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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-19
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Unter den zweiten Entwurf, welchen formell die Abgeordneten von Kardorff, Liebermann v. Sonnenberg, v. Manteuffel und Ploetz ein bringen, haben Conservative, Reichsparteiler, Antisemiten, Polen, ferner die Abgg. UnterstaatSsecretair Herr v. Bulach und Graf BiSmarck-Schönbausen ihre Namen gesetzt, im Ganzen 98 Abgeordnete. Zählt man zu diesen die oben er wähnten 63 Centrumsabgeordneten hinzu, so ergiebt sich eine Gesammtzahl von 16t Unterschriften. Damit steht außer allem Zweifel, daß der Doppelantrag zur Annahme gelangt. Denn hätte es auch bei den bisherigen Unter schriften sein Bewenden, so müßte, um den Antrag zu Fall zn bringen, der Reichstag mindestens eine Präsenz von 323 Abgeordneten ausweisen. An seinen besten Tagen in dem verflossenen Sessionsabschnitt aber hat eS der Reichs tag höchstens auf 40 Abgeordnete mehr gebracht, als ins- gesammt unter den Anträgen sieben. Somit steht fest, daß die Antragsteller überhaupt der Mühe überhoben sind, ihre neuen Vorschläge zu begründen; sie brauchen über den Antrag nur abstimmen zu lassen, schnell in drei Lesungen hintereinander, uni so dem BundcSralh möglichst bald Gelegenheit zu geben, die neuen Vorschläge darauf hin zu prüfen, ob sie mit seinen bisherigen Be schlüssen nicht im Widerspruche stehen. Die Antrag steller nehmen dies doch offenbar an, denn sonst hätten nicht auch diejenigen conservativen und reichspartei lichen Abgeordneten ihre Namen darunter gesetzt, die in der entscheidenden Sitzung der wirtbschaftlichen Vereinigung der Ansicht waren, daß man praktische und nicht agitatorische Politik treiben und somit nicht dem Bundesrath mit Zumuthungen kommen dürfe, die er, wenn er nicht in einen bedenklichen Widerspruch mit sich selbst kommen will, zurückweiscn muß. Auch vom Centrum wird ver sichert, daß eS ihm um einen „guten AuSaang" zu thun sei. Der erste Grund, der den Bundesrath in der letzten Session zur Ablehnung veranlaßte, war das „Färbe verbot", welches, wie folgt, lautete: „Der Zusatz von Färbemitteln zu Margarine oder Margarinekäse, welche zu Handelszwecken bestimmt ist, sowie das gewerbs mäßige Verkaufen und Festhalten von Margarine oder Margarinekäse mit Zusatz von Färbemitteln ist verboten." Zn weiten Kreisen der Bevölkerung ist diese Bestimmung als der „Verekelungsparagraph" bezeichnet worden. Dazu führte der preußische LandwirthschaftSininister aus, daß daS Verbot nichts nütze, weil mit einein Zusatz von gelbem Oel sich ebenfalls eine buiterähnliche Farbe erzielen lasten würde, daß ferner die heimische Margarinefabrikation auf Kosten der aus ländischen benachtheiligt würbe. Die Einfuhr butterähnlicher ausländischer Margarine läßt sich nicht hindern. Gegen dieses Färbcverbot hat auch die na tionalliberale Fraktion einmüthig gestimmt. Wir heben dies mit besonderem Nach druck hervor, denn der neue Margarine-Entwurf wiederholt diese« Färbeverbot, da« im BundeSrath die Vorlage zum Scheitern brachte, wörtlich. WaS danach von den Aus streuungen der Organe deS Bundes der Landwirthe zu halten ist, Mitglieder der nationalliberalen Fraktion würden dafür stimmen, bedarf keiner weiteren Ausführung. So ist die Vorlage wieder auf denselben tobten Strang geschoben, auf dem sie im letzten Winter gelaufen ist. Damit könnte man die Diskussion schließen, wenn nicht die Antragsteller noch besonderen Werth darauf legten, daß insofern dem BundeS- rathe ein „Entgegenkommen" bewiesen sei, als die von diesem gleichfalls als unannehmbar abgewiesene Trennung der Verkaufsräume abgeandert sei. In der Tbat, die neue Formulirung gebt dahin, daß nur in Städten über 5000 Ein wohner die Trennung der Verkaufsräume stattsinden soll. Daß diese Klausel dem BundeSrath aber daS neue Gesetz annehmbar machen soll, ist eine wunderliche Zumutbuna. Warum 5000 Ein wohner? Warum nicht 6000 oder 10 000? Ist etwa eine Stadt von 6000 Einwohnern social oder gewerblich so sehr anders be schaffen, als eine von 5000, um ihren Gewerbetreibenden, die mit den allergeringsten Ausnahmen nur einen Verkaufsraum haben, zum Vertrieb der Margarine einen zweiten Verkaufs raum aufzunöthigen? Ist eS weiter nicht ein Widersinn — die Argumentation der Väter der gedachten Gesetzentwürfe einmal als richtig angenommen —, gerade in den Städten, aus deren Markt die bäuerliche Butter besonders angewiesen ist, die Concurrenz der Margarine zu „vrivilegiren"? Da ist eS kein Wunder, daß der Erfindungsgeist der Urheber der Vorlage sich in den allersonderbarsten Neuerungen gefällt, so in der Bestimmung, daß die Maraarine-VerkaufSgefäße einen 5 cm breiten Streifen von rother Farbe tragen müssen. Wie mehr offen als klug zugegeben wird, sind diese Bestimmungen klerikalen Wahlsorgen um das Sauerland entsprungen. Die Margarine fässer werden nämlich fast ausschließlich auS Buchenholz her- gestellt' daS ist fest und sicht sauber aus. Zuerst gedachte man daS ganze Margarinesäß roth anstreiche» zu lassen. Dann hätten aber die Margarinefabrikanten schwedische Weißtannenholz fässer genommen und die Sauerländer, welche hauptsächlich die Buchenholzbottiche produciren, sich über diese GefetzeS- macherei beschwert. So ließ man, um der Margarine daS Buchenfaß zu erhalten, eS bei dem rothen Streifen bewenden. Ein specisischeS Erkennungsmittel enthält der neue Entwurf nicht. Mit dem Phenolphthalein ist eS nicht»; eS ist erstens gesundheitswidrig und zweitens leicht auSzuwasch»«. So Hal das Centrum die Absicht, eS mit einer Mischung von Stärkemehl zu versuchen, und erwartet vom Reichsgesundheitsamt, daß es sein xrodrrtum darunter sitz«. Nun schadet ein Zusatz von Stärke allerdings nicht; eS ist und bleibt aber eine NahrungSmitttlverfälschung. So soll, um Butterverfälfchung zu verhüten, Margarine verfälscht, der Teufel also sieghaft mit Belzebub auSgetrieben werden. Es liegt auf der Hand, daß bei diesem Vorgehen absolut nichts erreicht werden kann, daß den Schaden davon lediglich die solive Butterproduction hat, die in Folge dieser agrarischen Uebertreibungen wieder nicht den berechtigten Lckutz gegen unlauteren Wettbewerb erlangt. Diese allein und mit ihr die Landwirthschaft haben den Nachtheil. Von der nationalliberalen Partei aber zu verlangen, unter eine Schädigung der berechtigten Interessen der Landwirth- schaft iyr Siegel zu setzen, »st eine Zumuthuog, die nicht scharf genug zurückgrwirsen werden kann. ihrem Sophaplätzcken zu bringen, jetzt aber fühlte sie, daß sie dasselbe bei Rath Below weder wolle noch könne, und da ihr trotzdem ihre Schüchternheit nicht erlaubte, eine Scene zu bereiten, war e« ihr eine Erleichterung, als daS Mädchen gerade wieder ins Zimmer bereinkam. Auf einen still schweigenden Wink von ihr brachte jene den Kaffee zum Re- gierungSratb, während sie selbst die Tassen zu dem Haus herrn und der Hausfrau trug. „Hat Fräulein Roell Deinen Geschmack getroffen?" fragte Frau Walter, mit halber Neigung nach dem Mädchen bin, ihren Bruder, und sie lächelte dann mit Befriedigung, als der Rath mit vollem Nachdruck sagte: „So gut, wie meine Wernicke, ganz vollständig so gut!" Am Abend, Alles schlief schon, saß Ella lange über ihre Bücher gebeugt und versuchte, wie sonst, eifrig zu studircn. Aber, so gut e« früher gegangen, beute rückte sie nicht von der Stelle. Die bittere Stunde, in der sie die harte Ant wort des RegierungSratbS auf ihr UnterstützungSgesuch ge lesen, trat immer wieder vor ibre Seele und schließlich be schattete sie die Augen mit der Hand, gab alles Lernen auf und überließ sich ganz ihren Gedanken. Am folgenden Tage wurde Ella fortwährend an die Seite der kleinen Frau gerufen und diese schien eS vollständig vergessen zu haben, daß die junge Erzieherin zu einem an deren Zwecke da war, als nur, um sie im Haushalte zu unterstützen. Gardinen sollten aufgesteckt, die Nippes sachen abgewaschen werden, dann galt es wieder, nach den Kindern zu sehen und dies Alles wechselte in so rascher Folge, daß die schlanke Gestalt des Mädchens bald hier, bald dort auftauchte, und daß ihr der RegierungSrath scherzend zurief, man gönne ihr nicht einmal so lange Rast, um ordentlich Atycm zu schöpfen und daS ginge ja schneller wie die Fahrt im Postwagen nach Meiburg. Ella erwiderte kein Wort, aber die Farbe ibrer Wangen vertiefte sich und etwas wie Zorn, etwa« wie Trauer tauchte in ihren klaren Augen auf. Warum nur die Erinnerung an diese Fahrt? Sie kam so wie so ungebeten; sie sprach jedesmal ein Wörtchen zu Gunsten deS Regierung«- ratbrS, wenn ihr Herz ihn uin seines harten, unmenschlichen UrtheilS wegen verdammte und ließ sich nicht abweisen, so sehr sie sie auch mit Stumpf und Stiel auSzurotten strebte. Verschiedene Male hatte sie schon auf dem Punkte gestanden, mit Frau Walter über dir frühere Begegnung mit dem Herrn Rath zu sprechen, aber dann hatte sie eS immer wieder gelassen. Die kleine Frau hielt selten längeren Gesprächen Stand, überdies war eS ihr, Ella, lieb, ihre- Widersachers so wenig wie möglich zu erwähnen und sie glaubte außerdem auch, daß ver RegierungSrath seine Schwester längst in das kleine Erlebniß eingeweibt habe. Zn letzterer Annahme irrte sie nun zwar. Der Herr Rath war auch noch nicht dazu gekommen, deS Reisevorfalls Er wähnung zu tbun, denn gleich nachdem er Ella gesehen, war er von Frau Walter in ein weitab liegende« Gespräch ge zogen worden, später dachte er während mehrerer Stunden nickt mehr daran und schließlich hielt er eS für zu spät, auch nicht mehr der Müde Werth, zu erwähnen, daß ibm die neue Erzieherin nickt fremd sei. So herrschte doch ein kleines Gebcimniß zwischen den beiden Menschen, aus dem sich der Rath das Recht zog, vertrauter mit dem jungen Mädchen zu sprechen, wie er eS sonst wobl mit einem anderen getban hätte und unwillkürlich ein Auge darauf zu haben, welche Stellung Ella wohl im Hanse seiner Schwester einnebmc. Und da bemerkte er bald, wieviel von dem jungen Mädchen gefordert wurde, so viel, daß ibn ibr immer freundliches Gesicht bei allen Dienstleistungen in Erstaunen setzte und ibn, bei aller Pedanterie, die ihm eigen, doch zu einer Art von Enthusiasmus binriß. „Solch' ein Mädchen, wie das", gestand er sich schweigend zu, „so praktisch, umsichtig und bescheiden, das müßte ja ein Schatz in einer geregelten, ruhigen Häuslichkeit sein, wo es notabene auch nicht so viel zu thun hätte und nicht em solcher Kinderschwarm ist. Muß mich dock einmal in meinem Be kanntenkreise nach etwas Paffendem für sie Umsehen." Am Sonntag kommen einige benachbarte Familien zum Besuch und, während sie sich im Salon nm das gemütblick brennende Kaminfeuer scharten, wird Ella im daranstoßenden immer damit beschäftigt, den Kaffee zu brauen und die assen zu füllen. Von dem Nebenraume her, tönten dabei die Worte der Unterhaltung deutlich an ihr Ohr, und wie eS schien, überließ sick Ratb Below einer völlig zwanglosen Heiterkeit, die wunderbar zu seinem sonst so ernsten Wesen contrastirte. Seine Stimme war c«, die besonders zur Geltung kam, er sprach frisch und angeregt von seinen Reisen, die er gemacht, von den Erlebnissen, die er gehabt, und als Ella s Blicke einmal zufällig da« geistig belebte Ant litz deS RegierungSratbe« streiften, kam ibr der AuSiuf ihrer Mutter in« Gedächtniß, den diese vor zwei Zabren über den Vertreter de« Präsidenten getban: „So jung bätte ick mir den Herrn nicht gedacht, Ella!" Ja, er sah jung und frisch auS, inmitten der Fremden, Die Unterstellung ultramontaner und demokratischer Blätter, Fürst Bismarck oder sein Sohn Herbert gehörten zu den Hintermännern des Herrn v. Tausch und hätten sich eines mit der Aufspürung politischer Intriganten betrauten preußischen Polizeibeamten bedient, um Jntriguen gegen den Kaiser und sein« Regierung anzuzetteln, ist zu unerhört albern, als daß man sie ernsthaft zurückzuweisen brauchte. Wohl aber muß man fragen, welchem Zwecke diese Urner stellung dienen soll. Für die höchste Stelle im Reiche kann sie ihrer Widersinnigkeit wegen nicht berechnet sein, auch den Räthrn der preußischen Krone traut man wohl kaum die grenzenlose UrtheilSlosigkeit zu, die zu dem Glauben gehören würbe, Fürst Bismarck oder Graf Herbert hätten einen Beamten der politischen Polizei angestiftet, um die Inhaber der höchsten Reichs- und preußischen Staatsämter gegen einander mißtrauisch zu machen oder zu verhetzen. Es bleibt also nur die Annahme übrig, jene Presse betreibe die dumme Anschwärzung deS Altreichskanzlers und des früheren Staatssecrrtair« Grasen Bismarck lediglich deshalb, um ihre Leser in ihrem blöden GiSmarckhafse noch mehr zu bestärken und ihnen gleichzeitig mit der Person des Schöpfer- der deutschen Einheit auch dessen Schöpfungen zu verekeln. Daß ein solches Treiben „grober Unfug" in deS Wortes eigentlichster Be deutung ist, braucht nicht bewiesen zu werden. Wir halten eS deshalb für durchaus berechtigt, daß der Redakteur eines Münchener socialdemokratischen Blattes wegen einer ähnlichen Verunglimpfung des Fürsten Bismarck vom Schöffengerichte wegen groben Unfuges zu stckS Wochen Haft verurtdeilt worden ist. Die „Franks. Ztg." ist freilich außer sich über diese- Urtheil: „Wir müssen denn doch gestehen, daß wir ein solches Urtheil nicht für möglich gehalten hätten. Was um Alles in der Welt geht die Gerichte denn die historische Persönlichkeit des Fürsten Bismarck an, daß sie sich zu ihrem Schutz berufen glauben? Ist Fürst Bismarck denn schon eine Staatseinrichtung geworden, dir gegen Verunglimpfungen zu schützen ist, und welche dir Ge richte der Kritik entziehen dürfen? Nach einer solchen Begrün- düng fehlte in der That nur noch, daß man die Bestimmungen gegen Gotteslästerung zu seinen Gunsten anwendete. Ganz Deutschland muh nach der Ansicht des Herrn Amtsrichter« an solchen Besprechungen der Handlungen Bismarck's Aergerniß nehmen. Ja, der Amtsrichter v. Bomhard repräsentirt doch nicht ganz Deutschland, und wenn eine Anzahl von Bismarckverehrern an absprechenden Kritiken über ihren HeroS Anstoß nehmen, so hat das die Gerichte doch absolut gar nichts zu bekümmern, so ist da« doch noch lange nicht eine „Erregung öffentlichen Aergernisses". Wir meinen, die ganze Presse hat gegründete Ursache, scharfen Protest rinzulegen gegen eine solche Beschränkung ihres Rechts der freien Meinungsäußerung, die lediglich daraus hergeleitet wird, daß einige Gerichtsmitglieder diese Meinungsäußerung mißliebig vermerken, daran Anstoß nehmen." Die ganze Presse hätte nach unserer Ueberzeugung nur dann Anlaß, gegen daS Urtheil zu protestiren, wenn der Verurtheilte z. B. gegen Herrn Leopold Sonnemann oder eine ähnliche Parteigröße sich vergangen hätte. In ibm würde keine große historische Persönlichkeit verletzt, keine große nationale Schöpfung diScreditirt worden sein. Daß die „Franks. Ztg." zwischen ihm und seinen Thaten einerseits und dem Fürsten BlSmarck und seinen Schöpfungen andererseits keinen Unterschied zu machen weiß, liegt nur an der Staarbrille, mit der daS sonst so scharfsichtige Blatt in einzelnen Fällen die Dinge zu betrachten Pflegt. Daß aber diese Brille ein geheiligtes Werkzeug zur Zerstörung von Dankbarkeit, Ehr furcht und Patriotismus sei, wird Wohl nur den Trägern solcher Brillen einlcuchten. Zu der Ermordung des deutschen Bankiers Hacstner in Tanger wird der „Nat.-Ztg." geschrieben: „Diese Unthal wird in Marokko, in Gibraltar nnd Spanien ungeheures Aufsehen erregen. Herr Haeßuer, der seit vielen Jahren in Tanger lebte, war nicht nur der reichste deutsche, sondern überhaupt einer der reichsten und angesehensten Europäer in ganz Marokko. In seinem gastlichen Hause hat wobl jeder Deutsche verkehrt, der einmal Tanger besucht bat. Sein Einfluß auf die marokkanische» Behörden war groß; eine Empfehlung Haeßner's an irgend einen Würdenträger in Tetuan, Fäß oder Marakcscb war ein sicherer Geleitbrief. Und nun mußte er selbst feiger Mörderband zum Opfer fallen! Ueber den Fall wissen wir vorläufig nichts Näheres; es kann sich um einen Raubmord handeln; es kann die That aber auch — und das ist das Wahrscheinlichere — aus Fanatismus, auS Christen- und Europäerhaß, ge schehen sein. Und da muß mit unerbittlicher Strenge der That die Strafe folgen. Graf Tatlenback, ter deutsche Ge sandte, der sehr energisch war, und vor dem Torres, der Ver treter deS Sultan», eine heillose Angst hatte, weilt leider nicht mehr in Tanger; der neue Gesandte ist erst in diesen Tagen dort eingetroffen. Hoffentlich trifft er dort Herrn Rottenburg, der, wenngleich als Ingenieur im Dienste des Sultans stehend, den Marokkanern durch seine Energie, seine Kenntniß der Landessprache und — Irrst not Icrrst — seine Körperkraft und göttliche Grobheit außerordentlich imponirt. Rottenburg und Hacßncr waren die Spitzen der deutschen Colonie in Tanger." Sodann wirft der Verfasser der Zu schrift die Frage auf: Was wird nun geschehen? Soll man sich wiederum, wie bei der Ermordung von Rockslrob u. s. w. mit der Comödie begnügen, daß irgend ein paar arme Teufel aus irgend einem marokkanischen Gesängniß geholt und an irgend einem entlegenen Ort — damit nur kein Gläubiger es sehe und erfahre! — bei Tages- grauen im Beisein eines deutschen Eonsnlarbcamten geköpft werden? Warum duldet man Marokko, diesen Schandfleck der Erde Angesichts Europas überhaupt weiter? Jedermann weiß, daß Marokko nur exisrirt Dank der Eifersucht der europäischen Mächte, hauptsächlich Frankreichs, Englands und Spaniens, zu denen dann noch Deutschland und Italien treten. Aber könnten die sich nicht auch einmal gemeinsam gegen Marokko wenden? Wir lesen Jahr aus Jahr rin, daß europäische Schiffe von den marokkanischen Riffviraten angefalleu, auSgeplünder« und ver- ürannt, daß Capitata und Mannschaft ermordet oder als Sklaven ins Innere geschleppt werden; wir lesen einmal, daß der Brief bote deS französischen Consuls hier, ein andere« Mal, daß der Courier deS englischen ConsuIS dort angefallen, beraubt oder todtgeschlagen wurde; ich habe vor einigen Jahren sin einem Aussatz über die Thätiakett der ^Ilinnoe isrnslits universelle, die durch ihre Schulen außerordentlich segensreich in Marokko wirkt, nachgcwiesen, daß man dort gegen Erlegung von 24 Frcs. ungestraft jeden Juden, mit Ausnahme der Schutzbefohlenen, todtschlagen kann; wir wissen, daß jeder Europäer, gleichviel ob Protestant, Katholik oder Jude, in Marokko täglich in Lebensgefahr schwebt — warum machen wir den Zuständen kein Ende? WaS würde England in einem Fall wie dein Haeßner'schen thun? Es würde 1) den marokkanisch- osficiellen Stadtlheit und das Fort von Tanger in Brand schießen, dann Truppen landen, um die Europäer gegen Feuer und gegen Aus schreitungen der Eingeborenen zu schützen; Motto: .,^'zr »uis, j'? rsete." 2l für die Ermordung Haeßner's »ine Entschädigung von einer Mil lion Pesetas zu Gunsten der Wiltwe und der Kinder Haeßner's verlangen. Diese Million kann Marokko nicht zahlen. Tann — ja dann ist der Augenblick des Zu greisen« gekommen. Dann sagt man einfach: „Da« thut mir sehr leid, ich werde also inzwischen, bi« Du Deine Million bezahlt hast, mir erlauben, die und die Insel oder jenen Ort an Deiner Westküste zu besetzen. .7'^ auis, real«. — Hoffen wir, daß der Tag gekommen ist, an dem der nur noch auf Um die Weihnachtszeit. 4f Novelle von Anna Gnevkow. Nachdruck vkrboten. Ihre Zeilen athnieten immer nur Glückseligkeit über da«, auch jetzt im Winter reizende WalterSdorf, und da der In halt ihrer Briese rin so ganz befriedigender war, war auch Frau Roell heiter und ruhig zu ihrem Bruder gefahren. Und das alle» sollte nun zu Ende sein, zn Ende, weil ein Mann angekommen, den sie Grund hatte zn bassen, den sie haßte. Ella ging eiliger bin und her und eine leickt« Falte trat zwischen ihre schöngezeichneten Brauen. Nein, sie durste nickt selbstsüchtig sein, ihr eigenes Behagen nicht in Rechnung ziehen, wü eS das ihrer Mutter galt. Vorwärts auf dem einmal betretenen Pfade und dem Herrn RegierungSrath so weit wie möglich aus dem Wege gegangen. Deu Kops leicht gehoben, eine frische Rölbe auf den vorder erblaßten Wangen, kehrte sie in das Wohngemack der Familie zurück nnd kam gerade zur rechten Zeit, denn Frau Walter, dir ihre Kinder mit alle» ihren kleinen Künsten, die sie zu leisten vermochten, vorgefübrt, war dessen doch müde ge worden und, was sie erst entzUckt, die Knaben und Mädchen mit dem Onkel recht vertrant zu machen, wurde jetzt ebenso schnell für überflüssig von ibr erklärt. „Fräulein Ella", die kleine Frau svrack sehr obenhin, „führen Sie di« Kinder hinaus und geben Sie ihnen irgend etwas zu thun, dann aber kommen Sie wohl zurück nud be forsten den Kaffer, mein Mann wird gleich hier sein, und mein Bruder sehnt sich gewiß nach einer Erquickung." Der RegierungSrath blickte mit einiger Verwunderung aus, denn er hatte e» bisher noch nicht erlebt, daß eine der Erzieherinnen, die mit pedantischer Genauigkeit ihre Stunden gegeben, einen Spaziergang mit den Zöglingen gemacht, auch noch solche kleine HauSbaltungSgrschastr Übernommen hätte und er war nun neugierig, m welcher Weise Ella da« Ansinnen seiner Schwester ausfassen und sich der gestellten Aufgabe entledigen würde. Ruhig und freundlich sah er sie zunächst zn den Kindern Herangehen, um sie mit sich hinaus- zuführen, als die Kleinen sich aber widerspänstig zeigten, sprach sie in vollem Ernst« mit der tiefen, schönen Altstimme zu ihnen, dir er vorher bei seinem Kommen im Wäldchen gehört, nahm den größten Knaben bei der Hand und ver- chwand mit der ibr anvertrauten Schaar. „Hilft sie Dir denn auch in der Wirtbschaft?" fragte der RegierungSrath ganz erstaunt, als sich di« Thür hinter der chlanken Gestalt geschlossen und er hörte gerade noch die schnelle Antwort derDame: „Was willst Du, zu so etwa« kann man sie schon hrranzirben, wenn sie daS Examen noch nicht gemacht?" als laute Schritte vom Flur her ertönten und mit rtwa« lärmender Fröhlichkeit der Hausherr bereinkam. Bald darauf krackte da« Mädchen die Kaffeemaschine und mit ihr zugleich erschien Ella wieder, um die Bereitung de« Kaffee- zu übernehmen. Niemand achtete jetzt auf sie. Frau Walter sprach eifrigst mit den Herren und diese selbst waren ganz vertieft in Erinnerungen von der vorigen UrlaubSzeit de« NegierungSratbS der. Auch auf dessen Vertretung de« Präsidenten in Meiburg kam einmal die Rede und jetzt glitt ein verständnißvoller Blick Below'S hinüber zu Ella, die die Augen aber nicht von ihrer Arbeit fortwandte und auf das Allereifrigste mit dem Filtriren des Kaffee« beschäftigt war. Der RegierungSrath lächelte. Ihm war die Sprödigkeit de« jungen Dinges, die sich schon bei seiner ersten Begrüßung kundgethan, im höchsten Grade amüsant, um so amüsanter, als sie ihm immer etwa- besondere- Amüsante« bot. Die Frauen im Allgemeinen, er konnte e« sich ja nicht verhehlen, verwöhnten ihn sehr und von den älteren Damen an bi« herunter zu den jüngsten Mädchen wurde er stet« mit dem liebenswürdigsten Lächeln, der größten Freundlichkeit empfangen. Und wenn die« die Damen in der Hauptstadt schon ein müthig tbaten, wie viel mehr war r- der Fall bei den Gouvernanten gewesen, von denen er in jeder Urlaubszeit eine neue in WalterSdorf kennen zu lernen pflegte. Nein, da bildete diese kleine Ella doch eine Ausnahme, wenn freilick auch bei ibr vielleicht Selbstbewußtsein und Koketter» erst nach dem zurückgelegten Examen kommen mochten. „Fräulein Roell, mein Bruder liebt seinen Kaffee gleich zurechtgemackt, zwei Stücken Zucker und nicht zu viel Sahne", rief in diesem Augenblicke die Hausfrau zu dem Mädchen hinüber und fuhr dann in dem angefangenen Gespräche niit ihrem Gatten fort. Ella zuckte zusammen und ein dunkler Blick glitt au« ihren Augen zum Regirrung-ratb hinüber, der von diesem so gnlmüthig lächelnd erwidert wurde, daß sich ihr Stolz hoch aufbäumtr. Sie hatte die Gewobnbert, Herrn und Frau Walter den Kaffee, den sie am Buffet bereitete, sklbst nach
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