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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-28
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Di, Morgen-Au-gob» «rschilnt um '/,7 Uhr, di» Ab»nd»Au»gabe lvochintag» um k Uhr. NeLaction und Lrpe-itio«: Johanne»,ass» 8. Di» Expedition ist Wochentag» ununt»rbroch»n geöffnet von früh 8 bi» «bind» 7 Uhr. Filialen: ktt« Klemm'» Lortiui. (Alfred -ahn), UnivrrsitätSsttab» 3 (Paulinum), LontS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Bezugs-Preis >n der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Bororten errichteten Aus- aabrstellen abg» holt: vierteljährlich ^i4.b0. vei zweimaliger täglicher Zustellung ins Lau» ü.üO Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrtestübrlich ^i S.—. Direkte tüglich» Kreuzbandienvung in» Au-land: monoNich 7.ÜO. 858. Abend-Ausgabe. MpMerIagMatt Unzeigen»Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRrdaction-strich <4ge spalten) bOxh, vor den Famtliennachrtchtea (6 gespalten) 40^. Großer« Schriften laut unserem Prei«. verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung .« 70.—. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. ——— — — h . . ... ..... > ——. .. -- - " — Montag den 28. December 1896. Annahmefchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SO. Jahrgang: Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. December. Die Nachricht des Pariser „Figaro", daß der französische OberkriegSrath die vom Kriegsminister beantragte Um gestaltung de» FeldartilleriematerialS genehmigt habe, ist erfreulicherweise von dem größten Theile der deutschen Presse mit der Erklärung beantwortet worden, daß Deutschland von seinem westlichen Nachbar auf artilleristischem Gebiete sich nicht überflügeln lassen dürfe und jedes Opfer bringen müsse, um die Gefahr einer solchen Ueberfiügelung abzuwenden. Von diesen Erklärungen fühlt sich die französische Regierung begreiflicherweise sehr unan genehm berührt. Sie sucht daher die Sache so darzustellen, als ob Frankreich das widerwillige Opfer deutscher Reform gelüste auf artilleristischem Gebiete sei uud diesen mit schwerem Herzen zu folgen sich genötbigt sehe. Der ministerielle Pariser „TempS" schreibt nämlich: „Bon Neuem ist das Gerücht in Umlauf, daß Deutschland aus dem Wege ist, in kürzester Frist neues Feldartillerie material einzusühren, und daß Frankreich sich demzufolge gezwungen sehe, auch seinerseits in ähnlicher Weise vor- zugehen, um für den Krieg-fall jede Ungleichheit der Bewaffnung zu beseitigen. Frankreich ist, wie Deutschland, in der Lage, sofort eine neue Feldkanone zu fabriciren, und es ist sicher, daß es jede Verzögerung vermeiden wird, die da- Gleichgewicht der beiden Heere zu seinen Ungunsten stören könnte. Doch ist die Aufgabe, welche die Veränderung der Artillerie bewaffnung erfordert, derartig groß, daß man vorläufig auf beiden Seiten wartet. Schon lange suchen die großen Mächte nach einem leichten Feldmaterial, dessen Beweglichkeit viel größer sein soll als diejenige deS jetzt im Dienst befindlichen, und zu diesem Zweck macht man fast überall Versuche, deren Resultate, wenn nicht im einzelnen, so doch im Kroßen und Ganzen bekannt sind." Durch diese Darstellung wird aber die Ausplauderei des „Figaro" nicht aus der Welt geschafft, und wenn wirklich das ganze französische Volk glauben sollte, der OberkriegS rath in Paris hätte den Vorschlag des Kriegsministers erst infolge von Nachrichten über weit gediehene deutsche Reformpläne genehmigt, so würde dieser Glaube nur den Wunsch der französischen Kammern beflügeln, die neue Feldkanone so rasch als möglich einzuführen. Aber die Erklärungen der großen Mehrzahl der deutschen Blätter haben nicht nur die französische Regierung, sondern auch einen kleinen Theil der deutschen Presse gekränkt. Bei der socialdemokratischen versteht sich das von selbst; aber auch die „Voss. Ztg." ist ärgerlich darüber, daß „in einem Theile der deutschen Presse Stimmen laut werden, die daS Lob der Felbschnellfeuergeschütze singen, wieeinrsolche Deutschland mit einem Kostenaufwand von etwa 170 Millionen Mark angeblich einzuführen genöthigt wäre." Von solchem „Lobe" haben wir nun allerdings nichts gelesen, sondern nur von ruhiger Ergebenheit in die Nothwendigkeit, unseren westlichen Nachbarn nicht ein besseres Geschütz zu überlassen. Um so seltsamer berührt es aber, daß die fachmännischen Freunde deS fortschrittlichen Blattes von derselben ruhigen Ergebenheit in das Unvermeidliche beseelt sind und diese Ergebenheit in der „Voss. Ztg." folgendermaßen motiviren: „Wer die Neuerungen nnd Verbesserungen auf dem Gebiet der Artillerie im letzten ganzen Jahrzehnt bei Len verschiedenen Nationen verfolgt hat, für den ist es bereit- seit Langem keine lieber» rafchung mehr, wenn man jetzt vernimmt, daß der Einstellung von Schnellfeuergeschützen in den Armeen ernstlich näher getreten werden soll. Erst vor wenigen Wochen war auf dem Gebiet der Marine.Artillerie zu b«richten, daß durch Labinetsordre vom 27. October d. I. die Einstellung von Schnellladekanonen svon 24, 2l und 15 vw L/40, sowie die 3,7^w-Maschinenkanone angeordnet worden ist. Diese Cabinetsordre, die sich in erster Linie nur aus unsere Schiffsartillerie bezog, wird indessen auch eine Rückwirkung auf die Artillerie der Armee ausüben müssen, da mit aller Gewiß- hrit darauf zu rechnen ist, daß die Einstellung der Schnellladekanonen der größeren Kaliber bet den Marinen des Auslände- nicht mehr lange aus sich warten lassen wird. Die Einstellung der großen Schnell- ladekanonen an Bord der fremdherrlichen Kriegsschiffe wird aber zur Folge haben, daß sofort auch unsere Küstensorts und Strand» batterien mit Schnellladekanonen der großen Kaliber ausgerüstet werden müssen, denn im Falle einer Blockade durch ein Auslands» geschwader würden die Küstenbefestigungen dem Feuer der Schnell- ladrkanonen von Bord aus nicht im Entferntesten Stand halten können, ja in kürzester Zeit zum Schweigen gebracht werden, wenn sie nicht gleichfalls mit großen Schnellladekanonen au-gerüstet wären. Eine Umgestaltung der Bewaffnung unserer Frstungs» artillerie muß schon heute alS feststehende Thatsache an» gesehen werden, nachdem die Marineartillerie den ersten Schritt voraus gemacht hat. Ist aber die Festung-- oder Fuß- artillerie in dieser Weise vervollkommnet, so liegt rS aus der Hand, daß auch die Feldarttllerie bestrebt sein muß, durch die Einstellung von Schnellfruergeschützen im Feuer» gefecht eine erhöhte Leistung zu erzielen. Denn wie im Ernstfall die Marineartillerie mit der Festungsartillerie in Action tritt, so ist da- Gleiche der Fall bei der Festungsartillerie mit der Feldartillerie, ganz abgesehen von der Berwendung der Schnellfeuergrschütze gegen Infanteriewaffen und Reitergeschwader. Die schon erfolgte Ein stellung der verbesserten Schnellladekanonen der großen Kaliber in unsere Marineartillerie wird daher zweifellos ihre Rückwirkung auch auf eine Umgestaltung in der Bewaffnung der Feldartillerie auSliben." Ja, durch diese Resignation klingt sogar ein Lob der Schnellfeuergeschütze deutlicher hindurch, als durch die Aus lastungen derjenigen Blätter, die den Zorn der „Voss. Ztg." erregt haben. Lassen sich nun, wie doch wohl zu erwarten ist, die nichtfachmännischen Leser deS Blattes leichter von den fachmännischen Mitarbeitern desselben, als von der knirschenden Redaktion überzeugen, so erspart vielleicht auch der „deutsche Freisinn" dem deutschen Reichstage die Demüthigung, die in einer Bewilligung der voraussicht lichen Forderung durch eine schwache Majorität liegen würde. Ob die Bewilligung mit durchweg würdiger Resignation oder von einer kleinen Fraction mit „Knirschen des innern Menschen", Sträuben und Strampeln erfolgt, da» thut dem Gesammterfolge keinen wesentlichen Eintrag. Wenn der Reichstag mit einer bedeutenden Forderung für Heereszwecke sich zu befassen haben wird, so wird er auch gezwungen sein, ernstlich der schon so oft „angeschnittenen" Frage einer reinlichen Scheidung zwischen Reich und Einzelstpaten auf finanziellem Gebiete näher zu treten. Herr vr. Miquel läßt hierauf bereits in einem Artikel der „Berl. Polit. Nachr." Hinweisen, der sich mit den in jüizgster Zeit wirklich und angeblich erlittenen Niederlagen dieses Ministers beschäftigt und an dessen Schluffe es wörtlich heißt: „Eine Niederlage hat der Finanzminister vr. Miquel allerdings erlitten: feine Pläne, eine reinliche Scheidung zwischen Reich und Etnzelstaaten auf finanziellem Gebiete herbeizuführen, sind an dem Widerstande der Reichstags. Mehrheit bisher gescheitert. Auf diesem Gebiete hat der Minister aber auf seiner Seite nicht blos die große Mehr- heit des preußischen Landtages und der Landtage anderer deutschen Staaten, sondern auch die gesammten Re- gierungen; w man kann sagen, fast ausnahmslos alle National» ökonomen und Finanzpolitiker. Eine Mehrheit kann ein so nothwendiges Werk wohl aufhalten, aber nicht verhindern, denn die in den Dingen liegende Nothwendigkeit wird stärker rin. Dir finanziellen Zustände im Reiche und in den Einzrlstaaten werden vor der Lösung dieser Frage nicht zur Ruhe kommen. So» bald di» jetzigen hohen Zolleinnahmen sich wieder vermindern, während die Ausgaben des Reiches wachsen und wachsen müssen, namentlich im Interesse der Lande-verthridigung, muß der Zeitpunct kommen, wo die gegenwärtige grundsätzliche Ablehnung deS Reichstags nicht mehr haltbar sein wird. Die Matricularumlagen werden dann in einem Maße steigen, daß sie geradezu für einen großen Theil der deutschen Bundesstaaten unerträglich werden; bis dahin wird hoffentlich das von dem etzigen Finanzminister so consequrnt durchgrsührte Bestreben, Preußen- Finanzen auf einer gesicherten Grundlage zu erhalten, um allen Wechselfällen gewachsen zu sein» auch in Zukunft sort- gesührt werden." Das klingt jedenfalls nicht nach „AmtSmüdigkeit", sondern nach dem festen Willen des Ministers, endlich eine Frage zu lösen, die im Interesse der Einzelstaaten längst gelöst worden sein sollte. Auch der Reichsschatzsecretair, der bisher die Reformpläne deS preußischen Finanzministers nur mit halbem Herzen unterstützt hat, wird dem Drängen der einzel staatlichen Finanzmänner mit größerer Thatkraft entsprechen müssen, wenn eine erhebliche Steigerung der Matricular- beiträge in drohender Aussicht steht. Bekanntlich hat die deutsche ReichSregierung bei der Brüsseler Eonguregternn» energisch Protest erhoben, weil die congostaatlichen Officiere und Beamten ihre Befugnisse überschntten, die Handelsfreiheit aufhoben, die deutschen Cara- wanen brandschatzten — besonders am Tanganyikasee — und die Berliner Congo-Acte nicht beachteten. König Leopold erkannte die Nichtigkeit dieser Beschwerden an, und der belgische Gesandte in Berlin, Baron von Greindl, versprach volle Abhilfe. In Folge besten erließ König Leopold Ver ordnungen, welche diese Mißstände beseitigten, die Freiheit der deutschen Earawanrn gewährleisteten und die conaostaat- lichen Ofstciere und Beamten in ihre Schranken zurückwiesen. Das hatte sofort eine günstige Folge. Die congostaatlichen Befehlshaber am Tanganyikasee beeiferten sich, mit den dortigen deutschen Colonialbehörden die freundschaftlichsten Beziehungen einzuleiten, was sofortige Erwiderung auf deutscher Seite fand. Jetzt hat, wie das Amtsblatt des CongostaateS berichtet, der König, um sein an Deutschland gegebenes Ver sprechen einzulösen, ani 2. December einen Erlaß vollzogen, welcher den Nespect vor der Berliner Eongoacte erhöhen dürfte. Dem Strafgesetze werden folgende neue Be stimmungen eingesügt: 1) Jeder willkürliche Act, durchweichen die in der Cougoacte gewährleisteten Freiheiten und Rechte verletzt werden, wird, wenn er durch einen Angestellten oder öffentlichen Beamten, durch einen Depositor oder Vertreter der Behörde oder der Armee angeordnet oder ausgeführt worden ist, mit Zwangsarbeit von 14 Tagen bis zu 1 Jahre bestraft. 2) Ist der Act die unmittelbare Ursache zu mit stärkeren Strafen be drohten Vergehungen gewesen, so werden die Angestellten oder öffentlichen^ Beamten zu den für diese Vergehungen fest gesetzten Strafen verurtheilt. Diese neuen Bestimmungen treten vom 1. Januar 1897 ab in Kraftz man kann also sagen, daß Deutschland für seine Beschwerden Genugthuung erhalten hat; ob sie ausreichen wird, muß die Zukunft zeigen. Interessant ist auch ein zweiter Erlaß, welcher unter be stimmten Bedingungen die „bedingte Verurtheilung" auch in das congostaatliche Strafgesetzbuch einführt. Der in Betschuanalani» ausgrbrochene Aufstand ist für unS Deutsche von besonderem Interesse, weil Betschuanaland im Osten unmittelbar an Deutsch-Südwestafrika stößt. Man bringt den Aufstand mit den gegen die Rinderpest er griffenen strengen Maßregeln in Zusammenhang; auf alle )älle aber muffen ernste Gründe für die Unzufriedenheit der Eingeborenen vorlirgen, da die Betschuanen im Allgemeinen ihrem Charakter nach ungleich fügsamer sind, als die anderen Kaffernstämme. Dieser Aufstand bricht nun im selben Momente aus, da der „große" Cecil Rhodes seinen Einzug als Triuni ohator in Capstadt hält und von englischen Blättern als der Befestiger der englischen Herrschaft im Norden Südafrikas gefeiert wird. Was eS mit dieser „Befestigung" auf sich hat, zeigt der Betschuanen-Aufstand recht deutlich. Eng land bat innerhalb weniger Jahre in Südafrika geradezu ungeheuere Territorien — die Betschuanen allein bewobnen eine Fläche von vielleicht einer Million Quadratkilometer Um fang — in Besitz genommen, aber ans weite Strecken besteht sein Besitz kaum dem Namen nach, und da, wo sich wirklich Vertreter des englischen Reiches finden, ist die Folge meist nur Unzufrieden heit und Erregung der Eingeborenen. Den besten Beweis hierfür liefert Rhodes' eigenste Domäne, Rhodesia, das der brutalen Energie RhodeS' unerachtet von einem Aufstand nach dem andern heimgesucht wird. Wenn Rhodes eine Con föderation der Staaten Südafrikas als sein politisches Ziel hinstellt, so darf man Wohl sagen, daß gerade er dies Ziel selbst hinausgeschoben hat, indem er durch Englands Länder gier, verbunden mit seiner Unfähigkeit zur Herstellung dauernd geordneter Zustände, den Gegensatz zu den anderen Natio nalitäten in Südafrika wesentlich verschärft hat. DaS serbische Ministerium ist, nachdem eine Krise wiederholt geleugnet worden war, nun doch entlassen worden: Am Sonnabend bat, wie uns gemeldet wird, der König die Demission des fortschrittlichen Cabinets Nowakowitfch angenommen. Im Grunde war eine Ministerkrise schon lange latent vorhanden, jetzt ist sie zum acuten Ausbruch gekommen und zwar ist es derKönia selbst, auf den der Wechsel zurückzusühren ist. Von vfficiöser Seite wird über die letzten Vorgänge, die zur Entlastung des Ministeriums führten, naöch-lgentze Darstellung verbreitet: Nachdem die Skupschtina ein Gesetz angenommen hatte, Lurch welches der CIvilproceß im Widerspruch mit der Verfassung abgeändert werde» sollte, berleth sich der König über diese Frage mit dem in das Pala!» berufenen Grsetz-Ausschuffe. Da dieser das Gesetz für verfassungswidrig erklärte, verweigerte der König die Genehmigung des Gesetzes. Nachdem der Iustizminisler die vertrauliche Beralhuua im Palais veröffentlicht und deren Schlußfolgerungen angegriffen hatte, wobei er außerdem darauf hinwieS, daß ein anderes Gesetz über die Hypothekenbanken, welches gleichfalls der Verfassung widerspräche, angenommen werden sollte, sorderte der König den Rücktritt des Justiz ministers. DaS Cabinrt erklärte sich daraus für solidarisch mit deni Justizminister und gab seine Entlassung, welche der König annahm. Die Meinungsverschiedenheiten in der Regierungspartei machten übrigens die Abstimmung über das Budget zweifelhaft. Diese Darstellung entspricht der Wirklichkeit insofern, als sie den ofsiciösen äußeren Anlaß für den Schritt des Königs hervorbebt. Der eigentliche Grund aber liegt in der als nebensächlich charakterisirten Bemerkung, daß in der Regie rungspartei Meinungsverschiedenheiten bestehen. Es handelt sich für den König darum, die schon längst in Aussicht gestellte Revision der von ihm am 2l. Mai 1894 anläßlich einer Ferrttletsn. Die Schwester meiner Schwägerin, lj Novell« von Aermani». Nachdruck »erboten. Ich Weilte gerade in BenareS, dem Mekka der Hindu«, der am Ganges gelegenen heiligen Stadt, als ich von Hause einen Brief erhielt, in welchem mein einziger Bruder mir seine Verlobung mit Fräulein Elfriede v. Güllen, Tochter des verstorbenen Forstmeist««- v. Güllen, und seiner eben- fallS verstorbenen Gemahlin, Nora, geborenen Mantini, an zeigte. Eine begeisterte Schilderung der Braut, die er im Winter in Gesellschaften kennen gelernt halt», war beigefügt, und di« lange Epistel schloß mit den Wort«n: „Dein über glücklicher Bruder Ernst". Dann kam noch al» Postscriptum die Randbemerkung : „Frieda hat noch ein» jüngere Schwester: das wäre etwas für Dich, Wolf". Ich warf den Pries ärgerlich auf den Tisch. Natürlich, da hört« ich e» wieder, das alt» Lied! Selbst in Indien war ich nicht sicher vor einem Attentat auf m«ine Freiheit. Man wollte mich wieder einmal verheirathen, und weil mein Bruder eine Thorheit beging, sollte ich auch ohne Weitere» nachfolgen. Ich schrieb «inen kurzen Glückwunsch, bat, man möge mit der Hochzeit nicht aus mich warten, und — vergaß über and«reu Ejndrück«n di« ganze Geschichte. Einige Monate später, in Eaudij, der ältesten und inter- eflant«strn Stadt im Jnnrrn Ceylon«, wurde ich wied«r daran erinnert. Ein Schreiben traf »in, da» mir die Nach richt von drr stattgefundenen Vermählung brachte, sowie ein Dovp«lbild de« glücklichen Paare«, das e« sich nicht batte versagen können, sich mit sanft gegeneinander g»neigten Köpfen auf einer Platte photozraphiren zu lasten. Mein Bruder sah sehr befriedigt, aber nicht gerade geist reich«« qu« als sonst, und mein« Schwägerin erschien ganz so blond, niedlich und nichtssagend, wi» ich sie mir gedacht hatte, Ich lacht» daher nur kurz und verächtlich auf, al» ich weiter laS und mitten im Brirfe den Pastu» fand: „Die Schwester meiner Frau ist wirklich entzückend und, Wolf, wi« geschaffen für Dich. Ueber di« wahrhaft alänrenden und solid«» Berhältnist« bin ich, wi« Du Dir d«nk«n kannst, genau orientirt, und wenn Du nicht zu lange fortbleibst, gelingt eS Dir gewiß, sie für Dich HU erringen." „Wie geschaffen für mich", wiederholte ich brummend und ärgerlich. „Wahrlich — eine recht nette Jdeel Ich — und dieses zahme, farblose, kleine Geschöpf. Mein Ge schmack neigte sich entschieden dem orientalischen SchönheitS- thpu« zu, und alle« Blonde, Rosige, Nüchterne ist mir ver haßt, wahrscheinlich — weil ich selbst so blond bin", und ingrimmig schaute ich noch «inmal in den Spiegel, au- dem mir ein baumlanger, in tadelloses Weiß gekleideter, gar nicht häßlicher junger Mann entgegenblickte. — Aber sein Gesicht war trotz der tropischen Sonne eher roth al» braun. die Augen entschieden vergißmeinnichtblau und da« allerdings srhr volle, wellige Haupthaar noch um einige Schattirungen Heller al« an der an sich schon blonde, starke, sehr lang ge zogene Schnurrbart. Verdrießlich drehte ich mich auf dem Absatz um und fiel fast einem jungen Engländer in die Arme, der mich ausge sucht hatte, um die gemeinschaftliche Rückreise mit mir zu besprechen und zuvörderst, wie ich nach Colombo wollte. Die Abfahrt war auf den nächsten Morgen angesetzt, aber unter d«m Eindruck von Ernst'« Brief und matrimonialen ZukunftS- plänen schob ich sie noch etwas hinaus und blieb auch in Colombo länger» als ich anfangs geplant hatte. Schließlich muhte ich aber doch aufbrechen, denn eS gab dah«im allerhand zu thun nnd die Hitze wurde auch nach und nach unerträglich. So schiffte ich mich denn mit meinem jungen Freunde ein, hatte eine gute Ueberfahrt und langte glücklich in der Heimath an. Auf der Durchreise blieb ich ein paar Stunden in Berlin und suchte daS Regiment auf, bei dem ich früher gestanden hatte. Die Kameraden freuten sich, mich wohlbehalten wieder zu s«hrn, veranstalteten bei Drestel ein kleine« Souper und ließen sich viel von Indien erzählen. Kaum aber hatten wir ein paar Flaschen Sect di» Hälse gebrochen, als man schon die Verheirathung meines Bruder« ermähnte und meine eigenen Angelegenheiten damit in Ver bindung brachte. „Mein lieber Herr v. Westritz", sagte Graf Treutler, der Adjutant, „wenn Sie nicht ein so kluge« Hühnchen waren, könnte man diesmal wirklich sagen: Sie haben mehr Glück al« verstand. Laufen da ein vaar Monate in Indien und auf dem paradiesischen Ceylon umher, amüsiren sich prachtvoll, kümmern sich um nicht« in der Welt — und in zwischen besorgt Ihr braver Herr Bruder Ihnen «ine rrich« Frau. Bei der Abgötterei, die er mit Ihnen treibt, war seine Verheirathung vielleicht nur ein Mittel zum Zweck." „Natürlich", rief Heemstein, der bekannte SportSmann — „die Schwester Jbrer Schwägerin, das ist die rechte Frau für Sie, Westritz. Bester und bequemer können Sie eS gar nicht haben, und wenn Sie die beirathen, kommen wir Alle zur Hochzeil." Ich sah, glaube ich, nicht gerade sehr erbaut aus — da traf mich ein etwas derber Schlag auf die Schulter und Major Moser, der Etatsmäßige, raunte mir zu: „Na, thun Sie nur nicht so, lieber Freund — Sie können Gott danken, wenn die Kleine Sie nimmt. Gesehen habe ich sie zwar noch nicht, aber reizend soll sie sein, und daß da« schöne Bild auf Goldgrund gemalt ist, weiß ich auch. Also Prosit — stoßen wir an. Ihre künftige Gattin, die Schwester Ihrer Schwägerin, sie soll leben hoch, und abermals hoch!" Lachend, schreiend, lärmend stimmten alle in den Toast mit ein, und ich mußte gute Miene zum bösen Spiel machen, denn ich wußte e« nur zu genau: je mehr ich mich gegen solche Voraussetzungen wehrte, um so beharrlicher würde man sein. „Wo lebt denn die Dame?" fragte ich daher möglichst gleichmüthig und ließ mir ein neue« Gla« Sect einschenken. Ein lautes Ach und Hallob erhob sich. „Wie, da- wissen Sie nicht?" hieß es dann spöttisch — „in Burgau, bei Ihrem Bruder natürlich. Er hat seine beiden Schäfchen gleich auf «inmal ins Trockne gebracht. — DaS heißt die beiden Schwestern wollten fick nicht trinneu, nnd er, in wejs«r Erwägung kom mender Zeiten, hatte daaea»n nicht- einzuwenden. Wenn Sie jetzt nach Haufe geh«n, Haven Sie gleich Gelegenheit, die junge Dame kennen zu lernen." Am anderen Tag« setzt« ich meine Reis« fort und traf unterwegs einen alten Onkel. Er erzählte mir allerhand Familiengeschichten, sprach üb«r dir Vrränderunaen in der Armee und ereiferte sich über «inen besonder«» Fall, mitten im Gesvräch aber brach ,« plötzlich ab, fixirte mich mit einem eigenthümlich forschenden Blick und sagt« hastig: „Hast Du die Schwester Dein«r Schwägerin schon g»s»h»n?" Ich wäre am liehst,« au« dem Coup« gesprungen, aber ich beherrscht« mich leidlich und sagt« nur kurz: „N«in, liiber Onkel, ich kam »rst vor zwei Tagen von meiner Reis« zurück." Dir alte H«rr nickte. „Richtig, richtig", sagt« er, „ich hatte da« im Augenblick ganz vergesten. Na, m«i» Jung», die Welt hast Du ja nun gesehen — die« war, so viel uh weiß, Deine dritte große Reise — ausgetobt kannst Du Dich auch wohl haben, und wenn Du überhaupt mal beirathen willst — zum Kuckuck, ein Narr wärst Du, wenn Du Dir da« Mädchen entgehen ließest. Es paßt wirklich Alles wie ausgesucht, und Dein Bruder bat Dir nett vorgearbeitet. Also besinn' Dich nicht lange, und greife zu." Da- war deutlich. Ich lächelte nur und schwieg, aber die Abneigung gegen die Schwester meiner Schwägerin steigerte sich bi« zum Widerwillen, und ich faßte den festen Entschluß, sie mir von Niemandem und um keinen Preis auf drängen zu lassen. Sehr übler Laune kam ich zu Hause an. Horst, meine Besitzung, grenzte an die meines Bruders und wurde während meiner Abwesenheit von ihm verwaltet. Nun waren Tag und Stunde meiner Ankunft ihm zwar unbekannt, aber meine glückliche Landung hatte ich gemeldet, und am folgenden Tage mußte ich zu ihm hinüber reiten, um ibn und die neue Schwägerin zu begrüßen. Daß ich da auch die junge Dame sah, war unvermeidlich, und wenn ich zum Winter auch wieder nach Berlin ginge, um Vorlesungen über Chemie, Nationalökonomie und orientalische Sprachen zu hören, so genügte ein längerer Aufenthalt zu Hause dock, um zahllose Begegnungen herbeizuführen. „Indessen — die Situation konnte ja vom ersten Augen blick an klargestellt werden. Ich wollte ein!für alle Mal alle Illusionen zerstören, durch eisig« Höflichkeit eine Schranke ausrichten zwischen mir und der mir zugedachten Braut, und unseren persönlichen Verkehr so unerquicklich und formell ge stalten, daß mein Brudrr die Unhaltbarkeit seiner Beglückungs theorie sofort einsehen mußte. Schad« nur, daß ich nicht dazu kam, die schönen Vorsätze auszuführen. Al« ich nämlich in Burgau eintraf, umarmte mich zwar mein Bruder mit großer Rührung — er hatte wirklich ge dacht, ich würde den Tigern und Krokodilen zum Opfer fallen — und Frau Frieda hauchte schüchtern den erstcn schwesterlichen Kuß auf meine Stirn, von der unvermeid lichen Schwägerin aber war nicht« zu hören und nichts zu sehen, und al« ich endlich bei Tisch nach ihr fragte, erwidert« Ernst mit einem sichtbaren Anfluge von Verlrgrnheit: „Nora ist leider vor einigen Tagen abgereist. Tie hat sich ver wandten angeschlosten, die erst nach Karlsbad und dann nach der Schweiz und Obiritalien geben, und wirb wohl «rst im Spätherbst zu un« zurückkehren können."
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