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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990502027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899050202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899050202
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-02
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Bei der dritten Be- rathung hat von deu Conservativen allerdings nur der Abgeordnete von Staudy gesprochen und erklärt, daß „wir", um die Verstaatlichung der Reichsbank durch Herbeiführung eines BacuumS zu erzwingen, gegen das Ge setz stimmen werden. Bei der — bekanntlich in ihren Einzel heiten nicht so leicht übersehbaren — gewöhnlichen Abstim mung will man bemerkt haben, daß nur ein Theil der (Kon servativen mit den Antisemiten das Gesetz verworfen habe, die „Kreuzztg." erklärt aber, Herr v. Staudy habe im Namen der conservativen Fraction gesprochen. Ist das richtig, so muß entweder in dieser Frage bei einem Theil« der Conservativen eine MeiuungSänderung vorgegangen sein oder man hat eS mit einem agitatorischen Manöver zu thun, das an die schlimmsten Zeiten scrupelloser extremagrarischer VolkSbethörung erinnert. Vor zehn Jahren war «in Conservativer, der sächsische Ab geordnete Hultzsch, einer der eindrucksvollsten Redner gegen die Verstaatlichung, und in dieser Bankgesetz-Campagne, wie auch in der letzten Reichstagswahlbewegung hat man nicht bemerkt, daß ein erheblicher Theil der sächsischen Conservativen daS gefährliche Experiment der Notenbank verstaatlichung gemacht sehen wollte. Es scbeint also, als ob die „Kreuzzertung" einen Theil der conservativen Fraction mißbrauche, um sie im Lichte von Politikern erscheinen zu lassen, die, nachdem die Gefahr der Verstaatlichung abgewendet ist, mit der Verdammung der Ablehnung eben dieser Verstaatlichung eine parteiprofilwüthige Spekulation auf gewisse, in kleinbürgerlichen und bäuerlichen Kreisen künstlich erzeugte bankpolitische und Währungs- Ädeen begünstigen. Ueber die moralische Qualität einer solchen Agitation wäre kein Wort zu verlieren, und praktisch betrachtet wäre sie da- Gegentheil von politischer Klugheit. Die Antisemiten macken kein Hehl daraus, daß sie von einer — mit einem kräftigen Antisemitismus versetzten — Hetze gegen die Erneuerung des Bankprivilegs in der nächsten Zeit ihr politisches Dasein zu fristen gedenken. Nun hat man aber doch, und zwar nicht nur in Sachsen, die Erfahrung gemacht, daß rn der Benutzung gewisser Agitationsstoffe die konservative Partei gegen über der antisemitischen absolut concurrenzunfähig ist. Zu dem so gearteten Material gehört aber in erster Reihe die Reichsbankverstaatlichung, Wir trauen manchem Conser- vativen Manche- zu, aber die Fähigkeit, in einer populären Propaganda für Währungsumsturz und Bankverstaatlichung sich auf der Höhe der antisemitischen Nationalökonomen zu halten, setzen wir bei keinem Conservativen voraus. Was bei der dritten Lesung de» BaokgesetzeS schon im Reichstag — übrigens mit dem einzigen Erfolge, einer frei sinnigen Null zu einem wohlfeilen Triumphe zu verhelfen — von ihnen geleistet worden ist, läßt die Adepten Ahlwardt'scher Künste iu der Landagitation einfach unerreichbar erscheinen. Selbst der betriebsamste und unbefangenste con- servative Wählerbearbeiter wird — außerhalb des preußischen Ostens wenigsten- — vor folgendem Schluffe zurückschrecken: „Die Reichsbank, sagt der Reichskanzler, soll die Goldwährung ! tützen; wenn aber die Reichöbank die Goldwährung erst ver-! theidigen muß, so erklärt di« Reichsbank die Goldwährung für bankrrutt". So deducirt im deutschen Reichstage am 28. April 18SS. Wir möchten den Conservativen sehen, der im Angesichte solchen Kraftbeweises, der aber noch immer nicht einmal der stärkste der gelieferten war, sich nicht bescheiden und sagen müßte: Osäo majori. Der Verzicht auf den Unfug der agitatorischen Behandlung von Bankfragen war eine der bei der im preußischen Abaeordnetenhause zwischen Conservativen, Freiconservativen und Nationalliberalen gepflogenen bekannten Aussprache anerkannten Voraussetzungen der„Sam mlungs"-Po- litik. Es bleibt abzuwarten, ob ungeachtet dieser Vereinbarung die Conservativen sich die Freisinnigen von 1890 zum Muster nehmen werden. Damals stimmte diese wackere Partei notorisch deshalb gegen eine HeereSverstärkung, weil sie, der von ihr gewünschten Annahme — Reichskanzler war Caprivi! — ohnehin sicher, sich eines Agitationsmittels nicht berauben wollte. Zm Reichstagswahlkreise Melle-Diepholz findet heute die Stichwahl zwischen dem nationalliberalen Candidaten Wamhoff und dem Welfen v. Bar-Langelage statt. Die Nationalliberalen wären aus eigener Kraft im Stande, den Welfen zu schlagen, wenn alle anderen Parteien Wahlenthaltung üben wollten. Indessen treten bekanntlich die Conservativen jetzt für Wamhvff ein, was den Nationalliberalen, wenn der Aufruf des conservativen Wahlausschusses für den Kreis Melle befolgt wird, einen Zuzug von 1000 Stimmen in Aussicht stellt. Fraglich ist andererseits, was den Welfen an Beistand noch ge leistet werden wird. Im Lager des Freisinns, der sich beider Hauptwahl nicht betbeiligt hat, verspürt man auch für die Stichwahl „kaum einen Hauch". Um so lebendiger ist cs bei den Socialdemokraten geworden. Ihr Provinzial- Agitations-Comits hat die „Genossen" angewiesen, für den Welfen einzutreten, wogegen aber aus dem Kreise der Arbeiter heraus remonstrirt wird. Ein Aufruf, für Wam- boff zu stimmen, ist von sechs bekannten Arbeitervertretern in Melle unterzeichnet und am Freitag veröffentlicht worden. Die Welsen selbst haben ihre Hauptbetriebsamkeit darauf ge richtet, von den Stimmen der „Genossen" keine verloren gehen zu lassen. Zu dem Zweck haben sie sich einen von den Führern vom Piesberg verschrieben, der iu den letzten Tagen mit den drei welfischen Baronen v. Bar, v. Hovenberg und v. Sckele- Wunstorf in trauter Gemeinschaft von Versammlung zu Ver sammlung gezogen ist, um die Schuld am Piesberger Streik den Nationalliberalen zuzuschreiben und dem Abg. Wamhvff alle mögliche Rücksichtslosigkeit gegen die Arbeiter und deren Interessen nachzusagen. Auf dem platten Lande gehen überdies dieselben welfischen Agitatoren, die Arm in Arm mit den atheistischen „Genossen" auftceten, mit dem Vorwurfe krebsen, die Nationalliberalen seien keine guten Christen. Das kann freilich nicht befremden, denn der größte Theil der hannoverschen Welfen ist ultramontan, und daß der Ultramontanismus, der besonders den National liberalen das Cbristenthum völlig abspricht, da und dort fein eigenes Cbristenthum durch die Wahl von religionslosen Socialdemokraten beweist, hat man in Baden erfahren. Und wie dort, so ist eS auch in dem hannoverschen Wahlkreise nicht unmöglich, daß die „fromm-" Verketzerung fruchtet. Das Ergebniß der Stichwahl läßt sich deshalb mit Gewiß heit noch nicht Vorhersagen. Die Welsen selbst rechnen an scheinend bereits mit der Niederlage. Dafür spricht ein in letzter Stunde von ihnen auSgegebencS Flugblatt, dessen Tonart nicht denkbar wäre, wenn die Verfasser den MandatS- verlust nicht schon in allen Gliedern verspürten. Die Terrorisirung Arbeitswilliger durch die Ueber- redungskraft des Dynamit hat in den belgischen Streik» centreu bereits ihren Anfang genommen, und alle Wahr scheinlichkeit spricht dafür, daß es bei den bisher gemeldeten Spreng-Attentaten nicht sein Bewenden behalten wird. Diese Entwickelung der Situation kann nur Den überraschen, der naiv genug gewesen sein sollte, die Meldungen deS Telegraphen von der angeblich musterhaften Disciplin, deren die Streikenden sich befleißigen sollen, für baare Münze zu nehmen. Man kann eS (a allenfalls begreifen, daß die belgischen Behörden ein Interesse daran hegen, den ohnehin schon zu schweren Ernst der Lage wenigstens einigermaßen abzuschwächen, daß sie alle Meldungen unterdrücken, welche im AuSlande der Vorstellung Nahrung zuführen könnten, als sei die Staatsautorität in den vom Streike beimgcsuchten belgischen Grubenrevieren nicht völlig und unbedingt Herrin der Lage. Allein der Umstand, daß die Truppen, welche in oder nahe deu inficirten Gegenden stationirt sind, auf dem Fuße permanenter Alarmbereitschaft gehalten werden, zeigt deutlicher als alles Andere, wie wenig die eingeweihten Stellen selber dem Landfrieden in den Streikgebieten trauen. Gerade Belgien gekört zu den Staatswesen, in denen die social- und wirthschasts- politischen Gegensätze am unvermitteltsten und schärfsten ein ander gezenüberstcben und in Fällen kritischer Zuspitzung die Geister am leidenschaftlichsten aufeinanderplatzen, weil eS dort an einer über den Parteien stehenden Regierungsautorität fehlt und daS parlamentarische System dort lediglich als parteipolitisches Kampfwerkzeug functionirt. Die Schärfe der in Belgien vorhandenen politischen Parteigegensätze mag auch dazu beigetragen haben, daß in den Kreisen der industriellen Arbeitgeber daS Bewußtsein der Interessen solidarität bis jetzt sich nicht in dem Grade zu entwickeln vermochte, welcher schon in normalen Zeiten deS socialen Friedens oder doch Waffenstillstandes zu einer umfassenden, den Arbeiterorganisationen gewachsenen Vereinigung der Arbeitgeber hätte führen können. Ta ist eö denn weiter uickt wunderlich, wenn die Streikführer ebenso überzeugt als gewillt sind, diesmal den Gegner, d. h. die Grubenbesitzer, zur uneingeschränkten Annahme ihrer Be dingungen, 20procentige Lohnerhöhung, zu zwingen, und daß sie ihrer Anhängerschaft nichts in den Weg legen, wenn diese auf eigene Faust mit Dynamit und Brandstiftung gegen die „Verräther" wütbet, welche zögern, sich der Sache des Streiks anzuschließen. Denn allzusehr darf sich der Streik nicht in die Länge ziehen, wenn den Streikenden nicht die Luft, d. h. der Streikfonds, auSgehen soll. Deshalb muß, wo gütliche Ueberredung nicht helfen will, bas Dynamit sein Wirkung thun. Von deutscher Seite werden gegen Amerika Ent schädigungsansprüche wegen der Verluste auf den Philippinen geltend gemacht. Der „Schles. Ztg." wird da rüber officiöS geschrieben: Da zu Manila kein einziges amerikanisches Haus mit Import und Export vorhanden ist, so werden amerikanische Interessen gar nicht betroffen. Die Amerikaner, welche erst nach der Occupaiion im Frühjahr 1898 dahin gekommen sind, kommen nicht in Betracht und sind durchaus ein recht minderwerthigeS Element. Die Verluste treffen nur Deutsche und die mit ihnen verbundenen Schweizer Häuser, sowie englische Firmen; die Schäden erreichen nach und nach eine große Hohe. Den bisher erhobenen Ersatzansprüchen, die in Folge der Be schießung von Jlo-Jlo erhoben worden sind, stehen die leitenden Amerikaner ablehnend gegenüber. Ter deutsche Wahlconsul in'Jlo-Jlo, Streifs, dessenBesitzthnm nebst den darin befindlichen Maaren der von ihm vertretenen Häuser vollkommen zerstört worden ist, hat auf seinen Entschädigungsanspruch vom General Otis eine glatt ablehnende Antwort erhalten. Diese Weigerung wird damit begründet, daß Jlo-Jlo damals noch spanisch gewesen wäre. Andere Deutsche, die ihr Eigenthum durch das Bombardement von Jlo-Jlo verloren haben, machten Ansprüche auf Ersatz ihres Privatbesitzes in der bescheidenen Höhe von noch nicht ganz 2000 Dollars. Auch dies wurde verweigert; später scheute man sich nicht, den Geschädigten eine ganz ungenügende Abfindungssumme anzubieten. Es ist nicht anzunehmen, daß dieser ablehnende Stand punkt von einer der interessirten Negierungen anerkannt, oder daß auch das Cabinet von Washington ihn zu dem seimigen macht; wohl aber dürste die Entschädigungsfrage noch zu langwierigen Verhandlungen führen. Zu dem russisch-englischen Abkommei» wird uns aus Berlin von unterrichteter Seite geschrieben: „Nach den bisher vorliegenden Berichten hält man in Berliner diplomatischen Kreisen daran fest, daß das russisch-englische Abkommen sich auf Eisenbahnangelegeuheiten beschränkt. Da Rußland in absehbarer Zeit nicht in der Lage ist, sein Augenmerk auf das Dangtse-Thal zu richten, kann die Anerkennung des Nangtse-Thals al- englischer Interessensphäre nicht als ein von Rußland gebrachtes Opfer erscheine». England aber wäre gegenwärtig sehr wohl im Stande, mit Unternehmungen in der Mandschurei vorzugeben. Hat e» trotz- dem die Mandschurei der russischen Interessensphäre überlassen, so geschah es gewiß in der Hoffnung, dermaleinst das Princip „der offenen Thür" sür die Mandschurei zur Anerkennung zu bringen. Für die politische Lage in Ostasien bedeutet da» russisch-englische Abkommen eine Entlastung; für die deutschen Interessen bedeutet es keine Beeinträchtigung. Gründe, die ähnliche Ver- einbarungen auch für Deutschland als wünschenSwerth erscheinen lassen könnten, liegen vor der Hand ebenso wenig vor, wie jetzt Deutschland ein Anlaß gegeben ist, an die Ausdeh nung seiner Interessensphäre in China, etwa auf das Thal des Hoangho, zu denken." Für die Einbeziehung deS HoanghothaleS in die deutsche Interessensphäre war das „Berl. Tagebl." eingetrelen. Man sieht nicht ein, wieso diese Einbeziehung eine uothwendige Folge des russisch-englischen Abkommens sein soll, das weiter nichts bedeutet als die Sicherstellung deS bisher thatsächlich schon vorhandenen Einflusses zweier Mächte in den Gebieten, die ihnen naturgemäß zustehen, nicht aber eine Erweiterung desselben. Ueberhaupt wird man, wie wir gestern schon an deuteten, gut thun, die Bedeutung des Abkommens nicht zu überschätzen. Es scheint nicht einmal, daß England nun geneigt ist, das Princip der offenen Thür aufzugeben, und auch die Meldung, Rußland werde der Veräußerung irgend eines TheileS des Iangtse-Kiangthales durch China keinerlei Vorschub leisten, muß erst noch bestätigt werden. Im englischen Oberhause hat gestern auch Lord Sali-bury davor gewarnt, der Vereinbarung, die nicht einmal in der Feuilleton. Errungen. isj Roman von M. Buchholtz. Nachdruck v<r»ot«n. Der Weg, der sich jetzt erweitert hatte, gestattete «in Nebenein- anderbleiben Aller, und in den wenigen Minuten, die man noch gebrauchte, um das Herrenhaus zu erreichen, wurden nur einige gleichgiltige Bemerkungen gewechselt. Im Schlosse angekommen, öffnete der Fürst eine Thür zu einem kleinen Salon, in den er die Damen einzutreten bat, um dort ungestört ihre Sachen ablegen zu wollen. Wenn sie damit fertig wären, möchten sie sich von dem Diener, der im Nebenzimmer wart«, in den Speisesaal führen lassen, in dem in wenigen Minuten der Kaffee für die Herr schaften bereit sichen würde. Er hatte das ruhig und liebens würdig gesagt, aber Hella war nicht der Blick entgangen, mit dem «r Greta bittend und zärtlich zu gleicher Zeit gestreift hatte, und dieser Blick sagte ihr noch deutlicher, daß zwischen den Beiden irgend etwas Besonderes vorgefallen sein müßte. Kaum daß die Thür hinter ihnen ins Schloß gefallen war, schleuderte sie ihren Muff mit einer zornigen Bewegung auf einen Stuhl, und ihrer Erregung nicht mehr Herr, sagt« sie, während sie in nervöser Hast ihre Handschuhe auszuzichen begann: „Ss ist eigentlich unerhört, Fräulein von Tarden, daß Sie sich überall eindrängrn, gleichviel, ob Ihre Anwesenheit erwünscht ist, oder nicht!" Greta wandte sich in maßloser Verwunderung zu Comteffe Hella um und entgegnete ruhig: „Wie meinten Sie, Tomt«ff«? — Ich habe wohl falsch ver standen!" „Nun, ich hab« mich deutlich genug ausgedrückt", rief Hella mit überreiztem Lachen, „aber Sie verstehen es meisterlich, zu chauspirlern und stet» die unnahbar« Vornehme zu spielen, nur chade, daß so gar nichts dahinter ist, und daß nicht Jeder daraus o reagirt wie Fürst Dietrich!" „Eomtesse!" rief Greta zornbebend, indem sie einen Schritt auf da» junge Mädchen zutrat, da» sich in einen Sessel geworfen Hatte und sie mit ihren dunklen, glühenden Augen wie eine ge- reizte, kleine Wildkatze anschaute. „Sie werden so beleidigend, daß mir die Sprache versagt, Ihnen zu antworten, besonder» im GedanSen an den Eine«, der uns Beiden lieb ist!" „Also Sie lieben dm Fürsten?" rief Hella, die jetzt gar nicht an Stanislaus dachte, sondern nur noch Fürst Rahven im Sinne hatte, „nun", fuhr sie dann fort. „Das sollten Sie lieber nicht thun. Denn wenn er sich auch für den Augenblick durch Ihre berechnende Koketterie blenden läßt, hcirathen wird er Sie ni«! Das kann er auch nie, denn ein Fräulein von Tarden — ha, ha, ha, nein, das würden seine Eltern nimmermehr zugeben. Und außerdem macht Fürst Dietrich mir seit Wochen den Hof, hat es mir hundert Mal gezeigt, daß «r mich liebt, und ich bin meinem Namm, meiner gesellschaftlichen Stellung nach auch tausend Mal mehr geeignet, seinen stolzen Namen und Reichthum zu präsen- tiren als Sie!" „Si«, Eomtesse?" rief Greta, die blaß bis in die Lippen geworden war, „Sie, die Braut meine» Bruders, wollen den Fürsten heirathen?" Hella schnellte bei diesen Worten aus dem Sessel auf und rief außer sich: „Stanislaus hat Ihnen also doch, trotz seines Versprechens, von unserer thörichten Verlobung erzählt? Nun, dann sagen Sie ihm wieder, daß nur Mitleid mit ihm mich bisher verhinderte, ihm, was ich längst hätte thun sollen, zu erklären, daß ich schon lange nicht mehr daran denke, ihm mein Wort zu halten! Nein, lange nicht mehr! Ich komme mir zu gut vor, um in seine Familie hineinzuheirathen, um mit ihm -u sparen und mich rin- zuschränkenl" „Nach Ihrem Bemhmen und Ihren soeben vernommenen Worten kann ich weniger al» je begreifen, daß Stanislaus sein Herz gerade an Sie verlieren konnte! Ich beklage ihn tief und wünsche, daß Sie ni« in Trauer Ihrer herzlosen Worte und Ihre» herzlosen Handeln» gedenken möchten!" „Um Gotteswillen, sparen Sie Ihre Moralpredigten für eine geeignetere Persönlichkeit! Ich weiß, was ich will, und Sie können mir glauben, daß Sie sich in falschen Hoffnungen be wegen, wenn Sie die Ihnen vom Fürsten erwiesenen Aufmerk samkeiten für baare Münz« genommen haben!" Ein unsagbar verächtlicher Blick zuckte bei diesen Worten Hella's um Greta'S Mund, aber sie erwidert« kein Wort weiter, sondern wandte sich nur gelassen um und schritt zur Thür hinaus, es Hella überlassend, ob sie ihr folgen wolle oder nicht. Der blieb nun freilich nichts Anderes übrig. Nachdem si« vor dem Spiegel ihr dunkles Lockengewirr in Ordnung gebracht, fuhr sie sich mit dem Batisttaschentuch über ihre erregten Züge, al» könne sie damit di« glühende Röthe fortwischen, die ihr bei ihrer heftigen Unterredung mit Greta ins Antlitz gestiegen war. Da» gelang ihr nun freilich nicht, aber schließlich konnte man die ungewöhnliche Röthe ihrer Wangen auch von der Frische der Winterluft herrührend wähnen, und sie stand ihr überdies ganz gut, wie sie mit einem nochmaligen befriedigenden Blick in das Glas feststellte. Zu gleicher Zeit traten die beiden jungen Dam«n darauf in das große Speisezimmer, zu dem ihnen der Diener weit die Flügelthüren öffnete, und das mit seiner eichenen Täfelung und der goldgepreßten Ledertapctc ein würdiger Raum war für die an seinen Wänden hängenden schönen Gemälde und die gediegene Einrichtung. Auf dem Buffet und den Credenztischen standen silberne und goldene Prunkgegenftände, in dem hohen Marmor kamin brannte ein lustiges Feuer und der in der Mitte stehende, gedeckt« Tisch machte sich mit seinem feinen Sövresporzellan- und Silberservice einladend und elegant genug. Der Oberst gab gerade mit lauten Wort«» seiner Ver wunderung Ausdruck Über die Schnelligkeit, mit der für die un- «rwartetm Gäsbe Alles zum Imbiß besorgt worden war, als die jungen Mädchen «intraten, zu denen sich jetzt txr Fürst wandt« und lächelnd sagt«: Den Damen würden sicherlich noch viele Mängel auffallen, aber er bitt« sie freundlichst, zu bedenken, daß sie bei einem Junggesellen wären, der di« unbescheidene Bitte an eine der Damen richte, den Kaffee nun freundlichst einzuschenken, damit man ganz «ntrs vous ohne die lästige Anwesenheit eines Diener» bleiben könnt«! Er hatte bei dieser Bitte Greta angesehen, die, in seinem eigenen Hause die Wirthin zu machen, er sich gar zu reizend dachte. Aber da stand Hella bereits an der silbernen Kaffee maschine und sagte mit ihrem Hellen Lachen, als wenn sie eben nur gem«int sein könnte: „Ich will nicht so undankbar sein, um mich nicht für die ge nossene schöne Spazierfahrt jetzt auch dankbar zu erzeigen, und nehme gern die Anwesenden unter meinen hausmütterlichen Schuh!" So, wie sie da» sagte, klang da» wirklich allerliebst und man mußte es ihr lassen, sie macht« ihre Sache famos! Sie war von einer Munterkeit und Schelmerei, die merkwürdig gegen Greta'» ernstes, stilles Wesen abstach. Hella, die zwischen dem Fürsten und Stanislaus ihren Platz gefunden, amüsirte durch ihre drolligen Erzählungen und ihr lustiges Lachen die klein« Ge sellschaft, und Ransau konnte sich über den Wechsel in der Stimmung der jungen Eomtesse nicht genug wundern. Er sah von ihr zu Greta hin, die sehr blaß aussah und sich nur an dem Gespräch betherligte, wenn sie gefragt wurde. Auch dem Obersten, der ihr gegenüber saß, fiel ihr bleiches Aussehen endlich auf und er fragte sie freundlich, ob sie nicht wohl wäre. „Ich habe Kopfweh", erwidert« Greta, „und würde gern, da ich doch nur eine schlechte Gesellschaft heute abgebe, jetzt nach Hanse gehen." Von „Gehen" könne natürlich kein« Rede sein, ereiferte sich der Fürst, und da Graf Zittberg erklärte, er müsse jetzt auch heim, da er noch dienstliche Angelegenheiten zu erledigen habe, ehe er zu der kleinen Abendgesellschaft wiederkäme, so schlug Fürst Dietrich vor, daß die beiden Damen mit dem Herrn Oberst und Herrn Ransau in seinem Schlitten nach Hause fahren möchten. Der Weg über Domnika nach H ... sei durchaus kein Umweg. Stanislaus müsse bei ihm bleiben, für ihn wäre es un- nöthig, da er nichts zu thun hätte, jetzt nach Hause zurück- zukehren, um dann in zwei Stunden wieder den Weg hierher zu machen. Der alte Herr v. Tarden käme in seinem Schlitten zum Abend nach und er hoffe dann, mit den eingeladenen Herren einen recht gemüthlichen Abend zu verleben. Stanislaus wie auch den Anderen war der Vorschlag genehm, und nach Verlauf einer klein«» halben Stunde fuhren die Gäste des Fürsten fort und nur Stanislaus blieb bei ihm zurück. „So", wandte sich Fürst Rahden an den jungen Officier, als der Schlitten, in dem sie den Damen beim Einsteigen be hilflich gewesen waren, ihren Augen entschwunden war, „nun wollen wir uns an den Kamin in meinem Rauchzimmer setzen und die Zeit bis zur Ankunft meiner übrigen Gäste verplaudern!" Stanislaus war es zufrieden, ihm gefiel die kleine Durch, laucht gut; und bei einem gemüthlichen Gespräch und einer guten Cigarre vergaß er wohl am leichtesten die merkwürdig unruhigen Gedanken, dir ihm heute durch Hella's wechselnde Laune und ihre ihm forcirt vorgekommene Munterkeit auf gestiegen waren. Nachdem das Gespräch der beiden jungen Männer verschiedene ihnen gemeinsame Interessen gestreift hatte, gerieth ihre Unter haltung einige Minuten ins Stocken, in denen Jeder seinen eigenen Gedanken nachzuhängen schien, während sie in ihren Sesseln lehnten und gedankenvoll in das züngelnde Feuer de» Kamins hineinsahen. Plötzlich räusperte sich der Fürst und, sich mit seiner Hand über die hohe Stirn streichend, sagte er hastig: „Ich möchte Ihnen Etwas anvertrauen, lieber Herr v. Tarden, ich — ich liebe Ihre Schwester!" „Durchlaucht!" rief Stanislaus im höchsten Erstaunen, der sich eben in Gedanken damit beschäftigt hatte, ob zwischen Hella und dem Fürsten nicht doch eine Art Interesse bestände. „Ja", fuhr der Fürst schnell fort, „ich liebe Fräulein Greta grenzenlos und habe es ihr heute bereits gesagt!" „Oh, und wa» hat Greta erwidert?"
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