Bevra durch Ansprachen auS; auch der Abg. Meyer zu Selhausen, der schon seit einer langen Reihe von Jahren dem Abgeordnetenhaus? angehört, wurde vom Kaiser angesprochen. Im Großen und Ganzen dürfte, wie wir erfahren, bei den Unterhaltungen die Politik kaum im Vordergründe gestanden haben. Etwa um KV/« Uhr verließ der Kaiser das Reichskanzlerpalais. (Nat.-Ztg.) — Der BundeSratb ertheilte in seiner heutigen Sitzung noch dem Anträge, betreffend die Ausstellung der Civil- versorgungSscheine für die in den Colonialdienst eingetretenen Militairpersonen, die Zustimmung. — Unter dem Titel: „Schleswig-Holsteins Befreiung" ist, wie wir an anderer Stelle mittheilten, in Würzburg von Professor Jansen und vr. Samver rin Buck erschienen, welches eine Recht fertigung der politischen Haltung des Herzogs Friedrich und seiner Rathgeber bezweckt. Die „Berl. Pol. Nachr." sind von zuständiger Seite zu der Erklärung ermächtigt, daß der Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, der Bruder der Kaiserin, dieser Der- öffentlichung absolut fern steht und erst nach deren Erscheinen davon Kenntniß erhalten hat. Die hierzu benützten Unterlagen sind nach dem Tode des Staatsraths Samver im V-litz seiner Familie verblieben. — DaS neueste socialdemokratische „Märthrer- Verzeichniß" bringt unter etwa einem halben Hundert von Verurtheilungen, die hauptsächlich wegen Beleidigungen erfolgt sind, auch die nachstehenden: 2 „Genossen" in Stendal verurtheilt wegen Störung einer golteSdienstlichen Hand lung zu je 1 Monat Gefängniß. 1 „Genosse" in Karlsruhe verurtheilt wegen Uebertretung des Postgesetzes zu 2490 Geldstrafe. 2 Genossen in Berlin wegen Lotterie- und Stempclhinterziehung zu 20, bez. 10 Geldstrafe. 1 Genosse in Dresden wegen Vergehens gegen tz 153 der Gewerbe-Ordnung zu 1 Woche Gefängniß. 4 Genosse in Danzig wegen Störung der Sonntagsruhe zu 14 Tagen Gefängniß und 10 Geldstrafe. 1 Genosse zu Wettin wegen Führung eines falschen NamenS zu 15 — Ausgeschlossen aus der Organisation der socialdemokratischen Handelshilfsarbeiter wegen Veruntreuung von Bereinsgeldern wurde der frühere Cassirer Grauer. Ueber diese Sache entstand gestern solche Aufregung in einer Versammlung der Hilfsarbeiter, daß diese geschlossen werden mutzte. — DaS deutsche Centralcomitä zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke hat im BundeSraths- saal des Reichsamtes des Innern unter dem Ehrenvorsitz des Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe und unter Leitung des Staatsministers v. Boetticher seine erste Generalversamm lung abgebalten. DaS Vermögen deS Centralcomites beträgt zur Zeit etwas über 400 000 * Hamburg, 17. December. In der gestrigen Bürger schaftssitzung wurden die von unS erwähnten beiden Anträge, betreffend die Beseitigung ungesunder Wohn ungen und Schaffung neuer Straßenzüge im Stadlinnern, einstimmig angenommen. * Straßburg, 17. December. Die eingeborenen Studenten haben sich gefügt: Die drei Deputirten, welche die gegen die Relegation deö Studenten Francois gerichtete, von 150 Studirenben unterzeichnete Petition dem Rectorat mißvergnügt in die Kissen des Wagens zurückgelehnt saß und den Blick nicht einmal in die winterliche Landschaft hineinsandte. Schließlich umspann aber auch ihn der Zauber der weih nachtlich geschmückten Natur und auf der Endstation ange kommen, beschloß er, zu Fuß nach dem Gute seines Schwagers zu pilgern und sein Gepäck dem Wagen zu überlassen, der ihn erwartete. JünglingSsrisch kam er sich vor, als er dann wenige Stunden nach seiner Abfahrt auS der Hauptstadt auf der Landstraße dabinwanderte, die Tannen und Fichten alle wie verzauberte Weibnacktsbäume auSsaben, der Schnee unter seinen Füßen knirschte, und die scharfe, aber ruhige Luft seinem Gesichte zu höherer Färbung, seinem Körper zu größerer Elasticitat verhalf. Mit jedem Schritte vorwärts lchüttelte der NegierungSrath gewissermaßen ein Häuflein Actenftaub ab und als er in die Näbe des Wäldchens kam, daS sich dem Garten von Waltersdorf anschloß, blieb er lauschend stehen: die jubelnden Kinderstimmen, die von dorther tönten, schienen ibm dock gerade wie hineinzepaßt in die heitere, sonnendurchstrahlte Natur. Was in dem kleinen Gehölze gesprochen wurde, konnte er zwar nicht im Zusammenhänge verstehen, aber einzelne Worte, wie: Haltet ihn, laßt ihn nicht aus, ziehen muß er, wozu haben wir ihn angespannt, wenn auch ein Stein mehr auf dem kleinen Wagen liegt, nein, die Capriolen, habt Ihr den Stock, gebt ihm ein«, — belehrten ihn darüber, daß die Kleinen, zweifellos seine Neffen und Nichten, wohl den alten Waltersdorfer Pudel zu ihrem Spielzeug erkoren. Es mußte ein Hauptspaß für die Kinder sein, so fröhlich, herzlich, unbefangen und frisch klang ihr Lachen, und der RegierungSratb runzelte die Brauen, als vie Heiterkeit plötzlich wie abgeschnitten war, und in die tiefe Stille hinein, die nun entstand, eine volle Altstimme mit ernstem Nachdruck sagte: „Ich leide eS nicht, daß ihr so un barmherzig verfahrt, gebt ihn frei, Ihr habt Wohl nicht über legt, daß Ihr daS Thier quält, wenn Ibr mehr von ihm . verlangt, als eS zu leisten vermag?" Sollte man doch schon eine Gouvernante engagirt haben und sollte er verdammt sein, die Weihnachtszeit, die drei Wochen deS Urlaubs, die er sich so hübsch im Kreise seiner nächsten Angehörigen auS- gemalt, in Gesellschaft eine» jener Wesen verbringen zu müssen, denen er nun einmal einen hohen Grad von Ab neigung entgegebrachte? Auf dem Platze, den bisher die laute Lust der Kleinen beherrscht, mußte sich da» Bild geändert haben. Heftige» Weinen erscholl von dorther, einige AuSrufe, wie: „Wir haben eS sonst immer gedurft, unsere frühere Erzieherin hat eS nie verboten!" wurden hörbar und dazwischen immer wieder das ernste, aber doch seltsam beherrschte Wort der Altstimme, die schließlich Siegerin auf dem Felde blieb. Mit gesenktem Kopfe, ganz der abgeschlossene Mann von vorher, ehe eS ihm der Winterzauber angelhan, ging der NegierungSrath auf einem Wege, der fernab von der Richtung lag, auS der die Stimmen der Kinder erklungen, dem Hause zu, an dessen Thür er mit offenen Armen von seiner Schwester empfangen wurde. „Du kommst zu Fuß, Max, nachdem der Wagen schon eine ganze Weile hier ist? Da mußt Du e« nun auch entschuldigen, wenn mein Mann noch sür ein paar Minuten fehlt, die er zu einer Besprechung mit dem Inspector nötbig hatte. Welche Freude, Dich endlich einmal wiederzuseben. Wären es nur mehr, wie kurze drei Wochen, sie vergehen so schnell, und die Kinder sind doch schon seit Langem so aufgeregt bei dem Gedanken an daS Kommen von Onkel Max, daß die Gouvernante alle Mühe hat, sie im Zaume zu halten." „Die Gouvernante — ja, hast Du denn schon eine engagirt, ich bringe Dir ja doch erst Briefe und Zeugnisse mit?" fragte der NegierungSrath und ließ sich von der kleinen, lebhaften Frau in daS Wohnzimmer ziehen. „Ack, eigentlich nenne ich sie nur so, sie hat noch gar kein Examen gemacht, und ich nahm sie nur zur Vertretung, bis Du mir eine besorgt, denn eS traf sich ja zu unglücklich, daß mit dem vorigen Fräulein kein Auskommen war und daß ich eS Knall und Fall mitten im Quartal entlassen mußte. Glücklich traf ich's aber doch, daß eine Bekannte von mir von diesem Fräulein Roell wußte und sie mir empfahl, ich habe lange Ferien gar nicht gern, denn man wird von ven kleinen Wildfängen doch oft über Gebühr in Anspruch genommen." „Und diese neue Acquisition bewahrt Dich davor?" fragte der Bruder, nicht ohne leise Ironie, die der Schwester aber entging. . ... „WaS willst Du, Max?" sagte sie leichthin, „man macht an eine ungeprüfte Erzieherin keine Ansprüche und ich habe nach ihren Kenntnissen daher noch nicht recht geforscht. Sie ist mir bequem und da« ist mir viel Werth, denn in den vier Wocken, die sie hier ist, hat sie mir den Kopf mit Klagen über die Kinder noch nicht einmal warm gemacht, während geprüfte Lehrerinnen an einem Tage mindesten» sechs Mal mit Verdammung-urthrilen zu mir kamen." „Ja, mit dem abgelegten Examen meinen sie wohl, alle zeit auf dem Kothurn der Gelehrsamkeit und pedantischer Strenge stehen zu müssen", sagte der NegierungSrath, dem eS wie eine Erleichterung erschien, während der Zeit des Ur laubs wenigstens ein ungeprüftes, junges Mädchen neben sich zu haben, und zog dann die Zeugnisse und Papiere, die er mitgebracht, hervor, um den unliebsamen Gegenstand der Gouvernantenfrage ein für allemal abzuthun. In alles Für und Wider der Geschwister hinein erscholl aber lautes Rufen und Trappeln vom Flur her, dann wurde die Thür hastig aufgerissrn und über die Schwelle stolperten und drängten sich vier, fünf Blondköpfe, einer immer kleiner wie der andere und nur in einem übereinstimmend, in der Freude über daS Kommen deS Onkels und in der stürmischen Begrüßung desselben. DaS schöne Lächeln, daS das Antlitz des RegierungSratbeS so wundersam verklären konnte, lag wieder auf seinem Gesicht, als er sich tief zu den Kindern herabbeugte und sich von den kleinen Armen fest umschließen ließ und der herzenS- warme, freundliche Ausdruck war auch noch nicht gewichen, als er sich aufrichtete und sein Blick aus die schlanke Mädchen gestalt siel, die sich schüchtern in einiger Entfernung von der Gruppe der Verwandten hielt. Wie eine Erinnerung ging r» durch die Züge deS Rathes, die Augen deS Mädchens aber hafteten mit jähem Erschrecken auf der Erscheinung deS Fremden, dann hob sich die kleine Hand fast abwehrend, um gleich darauf, wie nach einer Stütze, nach dem Fenstersims zu greifen, der sich in der Nähe befand. Frau Walter sah von dem Allen nichts; sie achtete auch nicht darauf, daß ihre Kleinen den Bruder wohl Lurch allzu eifrige fortgesetzte Lieb kosungen bedrängten und noch weniger dachte sie daran, dem RegierungSratb Ella vorzustellen. In ihren Augen war der Rath ein durch sein Alter und seine St klung schon zu gewichtiger Mann, al« daß er einem jungen Wesen, daS für sie nicht viel höher als ein Dienstmädchen stand, vorgestellt zu werden brauchte, und seiner Aufforderung, ihn mit der Erzieherin bekannt zu machen, folgte sie daher mit Nachlässigkeit. „Fräulein Roell", — eS lag wie das Gebot näher zu kommen, in den Worten, aber Ella rührte sich nicht —, „Fräulein Roell, mein Bruder, der RegierungSratb Below", und dann wandte sich die kleine Frau ibrem Jüngsten zu, der sie an den Fallen ihre» Kleides gezupft batte und hörte so eifrig auf die Geschichte von dem angespannten Pudel, den Fräulein dann selbst sreigrmacht, daß sie von der kleinen Scene in der Fensternische gar nickt» gewahr wurde. llkll verkauft ru * Pai lautet, H« Ultimatuv siellung! lass kl'vk! Olwii kn 81 Lhi p * Pet Kaiseri« in Begier Olga hie, * AuS gemeldet: gegenwärt reiche Pa Berathun, in Folge Sohne» - Quelle b Verhandl» * Von bat im N einen zwe die Trade bürg zu LohnauSst Dockarber wenn die * Pet im Mini der frühe: Zacharc ren Pr Wassilj Hierauf r schoß si war sofo: wurde in Vime. ( Prinzessin worauf a würde. 5 einem Bei der frühe, Wünschen gesehen, d ist, und s Flüchtigen auStret« sür die S Dort hatte der Regierungsrath nach einem nochmaligen prüfenden Blicke auf daS blasse Mädchen seine Hand auS- gestreckt und mit einem fast heiteren Tone auSgerufrn: „Wahrhaftig, meine kleine muthige Reisegefährtin auS Mei- burg, aber die Hand war nicht genommen worden. Ella hatte den Kopf, um den die braunen Flechten wie eine Krone lagen, nur leicht geneigt, und als der NegierungSrath ge sehen, daß eS unmöglich war, ein weiteres Gespräch mit dem Mädchen anzuknüpfen, batte er sich mit einem ganz kleinen Achselzucken wieder der Schwester zugewandt. Eine Minute später war die Fensternische leer und Ella ging in ihrem Stübchen mit gesenktem Haupte auf und ab. Also, daS war der Onkel Max, von dem so oft die Rede gewesen und nach dessen Familiennamen sie nie gefragt. Der Mann war eS, der ihr den größten Schmerz ihres jungen Lebens bereitet, der sie zuerst daS Mißtrauen den Menschen gegenüber ge- lebrt, nun sah sie tausend Mißhelligkeiten und Unannehmlich keiten voraus und bei dem Gedanken, täglich mit ibm zu sammen sein zu müssen, krampfte sich ibr da» Herz zusammen. Wenn sie fort gekonnt hätte, plötzlich, in dieser Stunde noch, — aber sie durfte eS gar nickt, denn ibre Mutter war so froh gewesen, daß sie Aufnahme in einer gebildeten Familie gefunden. Wie ein Sonnenstrahl war der Brief der Bekannten von Frau Walter, Ella könne in WalterSdorf für ein paar Monate Stellung finden und dort auch Gelegenheit haben, weiter zu studiren, in die kleine Häuslichkeit der Wittwe Roell gefallen, und mit glänzenden Augen batte Ella sofort mit ihren Reisevorbereitungen angefangen. Ihre Mutter konnte ja nun, wie eS ihre zarte Gesundheit be durfte, mit ruhigem Herzen für einige Wochen zu dem Bruder nach der Hauptstadt «eben und dort einen geschickten Arrt ihre» Leiden« wegen zu Ratbe ziehen, sie konnte einmal aufsteben und sich zu Bett legen, ohne zwölf Stunden lang sich geistig und körperlich mit HauSbaltungSsorgen zu beschäftigen. Ob, eS war so viel gewonnen durch die Ver tretung einer Erzieherin bei Frau Walter, und da» junge Mädchen war frisch und fröhlich seinem Zielt entgegen gegangen. Daß sie e« nicht alle» so gefunden, wie sie eS erbofft, daß sie eS niit einer ganzen Schaar ungezogener Kinder und einer leichtlebigen Gebieterin zu thun batte, die oft ungerechtfertigte Ansprüche stellte, und, daß sie die Nacht stunden zur Hilfe nehmen mußte, um weiter zu studiren, davon schrieb sie dann später freilich nicht» nach Hause. (Fortsetzung folgt.) der Universität überreicht hatten, zogen die Petition zurück. (F. Z.) * München, 1k. December. Der Unfugöparagraph wurde vor dem hiesigen Schöffengericht in einem Falle heran gezogen, wo es sich darum bandelte, Beleidigungen des Fürsten Bismarck, begangen durch die Presse, zu sühnen. In einer der jüngsten Nummern der socialdemokratischen illustrirten Wochenschrift „Süddeutscher Postillon" war unter dem Titel „Enthüllungen, Ballade vom Sachsen walde" ein Gedicht erschienen, da« Beleidigungen des Fürsten Bismarck enthielt. Deshalb stand heute der ver antwortliche Redacteur deS Blatte» Eduard Fuchs wegen groben Unfugs vor dem Schöffengericht. AmtSanwalt Graf v. Maldeghem hatte bei Beginn der Verhandlung den Aus schluß der Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung beantragt. DaS Gericht trat jedoch dieser Ansicht nicht bei. Das Urtheil lautete entsprechend dem Anträge drS AmtSanwaltS auf sechs Wochen Hast und führte unter Anderem auS: Die Behauptung des Angeklagten, eS liege kein grober Unfug, sondern lediglich eine Beleidigung vor, sei insofern richtig, als auch Beleidigung vorliege. Da aber kein Strafantrag gestellt sei, scheide diese Gesetzesverletzung auS, und der Angeklagte babe sich wegen der weiteren Gesetzesver letzung, die in dem Gedicht liege, wegen groben Unfugs zu ver antworten. Auch die Auffassung deS Angeklagten, eS sei nicht das moralische Gefühl, sondern höchstens die Aestbetik verletzt, sei unrichtig. BiSmarck sei zwar jetzt keine politische Persönlichkeit mehr, allein eS müsse jeden Deutschen aufs Tiefste verletzen, daß dieser Mann in solcher Weise in den Koth gezogen werde. Auch die weitere Behauptung deS Angeklagten, der „S. P." werde nur in Arbeiterkreisen gelesen, die an dem Gedicht kein Aergerniß genommen hätten, sei nicht richtig, da dieses Blatt Jedermann zugänglich sei, auch in öffentlichen Localen aufliege, so daß sicher anzunehmen ist, es habe hieran eine große Anzahl von Personen Aergerniß genommen. Da der Angeklagte wegen Preßvergehen schon zwei fünfmonatige Gefängnißstrasen verbüßt bat, gelangte das Gericht zur Verhängung der höchsten zulässigen Strafe, da die historische Erscheinung BiSmarck'S in An erkennung seiner Verdienste einen ganz besonderen Schutz genießen müsse. — Die „Münch. Reuest. Nachr." weisen mit Genugthuung darauf hin, daß gerade ein bayerisches Gericht dieses Urtheil gefällt hat. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 17. December. Der König von Serbien ist beute Abend nach Belgrad zurückgereist; bis Pest giebt ihm König Milan das Geleit. Zur Verabschiedung war der Gesandte von Serbien Simitsch auf dem Bahnhöfe erschienen. * Wien, 17. December. (Abgeordnetenhaus.) In der Unterrichtsdebatte erklärte Unterrichtsminisler Frhr. v. Gautsch, er werde es mit Dank begrüßen, wenn die Bemühungen der Regierung betr. die Errichtung der Universität in Mähren bei der be stehenden böhmischen Universität vollste Unterstützung fänden. Gegenüber dem Abgeordneten Campi, der die Errichtung einer italienischen Universität verlangte, erklärte der Minister, die Regierung sei bemüht, a n de r U n i v e r f i t ä t Innsbruck italienische Parallel-Lehrstühle zu errichten. Einiges sei auch bereits geschehen, Leider ermuntere der bisherige Besuch nicht die Bemühungen der Unterrichtsverwaltung. Frankreich. Vin normal Denkender. * Paris, 17. December. Einige kleine Blätter hatten dem vr. Roux nahcgelegt, den Kronenorden, den der deutsche Kaiser ihm verliehen hat, abzulehnen, wie Professor Pasteur es gethan hat. vr. Roux erklärte heute einem Interviewer des „Matin", daß er durchaus keinen Grund zu einer solchen Ablehnung habe. Pasteur sei Pasteur gewesen und durste sich gestatten, in dieser Weise aufzutreten. Die jetzige Ordensverleihung sei einfach die Erwiderung auf die Verleihung des Ordens der Ehrenlegion an die Professoren Koch und Behring, die Roux die „vielleicht glänzendsten Namen der heutigen Wissenschaft" nennt. („B. T.") Italien. * Nom, 17. December. Der König empfing heute den deutschen Botschafter von Bülow und den Militairattach^ Major v. Jacobi. * Rom, 17. December. Der Senat nahm nach kurzer Be- rathung den Gesetzentwurf, betreffend den Schutz der mili- tairischen Vertheidigungsmatzregeln in Friedenszeiten, an. Der Gesetzentwurf setzt Gefängnißstrafen in verschiedener Höhe auf die Spionage fest. Zur Flucht der Prinzessin Elvira v. Bourbon wird der „Intern. Corr." aus Madrid geschrieben: In den Kreisen der Karlisten erzählt man, daß das flüchtige Paar zwar zunächst nach Amerika entkommen sei, daß aber doch von einflußreicher Seite ein Ausgleich der ganzen Sache angestrebt werde. Sogar ein hoher Kirch en sür st bemühe sich, dem Paare den Nachweis zu erbringen, daß vie erste Ebe deS Malers Folchi nicht allen kirchengesetz lichen Erfordernissen entsprochen habe und deshalb auch nach kirchlichem Rechte als ungiltig erklärt werden
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