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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-21
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Directe tägliche Kreuzbandienduug in« Ausland: monatlich 7.50. W. Abend-Ausgabe. KiWM TllgMaü Anzeiger. Amtsblatt des Aömgttchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es NatHes «nd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Montag den 21. December 1896. Anzeigen'Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg, Reclamen unter dem Redactionsslrich (4ge spalten) 50^Z, vor den Familieanachrichten l6gespalten) 40^. Kroßere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis;. Tabellarischer und Zissernsay nach höherem Taris. Vxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesorderung ^l 70.—- ^nnahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormfttag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. December. Mit der Begründung des CentralcomitöS zur Errich tung von Heilstätten für Lungenkranke, dessen Protektorat die Kaiserin selbst übernommen hat und das vor wenigen Tagen unter dem Ebrenvorsitz des Reichskanzler« seine erste Generalversammlung abdielt, ist um einen bedeutsamen Schritt ein Unternehmen gefördert worden, das, wenn eS mit demselben Eifer, mit dem eS begonnen wurde, weiter geführt unv glücklich zum Ziele geleitet wird, dem Riesenwerke der Arbeiterschutzgesetzgebung und Arbeiter Versicherung dereinst ebenbürtig an die Seite gestellt werden darf. Der Bericht, den in der Bersammlung der Direktor des ReichsaesundheitsamteS vr. Köhler erstattete, zeigt in erhebender Weise, wie die vor wenigen Jahren erst ausgestreute Saat aufsprießt, wie zahlreiche Versicherungs anstalten bereit« Sanatorien theilS begründet, theils in An griff genommen haben, wie industrielle Werke mit großer Arbeiterschaft, das „Rothe Kreuz" und Gemeinden opferfreudig folgen. Und in der That, wenn irgend ein Gedanke volle Unterstützung und werkthatige Förderung in allen Schichten und Ständen des deutschen Volkes verdient, dann ist es die Bekämpfung jener Krankheit, die dem Volkswohlstand jahraus jahrein weit tiefere Wunden schlägt, als schwere Kriege. Alljährlich rafft sie, wie die ärztliche Statistik festgestellt bat, im deutschen Reiche 130 000 Opfer dahin, und diese Opfer stehen, wie ebenfalls zahlenmäßig nachgewiesen, fast durchweg in dem Alter, welches productiv zu schaffen und so der Familie und dem Staat erst das zu danken beginnt, was mit vieler Mühe und Kosten den Einzelnen zum werkthätigen und erwerbsfähigen Mitarbeiter im Dienste der Kraft und des Vermögens der Nation zu machen gedachte. Nach der Statistik des deutschen Reiches vom Jahre 1893 kamen auf je 1000 Todesfälle genau 400, die durch jene Krankheit berbcigeführt waren. Von 402 Personen, die ihr erlagen, befanden sich nur 80 in dem jugendlichen Alter von 1—15, Jahren, 322 aber gehörten dem Alter von 15 bi« zu 60 Jahren an. Hiernach bedarf es keiner weiteren Ausführung mehr, welche ungeheueren Verluste der Nationalwohlstand durch das Nebel unmittelbar erleidet. Als weitere Wirkung, die indeß mehr aus moralischem Gebiete liegt, moralisch im weitesten Sinne de« Wortes, kommt hinzu, daß die Krankheit vor Allem das Alter bedroht, das sich zur Begründung einer Familie entschlossen hat, daß sie so all mählich und unmerklich die Arbeitskraft und das Einkommen vermindert, zu einer Zeit, wo naturgemäß die Anforderungen an beide steigen. Gerade in der unmerklichen Entwicklung der Krankheit liegt ihre größte Gafahr. Die Gewohnheit stumpft ab und läßt die Vorsorge außer Acht, die in Rücksicht auf das eigene Befinden und auf das Wohl der Umgebung zu beobachten ist. Und diese Nachtseiten heben sich um so schärfer ab, als, wenn auch nicht immer auf vollständige Gesundung, so doch auf eine Festigung der Gesundheit und Arbeitskraft für lange Jahre gerechnet werden kann, wenn rechtzeitig eine geeignete Behandlung die ersten entstehenden Keime unterdrückt und eine Lebenshaltung und zweckmäßige Ernährung ermöglicht wird, welche einen der Heilung fast gleichkommenden Zustand für lange Zeit gewährleistet. Diese Aufgabe kann aber nur in Heilstätten erfüllt werden, welche, in gesunder Gegend errichtet, auch dem unbemittelten und wenig bemittelten Lungenkranken die Wiederherstellung seiner Gesundheit und Arbeitskraft ermöglichen. Wohl sind die Schwierigkeiten, welche auf dem Wege zu diesem Ziel über wunden werden müssen, außerordentlich groß. Mag auch die Zustimmung und thateafreudige Unterstützung der gebildeten und verständigen Kreise deS Volkes bald gefunden sein, weit schwerer ist eS, da die Heilung die Trennung von den Familien für längere Zeit voraussetzt, die Abneigung dagegen und sonstige Vorurtheile gegen die Heilstätten auch in den Augen der Patienten selbst zu vermindern. Dazu kommen die nicht minder großen und unbegründeten Vorurtheile in den Orten, in welchen Heilanstalten angelegt werden sollen. Nm diese Schwierigkeiten siegreich zu überwinden, bedarf eS der UeberzeugunaSkraft offensichtlicher Erfolge. In der oben erwähnten Versammlung ist berichtet worden, daß die hanseatische Versicherungsanstalt in Andreasberg bereits ein Sanatorium zu errichten im Begriff ist. Vor uns liegt ein Bericht dieser Anstalt, der zahlenmäßige An gaben darüber macht, mit welchem Erfolge die ersten Anfänge begleitet gewesen sind, die zur Gründung des eigenen Sanatoriums Anlaß gegeben. Sie gab im Jahre 1894 im Ganzen 348 Lungenkranke-Versicherte, davon 80 weiblichen Geschlechts, verschiedenen Sanatorien zur Behandlung; davon kamen 281 auf die Altersstufen 16—40 Jahre; im Alter von 40—45 standen 39, die übrigen waren 45—60 Jahre alt. Bei Einleitung deS Heilverfahrens waren nach ärzt lichem Dafürhalten bereits erwerbsunfähig in dem Umfange, daß nach dem Invaliden- und Altersversicherungsgesetz eine entsprechende Arbeitsleistung nicht mehr ausgeübt werden konnte, 266 Personen, noch nicht erwerbsunfähig 82. Im Genuß der Invalidenrente standen bei Beginn des Heilverfahrens bereits 6 Personen. Zur Entlassung gelangten bis Ende 1894 61, im ersten Halbjahr 1895 165 Patienten. Zn 115 Fällen hatte die Behandlung länger als 13 Wochen gedauert. Das Ergebnis war, daß bei fünf die Erkrankung als ganz be seitigt betrachtet werden konnte, bei 46 waren die Spuren so gering, daß die Erwerbsfähigkeit völlig wieder hergestellt war, 104 Personen waren zwar nicht vollkommen gesundet, aber doch soweit gefördert, daß sie wieder als erwerbsfähig betrachtet werden tonnten, 41 waren wenigstens zu geringen Arbeiten befähigt, nur bei 30 war kein Erfolg zu verzeichnen. Nach einem Jahre wurden diese Personen wieder untersucht; nur 98 waren aber im hanseatischen Versicherungs gebiet geblieben und bei 81 von diesen 98 hatte der Erfolg angehalten. Die Gesammtkosten hatten rund 95 000 betragen; davon entfielen auf die Krankenkassen für die ersten 13 Wochen 26 000 und das Uebrige auf die Versicherungsanstalt. Und das war daS Er- gebniß eines ersten Versuches in beschränktem Maßstabe, wobei weder frühere Erfahrungen, noch die günstigen Bedingungen deS „Großbetriebes" zu Nutze gemacht werden konnten, und aus dem doch die Anstalt die Schlußfolgerung zog, daß diese Zahlen beredt bekunden, wie dringend diese Fürsorge für lungenkranke Arbeiter im Interesse der Versickerten und einer Weitschauenden Socialpolitik ist. Der erste Anstoß, der jetzt zu der eingangs erwähnten Versammlung geführt hat, datirt vom November des verflossenen Jahres. Damals versammelte sich bei dem Reichskanzler ein kleiner Kreis hervorragender Män ner, um die Errichtung der Volksheilstätten sorgsam zu erwägen. Aus diesem kleinen Kreise ist jetzt ein Centralcomite geworden, dem 400 000 bereits zur Verfügung stehen. In dieser Zeit hat eS sich auch in den Bundesstaaten eifrig geregt unv so trifft der Wunsch, daß alle national gesinnten Kreise diesem großartigen Unternehmen in Wort und That sich fördernd anschließen, bereits fruchtbaren Boden an. Der Hamburger Streik, bei dem die Socialdemokratie wieder einmal ihren unheilvollen Einfluß auf die Arbeiter welt gezeigt hat, neigt sich seinem Ende zu. Aus der Rede, die der Agitator Legien am Sonnabend an die Ausständigen gerichtet hat, geht sogar deutlich hervor, daß die social demokratische Parteileitung heilfroh wäre, wenn die Arbeit schon beute wieder ausgenommen würde und damit die Ansprüche aufhörten, die von den Feiernden an die Arbeitenden und ihre (Lassen gerichtet werden. Aber nun zeigt sich die fatale Folge der Aufreizungen und Versprechungen. Am 8. d. M. schrieb das Hamburger „Echo": „Der Machtstreit wird den Heraus forderern unheimlich. Die Streikenden stehen entschlossen und einig. Die Unterstützung ist gesichert. Sie konnte heute sogar erhöbt werden. Der Sieg ist nahe." Nack solchen Vorspiegelungen kann es nickt befremden, daß die Mehrheit der Streikenden den verblümten Ratbschlägen des Herrn Legien kein Gebör schenkte und daß sogar die Ewer- führer zur Fortführung des Streiks sich entschlossen. Es wird den Machern nun nichts Anderes übrig bleiben, als die Noth steigen zu lassen, unter der Hand abzuwiegeln und dann, wenn der Erfolg gesichert ist, eine neue Abstimmung zu provociren. So hat man es bei dem Textilarbeiter streik in Cottbus und beim Streik der Confections- ar bei ter in Berlin gemacht. Als in Cottbus der Streik verloren zu gehen drohte, trat die Socialdemokratie, die anfangs nach Kräften geschürt und gehetzt hatte, mit Wärme für die Wiederaufnahme der Arbeit ein, obgleich die Fabrikanten die Bedingung gestellt batten, daß eine größere Anzahl der Hauplhetzer in den Fabriken nicht wieder angenommen würde. Aber die Streikenden verwarfen in thorichtem Vertrauen auf die ihnen früher zugesicherte Unter stützung die Rathschläge der Führer und sprachen sich, genau wie jetzt die Hamburger, für die Fortsetzung des Streiks aus. Nun wurden die mehr und mehr in Noth gerathenden Massen unter der Hand bearbeitet, bis sie mürbe genug waren, um in einer abermaligen Abstimmung daS Ende deS Streiks unv die Erlösung ihrer Verführer von drückenden und unerfüllbaren Versprechungen zu beschließen. Ganz denselben Verlauf nahm der Berliner ConsectionSarbeiterstreik, und ganz denselben wird der Streik der Hamburger Hafenarbeiter nehmen. Um alle Verantwortung von sich zu wälzen, wird dann in der social demokratischen Presse geschrieben, daS souveraine Volk habe entschieden, und wenn ja einige der Opfer der Verhetzung darüber klagen, daß sie in den Sumpf gelockt worden seien, so wird ihnen gröbliche Undankbarkeit gegen Diejenigen vorgeworfen, die ihnen „brüderlich beigesprungen" seiem Wir hoffen jedoch, daß die zahlreichen Fälle, in denen die Social demokraten bei Arbeitseinstellungen eine so zweideutige und gefährliche Rolle gespielt haben, immer weiteren Kreisen der Arbeiter die Augen über ihre „Wohlthäter" öffnen. Den verführten Arbeitern wünschen wir, daß sie recht bald ihr Brod wiedersinden und in loyaler Verhandlung mit den Arbeitgebern Abstellung aller Uebelstände erreichen, über die sie mit Recht sich beklagen. Zur Ermordung des deutschen Bankiers Haetzner in Tanger wird dem Graudenzer „Gesell." von einem Lands mann, der die Verhältnisse in Marokko aus eigener An schauung genau kennt, geschrieben: „Der Mord ist ein Ergebniß der glimpflichen Bestrafung, die den Mördern des unglücklichen Reisenden Rockstroh zu Theil ge ¬ worden ist. Fast scheint es, als ob Deutschland sich gefürchtet habe, energischer aufzutrelen. Bis auf jenen Fall (die Bestrafung der Mörder Rockstroh's) ist noch jeder Mörder eines Europäers in Marokko ebenfalls mit dem Tode bestraft worden. Und ist das in einem Lande, in dem die Blutrache unter den Eingeborenen selbst herrscht, nicht auch Las einzig Richtige? Schon nach der Ermordung des Deutschen Franz Neumann aus Casablanca wurde in einem Puncte zu wenig energisch verfahren, indem Deutschland nicht allein zugab, sondern sogar den Befehl ertheilte, der Mörder solle in aller Stille erschossen werden, während die anderen Nationen, und besonders das im Vergleich mit Deutschland doch ohnmächtige Spanien, stets und auch bei dem zuletzt in Casablanca an der Schwester des spanischen Arztes vr. Jordan verübten Morde streng daraus hielt, daß die Mörder öffentlich er schossen wurden und ein Kriegsschiff gleichzeitig auf der Rhede an- wesend war. Was war die Folge von der Heimlichkeit? Schon nach Monatsfrist war das Gerücht in der Provinz Dukala (10 Stunden von Casablanca) verbreitet, man habe den ver meintlich getödteten Mörder wohlbehalten auf einem der großen Märkte in völliger Freiheit gesehen. Die Deutschen hatten ja Angst, Jemanden hinrichten zu lassen u. s. w. Man wird vielleicht sagen: „Solch Geschwätz ist sinnlos und von keiner Bedeutung!" Ja, für Deutschland, wo es eine Presse giebt, die Alles haarklein wideriegt, dürste das zutreffen, aber nicht in der Wildniß, in Marokko. Der Haß der Mohamedaner gegen die Christen ist unversöhnlich, und hören die Moslems, daß dem Mörder einer- Christen überhaupt nichts passirt, nehmen sie sich bestimmt vor, bei nächster passender Gelegenheit ebenfalls ein Allah wohlgefälliges Werk zu thun und einen Europäer niederzumachen. So war denn auch leider sechs Monate daraus ein weiterer Fall (der des armen Rockstroh aus Leipzig) zu beklagen. Von Unruhen im Lande unter- stützt, gelang es den Mördern, sich fast ein ganzes Jahr hindurch verborgen zu halten, und erst im letzten Herbste konnte über sie zu Gericht geiessen werden. Aber welches Urtheil wurde gefällt?! Der eine Mörder wurde zu 20 Jahren Gesängniß, die anderen zu noch geringeren Strafen verurtheilt, anstatt, wie es sein müßte und wir auch Alle erwartet hatten, mit dem Tode. Ja, wer nur ein bischen die marokkanischen Verhältnisse kennt — und das sollte heut zu Tage in Berlin doch der Fall sein —, der weiß, daß sür den Araber Gesängnißstrase erstens überhaupt nichts Entehrendes ist, und daß zweitens in einem größeren Zeiträume jedem Gefangenen, sei es direct vom Gouverneur oder anderen Helfershelfern, Gelegen- heit geboten wird, zu entkommen. Es wäre zu wünschen, baß Deutschland nunmehr wirklich energisch auftritt. Geld dem Sultan abzuverlangen, ist ;a furchtbar leicht, obwohl es in jedem einzelnen Falle auch unbedingt nothwendig ist, aber die Hauptsache ist und bleibt doch stets in Marokko die öffentliche Bestrafung der Mörder mit dem Tode." Dicic Ausführungen sind so überzeugend, daß sie allzc meiner Zustimmung gewiß sind. Gleiche Erwägungen dürften auch in Berlin an maßgebendem Orte angestclll worden sein, denn nach der bereits mitgetheilten Notiz der „Nordd. Allg. Ztg.", die unzweifelhaft officiösen Ursprungs ist, ist die Er Mittelung und Enthauptung der Mörder gefordert worden. Daß die Hinrichtung öffentlich vollzogen werden muß, ist eine für die dortigen Verhältnisse berechtigte Forderung, die diesmal kaum unterlassen werden wird, und der rin Kriegs schiff den nöthigen Nachdruck verleihen kann. Die Dynastie Savoyen und daS italienische Volk dürfen mit gleicher Genuglhuung auf die Kammerdebatte blicken, welche am Freitag aus Anlaß des Gesetzentwurfes, betreffend die Apanage für den Prinzen von Neapel, geführt wurde. Bon dem Wunsche geleitet, dem Lande eine finanzielle Mehrbelastung zu ersparen, hatte König Humbert sich I hochherziger Weise bereit erklärt, einer Herabsetzung der I Civilliste um den für die Apanage des Thronfolgers l in Aussicht genommenen Betrag von 1 Million Lire Um die Weihnachtszeit. 5s Novelle von Anna Gnevkow. Nachdruck verboten. „Wahrhaftig, Fräulein", der Student ließ die Eroberung, die er zu machen beabsichtigte, auch bei den verwickeltsten Touren der Quadrille nicht einen Moment aus de» Augen, „Sie sind zu aut, um sich mit unartigen Kindern herum- Mplagen und sich durch die Launen ungezogener Jungen und Mädchen quälen zu lassen. Wenn Sie ein bischen freundlicher mit mir sein wollen, spreche ich ein Wort mit meiner Mutier und sie nimmt sie als Gesellschafterin, und wenn ich dann daheim bin, fehlt eS Ihnen nie an einem Cavalier, der Sie bewundert und sich mit Ihnen beschäftigt. Seien Sie gut, lassen Sie unS nachher, wenn der Tanz zu Ende (der Knecht, rer die Harmonika spielt, kommt schon zum Schluß, wie Sie hören), einen Vertrag darüber stipulrren, treffen wir unS" Ein kurzer, gepreßter Laut Ella « unterbrach seine Rede. Ihre Augen starrten ihn wie erloschen an und jäh floh sie vor ihm fort, in unbewußter HilfSvedürftigkeit den Mann aufsuchend, der vorher zu ihr gesagt: „Sie stehen heute unter meinem Schutze." Auch über die ernsten Züge des Herrn Rath« flog bei ihrem Kommen ein Lächeln, nicht da- Lächeln befriedigter Eitelkeit, da« vorher der Student gehabt, e« war da« warme schöne Aufleuchten in den Augen, daS da- Antlitz de« ge reiften Mannes so anziehend und vertrauenerweckend machte. Sie gehörte ja zu ihm, die kleine Reisegefährtin, die so muthig zu sein verstand und die dann wieder so zaghaft war, wie er e« schon eine Zeit lana beobachtet batte. Zn einer Aufwallung väterlicher Zärtlichkeit, wie er meinte, streckte er dem herzueilenden Mädchen beide Hände entgegen, um sie kann sinken zu lasten und etwa« enttäuscht dreinzuschauen, al« Ella, vor ihm angrkommen, plötzlich stutzte und in jähem Erschrecken auch von ihm fort und dem Ufer deS Teiche- zulief. Die Entfernung de« Mädchen- wurde, da auch der Tanz gerade beendet, vielleicht von den Wenigsten bemerkt, oder auf eine ihrer Obliegenheiten al« Erzieherin geschoben, nur ter Student schaute etwa- dumm drein und der Regierungs ¬ rath bedauerte eS, da« Mädchen der Unbill der Gesellschaft auSgesetzt zu haben. Wenige Stunden später und eS gab wieder ein verändertes Bild. Die junge Welt sprach den Wunsch aus, zu tanzen, und da man von den fremden, jüngeren Damen keine als Tänzerin missen wollte, die älteren aber nicht musikalisch waren, verstand eS sich von selbst, daß Ella die Stelle am Clavier einnehmen mußte. In der halbdunklen Ecke des Saales, in der daS Instrument stand, saß da« Mädchen, Viertelstunde um Viertelstunde; die kleinen, kalten Hände, denn der große Raum war nickt sehr durchheizt, glitten über die Tasten, von Zeit zu Zeit nur tönten Zurufe wie: „Etwas lauter", oder: „Noch einmal die Polka von vorhin", an ihr Ohr und dann rauschten die Töne Heller auf, in der Wiederholung, die man von ihr begehrte, daß sie selbst er müden könne, daß sie es schon sein mußte, nachdem Walzer, Polka und Galopp schon mehrere Male durchtanzt waren, daran dachte Niemand, ebenso wenig, ob sich in dem junaen Wesen, da« sich dem Bebagen der Anderen opferte, die Lust regen könnte, an dem fröhlichen Tanze theilzunehmen. Und — sie hätte in der That nicht mitlanzen wollen, denn wie sie so dasaß mit den starren Augen, die in'« Leere blickten und den feinen Fingern, die mechanisch über die Tasten des Instrumentes glitten, hatte sie nur den einen Wunsch, bei ihrer Mutter zu sein, und die Sehnsucht nach Freiheit, nach ihrem Daheim in Meiburg, vertiefte sich bei ihr fast zu einem körperlichen Leid. Frau Walter setzte der jungen Erzieherin selbst eine Er frischung vor, — war e« doch so bequem, daß da« kleine Ding auch so gut zum Tanze zu spielen verstand, aber Ella sah nichts von der Freundlichkeit der Hausfrau, die allen Anderen viel zu denken gab, wie gut eS doch die Gouvernanten in Waltersdorf haben müßten, automatenbaft spielte sie, bi« plötzlich eine Stimme hinter ihr sagte: »Fassen Sie e« nun genug sein, Fräulein Roell, die Hände müssen Ihnen ja weh tbun, ich nehme gern ihre Stelle ein, um Sie abzulösen." Aber, selbst dann noch, al- die Stimme verklungen, fuhr sie in dem Tanze fort, den sie begonnen, und erst ein ernste«: „Ich bitte darum, Fräulein Ella", ließ sie gehorsam aufstehea und ihren Platz abgrben. Die trat in eine der Nischen, die die schweren Falten der dunkle« Gardinm dicht verhüllten, streifte mit dem Hauche ihrer warmen Lippen da« Ei- von dem Fenster und blickte hinan- in den vom Mvndenlicht überfluthrten Garten. Wie still war e- dort draußen, wie still in dem kleinen, abgeschlossenen Raume, in dem sie stand, trotz des geräusch vollen Treibens im Saale dicht dabei. Noch erklangen die Töne des Walzers, den sie begonnen und den an ihrer Stelle der RegierungSrath weiter geführt, aber plötzlich verstummten sie, und nack einem kurzen Vorspiel, nach den begeisterten Ausrufen: „Ja, ja, jetzt eine Pause zum AuSruben, etwas Anderes!" erscholl ernste Musik, die hier und da jubelvoll und jauchzend aufklang. Ella wandte den Kopf langsam vom Fenster ab und sah durch einen Spalt des Vorhangs den Herrn Rath nach wie vor auf seinem Platze am Instrumente sitzen. Neber seinem Gesichte lag es jetzt wie Helle Begeisterung gebreitet, und als sich aus einer Melodie immer neue entwickelten, empfand eS daS Mädchen dunkel, daß eS eine eigene Schöpfung, daß es freie Phantasien sein mußten, die der RegierungSrath vortrug. Unter den Gästen brach sich bald hier bald da nach der ersten Ruhe ein leises Flüstern wieder Bahn. Ella störte cs nickt, sie hatte sich in den Sessel sinken lassen, der in der Fensternische stand, und die feinen Finger verschlungen im Schooße ballend, zog allgemach eine stille Heiterkeit in ihr Herz. Als sie spät in der Nacht ihr Lager aufsuchte, sagte sie unwillkürlich laut vor sich hin: „Das war heute doch noch eine Freude," und dann umschmeichelten die weichen Klänge, die der RegierungSrath dem Instrumente entlockt, ihr Ohr und führten sie allgemach hinüber in das Reich der Träume. Der Herr Rath konnte sich lange nicht entschließen, zu Bett zu gehen. Es kam ihm überheizt in seinem Zimmer vor und er ging deshalb mit verschränkten Armen, den Blick zu Boden gesenkt, in tiefes Nachsinnen verloren, auf und ab. Die Bilder deS vergangenen Tages glitten in regelrechter Reihenfolge an seinem geistigen Auge vorüber, und in jedem dieser Bilder nahm Ella eine Hauptstelle ein. Rath Below war sehr ärgerlich auf sich selbst und wog mit pedantischer Genauigkeit ab, wie viel Schuld Ella an der verkehrten Stellung treffen könne, die sie im Hause seiner Schwester einnehme, wie viel Letztere selbst. Und da ging denn die Schale, die deS jungen Mädchen- Antheil trug, ooch empor, federleicht gegen das Gewicht, da« auf Frau Walter« Schultern lattete. Am andern Morgen, eS war noch sehr früh, denn selbst in den Souterrainräumen, dir die Dienstboten mar hatten, herrschte noch absolute Ruhe, verließ der Regierung«rath sein Lager schon wieder und al- eS erst völlig Tag geworden, ging er hinaus ius Freie. Draußen war eS ebenso schön, wie am vergangenen Tage; schwer hingen die mit glitzerndem Schnee bedeckten Zweige nieder und hinter dem Wäldchen schlang sich die Landstraße wie ein dunkleres Band durch die weiß beschneiten Felder. Schon ein Stückchen hinein in das Gebölz lag der Teich, auf dem gestern Schlittschuh gelaufen worden, und als der Herr- Rath an seinem Ufer entlang ging und auf die krystallene Fläche sah, glitt eS ihm durchs Gedächtniß, daß an dem Tage seiner Ankunft von hier aus die jubelnden Laute der Kinder, die ernste Stimme Ella's zuerst an sein Obr getönt batten. Schon wieder Ella! DaS Mädchen machte ihm wirklich Sorge, und am Ende war eS doch allzu große Gewissen bastigkeit von ihm, wenn eS ihm erschien, als habe er über das Geschick einer Person zu wachen, die ihm der Zufall ein mal als Reisegefährtin gegeben. Nur daß das arme Ding io jung, so sehr jung und verlassen war, war eS ja doch Christenpflicht, sich seiner anzunehmen und e« nicht durm Andere übervortheilen, oder gar durch eigene Schuld inc- Verderben rennen zu lassen. Denn für daS leibhaftige Verderben hielt er das Gouver- nantenthum und bei dem Gedanken, Ella könne eine jener steifen, pedantischen und doch koketten Wesen werden, die ib» in Waltersdorf so oft geärgert, schritt er heftiger unv hastiger aus und bald befand er sich aus der Landstraße, die nach der Bahnstation führte. In dem Postgebäude, daS sich außer dem die Wartesäle enthaltenden Hause auf der Haltestelle befand, kamen auch die Briese sür Waltersdorf an und wurden an jedem Morgen von einem Zungen für den GutSbof ab geholt. Heute, wo die Stunde noch so früh war, daß er bequem zum Frühstück bei den Seinen zurück sein konnte, be schloß der RegierungSrath, selbst einmal den Boten zu spielen. Er hatte dann ein Ziel sür seine Wanderung und e« ging sich noch einmal so gut, verband man mit dem Vergnügen des Spaziergangs irgend einen bestimmten Zweck. Auf der Station erwartete er nicht gerade einen Bries für sich, aber für WalterSdorf pflegte doch alltäglich etwa« aus der Poft zu sein, und er freute sich schon in Gedanken auf das Erstaunen der Seinen, wenn er die Rolle de« sonst üblichen Postboten gemacht. Für ihn? — Wer sollte ihm schreiben? Mit der Hau>'- bälterin war die Eintheilung de« Tage«, an dem er fort sein würde, genau durchsprochen worden, ein paar intime Bc kannte, die er hatte, kannte er al« sehr saumselige Nacbrictn gebrr, so faltete er denn da« Packet, da- ihm der Expedieu am Briefschaltrr reicht», ohne weit«« Nrugiir au«»iaand»r Leivzig.
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