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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189408307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18940830
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18940830
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-30
- Monat1894-08
- Jahr1894
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1894
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gemein rege Tätigkeit entfaltet und wenigsten« die kleinen Landwirth« haben fast alle» liegende Getreide geborgen. Die hohe Temperatur und der zeitweise Wind haben da« Getreide vollkommen getrocknet und auch da« von Manchem befürchtete Keimen de« Getreide« ist im Ganzen unbedeutend, weil während der Regenzeit eine sehr niedrige Temperatur herrschte. Der Hafer hat häufig gar nicht gelitten, während allerding« ein Theil der Gerste, wenigsten« zu Brauzwecken, keinen Ab satz finden wird. Leipzig. Ein Unglücksfall ereignete sich am Mitt woch in einer größeren Osficin an der Nürnberger Straße. Gin daselbst beim Legen der elektrischen Leitung beschästiger 27 jähriger Monteur wurde, auf einer Leiter stehend und mit einer Zange hantirend von dem elektrischen Strom einer Nebenleitung an den Händen verletzt und gelähmt, wodurch er von der Leiter fiel. Die im Gebrauch befindliche Zange wurde in Stücke gerissen. Lejipzig, 29. August. Die hiesige Polizei verhaftete «inen vor Kurzem au« dem Gerichtsgefängniß zu Bitterfeld entsprungenen gefährlichen Einbrecher, der nach den ange stellten Erörterungen in da« Pfarrhaus zu Schellbach einge drungen war und auf den hinzukommenden Pastor Revolver- schüfst abgegeben hatte. Leipzig, 28. August. Die Ledermesse, mit der in der Regel die Großverkaufswoche der Messen eingeleitet wird, hat durch die Früherlegung um drei Wochen leider gar nicht gewonnen ; denn vorgestern und gestern zeigte sich« nur zu deutlich, daß die Zahl der Besucher bei weitem nicht so groß war wie sonst. Auch die Lederzufuhr war viel geringer al« zu früheren Messen. So fehlten namentlich die Kleinhändler, auch die Maaren aus dem Rheinlande, Trier und Eschwege. Besser war die Meßbörse besucht, wo sich auch ein lebhafter Umsatz entwickelte. Obwohl die Lederpreise bisher schon äußerst niedrig waren, ist doch bei verschiedenen Sorten der Preis abermals zurückgegangen, so daß viele Gerber oder Ledersabrikanten die Messt sehr unbesr.edigt verlassen. Man schiebt die Schuld dieses ungünstigen Ergebnisses vorwiegend auf den zu frühen Beginn der Messe. Als seinerzeit der Rath die Meßbesucher veranlaßte, ihre Wünsche wegen der zukünftigen Gestaltung der hiesigen Diessen zu äußern, hatten sich die Lederfabrikanteu für. die Beibehaltung der bisherigen Zeit ausgesprochen. Sie wurden aber von den Vertretern anderer Industriezweige überstimmt und mußten sich fügen. Jetzt wollen sie aber dahin wirken, daß in Zukunft die Leder messe nicht in die erste, sondern auf die letzte Mcßwoche der Herbstmesse verlegt werden mochte. ManöverbUder au- der Laufitz. Löbau, 28. August. Obwohl eben erst das Brigade- «xerciren begonnen hat, herrscht bereits sehr lebhafte«, mi- litä.isches Leben und Treiben, dessen Mittelpunkt die freund liche Stadt Löbau bildet. In der Siadt selbst sind gegen wärtig ca. 1500 Mann Einquartierung untergebracht, worunter dec Divisicmstab und zwei Regimentsstäbe, während der Stab der Grenadierbrigade unweit der Stadt im geräumigen Schloß Unwürde einquartiert ist. Die zum Zwecke leichter Orientirung in den CantonnementS angebrachten Wegweiser und Tafeln begünstigen das rasche Ausfinden von «omman- dostellen, Bureaux, Feldwebeln, Schießunteroffizieren rc. un gemein. Der Verkehr zwischen den Stäben und Schreibstuben scheint meist durch Radfahrer hergestellt zu werden, wenig stens wurden wir von verschiedenen, auf Zweirädern daher sausenden Grenadieren, Zahlmeisteraspiranten, um Auskunft gefragt. Die Ulanen sehen mit ihrem wagerecht geschnallten Säbel auf dem niederen Rade etwas sonderbar aus. Se. königl. Hoheit Prinz Johann Georg von Sachsen liegt im Schloß Raoibor, dem Grafen Clemens v. Einsiedel gehörig. Der hohe Herr und seine Gemahlin waren am Sonntag im Brauhausgarten zu Bautzen Gegenstand warmer und stür mischer Ovationen. Hier hatten die Bautzener Militäroer- eine ein militärisches Doppelkonzert, ausgeführt von den Trompeterkorps des Gardereiter- und 1. Ulanenregimenls, arrangirt, dessen Reinertrag als Beitrag für das Kyfshäuser- denkmal überwiesen werden soll. Der Garten hat ca. 2500 Sitzplätze, aber wohl die doppelte Anzahl von Besuchern war anwesend, so daß Stühle und Bänke aus der Nachbarschaft requirirt werden mußten, auch in den anliegenden Straßen fiuthete seine Menge Menschen, die gekommen waren, das hohe Paar entweder im Konzert oder auf der Fahrt zum Bahnhof zu sehen. Die Straßen waren illuminirt. Montag inspicirte Se. lönigl. Hoheit Prinz Georg die Grenadier brigade bei Kittlitz, auf der Fahrt von öbau nach dem Ex- erzuplatz wurde der beliebte Heerführer fast ununterbrochen von allen Militär« begrüßt, in Kittlitz aber am Pfarrhause stand die Schuljugend mit Kränzen und Fahnen, um dem Prinzen zuzujudeln, leider wurde er hier nicht erkannt, weil «r sich eines Lohnwagens bediente. Das Leibgrenadierregi ment macht« einen famosen Angriff auf Krappe, wobei ein mehrere hundert Meter lange« rnd breites Kartoffelfeld passtrt werden mußte. In dem hohen Kraute verschwanden die Schützenzüge fast vollständig, wenn sie liegend feuerten, nur die Helmspitzen waren zu sehen. Prächtig wirkten die weißen Hosen im grünen Kartoffelkraut, wie lange Bänder in den Landesfarben; al« da« Regiment tambour bsttsnt vorging und die Musik mit dem Sturmmarsch einfirl, Heller Sonnenschein aus die stürmenden Kolonnen fiel und die brausenden Hurrah erklangen, erklang leider plötzlich da« Signal: da« Ganze halt! — Nun rückte da« Leibgrenadier- icegiment ein und die Katsergrenadtere wurden vorgenommen: „Achtung, präsentirt da« Gewehr!" Der Prinz sprengt an, der Präsentirmarsch ertönt, die Tambourzüge schlagen ein und langsam reitet der hohe Herr an den Reihen seiner Grenadiere cntlang. Da« Regiment setzt sich sodann in Kolonne und führte einen geradezu prächtigen Parademarsch in Kompagniefront au«, worauf Front und Kehrlmarsch in RegimrntSkolonne erfolgten, wobei da« Erdreich unter dem wuchtigen Gleichtritt de« Regiment« erdröhnte; in GektionS- tolonnen rückte dann da- Regiment seitwärts ab, um sich in Gefechtsbereitschaft gegen den bei Nostitz stehenden markirte« ! Feind zu setzen, auch Nostitz wurde langsam vom Feinde ge- räumt. Da« Terrain in hiesiger Gegend ist wie besonder« für große Manöver beschaffen. Wenige Vtunde« nach dem Einrückcn, nachdem der blaue Waffenrock mit dem Drillkittel vertauscht ist, treten die braven Jungens schon wieder an, um bet der Ernte zu helfen. Al« der Hauptmann und Kcmpaaniechef der 7. Kompagnie der Katsergrenadtere frug, wer bei der Ernte helfen wollte, blieben nur IS Mann zurück. Diese Kompagnie ist übrigen« die interessanteste der ganzen Brigade, sie ist al« BersuchSkompagnie vollständig neu ausgerüstet, die Helmbeschläge sind au« Alumimumbronce, Feldkeffel und Feldflasche au« Aluminium, letztere mit brau nem, wasserdichtem Ledertuch bezogen, Brodbeutel ebenfalls au« braunem Ledertuch. Die Kompagnie trägt auch umge klappte Kragen am Waffenrock, Unteroffiziere und Mann schaften behaupteten, solche seien viel bequemer und angenehmer, wenn auch nicht so kleidsam wie die Steh kragen. — Eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich Montag Abend« 6 Uhr vor dem Quartier de« Prinzen Georg, dem Wettiner Hof zu Löbau, aufgestellt, in der kleinen Veranda nahm der Prinz den Kaffee, während der größere Theil dem Publikum liebenswürdig zur Verfügung gestellt war. Das Musikkorps de« Leibgrenadierregiment- spielte, die zahlreichen Offiziere bildeten zwanglose, plaudernde und rauchende Gruppen, viele jüngere Herren nahmen den Kaffee stehend ein, zahl reiche Ordonanzen servirten Lognak, Benediktiner, Cigarren und Cigaretten, und als Se. Königl. Hoheit sich bei Einbruch der Dunkelheit langsam zurückzog, nachdem er mehrere seiner Offiziere angesprochen, da erklangen Hoch« von allen Seiten, für welche der Prinz freundlichst grüßend dankte. — Heute, Dienstag, erfolgt die Vorstellung der zweiten Brigade bei Herrnhut, während die Grenadierbrigade bei Löbau da« Auf schlagen von Zeltlagern übt. Donnerstag ist Vorstellung der Cavalleriebrigade bei Radibor und Freitag scharfes Gefechts schießen von drei Batterien Artillerie vom Wachtberge nach dem Rothstein, die Absperrungsmaßregeln sind derart ge« > troffen, daß jeder Unfall ausgeschlossen erscheint. Noch sei erwähnt, daß die GesammtauSrüstung neuesten System« noch immer 30 Kilogramm wiegt. Um ein Beispiel anzuführen, wie dicht das Militär schon jetzt liegt, sei bemerkt, daß ein großindustrieller Rittergutsbesitzer 10 Offiziere und 110 Unter offiziere und Soldaten im Quartier liegen hat. Die Ausstellung für Nahrungsmittel, Gewerbe und Sport in Dresden. * Begünstigt von schönem Welter halte die Ausstellung sich bis jetzt eines ungemein regen Besuches zu erfreuen. Nach der Fertigstellung übt dieselbe aber auch, in Folge ihrer Vielseitigkeit und Eigenart, auf alle, die sie eivmal gesehen, eine ungeschwächte Anziehungskraft aus. Der Eintritt kostet Mittwoch, Sonnabend und Sonntag 50 Pf., an den übrigen Tagen 1 Mk. Glanzpunkte in doppelter Beziehung dürften die von einem englischen Pyrotechniker veranstalteten Feuer werke werden. Das am Dienstag erstmalig vorgeführte Feuerwerk übertraf hinsichtlich der Farbenpracht auch alle«, was hier seither in diesem Fache geboten wurde und stellte darin selbst das berühmte Feuerwerk des Wettinfestes in Schatten. Die Besucher der Ausstellung und die vielen Zaun- billelinhaber außerhalb derselben waren voll Bewunderung bei den dunkelrothen, blauen und grünen Leuchtkugeln und neuen Lichteffekten, dre den Nachihimmel erhellten. Weitere Feuerwerke sollen am 3., 10. und 16. September abge- brannt werden. Die Dampfschifffahrts-Gesellschaft stellt wiederum gegen Lösung einer Fahrscheines von 50 Pf. mehrere Schiffe in der Nähe des AuSstellungsplatzcs auf. Inbegriffen in den Preis ist die Fahrt ad Terassenufer und die Rück fahrt nach beendetem Feuerwerk ebendorlhin. Lokomotive« «e«eu Musters. Die unaufhörlichen Versuche zur Erzielung einer gesteiger ten Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge scheinen jetzt dank einer schon früher anfgetauchten Idee eine neue Wendung genommen zu haben. Wie der „Temps" meldet, hat die französische Eisenbahngesellschast Paris-Lyon-Mittelmeer vierzig Lokomo tiven neuen Musters gebaut, deren Vordertheil die Gestalt des Buges eines Dampfschiffes hat und die daher den Namen „Schnabellokomotiven" — looowotiveo L boo — führen. Nach den bisher gemachten Erfahrungen wird durch dieses System eine sehr erhöhte Geschwindigkeit oder bei gleicher Ge schwindigkeit eine bedeutende Ersparniß an Brennstoff erreicht. Die neuen Lokomotiven sind nach dem sogenannten Compound- System mit vier Cylindern gebaut. Ihre sämmtlichen cylinder- sörmigen und senkrechten Theile wie der Schornstein, der „Dom", der Feuerkasten, die Schutzvorrichtung für Führer und Heizer sind mit einer unter einem Winkel von 45 Grad nach der Achse des Geleises zu geneigten Deckung ausgerüstet; der obere Theil des vorderen Querbalkens, sowie die Stiegen der Platte sind gleichfalls niit schiefen Ebenen von 45 Grad ver sehen. Endlich trägt der Rauchkasten einen Flügel in Form eines Parabolords. Bereits bei dem Bau der ersten Eisen bahn war man auf den Gedanken gekommen, den Lokomotiven sozusagen eine falsche Nase anzulegen; aber der Nutzen dieser Einrichtung war angezweifelt worden. Da man mittels Ein führung elektrischer Bewegungskraft noch größere Geschwindig keiten zu erzielen hofft, so hat man die Versuche in dem an gedeuteten Sinne beschleunigt. Man hat in der That die Erfahrung gemacht, daß bei großer Geschwindigkeit der Luft widerstand unglaublich hemmend wirkt. Bei verdoppelter Ge schwindigkeit der Schnellzüge steigert sich der Luftdruck gegen die Stirnseite der Lokomotive von 35 auf 230 kx auf das Geviertmeter, er ist demnach mehr al« sechsmal stärker. Die bereits vor einigen Jahren von DeSdonits in dieser Richtung an Staatsbahnen angestellten Versuche waren von Erfolg be gleitet. ES hatte sich bei Anbringung von zwei schiefen Ebenen von 45 Grad an dem Vordertheil einer unter gewöhnlichen Bedingungen sich sortbewegenden Lokomotive eine Ersparniß von 10 Procent Kohlen herauSgestellt. Außerdem ließ Des- donitS eine an einen Zug angespannte Lokomotive mit einer Geschwindigkeit von 60 lcw in Bewegung setzen; vor diesem lies in sehr kurzem Abstand frei eine zweite Lokomotive. Hie raus ergab sich eine sehr erhebliche Widerstandsverminderung. Somit ist diese Einführung Thatsache geworden, und die Eisen - »ahngesellschast Paris-Lyon-Mittelmeer verwirklicht einen Fort- chritt, auf den man längst gehofft hatte. Die Schnabelloko motiven werden demnach gebräuchlich werden. Vielleicht dürfte ich zu deren Schutzplatten Aluminium, welche« hinreichenden Widerstand leistet, verwenden lassen; die Lokomotiven bedürfen weder Kürasse noch Panzer, nur Schirme sind erforderlich für die Vergrößerung der Geschwindigkeit. Z«r Eoeialiftenfrage. Die „Hamburger Nachrichten" veröffentlichen unter der Ueberschrift „Zur Socialistenfrage" eine Zuschrift aus parla mentarischen Kreisen, worin wir folgende ebenso zutreffenden als bemerkenswerthen Ausführungen finden. Es wird hervor gehoben, daß man allseitig zur Erkenntniß kam, „es müsse etwas geschehen", und zur Sache heißt es sodann: „In einer so eininenten Lebensfrage des Staates kann die Ini tiative nur von der Regierung ergriffen werden, wenigstens bei uns in Deutschland. Wir haben kein Parlamentarisches Regime, in welchem die Regierungspolitik nach den Anschauungen der Mehrheit der Volks vertretung einzurichten ist; dem entsprechend hat aber auch keine Par lamentarische Pattei weder die Autorität, noch überhaupt die Ausgabe, für die verantwortungsvollsten Entscheidungen in der aktuellen Politik der Regierung Vorschläge zu machen. Eine Regierung, welche über den Parteien zu stehen beansprucht, muß auch die Führerrolle in allen großen polnischrn Angelegenheiten haben. Das kann auch der „Reichsregierung" — einerlei nun, wen oder was man sich unter diesem Begriffe denken wolle — in der gegen wärtigen Frage nicht emst genug entgegengehalten werden. Noch mehr: es darf ihr nicht verschwiegen weiden, daß, wenn sich in den letzten Jahren in Deutschland des Urlheils über das Wesen der Socialdrmo- kratie eine beklagenswetthe Verwirrung bemächtigt hat, — siehe als neuestes Beispiel der Fall AronS! — dies nicht am wenigsten durch die Haltung der Regierung ve> schuldet ist. Eine offiziöse Feder hat noch neuerdings ausgesühtt, daß die gegenwärtige Regierung das So- cialistengesetz nicht fallen gelass n, sondern daß sie lediglich eine Situ ation a c.piirt habe, die sie nicht ändem tonnte. Was soll man da raus entnehmen? Hielt die Regierung selbst das Sottalisiengesetz für richtig und verzichtete nur angesichts dcr augenblicklichen parlamen tarischen Lage am eine Wiedereinbringung desselben, mit dem slill- schweigenden Vorbehalte, aus die Sache zurückzwommcn, sobald die Erfahrung die Unzulänglichteit der vorhandenen Abwehrmittel ergäbe? Oder betrachtete sie das Socialistcngesctz als veisehlt und werthlos ? Oder war sie am Ende gar der Ansicht, daß an die Wiedereinführung derartiger Waffen nicht gedacht werden dürfe, solange die Ablehnung eines entsprechenden Gesetzentwurfes durch den Reichstag befürchtet werden müsse? Die Regiening und ihre publicistischen Vertreter Haden dies alles im Dunkeln gelassen! Dagegen hat eS alle Welt mit an gesehen, wie nach dem Erloschen des Socialistengesetzes dieses selbst und seine Urheber, vor allem Fürst Bismarck, in der unsläthigsien Weise geschmäht werden dursten, ohne daß in der offiziösen Presse auch nur ein W >tt der Entrüstung laut geworden iväre. So hat es kom men können, daß sich hier und da eine Auffassung der Stellung der Regierung zur Socialdemokratie hetausgebildel har, wie sie neuer dings in der Erklärung der Berliner philosophischen Fakultät zum Ausdruck gekommen sein soll. Zum mindesten aber hat sich die Regierung durch ihre unklare Haltung in der verhängniß- vollsten Frage der Gegenwart dar Vertrauen weiterKreise des deutschen Bürgerlhums entzogen, was dann zur Folge gehabt hat, daß die Thatkrast dieser Kreise gegenüber der revolutionäien Ge ahr erlahmt, der Zusammenschluß der staatserhaltcnden Par'.e en gelockert ist. Wenn jetzt der Rus der ossiziösen Presse nach einer fest geschlossenen Bekänipsung der Socialdemolratie durch die Freunde der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung Erfolg Haden soll, so ist zunächst erforderlich, daß die Regiecung, und zwar die „Reichsregierung" klar erkennen läßt, was sie zu thun gedenkt. Gerade darüber aber ist man noch ganz im Unklaren. Rian hat von der Absicht einer Becschärsung des preußischen Vereinsgcsetzes gesprochen. Aber die Bekämpfung der revolutionären Gefahr ist doch eine allgemeine deutsche, keine speciell preußische Angelegenheit! Ob eine Gestaltung des allge meinen Vereinsrechts mögttch märe, welche die revolutionären Bestre bungen wirksam träse, ohne zugleich berechtigte Tendenzen zu schädigen, mag dahin gestellt bleiben; allgemein glaubt man aus dem Boden des VcrcinsrechtS die Frage lösen zu können, warum unternimmt man denn nicht endlich die Schaffung des schon in der ReichSveriassung in Aussicht genommenen Reichsvereinsgesetzes? — Wie kann man über- ha Pt aus den Gedanken kommen, eine derartige nationale Ausgabe dem Reiche zu entziehen? Man sagt, ein entsprechender Gesetzentwurf sür das ganze Reich würde im Reichstage keine Majorität finden. Nun, wenn nicht in dem gegenwärtigen, so doch vielleicht in einem künftigen! Und wenn sich, was wir nicht glauben, herausstellte, daß auf der bisherigen Grundlage überhaupt kein Reichstag mehr zu er zielen wäre, der dem Reiche den nothwendigen Schutz gegen die schlimm sten LebenSgesahren gewährte, so müßte eben die Grundlage geändert, nicht aber dürste das Reich deswegen in seiner gesetzgeberischen Zu ständigkeit geschmälert werden. Es wird sich schwerlich Jemand über zeugen können, daß der Vorschlag mit dem preußischen Vercinsgesetze von der „Reichsregicrung" ausgegangen sei. Vielmehr wird mau, wenn mit dem Vorschläge wi klich Ernst gemacht werden sollte, darm ein neues und hochbedenlliches Anzeichen des mulich von der „Nordd. Allg. Ztg." in so eigenthümlicher Weise in Abrede gestellten „Dua lismus" erblicken. Um so nothwendiger ist cS, daß die Reichsregie rung über ihre Stellung zur Socialistenfrage baldigst volle Sicherheit verbreiten läßt." Vermischtes. Große Goldfunde in Australien. Die „Boh." erhielt ein vom 19. Juli l. I. datirtes Schreiben aus SharkS Bay (Australien), dem folgende interessante Mt- theilung entnommen ist: „Vor drei Wochen wurde in Australien einer der bedeutendsten Goldsunde gemacht. Sechs arme Teufel hatten sich zusammengethan, um zu Prospekten, wie man hier sagt, das heißt Gold zu suchen. Sie zogen Hunderte Meilen herum, fanden nichts und kehrten enttäuscht und aus gehungert wieder zu ihrem Ausgangspunkte, der Stabt Coolgardie, zurück. Die letzte Nacht lagerten sie 12 Meilen von der Stadt im Busch. Am folgenden Morgen ging einer Feuerholz hacken und sah Gold im Quarzgestein. Er be- nachcichtigte seine Gefährten, die rasch hinzukamen und über den Funvort eine Hütte au« Reisig bauten, damit man sie nicht entdecke. Dort arbeiteten lne Leute drei Wochen in der primitivsten Weise, da sie kein Geld hatten, geeignete Werkzeuge rc. zu kaufen und nicht nach Coolgardie gehen
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