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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961222011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896122201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896122201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-22
- Monat1896-12
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Reclamen unter dem Redaction»strick <4ga» spalten) SO/^, vor den Familtrnnachrichten <6 gespalten) 40/4- Größere Schriften laut unserem Peet«, verzeichniß. Tabellarischer und Ztfsernsa, nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen - A uSgabe, ohne Postbefärderung 60.—, mit Postbrsörderuug 70.—. Annahmeschtuß für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. 649. Dienstag den 22. December 1896. SV. Jahrgang. Die konservative Partei und der Sund der Landwirthe. K Herr v. Ploetz hat wegen der Art, welche bei der Aus führung des — am 1. Januar in allen seinen Bestimmungen in Krcfft tretenden — BörsengesctzeS „beliebt worden ist", einen Sturm gegen die Regierungen herausbeschwören wollen. DaS ist ihm fedlgeschlagen, dafür scheint cS aber geglückt, die Gegensätze innerhalb der conservativen Partei, die auf dem letzten Delegirtentage deutlich genug bezeichnet worden sind, aufeinanverplatzen zu lasten. Ein Berliner Blatt batte be richtet, daß es infolge der ablehnenden Haltung dcö Cen- trum- nicht gelungen sei, die Ausführung deS Börsengesetzes im Reickstag zur Sprache zu bringen. DaS berichtigt nun die „Deutsche Tageszeitung" dahin, daß die Conservativen es waren, die die Absicht des Herrn v. Ploetz vereitelten. Im Organe des Bundes der Landwirthe ist zwar die konser vative Fraktion nicht ausdrücklich genannt, aber was hier von einer Fraktion erzählt wird, können nur Mitglieder derselben zum Besten geben, und kein CentrumSabgeordneter gehört dem Bunde an. Daß nur die konservative Fraktion gemeint sein kann, geht mit Sicherheit auch aus dem Um stande hervor, daß es zur Einbringung einer Interpellation nur 30 Unterschriften bedarf. Dir Conservativen zählen über 60 Abgeordnete; wenn diese auch nur zur Hälfte bereit gewesen wären, hätte man sich beim Centrum keinen Refus zu holen brauchen. Die Expektoration der „Deutschen Tages zeitung" ist von einer Beschaffenheit, die ihr möglicher Weise den Charakter eines parteigeschichtlichcn Aktenstückes sichert. Wir geben sie deshalb nachstehend im Wortlaut wieder: „AuS sicherer Quelle können wir bestätigen, daß allerdings die Absicht bestand, eine Interpellation über diese Frage im Reichstage einzubringen und hierdurch eine Aussprache herbeizuführen über die Art, welche bisher bei der Ausführung Les neuen Börsengeseyes vom 22. Juni 1896 beliebt worden ist. Man ist im Bunde der Land- wirtbe der Ueberzeugnng, daß Liese Art das nicht beabsichtigte Ziel der gründlichen Börfenresorm herbeizusühren, sondern vielmehr die Erreichung des Ziels zu erschweren, ja zu vereiteln geeignet sei. Man soll!« meinen, daß eine solche Frage, die sowohl sür die industriellen Interessen, namentlich aber für die laudwirthschafllichen von so bedeutender und grundlegender Wichtigkeit ist, doch unsere ReichstagSabgeorneten soweitinlereijiren sollt», daß sie unter allen Umständen bereit sein müßten, eine solche Aussprache, die nur im Interesse des Volkes liegen könnte, herbeizusühren. Hier, glauben wir, ist d e Flucht in die Oeffentlichkeit noch mehr geboten, al« w»nn es sich nm die Disciplinirung von Beamten handelt, welche sich gegen die Leiter anderer Ressorts vergangen haben. Was geschieht statt dessen? Die träge Masse parteipolitischer Erwägungen vorwärts zu bewegen, ist nicht einmal einer solchen eminent wich tigen Frage gegenüber möglich. Der Außenstehende denkt gewöhn lich, daß die Mitglieder deS Reichstages in aufopfernder Hin- gäbe rastlos die übernommenen Pflichten der Volksvertretung aus üben. Ein Blick aus die Berichte über die Präsenzziffer im Reichs tage lehrt das Gegentheil. Der Außenstehend« denkt, daß der einzelne Abgeordnete wohl in der Lage sei, di« von ihm für nützlich gehaltenen Anträge im Interesse seiner Wähler vorzubringen. Wei« gefehlt! Wenn der Einzelne im Reichstag, etwa« tdun will, so kommt dir Fraktion, dir fürchtet, daß ihr dieser Einzelne über den Kopf wachsen, sie in Verlegenheiten bringen oder sie in ihrem Stillleben zu sehr stören könnte, und hält ihn nieder,— je nachdem, mit mehr oder weniger liebenswürdigen Redewendungen. Geht dieser Einzelne dann zu einer andern Partei und will deren Unterstützung, dann heißt eS: „Ja, von Partei wegen können wir dafür nicht eintreten." Warum vielfach? Weil, — nun weil Stömungen in der Fraktion sind, welche Rücksicht nach mancherlei Richtungen hin verlangen. — Wendet sich der Einzelne weiter an einzelne Mitglieder von Parteien, dann heißt r«: „Ja, ohne unsere Part« können wir nicht- machen; wir sind auch zur Zeit gar nicht orientirt." Wird dann versucht, mit klar legenden Gründen zn wirken, dann tritt schließlich vielfach auch eine gewisse Gleichgiltigkeit, selbst gegen dir wichtigsten wirth- schaftlichen Fragen, hervor. Ist das in aller Welt di» Stellung, die die Abgeordneten zur Vertretung der Interessen ihrer Wähler haben sollen? Wir glauben: nein und meinen, wenn der einzelne Abgeordnete eine Frage, die an ihn herantritt, nicht beherrscht, so soll er sich eifrigst mit idr zu beschäftigen suchen, um orientirt zu sein. Er soll dann in seiner Partei dafür sorge«, daß nicht der innere Zwang der Fraktion alle« aufsprudelnde Leben niederhält, und iedenjalls dahin wirken, daß Fragen, wie die vorliegenden, die von so eminenter Wichtigkeit sür unser ganze« volkSwirthjchaftliches Leben sind, nickt aus Mangel an Kenntniß, aus Mangel an Wollen und der Partrischablone zu Liebe begraben werden. Der „Börien- Tourier" vermuthet recht. Der „Bund der Landwirthe" wird aller dings seinen Weg in die Oeffentlichkeit auch so zu finden wissen. Seine Wünsche und Auffassungen werden der Regierung und der Oeffentlichkeit in geeigneter Weise unterbreitet werden." Derart ist eine Fraktion von einem der Ihrigen noch niemals beruntergemacht oder, richtiger gesagt, beleidigt worden. ES wird der Gesammtbcit der konservativen Ab geordneten Trägheit, Unwissenheit, Mangel an Sachlichkeit und selbst an Gewissenbafligkeit und noch etliches Andere vorgeworfen. Man sollte annebmen, daß diese Sätze nickt mehr eine Kriegsbedrobung, sondern die Kriegserklärung des Bundes an die Conservativen bedeuten sollen, und dafür spricht auch die Ankündigung, die Bundesleitung werde „auch so" den Weg in die Oeffentlichkeit finden, d. h. dock, daß sie an die Oeffentlichkeit gegen die Conservativen appelliren werde. Aber die „Deutsche Tagesztg." bezeichnet ihre Liebenswürdigkeiten alS „von besonderer Seile" geschrieben. ES scheint, daß die Bundesleitung dadurch einen unbekannten „Hintermann" deS Blattes, für den sie nickt verantwortlich sei, für den Fall parat halten möchte, daß die Conservativen den Angriff so ernst nehmen, wie es ihnen die Selbsterbaltung gebietet. Wir glauben nämlich nickt, daß Herr v. Ploetz es leichten HerzrnS auf einen Bruck und ein gegen die Conser vativen gerichtetes selbstständiges Borgebcn bei Wahlen an kommen lassen möchte. Es kann ibm nickt unbekannt sein, daß die Bauern ihn für die frivole Fopperei mit dem nun begrabenen Antrag Kanitz verantwortlich macken. Und das mit Recht. Denn ohne die Propagirung durck die Berliner Leitung wäre daS von dem französischen Socialisten Jaurbs übernommene Projekt des gern mit GeisteSspielcn sich ver gnügenden ostpreußischen Grafen nickt über die Bedeutung eines KreuzzeitungS-Artikels hinauögelangt. Die Enttäuschung ter Landwirthe, die Herr v. Ploetz an die Möglichkeit der Gewährleistung eines bestimmten Getreidepreises glauben ge- lebrt hatte, dürste dem Bunde der Landwinde nicht gut be kommen. Vermuthlich wirb deshalb die „Deutsche Tages zeitung" die in ihrer Beleidigungssache jetzt täglich an gestellten Bersucke, sich „herauSzuwinben", auch gegenüber der konservativen Fraktion zu machen den Auftrag erkalten. Wenn ihr die gar nickt bencidenswcrthe Position erleichtert werden sollte, so Kälte sie dies der fragwürdigen Politik der Produktenbörsen zu danken, die wieder einmal mit Rache für das Börsengesetz drohen. DaS hat in der ganzen Börsengesctzcampagne regelmäßig daS Gegentheil der beabsichtigten Wirkung geübt, sowohl im Lande, als auch bei der Regierung, und die wobltbuenve energische Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg." zeigt, baß die Staatsbehörde sich auch jetzt von den au-gestoßenen Drohungen der Berliner und Hallcscden Produktenbörse nicht einschücktern läßt. Und im Publicum wird man sich nun sagen, daß die Versuche der Händler an der Börse, sich dem Börsengesetze zu entziehen, dessen Nothwendigkeil erst recht dartbäten. Daran wird auch die „Voss. Ztg." nichts ändern, der übrigens beute, wie so manchmal, eine Bemerkung entschlüpft, Vie zu ihrer gewohnten Verherrlichung der Börse schlecht paßt und den rebellirenden Börsenleuten reckt ungelegen kommt. Das Blatt sagt nämlich in einem Ueberblick über daS Jahr 1896: „Gerade mit dem Aufblühen der Industrie unv des WaarenhandelS fällt die rückläufige Be wegung im Börsengeschäft erkennbar zusammen." Diese Beobachtung ist richtig, aber sie widerspricht durchaus der beliebten Darstellung, die in Anlehnung an die Fabel des MeneniuS Agrippa der Börse die Nolle des regulirenden Organs deS WirthschaftSkörpers zuschreibt. Die „Boss. Ztg." möchte freilich die unliebsame Erscheinung — außer natürlich dem fffff-Börsengesetz — der stärkeren Inanspruchnahme deS Geldmarktes eben durch Industrie unv Handel zuschreiben. Aber sie giebt diese Erklärung wenige Zeilen weiter selbst wieder preis, indem sie auf die großen Emissionen verweist, deren Erfolg durch den Geldbedarf des Gewerbes und Handel nicht im Mindesten beeinträchtigt worden ist. Deutsches Reich. * Leipzig, 21. December. Unsere Morgenausgabe vom 17. d. MtS. enthielt ein Telegramm aus Kattowitz des Inhalts, daß dort die Natura lisirung von Ausländern vom Nachweise der Kenntniß der deutschen Sprache ab hängig gemacht werde. Diese Nachricht scheint hier unv dort vakin mißverstanden worden zu sein, daß eine generelle Bestimmung der gedachten Art erlassen wäre. Wie unS näm lich telegraphisch mitgetkeilt wird, schreibt die „Post" in Bezug auf unsere Meldung, eine solche generelle Bestimmung sei nicht erlassen, und es dürfte auch künftig von Fall zu Fall entschieden werden. * Dresden, 21. December. (Telegramm.) DerKaiser und die Kaiserin haben der Wiltwe des verstorbenen Generals ü la 8uite Generalmajors v. Lippe auf telegraphischem Wege ihr Beileid ausgedrückt. — Der Commanvant des kaiserliche» Hauptquartiers unv diensttbuende Gcneraladjutant v. Plessen ist in Folge deS HinscheiveuS des Generals hier eingetroffen. ck. 6. Berlin, 21. December. lieber die Theilnahme deS Polizeiagenten Norm an n-Schumann an den Jntriguen im Orient ist nach der „Int. Corr." noch festgestellt worden: Der gesammte Briefwechsel, den Normann mit grieckischen und armenischen Kreisen führte, ging über „Luzern, Musseg 4, Villa Mundt", wodurch augenscheintick die Aufmerksamkeit von seinen Berliner und anderen Ver bindungen abgelenkt werben sollte. Sein Treiben war ein vollendetes Doppelspiel nach jeder Richtung hin, und man nimmt als ziemlich sicher an, daß er an der Vor bereitung der armenischen Unruhen in Konstantinopel wesentlich betbeiligt gewesen ist. Bei den katholischen Armeniern führte er sich ein mit echten oder unechten Empfehlungsschreiben von hohen kirchlichen Persönlichkeiten. Er sagte, er habe Berichte einzusenden, die dem Papst vor gelegt werden sollten, woraus dieser sicher diplomatische Schritte zu Gunsten der Armenier unternehmen werde, er erbot sich auch, einen Aufrns für die Armenier an die päpstlichen Blätter einzusenden, wie auch tbatsächlich im Mailänder „Osservalore Calolico" derartige Artikel von Schumann erschienen. Bei den orthodoxen Armeniern fükrteer sich genau m dem entgegengesetzten Sinne ei», indem er dort behauptete, der päpstliche Stuhl begünstige die Verfolgungen der A, meiner, damit diese in ihrer Verzweiflung zum Uebertritt zur katholischen Kirche getrieben würden. Er suchte hierdurch die Armenier beider Confessionen mit einander zu verbetzen, was ihm theilweise auch gelang. Bei der griechischen Gesandtschaft in Konstanti nopel, bei der er ebenfalls spioniren wollte, führte er sich auf sehr charakteristische Weise ein: Er sagte, er habe durch den türkenfreundlichen Berichterstatter des „N. A. Her." Wbitman in Erfahrung gebracht, daß die türkische Re gierung trotz ihrer Geldnoth vom 1. Juni d. I. an wieder regelmäßige Subventionen an eine größere Zahl deutscher, österreichischer und französischer Blätter zahle, wobei er auch die Namen einzelner Zeitungen und die Höbe der Beträge einzeln angab. Er ersuchte den Ge sandten, dies seiner Negierung mitzutheilen, damit diese die Liste der bestochenen Zeitungen in geeigneter Weise ver- öffen'tiche. Wäre die griechische Negierung in diese Falle ge gangen, so würde sie selbstverständlich die gesammte europäische Presse, vielleicht mit einigen Ausnahmen, gegen sich aufgebracht haben, was Schumann offenbar beabsichtigte. Das Beachlenswertbeste ist jedenfalls, daß Schumann in türkensreundlicken Kreisen erklärte, seine über die Lage in de, Türkei einzusenvenren Berichte würden durch die Ver mittelung hochstehender Personen dem deutschen Kaiser vorgelegt, und dadurch sei er in der Lage, zu verhindern, daß etwa das Auswärtige Amt in Berlin die türkenfemdliche Politik Englands unterstütze. Berlin, 21. December. Die Zahl der gegen Unfälle im Jahre 1895 versichert gewesenen Personen hat über I7l/z Millionen betragen. In der Jnvaliditäts- und Altersversicherung sind Lt bis 12 Millionen ein bezogen. Fragt man nach den Gründen der Verschieden heit der Versickertenzablen, so ist der haupt sächlichste der, daß gegen Unfall auch eine große Zahl von Betriebsunternehmern, namentlich landwirthschaftUchen, versichert ist. Man wird deren Zahl auf 4*/, Millionen schätzen können. Ferner dürften in den 17>/, Millionen Unfallversicheiler 1 bis N/r Millionen Personen doppelt erscheinen, die gleichzeitig in gewerblichen und land- wirthschastlichen Betrieben beschäftigt und versichert sind. Schließlich darf nickt vergessen werden, das die Unfall versicherung sich auf alle in den versicherten Betrieben be schäftigten Arbeiter, auch auf die jugendlichen, bezieht, während die Jnvaliditäts- und Altersversicherung erst nack Vollendung des !6. Lebensjahres einsetzt. Würden alle diese Personen von der Zahl der Unfallversichertcn in Abzug gebracht, so würde die letztere weit geringer sein, als die der Jnvaliditäts- und AlterSoersicherten. In die JnvaliditätS- und Altersversicherung sind ja aber auch weite Arbeitnehmer kreise, wie beispielsweise die Dienstboten, einbezogen, die zur Unfallversicherung nicht gehören. * Berlin, 21. December. Der Tod deS General majors v. Lippe, der, wie telegraphisch gemeldet, gestern in Dresden erfolgte, ruft die Erinnerung an die seltsame KrankheitSgeschichte deS Generals wach. Herr v. Lippe, welcher Generalakjntant deS Kaisers und Abtheilungschef :m Militaircabinet war, erkrankte Ende Januar d. I. sehr schwer an einem Rückenmarksleiden und ließ sich in das Augustabospital aufnehmen. Die kaiserliche Familie interessirte sich in hohem Grade für daS Befinden deS Patienten, seine Verpflegung erfolgte aus der Hofküche, und er empfing wieder holt Besuche aus dem Kaiserhause. Bis Mitte März befand sich General v. Lippe im Augustabospital, dann wurde er von einem Dresdner „Naturarzt" Gössel, der schon mehrere Wochen hindurch im Augustabospital selbst die Behandlung des Kranken geleitet hatte, nach Dresden übergeführt. Die Angelegenheit, welche großes Aufsehen hervorrief, weil Herr Gössel, ohne approbirter Arzt zu sein, innerhalb de« Augusta- hospitalS seine Tbätigkeit ausüben durfte, wurde dem „Berl. T." damals in einer Zuschrift deS Geheimen Medicinal- raths Köhler folgendermaßen geschildert: „Am 2. Februar d. I. wurde der königliche Generalmajor Herr v. Lippe mit einer schweren organischen Erkrankung des Rückenmarks im Augustahospital ausgenommen. Wenngleich die Erkennung der Krankheit nicht schwer und der Heilplan wisseut- schastlich vorgrzeichnet war, sand am 6. Februar eine Eonsultation des behandelnden Arztes, Les Herrn Professor Ewald, mit Herrn Geheimrath Jolly statt, welcher der Ansicht des behandelnden Arztes in Bezug ans Diagnose und Behandlung vollkommen verpflichtete. Der weitere Verlaus der Krankheit veranlaßte Prof. Ewald, am 18- Februar die schwerbesorgte Gattin auf die bedenkliche, wenn auch nicht ganz hoffnungslose Lage aufmerksam zu machen, und schlug derselbe am genaiinien Tage eine nochmalige Eonsultation mit einer Fachautorität vor. Diese wurde von Frau von L. abgelehnt und seiteu« dersrlben ein Herr Gössel aus Dresden, welcher die vom Staate sür praktische Aerztr verlangte Approbation nicht besitzt, brrufea. Unter diesen Umständen mußte der behandelnd» Arzt zurück treten, da er selbstredend mit einem Nichtarztr weder eine Lonsulation eingehen, noch gar gemeinschaftlich mit ihm den Kranken weiter behandeln konnte. Professor Ewald machte hiervon dem Curatorium des Krankenhauses Mittheilung. Inzwischen hatte Herr Gössel in der That die faktische Behandlung übernommen und zwar im Hospital selbst, da da« Luratorium au« Gründen der Humanität der Ansicht war, dem Kranken gegeu seinen Willen nicht einen etwaigen Transport zumuthrn zu sollen. Im Urbrigen wurde jede Verbindung de« HoSpital« mit Herrn v. L. gelöst; derselbe hatte seinen eigenen Privatwärter und bezog auch seine Verpflegung von außerhalb." Herr Gössel behandelte seit Ende März den General in Dresden. Kurze Zeit nach der Uederführung ging eine Notiz durck die Blätter, daS Befinden de« Generals habe sich unter Gössels Behandlung gebessert, und als vor einiaen Mo naten gemeldet wurde, der Zustand deS Herrn v. Lippe sei boffiiuiigSloS, erfolgte schleunigst eine Berichtigung. Nun bat der Tod die DiScussion zunächst zum Schweigen gebracht. Niemand wird bebauptrn wollen, daß der General v. Lippe mit Sicherheit gebellt worden wäre, wenn er die geordnete ärztliche Pflege im AugustahoSpital nicht verlassen hätte, aber andererseits bat der traurige AuSgang gezeigt, wie verhängnißvoll der Glaube an die Kunst der nicht appro- birten Heilkünstler und Naturärzte sich rächt. * Berlin, 21. December. Nach einer ofkciösen Mit- tbeilung bat die Rechtsprechung eine« Strafsenats des Reichsgericht«, wonach die rechtswidrige Aneignung elektrischer Kraft nicht al« Diebstahl bestraft Frrrllket-ir. Der WeihnachtskobolL. „Guten Abend, Werner!" „Gu'n Ad'nd, Marie!" „Warte nur «och einen Augenblick, Du sollst mir nur etwas halten, Werner." „Aber, Marie, wa« treibst Du damit so, schon zehn Tage vor dem Feste!" „Ach, bitte, Werner, hilf mir doch daS Bein dem Pferdchen anleimen, es ist so dumm abgebrochen und ich bekomme es allein nicht wieder zusammen!" „Aber, Marie, Du weißt doch, ich habe Scatclub heute, und eS kostet 20 Strafe, wenn man zu spät kommt." „Ja, ja, ich weiß, mein Bester, werde Dich auch nicht lange aufbalten, e« dauert ja nur einen Augenblick, fertig macke ich e« rann schon allein." Herrn Werner Stein'« Hut und Rock werden zwar etwas unsanft auf dem nächsten Stuhl niedergelegt und unwillig wird das abgebrochene Beinchen gehalten, bi« der Leim fest geworben ist. „Sieb, sieb! ich quäle mich schon so lange, bei Dir klappt eS gleich, wie alle», wa» Du anfaßt. Nun, Werner, der Leim ist beute Abend so schon flüssig, fiebl ich habe hier noch so viel zusammen zu leimen, die Mobrlchrn all» au« der Puppenstube, wenn Du mir da doch nur noch die drei Puppenköpfcken ausleimen wolltest; bi« Du von Deinem Scat« wlederkommst, kann ich dre Puppen schon angeputzt haben." Stirnrunzelnd leimt und drückt der arme Herr Werner Stein, ohne bis jetzt ein Wort bei den ibm aufgezwungenen Reparaturen von sich gegeben zu haben, die drei Puppen köpfe auf die Bälge; war eS in Wirklichkeit, war e« in Angst um den in Gefahr gekommenen Scatabend — kurz, er stellte dabei recht absprechende Betrachtungen über den von seiner Frau eben erst so sehr ge lobten Leim an, aber verstanden! immer bei sich, der bau«licke Friede, ach, wenn er den hielt, dann kam er immer noch am ehesten zum — Scat und dann, er war kein Frömmler, aber von der WeibnachtSparole „Friede aus Erden" kounte er sich jetzt wenigstens nicht loSsagen. Darum „pock, pock, poch!" versuchte er e» nun schon zum dritten Male in Lammsgeduld mit dem dritten Puppenköpfcken und — Wunder! es hielt — für zwei Sekunden, um sick dann langsam loSzulösen und von dem Balge abermals zu trennen. Jetzt riß Herrn Werner Stein die Geduld und halb mit schlecht verhaltenem Unwillen, kalb mit rührendem Fleben klang e« von seinen Lippen: „Schaffe dock den ganzen Kram zu Fiscker, ich will e« dem deute Abend sagen, der läßt feinem Lehrling da« Spielzeug alle« hübsch fest leimen und dann gleich ordentlich streichen; so wird eS doch nur etwa» halbes " Armer Stein! Fabre wohl, du Hoffnung auf „Friede auf Erven!" kip», raps, riß e» ibm da« Glassckränkchen mit eingeschlagenen Fensterckcn und abgekratzter Politur au« der Hand, den er al» Beweisstück seiner eben vorgetragenen Be hauptung erfaßt balle und ebe er sichS versah, kamen zwei Töpfcken Farbe auf den Tisch mit der nicht unverständlichen Bemerkung: „Erst zu Fischer» lausen!" Jetzt, lieber Slein, dalte an dich, Anzeicken de« Sturme« find da — da erscheint noch zu rechter Zeit Herr Fischer. „Nun aber flott, Werner, Strafe müssen wir so wie so schon zahlen. Und Sie, Frau Stein, Sie haben ja da eine ganze Werkstelle etablirt." Frau Stein probirte eben die Farbe an dem erwähnten GlaSjckränlchen. „Aber wa« wollen Sie denn mit dieser klebrigen Oelfarbe machen, Ihr armer Willy soll wohl auf seinem Schaukel pferd mit dem Hosen kleben bleiben und die Mädchen die Möbelchen nicht von den Fingern losbekommen." „Ja, aber der Kaufmann Schiller hat mir die Mischung als auSgezeicknet empfohlen." „Es trifft sick übrigens aut, ich habe Farbenproben in der Tasche, erlauben Sie, daß ich einen Augenblick ablege." „Aber Karl, wir haben" — doch Scatabend, wollte der arme Stein Herrn Fischer erinnern, kam aber ckur eben bi» zu haben, das Ende des Satzes hieß ibn ein Blick aus den kleinen Augen seiner besseren Hälfte flug« verschlucken und schon sah der Aermste zwei Ueberzieher, zwei Hüte und zwei Stöcke in ein Nebenzimmer tragen. — „Bebüt Euch Gott, eS wär so sckön gewesen!" kam c« ihm in den traurigen Sinn. Frau Stein aber war wie elektrisirt; der größte Malex inkister de« Städtchens wollte an dem alten Spielzeug gute Farben probiren, eine solche Gelegenheit mußte ausgenutzt werden. Im Nu war Platz geschaffen für de» Künstler« Wirken, und als Herr Fischer erst den Pinsel in der Hand batte und ibm, der über seinem Geschäft Freund, Bier, Scat und Cigarren vergessen konnte, eine Farbe immer besser al« die andere sich erwie», ach — da spiegelte sich auf Herrn Stein'» Gesicht ein Gefühl schmerzlicher Enttäuschung, riesengroß, Hoffnung«!»« siebt er, daß e« kein Aufhörrn giebt, Pferdchen und Wagen, Kaufladen und Trockenplatz, Kückenmöbrl und Bettcken, Alle» mußte berbei zur Farbenprobe. Herr Stein stand wie unter dem Einfluß einer höheren Macht, deren Be fehle: „Sol" „Halte die rechte Seite in die Höhe!" „Nun die linke!" „Du mußt fester halten!" „Greife nicht an das Gestrichene!" rc. rc. der vom Schicksal Gepeitschte mechanisch ausfübrke wie Einer, der nicht» mehr zu verlieren, nichts mehr zu gewinnen bat. Schon ist e« >/,1l Uhr, al» endlich Fischer» Pinsel Rübe bekommt, und da erst scheint er sich wieder seine« Freundes zu erinnern. Von diesem aber wissen Fran Stein und Herr Fiscker die gelb und braun und weiß und schwarz blitzblank lackirten Spielsachen so anziehend, so einnehmend aufzustellen, daß er sich auSsöhnt mit seinem Schicksale und denkt: „Scat bin, Scat her, hättest vielleicht verloren und so kostet dich auch da« Spielzeug nicht«". Ja, al» sogar seine Frau einige Fläschchen Bier und die Cigarren auf den Tisch gebracht hat und sie nun alle Drei gemütblich plaudernd beisammen sitzen, da kommen ibm fast Zweifel an über die vermeintliche Unübertrkfflickkeit eine» Scatabend». Frau Stein aber bat schnell noch etwa- Wichtige« zu erledigen. Die Kinder haben ja die Schuhe vor die Fenster gestellt, der Weibnacht« kobold sollte etwa« bineintbun. Was wird da« am Morgen für ein Freuen und Jauchzen geben über die in den Schuhen gefundene Nuß, da« Stückchen Pfefferkuchen oder Marzipan! Und noch etwa« beachtet Frau Stein. Niemals kehrt sie alle Abfälle von den Weibnacht-arbeiten weg. Wa» geben sich dann am Morgen dir Kinder für Müden, au« den Schnitzchcn und Spänchen die Geschenke zu errathea. In den Rauchwölkchen aber, die langsam um die Lampe »eben, seben die drei Leute den Weihnachtskobold in seinen schwarzen, eng anliegenden Sachen, dem Zipfeimützchen, Laterncken und Handwerk-kästchen uuter freundlichem AbschirdS- nicken verschwinden. Nun denken sie an« Zubettgehea —
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