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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961219015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896121901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896121901
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- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-19
- Monat1896-12
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Neclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spaltenj 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ztssernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung >ii 60.—, mit Postbesörderung Al 70.—. Annahmkschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die hlxpedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 19. December 1896. Sv. Jahrgang: deutsche und französische Marine-Arbeiten. Während die leider ausschlaggebende Fraktion des deutschen Reichstags, daS Cent rum, durch ihre Presse unaus gesetzt die neuen Marine-Forderungen, mit denen daS Hau» sich im neuen Jahre eingehend zu beschäftigen haben wird, als übertrieben und über das Bedürfniß hinauSgehend bezeichnen und verschreien läßt, klagt Bruno Weyer in den „Alld. Bl." darüber, daß diese For ¬ derungen die Hoffnungen aller Derer bitter enttäuscht hätten, „welche, durchdrungen von der Nothwendigkeit einer starken vaterländischen Seemacht, nach mancherlei Anzeichen glaubten annehmen zu dürfen, daß zum nächstjährigen Etat ein klarer, weitsichtiger Plan zur Vergrößerung unserer Flotte würde vorgelegt werden, ein Bauprogramm, dessen auf mehrere Jahre berechnete Verwirklichung die langersehnte Sicherheit bieten würde, daß in absehbarer Zeit wenig stens daS deutsche Reich endlich aus seinem maritimen Zchwächezustand erlöst werden sollte". „Wahrlich", so fährt Bruno Weyer fort, „parturiuut Montes, usscotur riäieulus wus, dies Wort drängt sich einem unwillkürlich auf die Lippen in Erinnerung an all das Für und Wider, welches wir in dem zur Neige gehenden Jahr über Flotten- ÄermehrungSpläne hörten und lasen, wenn wir nun erfahren, daß von neuen Schiffen seitens des Reichs-Marineamtes nichts weiter verlangt werden wird, als ein Panzerschlacht schiff, zwei Kreuzer, ein Aviso, zwei Kanonenboote und acht Torpedoboote. Da dies nach dem veralteten Zustande eines großen Theils unserer Schiffe fast ausschließlich nur Ersatz bauten sein können, so bedeutet das neueste Programm also überhaupt kaum eine Vermehrung unseres schwimmenden Materials. Eö scheint demnach, als ob das Leiden Deutsch lands, seine Schwäche zur See, auch weiterhin in chronischem Zustande erhalten werden solle, während in Frankreich nnd Rußland, England und Nordamerika, Spanien und Japan mit ununterbrochener Rührigkeit die längst begonnenen großen Flottenrüstnngen weiter betrieben werben." Jedenfalls werden diese Klagen die verbündeten Regie rungen, die nicht nur mit dem jetzigen Reichstage, sondern auch mit der Wahrscheinlichkeit seiner Wiederkehr im Falle einer Auflösung rechnen müssen, zu einer Erhöhung ihrer Marineforderungen nicht bewegen; wohl aber sind die Gründe, die Bruno Weyer für seine Klagen ansübrt, vollauf geeignet, dem Reichstage die Schwere der Verantwortung zu Gemüthe zu führen, die er auf sich ladet, wenn er aus falscher Spar samkeit zu wesentlichen Abstrichen an den Forderungen der verbündeten Regierungen sich verleiten läßt. Wir lassen daher seine Begründung, die ihn zu einem ebenso interessanten wie lehrreichen Vergleiche zwischen dem in Frankreich und in Deutschland im Bau begriffenen Schiffsmateriale führt, hier folgen: „Wie sehr man im Auslande die Schwäche des deutschen Reiches zur See als den wunden Puuct unseres Staatswesens kennt und damit rechnet, davon giebt ein neues Beispiel die kürzlich in Paris erschienene Schrift eines französischen Diplomaten, betitelt: Oousillerutions sur Irr pollticzue exterieuro et coloniale äe la b'rauce. Der Verfasser, Graf Chaudordy, betont in dieser interessanten kleinen Abhandlung mit be- merkenSwerlber Offenheit die Unzulänglichkeit des französisch russischen Bündnisses und überlegt dann, mit welcher dritten Macht noch Frankreich zur erfolgreicheren Bethätigung seiner auswärtigen Politik am vortheilhaftesten sich vereinigen müsse. Nachdem Graf Chaudordy zunächst Oesterreich und Italien daraufhin einer Betrachtung unterzogen, aber abgelehnt bat, bleibt er vor Deutschlan v und England überlegend stehen, bis er schließlich seinen Landsleuten räth, einem Bündniß mit Großbritannien deswegen den Vorzug zu geben, weil die deutsche Flotte zu klein sei, um den für eine Vereinigung mit Frankreich wünschenswcrthen Machtfaclor zur See bei steuern zu können. DaS Urtheil eines fremden Diplomaten ist hier deshalb erwäbnenswertb, weil deutlich daraus hervorgeht, welche höchst wichtige Rolle der Grad unserer maritimen Kraft in der auswärtigen Politik spielen kann. Auf daS Wachsen deS Bündnißwerthes des deutschen Reiches mit dem Vergrößern der Flotte bat übrigens seiner Zeit auch Graf Caprivi im Reichstag besonders hingewiesen, als er einmal als Kanzler dem StaatSsecrctair des Reichs- Marine-Amtes bei dessen Bemühungen, Schiffsneubauten durchzubringen, secundirte. Leider wollen sich immer noch manche Kreise unseres Volkes hartnäckig der Ueberzeugnng von dem hohen indirekten und directen Nutzen verschließen, den die Secmächtigkeit einem Volk und seinem Staatswesen giebt. Unsere westlichen Nach barn denken darüber viel aufgeklärter, daS sieht man an der Pflege, welcher die französische Marine sich zu erfreuen hat. Die dortigen Neuforderuugeu, welche kürzlich der Budget- Commission zugegangen sind, umfassen außer Dockbauten: ein Panzerschlachlschiff, einen Panzerkreuzer, drei geschützte Kreuzer, ein Kanonenboot und 15 Torpedoboote. Zweifellos wird Frank reichspatriotische Volksvertretung wie immer, so auch diesmal alles mit Freuden bewilligen, weil es zur Stärkung des Vater landes dient; dafür sprechen schon einige Preßstimmen, welche sich wundern, daß für die Flotte diesmal nicht mehr verlangt wird. Sollten darauf bezügliche Anfragen an die Regierung gerichtet werden, so kann der Marineminister dieselben indeß sehr leicht beantworten, indem er auf die Fülle des noch im Bau begriffenen Schiffsmaterials hinweist. Diese mit unseren gegenwärtigen Bauten zu vergleichen, dürfte hier, wo wir die bevorstehenden Neuforderungen in Deutschland und Frankreich aufgezählt haben, nicht ohne Werth sein. Zusammen 9 Panzerjchlachtlchiffe von 102 300 t Deplacement Für die französische Marine befinden sich in Arbeit: 1) Folgende Panzerschlachtsckiffe: „Charles Martes v. 11800t Tepl„ soll fertig jein 1897(1893 v. Stapel) „JaurSgniberry" - 11800. - - - 1897 (1893 - „Carnot" . 12000- . . - 1897 (1894 - „Bouvet" - 12200- - . - 1898 (1896 » „Massena" . 12000- - - . 1898 (1895 . „Charlemagne" - 11300. . - . 1899 (1895 - „Saint Louis" . 11300. . . . 1900(1896» „Gaulois" . 11300- - - - 1i)00 (noch a. Stapel) „Henri IV" » 8700- « - . . 1901 - - 2) Folgende Panzerkreuzer: „Bruix" v. 4700 t Depl., soll fertig sein 1897 (1894 v. Stapel) „Pothuan" - 5400 1897 (1895 - Zusaminen 2 Panzerkreuzer von 10 IM t Deplacement. 3) Folgende Kreuzer 2. Classe: „Pascal" . v. 4000 t Depl., soll fertig sein i.J. 1897 (1895 v. Stapel) „Buaeaud . »3700» » » » »»» 1897(1893 « . „Descartes" .4000- ... ... 1897(1894 . . „DuCbayla" -4000. 1897(1895 . - „d'Afsas" . -4000 1897(1896 - - „D'Entre- casteaux" . .8100. . - - ... 1898(1896 - . „Catinat" . .4000» 1898(1896 - - „Cassard" . .4000 1898(1896 - - „Protet" . -4000- .... .. 1899 (noch a. Stapel) „Chateau. renauld" . .8800« « - - ... 1899 » - - „Guichen" . .8800 1899 ... ,Leone d Arc" . 8400 1899 ... Zusammen 12 Kreuzer 2. Classe von 65 800 t Deplacement. 4) Folgende Kreuzer 3. Classe: „Galilöe" . . v. 23M t Depl., soll fertig sein i. 1.1897 (auf Stapel) „Lavoifier" . . 23M 1898 . „D'Estrses" . . 2000 1901 . 5) Avisos. „Kersaint" v. 1200 t Depl., soll fertig sein i. I.1898 (aus Stapel). 6) TorpedobootS-TranSportschiff. „Foudre" v. 6100 t Depl., soll fertig sein i. 1.1897 (1895 v. Stapel). 7) Torpedokreuzer. „Fleurus" v. 1300 t Depl, soll fertig sein i. 1.1897 (1893 v. Stapel). 8) Kanonenboot. „Surprise" v. 600 t. Depl., soll fertig sein i. 1.1897 (1895 v. Stapel). 9) Gegentorpedoboote. „DunoiS" und „La Hire" sollen fertig sein im Jahre 1899. 10) Hochsee - Torvedoboote. „Mangini" und „Cyclone" sollen fertig sein im Jahre 1897 bezw. 1898. 11) Torpedoboote 1. Classe. 5 Stück, sollen fertig sein im Jahre 1897. 12) Unterfee-KriegSfahrzeuge. „Gustav ZedS" und „Morse" sollen fertig sein im Jahre 1897 bezw. 1898. Frankreich arbeitet also augenblicklich an der Herstellung von 31 Kriegsschiffen mit insgesammt 195 600 t") Wasser verdrängung (Deplacement), 9 Torpedofahrzeugen und 2 unter seeischen Booten. Die bei weitem überwiegende Mehrzahl dieser Bauten, von denen bereits 18 den Stapel verlassen haben, sollen im Jahre 1898 vollendet sein. Dahingegen befinden sich für die dentschc Marine in Arbeit: 1) Folgende Panzer-Schlachtschiffe: „Kaiser Friedrich III." v. 11000 t Depl., vorauss. fert. 1898(1896 v. StP.) Ersatz „Friede, d. Gr." -II000 - » - - I900(auf Skapcl.) Zusammen 2 Panzer-Schlachtschiffe von 22000t Deplacement. 2) Panzerkreuzer. Ersatz „Leipzig" v. 10300t Depl., vorauss. fertig i.J. 1899 (aufStapel). 3) Kreuzer 2. Classe. Ersatz „Freya" v. 6000 t Depl., vorauss. fertig i. 1.1897 (aus Stapel) K . 6000. .... 1898 . L - 6000. .... 1898 . M . 6000 1899 . N . 6000 1899 - Zusammen 5 Kreuzer 2. Classe von 30 000 t Deplacement. 4) Kreuzer 4. Classe. G. von ungefähr 1700 t Depl., vorauss. fertig i. I 1897 (aus Stapel). 5) Acht Torpedoboote. Insgesammt also 9 Schiffe mit 64 00 Tonnen Deplacement und 8 Torpedoboote. Ein Vergleich der Kriegsschiffbauten beider Marinen ergiebt also, daß die französische Flotte innerhalb der nächsten Jahre eine Verstärkung von überdreimal soviel Schiffen erhalten wird als die deutsche. Ist das nicht ein ganz merkwürdig verkehrtes Verhältniß, wenn man bedenkt, daß die vater ländischen Güter, welche zu schützen und zu fördern Aufgabe der beiderseitigen Flotten ist, bei uns bedeutend umsangreichere sind als bei unseren Nachbarn? Leben doch Millionen mehr Deutsche über See als Franzosen, ist doch unsere Kauffahrtei flotte, unser Seehandel und unsere Bevölkerung an sich weit bedeutender als die Frankreich», und dabei noch in stetem mächtigen Wachsthum begriffen, während dort nur Stillstand oder Abnahme zu verzeichnen ist!" *) 1t--20Ctr. Deutsches Reich. * Leipzig, 18. December. Herr ReicksgerichtSrath Pape ist beute Morgen nach etwa vierwöchiger Krankheit gestorben. Der Verewigte, ein rheinischer Jurist von Ruf, war vor seiner Ernennung zum ReichSgericktsrath Ober-Landesgcrichts- rath in Köln a. Rh. Seit dem 1. Januar 1893, wo er an daS Reichsgericht berufen wurde, gehörte er dem zweiten Civilsenat an. * Leipzig, 18. December. Auswärtige Blätter bringen die Miltheilung, daß die Erhebung der Anklage gegen die in der Thorner LandesverrathS-Afsaire verhafteten Per sonen auf unbestimmte Zeit verschoben wäre, da zur Be gründung der Anklage das Zeugniß des verhasteten Criminal- commissarS v. Tausch erforderlich sei. Wie wir erfahren, Hal allerdings Herr von Tausch früher Ermittelungen in der Sacke angestellt; daß aber deshalb die Untersuchung und damit auch die Erhebung der Anklage verschoben worden sein soll, ist unrichtig. Die Untersuchung gebt ihren Gang fort; ihr Abschluß steht in nicht zu ferner Zeit zu erwarten, und das Reichsgericht wird dann zu beschließen haben, ob die Anklage erhoben werden soll oder nickt. * Berlin, 18. December. Die „Bank- und Handels- Zeitung" berichtet über die Vernehmung ihres Redakteurs betreffs des Artikels über die angeblichen Gründe, anS denen ein Besuch des Zaren in FriedrichSrub unterblieben sei: Er sagte aus, daß der in Rede stehende Artikel weder von dem Fürsten Bismarck, noch von einem Mitgliede seines Hauses, noch von seiner Umgebung oder einem seiner An» gestellten, ebensowenig von dem Freiherrn von Marschall oder dem auswärtigen Amte direct oder indirect herrübre. Das genügte nock nicht. Er bekannte sich selbst als den Verfasser, und auch das genügte noch nicht. Der „Hinter mann" sollte genannt werden . . . Die Sache lag einfach so: Daß der Zar einen Besuch in FriedrickSruh beabsich tigt hatte, war so häufig und unwidersprochen in zahl ¬ reichen Zeitungen des In- und Auslandes gemeldet worden, man hatte über den Besuch und die Gründe seines Unterbleibens in journalistischen Kreisen und an öffentlichen Orlen so laut gesprochen, daß man dies nickt für wahr zu hallen gar keine Ursacke batte. Darüber Erörterungen anzustellen, namentlich die Bekämpfung der Legende, als habe der größte Patriot Deutschlands Fürst Bismarck „ab irato" gehantelt, zum Gegenstände einer Besprechung zu machen, waren wir unfraglich berechtigt. Diese Besprechung aber, unsere Reflexionen, gründeten sich auf unsere Personenkennlniß.... Unseres Erachtens hatte der Untersuchungsrichter sich mit der Aussage begnügen können, daß die Urheberschaft unseres Artikels in keiner der gesuchten Richtungen zu finden sei. Da er Werth darauf legte, dieses negative Zugeständniß durch ein positives bestärkt und bestätigt zu sehen, so gingen wir auf den Wunsch um so bereitwilliger ein, als einmal die Wahrung des Geheimnisses, daß eS einen „Hintermann" überhaupt nicht gebe, uns keine sechs Monate Haft anfwiegen konnte, und als wir selbst gern bereit waren, dazu beizutragen, daß die letzte Spur eines Verdachtes gegen fäljchlicher- und thörichter- weise beschuldigte Personen zerstreut werde. * Berlin, 18. December. Aus derArbeitslosenstatistik ist noch über die Bertbeilung der Arbeitslosen auf die Groß städte und die übrigen Gemeinden zu berichten: Auf die Großstädte mit über 100000 Einwohnern entfielen am 14. Juni 1895 116 557, am 2. December 1895 176 770 Arbeislose; es sind dies 38,93 und 22,93 v. H. aller Arbeits losen. Auf die Gemeinden von 10 000 bis 100000 Einwohnern entfallen im Juni 67 734, d. i. 22,63 v. H., und im December 139 587, v. i. 18,10 v. H. In den Gemeinden unter 10 000 Einwohnern wurden im Juni 115 061 Arbeitslose, d. i. 38,44 vom Hundert, und im December 454 648, d. i. 58,97 v. H. gezählt. Die kleinen Gemeinden haben darnach im Winter einen ungleich größeren Antheil an den Arbeitslosen als im Sommer, was darauf zurückzuführen ist, daß in ihnen viel landwirtbsckaftliche Arbeiter in Frage kommen. Daß aber die Arbeitslosigkeit im Verhältniß zur Gesammtbevölkerung in den kleineren Gemeinden viel unbedeutender ist als in den größeren, zeigt folgender Vergleich: Auf 1000 Ein wohner kamen im Juni Arbeitslose in den Großstädten 1,66, in den Gemeinden von 10 000 bis 100 000 Einwohnern 0,79 und in den Gemeinden unter 10 000 Einwohnern 0,32, für den December lauten die entsprechenden Zahlen: 2,43, 1,59 und 1,26. Die Angaben über die Beschäftigungs losen in den 28 Großstädten sind in ihrer Vergleichbarkeit dadurch geschädigt, daß in einigen Städten eingehende Nach prüfungen der in den Zählkarten enthaltenen Angaben veran staltet smd, während dies in anderen nicht geschehen ist. Im Vergleich zur Zahl der Arbeitnehmer batten die meisten Arbeitslosen bei der Junizählung Hamburg mit 7,72, Altona mit 7,60, Berlin mit 6,43, Danzig mit 5,85, Leipzig mit 5,76, Königsberg mit 5,64, Breslau mit 5,51 und Halle mit 5,20, die wenigsten Barmen mit 2,98, Aachen mit 2,89; Köln mit 2,86, Düsseldorf mit 2,66, Krefeld mit 2,57, Stutt gart mit 2,23 und Nürnberg mit 2,20 und Straßburg mit 1,72 v. H. Bei der Decemberzäblunz stieg die Zahl der Arbeitslosen in Altona bis auf 12,79 v. H. aller Arbeiter, dann folgen Danzig mit 12,11, Königsberg mit 11,45, Stettin mit 10,17, Berlin mit 9,91, Halle mit 8,98, Ham burg mit 8,77, BreSlau mit 8,76, Magdeburg mit 8,31 und Charlottenburg mit 8,00 v. H. Die wenigsten Arbeitslosen batten Elberfeld mit 4,52, Dortmund mit 4,37, Krefeld mit 4,0.3, Chemnitz mit 3,95, Nürnberg mit 3,62, Barmen mit 3,56, Straßburg mit 3,51 und Stuttgart mit 3,36 v. H. Im Allgemeinen zeigt sich also, daß in den Großstädten die Der Teufel im Volksglauben. 8. Wie die hin und wieder noch vorkommenden Teufels beschwörungen und TeufrlSbannungen beweisen, spielt der Teufelsglaube im Volksbcwußtsein immer noch eine Rolle, weshalb cS sich der Mühe verlohnt, ihn wenigstens nach seinem Hauptinhalte einer Betrachtung zu unterziehen. Der Teufel im Volksglauben bat mit der biblischen Lehre nur principiell etwas gemein, im Uebrigen ist er ein ganz selbstständiges Phantasiegebilde. Der Teufel und die dösen Engel in der Bibel find lediglich geistige Wesen, und selbst bei dem einzigen Beispiel einer Teufelserscheinung Ev. Math. 4 ist auch nicht die geringste Andeutung über sein Aussehen und seine Körperlichkeit gegeben. Eine solche gewann der Teufel erst in der Volk-phantasie, nachdem die christliche Kirche daS germanische Heidenthum al» Teufelswerk, die Gottheiten desselben zu bösen Geistern, mit dem Teufel an ter Spitze, erklärt hatte. Sage, Dichtkunst und Volksphilo sophie haben aber an der ursprünglich rohen Gestalt de« Teufel» viele» geändert, hinzugefügt und gemildert. Den Grundstoff zum TeufelSgrbilde im Volksglauben lieferte hauptsächlich der Gewittergott Donar. Daher ist der Teufel der Feuerdämon, er erscheint unter Blitz und Donner, hinterlaßt einen Schwefelgeruch, hat feurige Äugen u. s. w. Viele» ist aber auch von Wodan auf ihn über gegangen. Wie dieser reitet er auf einem schwarzen Rosse, 'st von zwei Raben begleitet, erscheint in der Gestalt deS wilden Jager». Die schwarze Farbe, al» Zeichen der Nacht seite der Natur, ist ihm neben der grellrothen Feuerfarbe selbstverständlich eigen. Ebenso erscheint er zuweilen in der Gestalt der Tbiere, welche dem Donar und Wodan geheiligt waren, insbesondere als Bock (beim Hexensabbath), ge wöhnlich aber in menschenähnlicher oder menschlicher Ge stalt mit einer thierischen Beigabe: mit Hörnern, Bocksobren, FledermauSflügeln, Raubthier- oder Vogelkrallen, Kuhschwanz, Pferdefuß rc. Es ckarakterisiren ihn scharf geschnittene GesichtSzüge von frechem, grobsinnlichem Ausdruck. Gekleidet ist er in schwär« spanische Tracht, mit feuerrothem Mantel und spitzigem Aut, auf dem sich eine Hahnenfeder wiegt. Mit dem altheidnischen Glauben hängt ebenfalls zusammen die Vorstellung von deS Teufels Großmutter, womit Niemand ander» gemeint ist al» Wodan'S Gattin Frigg, speciell in ihrer Bedeutung al- SturmeSgöttin. Der Teufel wurde auch gedacht als Erfinder aller bösen Künste, de» Würfel- und Kartenspiels rc. Sein Name wurde gewöhnlich in Zauberformeln gebraucht (in de« Teufel» Namen rc.), und noch beute kommt er häufig in Flüchen vor. Im Mittelalter gewann der TeufrlSglaube allmählich ein verhängnißvolle» Uebergewicht über alle anderen Vorstellungen, denn mit ihm im Zusammenhang stand die Entwickelung de« Zauberwesens und de« Hexenglaubens. Teufel«» bündnisse waren an der Tagesordnung, d. h. man batte jeden Menschen, der sich in außergewöhnlicher Weise betbätigt« oder auSzeichnete, sei eS körperlich oder geistig, wegen eine« solchen Bündnisse« in Verdacht. In der Höhezeit deS Hexenglauben« war aber vom Verdacht bis zum irscheiterbaufen nur ein kleiner Schritt, ja eS war sogar eine Seltenheit, wenn der Verdacht nicht zum Scheiterhaufen führte. Andererseit» ge währleistete ein Bündniß mit dem Teufel nach dem Volks glauben die Erfüllung aller Wünsche, wogegen der Betreffende seine Seele verschreiben mußte, die denn Ableben oder zu einer bestimmten Frist, in der Regel nach Verlauf von sieben Jahren, vom Teufel geboit wurde. Daber die so bäufig gebrauchte Reden-art „Hol mich (dich, ihn, sie) der Teufel". Doch konnte durch Fürbitte der Heiligen und besonders der Jungfrau Maria bei der erforderlichen Reue und Buße, ein solches TenfelSbündniß gelöst und di« Seele noch für den Himmel gerettet werden. Damit war eigentlich schon der Bann ge brochen und der Weg betreten, auf dem auch noch sonstige Mittel zur Ungiltigmachung eine« Teufelsbündnisses gefunden werden konnten. Der nächste Schritt in diefer Richtung führte dazu, daß der Teufel durch die Kraft kirchlicher Heil mittel und dann auch durch Zauberformeln und Zaubermittel zu bannen war. Endlich tritt auch die Schärfe des mensch- licken Verstandes in ihre Reckte. Der Teufel kann durch Ueberlistung um die ihm verpfändete Seele gebracht werden. Die- ist ein sehr bedeutsamer Zug in der Geschichte de« TeufelSzlaubenS. Er bezeichnet darin einen Wendepunkt, der zugleich ein Culturwendepunct ist. Der Teufelsglaube verlor, nachdem einige erleuchtete und muthige Männer öffentlich gegen ihn ausgetreten waren und wissenschaftliche Geistes richtungen Kraft gewonnen, allmählich seine Schrecken Schließlich bemächtigte sich der Volk-Humor dieser Schreck gestalt, der Teufel wurde eine sprüchwörtliche Person (dummer Teufel, armer Teufel ,c.), und eine der ständigen Spott- und Zerrfiguren der Puppenspiele kam aber auch in Meister werken großer Dichter, wenn auch nicht immer in natur getreuer Zeichnung, zu Ehren. Goethe führt ibn in seinem „Faust" unter dem Namen Mephistopheles als Personifikation deS beißenden SarkaSmuS und der cynischen Spaßhaftigkeit vor. Seine Miene wird durch da» feinsinnige Gretchen an schaulich gezeichnet: „Kommt er einmal zur Thlir herein, Sieht er immer so spöttisch drein Und halb ergrimmt". — Immer aber erscheint Mephisto mit hockciviiisirtem An strich, al» epigrammatisch-geistreicher Eavalier, al- vollendeter Weltmann. Er sagt von sich selbst: „Auch die Cultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt. Tas nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen: Wo siehst Du Hörner, Schweif und Klauen?" In der Volksliteratur kommt der Teufel als Fluch , Faul-, HoffabrtS-, Geiz-, Wucher-, Spiel-, Lügen-, Neid, Tanz-, Ehe-, Soldaten-Teufcl u. s. w. Gesammelt erschienen zwanzig solcher Schriften im Mwatrum Viadolorum, Frank furt a. M, 1565. Höchst merkwürdig ist eS, daß Beschwörungen (also Citirungen) deS Teufels von jedem profanen Menschen, TeufelSbannungen aber nur von katholischen Geistlichen (oder Mönchen), nicht etwa auch von protestantiscken, ausgesührt werden können. Dies hängt jedenfalls mit dem allen mystischen CeremoniellS baren protestantischen CultuS zusammen, während den katholischen Geistlichen Räucherfaß, Weibsprengel, das Fremdartige beim Gebrauch der lateinischen Sprache u. s. w. zu Gebote, bezw. zur Seite steht. Zu einer TenfclSbeschwörung ist nur die Erfüllung gewisser Förmlichkeiten, die Beobachtung gewisser Regeln und Vorschriften erforderlich. Es muß uni Mitternacht, auf einem Kreuzweg, auf einem Kirchhof oder an einem sonstigen unheimlichen Orte geschehen, wie z. B. in der Wolfsschlucht im „Freischütz". Ist nun nicht zu verkennen, daß die Vorführung des Teufel« als Mephisto, Samiel u. s. w. mit dem dazu ac- börigen Spuk auf der Bühne zur Verstärkung des Teufel«, glaubens beitragen kann, so liegt doch nicht der geringste Grund vor, solche Vorführungen, ernzustellen, denn im Ganzen ist dieser Volksglaube als überwunden zu betrachten, wobei einzelne Vorkommnisse nicht in« Gewicht fallen können, um so weniger, als die weltliche Justiz daS Recht de» Ein schreiten» in Anspruch genommen hat und demgemäß auch auSübt.
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