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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961224025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896122402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896122402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-24
- Monat1896-12
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Die Einführung oeS Atmel'schen Feldgeschützes, Las mit fünf Schüssen in der Minute und einer Schuß weite von 6800 m dem unsrigen weit überlegen wäre, in der französischen Armee würde eine so ausgesprochene Unterlegenheit unserer Artillerie und damit eine so bedenkliche Erschütterung des militairischen Gleichgewichts in Europa zur Folge haben, daß eine unabweisbare Pflicht die deutschen Militärverwal tungen zwingen würde, durch eine sofortige Erneuerung unserer Artilleriebewaffnung dieses Gleichgewicht wieder her zustellen. Wir hätten dann eine Situation, in der finanzielle Erwägungen und Bedenken nicht mehr in Betracht kommen tonnten, sondern nur ein Gedanke das Volk und die Volksvertreter beherrschen dürfte: die pslichtmäßige Sorge für die Sicherheit des Reichs, für die Erhaltung unserer nationalen Existenz und unserer Machtstellung in Europa. Alle größeren Militärmächte haben denn auch längst ihre Vorbereitungen zu einem gleichen Schritte getroffen, und nur die erheblichen Kosten haben sie bis jetzt davon ab gehalten, den Fortschritten der Technik im Artilleriewesen zu folgen. Nach den Mittbeilungen, die durch den bekannten Vertrauensbrnch der klerikalen Presse in die Oeffentlichkeit gebracht sind, ist auch die deutsche Heeresverwaltung ihrer Pflicht gemäß thätig gewesen, um den Vorsprung eines anderen Landes zu verböten, und so wird eine erhebliche Forderung an den Reichstag berantretrn- sobald die Meldung deS „Figaro" sich bestätigt. Eine solche Zwangslage ist, wie gesagt, nicht eben erfreulich, aber sie verliert von ihrem unangenehmen Charakter sehr viel dadurch, daß erstens die aufzuwendenden Summen lediglich der deutschen Industrie zu Gute kommen würden und daß zweitens eine so große Reform, der keine europäische Macht sich entziehen kann, eine längere Dauer des Frieden» fast mit Sicherheit verbürgt. Selbst beim schnellsten Tempo würde die Um wandlung des Keldartillerie-MaterialS in weniger als 6 bis 7 Jahren nicht beendet sein können, und selbst nach Ablauf eines solchen Zeitraumes würde eS immer noch fraglich bleiben, ob die Mannschaften zur Bedienung der schneller feuernden Kanonen genügend eingeübt wären. Während dieser Jahre muß jede Nation sich ängstlich hüten, mit minter- wertbigrm Artillerie-Material einen Krieg zu beginnen; es giebt sogar Stimmen, die behaupten, es würden zehn Jabre noth- wendig sein, um eine so einschneidende Reform so durchzu führen, daß sie die Probe eines Krieges bestehen könnte. Diese Stimmen weisen darauf hin, wie lange Zeit es erfordert bat, daS neue Infanteriegewehr vollständig einzuführen; in Ruß land soll man mit dieser Neubcwaffnung noch immer nicht fertig sein. Und da Rußland für die Tauer der franzö sischen Friedensliebe jetzt ausschlaggebender ist als je, so wird die Dauer des europäischen Friedens voraussichtlich ebenso lang sein, wie die Durchführung der russischen Reform des Feldartillerie-Materials auf sich warten läßt. Eine solche Aussicht auf eine Reihe von Friedensjahren ist schon allein eines großen Opfers wertb. So hoffen wir denn auch zu versichtlich, daß die große Mehrheit des deutschen Volkes von der Nachricht deS „Figaro" sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen läßt und mit ruhiger Gelassenheit der Forderung entgegensieht, die bewilligt werden muß, wenn wir nach einem längeren Frieden un» einer neuen Garantie für die Sicherheit deS Reiches und die Erhaltung unserer nationalen Existenz sollen erfreuen können. Sollten die verbündeten Negierungen im neuen Jahre an een Reichstag mit erheblichen Forderungen für Artillerie- Zwecke heran treten müssen, so würden sie zwar, wie wir zuver sichtlich erwarten, selbst im jetzigen Reichstag keinen unüber windlichen Schwierigkeiten begegnen, aber sie würden doch auf begreifliche Mißstimmung stoßen, wenn der Entwurf der Mtlttatrstrafprocetzordnuns nicht wenigstens gleichzeitig dem Hause vorgelegt werden könnte. Bekanntlich behauptete dieser Tage die „Franks. Ztg", der den zuständigen Aus schüssen des BundeSratbS überwiesene Entwurf sei dort nock nicht einmal in Angriff genommen worden. Erfreulicherweise wird diese Meldung jetzt im „Schwäb. Merk." von augen scheinlich unterrichteter Seite folgendermaßen richtig gestellt: „Was die Verzögerung in der Berathung der Vorlage veranlaßt hat, ist »och nicht recht klar, glaubhaft erscheint es allerdings, daß im Bundcsrathe zahlreiche Anträge eingebracht sein solle», über welche erst eine Verständigung erzielt werden müsse. Die Meldung, daß sich die Ausschüsse des Bundes- raths mit der Vorlage noch immer nicht beschäftigt hätteu, ist unzutreffend; diese ast vielmehr nach zuverlässigen Mit theilungen von den Ausschüssen an den Bundesrath selbst schon zurückgelangt, so daß nur noch die endgiltige Ent- scheidung des letzteren aussteht. Außerdem ist bekannt, daß in der Frage des obersten Militairgerichtshofs von Bayern keine Schwierigkeiten mehr gemacht werden; die höchste Instanz in Militairstrafsachen wird also dieser Gerichtshof für die gesammte deutsche Armee bilden. Angesichts dieser Sachlage sind die Zweifel daran, daß es in kurzer Frist doch zu einer Vorlage über die Militairgerichtsbarkeit im Sinne der modernen Rechts» anschauugen kommen werde, gänzlich unberechtigt. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe sowohl, als auch der gegenwärtige preußische Kriegsminisler v. Goßler legen beide hohes Gewicht darauf, daß die alten berechtigten Forderungen des Reichstags zur Verwirklichung gelangen, soweit sie dies mit den Rücksichten auf die Erhaltung der Manneszucht im Heere irgendwie erträglich halien. Wenn noch im letzten Augenblicke sich innerhalb der Bundes regierungen Meinungsverschiedenheiten herausgestellt haben, so werden diese wohl auch zu überwinden sein." Jedenfalls wird, wenn die Dinge so stehen, die Meldung des „Figaro" mit ihren für die deutsche Militairverwaltung sich ergebenden Conseguenzen ein neuer Sporn für die Bundes regierungen sein, der unter ihnen herrschenden Meinungs verschiedenheiten schleunigst Herr zu werden. Die von der französische» Locialdemokralie als ideales Muster einer Arbeitergründung hingestellte Arbeiterglas bütte von Albi hat in der kurzen Spanne Zeit, welche seit ihrem Jnslebentreten verflossen ist, schon ganz eigenartige „Musterleistungen" auszuweisen, welche typisch sind für den Geist der „Freiheit", der in dieser Schöpfung der Welt verbesserer herrscht. So wurden kürzlich vier Arbeiter, welche an gewissen Maßregeln des Verwaltungsratbes der Glashütte eine mißfällige Kritik übten, Knall und Fall entlassen. Unter dem „tyrannischen" Regime der bürger lichen Arbeitgeber galt und gilt die plötzliche Entlastung von Arbeitern als eine sehr ernste und folgenschwere Sache, bei der man sich unter Umständen einem General streik der sich solidarisch fühlenden Leute des Etablissements aussetzt. Der letzte große Arbeiterausstand in Carmaux wurde durch die Entlassung eines Arbeiters hervorgerufen, welcher ohne den geringsten stichhaltigen Grund lange Zeit hindurch der Werkstatt fern gehlieben war. In der von Arbeitern und für Arbeiter gegründeten und von Arbeiter beauftragten geleiteten Glashütte von Albi wird jeder sans ta^ou an die Luft gesetzt,der auch nur in Gevanken zu raifonniren wagt. Und, wohlgemerkt, es sind keineswegs gewöhnliche Arbeiter, mit denen so „brüderlich" umgesprungen wird, sondern Associations mitglieder, Nutznießer des Woblihätigkeitsacts, dem die Glas hütte ihre Existenz verdankt. Macht nichts, sie fliegen hinaus, den Kameraden, die vielleicht ebenfalls in dem Wahn befangen sein könnten, daß sie das Recht hätten, ihre Meinung frei zu äußern, zum warnenden Exempel. Auch sonst fehlt es m der Arbeiterglashütte zu Albi nicht an Zwangsjacken. Die Fabrikordnung ist von drakonischer Strenge. Die DiSciplin ist eine eiserne. Wenn rS sonst Art der Genossen ist, gegen die Erhebung von Strafgeldern zu wettern und zu fordern, daß den Arbeitgebern dieser Modus, ihr Personal zur Befolgung der FabrikordnungSbcstimmungen anzuhalten, streng verboten werde, so machen doch die von der „Tyrannei der Arbeitgeber" befreiten Genossen in Albi selber den ausgiebigsten Gebrauch von der verpönten Institution der Strafgelder. Für die geringste Verspätung, für die kürzeste Unterbrechung wird daS Portemonnaie deS be treffenden Arbeiter- in schwere Contribution genommen. Ebenso ergeht eS jedem, der sich gegen den Werkführer, Buchhalter oder sonst einen Arbeitervorgesetzten eine» respectwidrigen Betragens schuldig macht. Summa Summarum, waS auS den Mysterien der Arbeiterglashütte von Albi in die Oeffentlichkeit dringt, liefert eine drastische Illustration deS Sprichwortes „aus dem Regen in die Traufe kommen". Nach unseren letzten Mittheilungen kann der portugiesisch deutsche Zwischenfall an der Delagoabai als beigelegt betrachtet werden. Es verlohnt sich aber, sich zu vergegen- wärtigen, welche Schwierigkeiten der unter englischem Ein fluß stehende Tbeil der Lissaboner Presse der gütlichen Bei legung in den Weg gelegt hat, um gegen Deutschland Hetzen zu können. Ueder die Verhandlungen wegen deS Zwischen falles wurden die abenteuerlichsten Gerückte verhreitet, so z. B., daß ein deutsches Panzergeschwader unter dem Befehl deS Prinzen Heinrich von Preußen eine Demon stration an der portugiesischen Küste ausführeu werde. Das portugiesische Ministerium bat sich daher veranlaßt gesehen, in den Zeitungen folgende Erklärung zu veröffentlicken: „Die Wiederholung unangenehmer Vorfälle, die in kurzen Zwischenräumen zweimal mit dem deutschen Eonsul in Louren^o Marquez sich ereigneten, machte eine der kaiserlichen Regierung zu gewahrende Salisfaction nothwendig, worüber zwischen den beiden Regierungen verhandelt wird. Die Drahtmeldung der Agentur Faber über die zu erwartende Ankunft eines deutschen Geschwaders, sowie die Gerüchte über begangene oder bevorstehende Gewalttbätigkeiten Deutschlands entbehren vollständig der Begründung. Es ist ferner unwahr, daß der Marineminister irgend welche Nach richten über deutsche Besitzergreifungen am Ufer des Cunene oder aus irgend einem anderen Theile des portugiesischen Besitzes erhalten habe." Die Lüge von der Entsendung eines deutschen Geschwaders reducirt sich darauf, Laß in der vorigen Woche der deutsche Kreuzer „Condor" von Port Durban aus in die Delagoabai eingelaufen ist und daß auch das zweite Schiff von der ost afrikanischen Station, der Kreuzer „Seeadler", sich auf der Fahrt nach Lourentzv Marguez befindet. Dem Vernehmen nach ist jedoch nicht beabsichtigt, dort zwei Kriegsschiffe ver weilen zu lassen ; der „Seeadler" soll nur, wie rS auf den trop.'ckrn Stationen alljährlich mehrere Male geschieht, andere Gewässer und ein anderes Klima aufsuchen und den „Condor" ablösen, nachdem dieser schon längere Zeit in Südafrika war. Der „Condor" war fchon im August vor Louren^o Marguez eingelroffeu nnd hatte sich dann einige Zeit in Capstadt auf gebalten. Die portugiesische Regierung ist entschlossen, alle falschen oder für eine andere Nation beleidigenden Zeitungs artikel zu unterdrücken; so wurden bereits die beiden Opposi- tionsblätter „Marselhesa" und „Vanguarda" beschlagnahmt und gegen sie Strafantrag gestellt, da sie eine Deutsch land feindliche Volksstimmung zu erregen versuchten. Die „NovidadeS" in Lissabon schreiben: „Der deutsche Gesandte empfing von seiner Regierung die Weisung, seine Reclamation nur durch einfache mündliche Mit- theilung zu vollziehen. Nnd so geschah es. Es wurde keine Note gesandt. Dos ist ein wichtiger Umstand, der, wie jeder mit diplomatischen Gebräuchen Vertraute zugeben wird, Zeugniß ablegt von der Herzlichkeit der Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die auch sicherlich nicht gebrochen oder auch nur geschwächt wird durch diese bedauerlichen Vorfälle. Unsere Ansicht ist ganz klar: aus eigener Würde und zur Ehre Portugals schuldet unsere Negierung eine Satisfaction an Deutschland, selbst wenn dieses sie nicht verlangte." Gleichzeitig bat dir portugiesische Regierung die Versiche rung gegeben, daß sie Alles aufdieten werde, um die Wieder holung derartiger Ereignisse dauernd zu verhüten. Daß sie überhaupt vorkommen konnten, ist, so wird der „Köln.Ztg", wobl osficiöS, in Uebereinstimmung mit unseren früheren Auslastungen quS Berlin gemeldet, im Wesentlichen auf die politische Beunruhigung zurückzuführen, die in jenen Gebieten seit dem Iameton'schen Einfall in Trans vaal platzgegriffen hat und leider noch immer nicht gewichen ist. Daß sie nicht auf daS bisherige freundschaftliche Ver- hältniß zwischen Portugal und Deutschland störend einwirken kann, dafür ist jetzt durch da- freimüthige Entgegenkommen der portugiesischen Regierung, hoffentlich nachhaltig, gesorgt worden. Deutsches Reich. * Berlin, 23. December. Die „Franks. Ztg." berichtet: Die russischen Commissare, die zur Berathung von Veterinärpolizei- und Zolltariffragen hier an wesend sind, haben zur Sprache gebracht, daß eine Bezeich nung der Behörden, die nach dem Handelsverträge zur Wiederaufnahme der wegen mangelhafter Reisepässe oder wegen Nichtzahlung von Zollgebühren zu.ückgewiescncu Reisenden zuständig sein sollen, bisher nicht erfolgt ist. Von russischer Seite ist in Aussicht genommen, den Chefs der Zollämter, oder in deren Ermangelung den Chefs der GendarmeriecorpS die Befugniß zur Verhandlung über die Wiederaufnahme zu ertheilen. Der Minister deS Innern hat daraus Anlaß genommen, ein Ver- zeichniß derjenigen preußischen Behörden einzufordern, die für die Bezirke Königsberg» Gumbinnen, Marienwerder, Bromberg, Posen und Oppeln als die zuständigen zu nennen sind. Bei der Berathung wurde ferner in Anregung gebracht, daß die IahresbilletS, die gegenwärtig nur den auf beiden Seiten der Grenze begüterten Grundbesitzern verabfolgt werden, für die Folge auch deutschen Industriellen er- theilt werden möchten, die ähnliche Etablissements oder Succursalen in Rußland besitzen, ebenso ihren Beamten. Die russischen Commissare haben daraufhin den Wunsch aus gesprochen, zunächst eine genaue Liste aller Personen zu er halten, die für die Ertheilung von JahreSbilletS in Betracht kommen würden. Der Minister deS Innern hat die ent sprechenden Erhebungen angeordnet. * Berlin, 23. December. Die „Vossische Zeitung" äußerte dieser Tage: „Die Börse kann keine Preise machen; gemacht werden die Preise von dem Verkehr selbst, und die Börse kann die von dem Verkehr gemachten Preise nur auf zeichnen." Darauf hin macht die „Cons. Corresp." die „Vossische Ztg." auf folgende von ihr selbst gethaaen Aeußerungen aufmerksam. Am 10. März v. I. schrieb sie: „Was kümmert die Börsen die wirthschaftliche Krankheit, wenn nur die Course steigen!" ... „Ein Kohlenpapier, dos seiner Natur nach kaum als Anlage gelte» kann, notirt bei 3proc. Dividende 140! Phantastisch« Course auf diesem Gebiete bilden hier die Regel und «irgend» feiert die sprculative Mache und die Position^, ausbeuterei größere Triumphe als in Kohlen-, theiiweise auch Eisenbahnactieu." Am 18. August äußerte sie: „Zieht man in nüchterner Weise demnach die entscheidenden Factoren zu Rathe, so kann nur gesagt werden, daß die gegenwärtige Haussebewegung auf der Grundlage der bereits ganz irratiouell er höhten Course lediglich der Ausdruck einer um jeden Preis nach oben arbeitenden speculativen Thätigkeit ist, in der Absicht, Differenz gewinne zu erzielen, nachdem man bei Zeiten realisirt hat. Man hofft das spielende Publicum heranzulocken, um ihm dann die Engagements aufzubürden, nach dem alten Recept: Die Letzten beißen die Hunde." Am 27. October war sie folgender Meinung: „Tie Loge unserer Industrie wurde — und zwar mit Recht — als eine günstige hingestellt, Geld war reichlich angeboten, der Zins- fuß billig. Heute stürzen die Course unserer ersten Banken und der leitenden Jndustrieactien, als ob der Zusammenbruch bevorsteht. Sieht so die wirthschaftliche Besserung auS? Oder hat man sich in türkischen Werthen und Goldaction auch hier so stark engagirt, daß wir für dieSünden von Paris, London und Konstantinopel mit büßen müssen ? Tann verdient unsere Börse als die berufene Führerin dec deutschen Capitals kein Vertrauen mehr, und man muß das Publicum doppelt und dreifach warnen, sich dieser Führerin zu überlassen. Es ist ein eigenthümliches Berhältniß, das zu denken giebt, Laß eben jetzt, da die wirthschaftliche Besserung nngetrcten ist, Diejenigen die stärksten Verluste treffen, die daran geglaub: haben, und es giebt nur eine Erklärung dafür: di« maß- lose Spielsucht, für die unsere Märkte zu klein sind." — Der StaatSsecretair deS Reichspostamts hat unter dem 20. d. M. eine Verfügung erlassen, betreffend die Der Minderung deS Schreibwerks und Vereinfachung des Dienstbetriebes. Die Verfügung tritt mit dem 1. Januar 1897 in Wirksamkeit. — Der StaatShauShaltS-Etat für 1897/98 wird dem Abgeordnetenhaus, wie die „Post" hört, zugleich mit der Uebersicht der Aufbesserung derBeamtengehälter bis zum Wiederzusammentrilt am 8. Januar 1897 zugehen. Ferrilletsn Um -ie Weihnachtszeit. 8j Novelle von Anna Gnevkow. x, Nachdruck »rrbottn. „Was ich damit sagen will?" Reinhold wankte einige Schritte näher in die Stube herein und stellte sich unmittel bar vor Ella auf, „ich will sagen, daß der Mann, der diese Guirlanden anbringen ließ, Geschmack für Dekorationen haben muß, daß e» gut hier aussieht und daß daS Will kommen, daS er sich dafür holen wird, ein sehr liebens würdiges, ein sehr freundliches sein muß. Da wird man sein Köpfchen wohl nicht abwenden, wie Sie eS eben thun, da wird mau beide Hände eiztgegenstrecken und" „Von wem sprechen Sie denn aber?" unterbrach ibn Frau Roell und stellte sich zum Schutze der Tochter dicht neben sie bin. „Spielen Sie nicht Komörie", lachte der Mann rauh und wandte sein Gesicht der alten Frau zu, „waS die Eine weiß, weiß die Andere auch und lange genug spielt ja da- Stück, spielt wobl schon seit der Zeit, wo ich die hübsche Abweisung auf da« Bittgesuch an die Regierung brachte, — wie lautete sie doch? „Die Wittwe Roell solle ihr Kind lieber da» Putz machen erlernen lassen, anstatt eS partout zu einer Erzieherin machen zu wollen." " Elle» zuckte zusammen, und ihre Hand stützte sich fester auf die Kante deS Tische«. Wozu nur jetzt diese Erinnerung. Sie starrte verstäudaißlo« zu dem Sprecher empor. „Ja, ja, der Hieb saß", lachte dieser hämisch, „wenn man sich damals auch ein wenig getäuscht gesüblt, damals, wo man gesagt, man schwöre darauf, das könne der Regierung«- rath nicht geschrieben haben, die Welt ginge eher in Stücke, ehe er sich als falsch erweisen würde. Später muß man sich dann aber doch versöhnt haben, später traf man sich in Waltersdorf und dann" „Dann?" wiederholte Ella so tonlos, als spräche sie wie im halben Traume. „Kamen der Herr Rath wieder hierher", ergänzte Rein hold und stieß seinen Stock wüthend auf, „veranlaßten eS, daß das Täubchen, daS Liebchen unter fünfzig Bewerberinnen die Stelle als Lehrerin in Meiburg erhielt, schmückten ihm sein Heim mit Blumen und schickten den armen Weiler fort, damit er nur gar nicht- sehe, gar nicht im Wege stünde." Schon während der letzten Worte war Ella furchtlos auf den Sprecher zugegangen und wie- nun mit gebieterischer Bewegung nach der Tbür. „Geben Sie", sagte sie mit so stolz gebobenem Kopse, daß der Mann um einen Schritt nach dem ÄuSgange zurückwich und eS den Anschein hatte, als wolle er sich entfernen. Auf der Sckwelle aber machte er »och einmal Halt und, den Stock schwingend, die wutbfunkelnden Augen auf Ella gerichtet, rief er mit heiserer Stimme: „Gebe»? Ich wäre auch gegangen, ohne, daß Ihr e« mich heißt, denn meine Stunde schlägt. Dreiviertel auf Sechs", er zog seine Uhr und stierte darauf nieder, „da ist's an der Zeit, sich zu postiren, ihn abzupassen und ihm einen Denkzettel zu geben, einen Denkzettel dem stolzen Herrn Regierung-rath." Die Stube war leer, der Schreckliche verschwunden, aber der Eindruck seiner Worte wirkte so lähmend nach, als sei schon etwas Entsetzliches geschehen. Lautlos, beide Hände aufs Herz gedrückt, stand Ella noch während einer Minute auf ihrem Platze, dann stürzte sie zum Fenster und spähte in daS Tunkel hinaus, daS sich über die Erde gebreitet. „Ich muß hin, Mama, muß hin", sagte sie fiebernd und griff nach beiden Händen der Frau Roell, die sie heftig in den ibren drückte. „Aber Kind, bedenke doch " „Ich kann nichts denken, Mama, als daß e« um meinet willen geschehen soll, um meinetwillen" und ehe noch die Wittwe einen Einwand erheben konnte, ergriff sie ein Tuch, daS aus dem Stuhle lag, und eilte hinaus auf die Straße. Loser Schnee war gefallen und batte sich auf der feuchten Erde in Schlamm und Schmutz aufgelöst, die nun die Wege schwarz und düster erscheinen ließen. Ella aber kannte den Weg wobl, sie war ibn als Kind oft gewandert, sie batte ibn später häufig binabgespäbt, zu der Zeit, al« der Re- gierungSratb noch nickt ihr Gesuch beantwortet, al« sie au« seinem Anblick Hoffnung und Zuversicht für all ihre Wünsche geschöpft batte. — Rath Below, der auch jetzt wieder und immer wieder auf ihrem Leben«pfade stand! Es quoll ihr bei diesem Gedanken beiß im Herzen empor, e« beflügelte ihre Schritte und ließ sie wie ein flüchtige« Reb an dem schwankenden Manne vorbeieilen, der unsicher die Straße hinabschritt. „Obo, so eilig", ries er der stiebenden Mädchengestalt nach, aber, so erschreckt Ella auch zusammenzuckte, sie ließ sich nicht aufhalten. Reinhold hatte sie nicht erkannt, sie gewann einen Borsprung und Alle« konnte »och gut werde», Alles, um was sie so beiß gebangt und gesorgt. Die Thurmuhr schlug sechs, athemlos drückte sich daS Mädchen an d"> Stamm deS alten BaumeS, der vor dem Regierungsgebäudc stand, und wartete. Wenn sie den Rath Below nicht erkannte, wenn er so spät kam, daß sie ibn nicht zu warnen vermochte? Laut ging ihr Atbem, und die Hand aus den Mund pressend, suchte sie das Dunkel mit ihren großen, brennenden Augen zu durchbringen. Lachend und plaudernd drängten sich aus den Thüren des weitläufigen HauseS die jüngeren Beamten der Regierung, flüchtig glitt über sie alle daS Licht der Laternen, die in den Pforten schwankten. Ella gab sich die erdenklichste Mühe, jede- einzelne Gesicht zu unterscheiden, aber er, er, auf den sie so sehnlich hoffte, war immer und immer noch nicht darunter. Auch unter den Rätben, die langsamer und ge messener ihrem Heim zuschritten, fehlte er, wobl aber glaubte daS Mädchen den unsicheren Tritt Reinhold Weiler'S nahen zu hören, und jetzt hielt sie nichts mehr, nicht die Furcht, gesehen zu werden, nickt die Besorgniß, wie man ihr Thun auSlegen und deuten könne, dicht, ganz dicht glitt sie bis zur Schwelle deS Gebäudes, und als auf dieselbe eine Hobe Männergestalt trat, eine Gestalt, die sie unter Tausenden erkannt hätte, griff sie mit beiden Händen nach seinem Arm und blickte, wortlos zuerst, aber mit thränenvvllen Augen, iu da« ernste Männergesicht. „Ella, Sie?" — Da« warme schöne Lächeln ging in den Zügen deS Rath Below« wieder auf, er nahm die kleinen, kalten Hände in die seinen und wollte weiter sprechen, aber, da« Mädchen unterbrach ihn und ihn mit sich ziehend in der seiner Wohnung entgegengesetzten Richtung, rief sie flehend: „Rette» Sie sich, oh, retten Sie sich!"
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