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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990503010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899050301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899050301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-03
- Monat1899-05
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Demgemäß sind in den deutschen Bundesstaaten landesfürstliche Verordnungen er gangen, durch welche die Justizminister ermächtigt werden, einen Strafaufschub für ein« ihm angemessene Zeit zu bewilligen. Solche Ermächtigung ist nun nicht für alle Verurtheilungen eingeräumt, sondern nur für leichtere Vergehen, insbesondere jugendlicher Personen, wenn auch Ausnahmen von dieser Be grenzung meist zugelassen, tatsächlich aber selten gemacht sind. Von vornherein wird als ausschlaggebender Gesichtspunkt sür die Bewilligung des Strafaufschubs ins Auge gefaßt, ob die ver- urtheilte Person der vollständigen Begnadigung demnächst würdig sein wird, oder nicht. „Im Allgemeinen wird daran festzuhalten sein", — so heißt es in der Beifügung des preußischen Justiz ministers vom 19. November 1895, und ähnliche, oft wörtlich gleichlautende Sätze finden wir in den Verfügungen der Justiz minister der anderen Bundesstaaten — „daß nur solche Ver- urtheilte der Gnade würdig erscheinen, welche nicht durch Ver dorbenheit und verbrecherische Neigungen, sondern mehr durch Leichtsinn, Unbesonnenheit, Unerfahrenheit oder in Folge Ver führung zu dem Don ihnen begangenen Fehltritt veranlaßt sind. Bereits vorbestrafte Personen sind, abgesehen von besonderen, eine Ausnahme rechtfertigenden Umständen, nicht zu berücksichtigen." In den größeren Bundesstaaten ist die bedingte Begnadigung in folgender Weise gehandhabt. In Preußen soll sie in der Regel nur eintreten, wenn höchstens auf eine sechsmonatige Strafe erkannt ist, jedoch kann ausnahmsweise der Minister auch Personen, welche zu schweren Strafen verurtheilt sind, Strafaufschub gewähren, wenn ihnen Gründe, wie die oben angeführten, zur Seite stehen und wenn es sich um Strafthaten handelt, an deren Ahndung nach Lage der Sache daS öffentliche Interesse nur in geringem Maße betheiligt erscheint. Aus eigenem Antriebe soll«n die Amts richter, beziehungsweise die Ersten Staatsanwälte an den Justiz minister ihre Anträge stellen. Wird der Strafaufschub bewilligt, so soll eine besondere Ueberwachung des Derurtheilten nicht statt finden, doch muß dieser, wenn er seinen Wohnort wechselt, davon Anzeige machen. Die Dauer des Strafaufschubs ist ganz dem Ermessen des Ministers überlassen; thatsächlich hat Lessen Dauer mindenstens ein Jahr, meistens aber zwei Jahre, zuweilen auch drei Jahre oder noch länger betragen. Gegen Ende der Frist sollen dann in schonender Weise Erkundigungen über die Führung des Verurteilten eingezogen werden; es soll dabei nicht genügen, wenn berichtet wird, derselbe habe sich gut geführt, sondern nähere Angaben über das Verbalten und die Lebensverhältnisie werden verlangt. In kleineren Gemeinden wird die Auskunft von den Pelizeivorstehern, den Vorstehern oder Mitgliedern der Gemeinde verwaltung, von den Waisenräthcn, von dem Geistlichen oder Lehrer des Ortes, unter Umständen auch von dem Arbeitgeber eingcholt. Die Polizeibehörde ist wegen etwaiger Bestrafungen zu befragen. Aus den miigetheilten Ergebnissen ersieht man, daß di« An träge auf Strafaufschub im Jahre 1896, gleichsam im ersten An sturm, etwas häufiger gestellt sind als 1898. Vorwiegend ist die Einrichtung Personen unter 18 Jahren zu Gute gekommen, nämlich in den drei Jahren 8326 und daneben 2607 Personen im höheren Alter. Die Einrichtung hat sich offenbar bewährt, denn von den insgesammt 1075 Fällen, in welchen der bedingte Straf aufschub bewilligt war, ist letzterer nur in 607 Fällen widerrufen worden, weil der Lerurtheilte wiederum eine strafbare Handlung beging oder sich nicht gut führte. In Bayern soll der bedingte Strafaufschub in der Regel nur gewährt werden, wenn die erkannte Strafe drei Monate nicht übersteigt. Die Beantragung geschieht hier vom Ersten Staatsanwalt bezw. vom Amtsanwalt. Die bayerische Statistik läßt ersehen. Laß von den insgesammt 2034 derurtheilten Per sonen, Venen in nahezu drei Jahren von 1896 bis 1. De- cember 1898 bedingter Strafaufschub gewährt worden ist, 99 wegen Verbrechen, 657 wegen Vergehen und 1278 wegen lleber- tretungen verurtheilt waren, und daß gegenüber 216 Personen die sogenannte Bewährungsfrist wiLerrufen wurde, also ver- hältnißmäßig häufig. Auch in der Verordnung des könrgl. sächsischen Justiz- ministeriumswird ebensowie in derpreußischen und der bayerischen betont, daß unabänderliche, feste Grundsätze, nach denen bei der Prüfung zu Verfahren wäre, sich bei der Vielgestaltigkeit der einzelnen Fälle nicht aufstellen lassen. Der Strafaufschub wird für „leichtere Straffälle" eingeführt; in der Regel seien nur Personen unter 18 Jahren zu berücksichtigen, nur ausnahmsweise Erwachsene. Die Statistik giebt dankenswerther Weise auch die strafbaren Handlungen an, welcher sich die bedingt begnadigten Personen schuldig gemacht hatten. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Diebstahl. Im Jahre 1896 waren von den 263 bedingt begnadigten Personen 173 des Dieb stahls, 18 der Unterschlagung, 12 irgend welcher Sittlichkeitsver gehen, 11 derUrkundenfälschung, 10 der Körperverletzung schuldig; 1897 von 205 bedingt Begnadigten 159 des Diebstahls, 9 der Unterschlagung, 8 eines Sittlichkeitsvergehens und 8 der Hehlerei; 1898 von 192 bedingt Begnadigten 136 des Diebstahls, je 11 der Unterschlagung und Hehlerei und 8 eines Sittlichkeitsver gehens. Von den 660 in den drei Jahren geschehenen Bewilli gungen des Strafaufschubs brauchten nur 45 widerrufen zu werden. In Württemberg wird wie in Bayern die „Regel" auf gestellt, daß eine bedingte Begnadigung nur erfolgen soll, wenn die zuerkannte Freiheitsstrafe Lie Dauer von drei Monaten nicht überschreitet. In der Statistik fällt die große Zahl der vom Justizminister abgelehnten Anträge auf; von den in den drei Jahren 1896, 1897, 1898 gestellten 818 Anträgen und Gesuchen -sind 209 abgelehnt. Von Len bedingt begnadigten 599 Personen waren verurtheilt: wegen Diebstahls 326, wegen Körperverletzung 79, 'wegen Unterschlagung 29, wegen Forstdiebstahls 24, wegen Betruges 24, wegen Hausfriedensbruchs 22. Interessant ist auch die Angabe über di« Höhe der Strafen. Es waren von den 599 Personen verurtheilt: zu einem Tage Haft oder Gefängniß 94, zu zwei Tagen 89, zu drei Tagen 78, zu vier Tagen 37, zu fünf Tagen 51, zu einer Woche 68, zu einem Monat 9, zu zwei Monaten 6, zu drei Monaten 4, zu schwererer Strafe keiner. Von den gewährten Strafaufschüben wurden 57 widerrufen; vier Ver- urtheilte haben seltsamer Weise verzichtet und ihre Starfe frei willig verbüßt. Im Groherherzogthum Baden ist die Vergünstigung aus nahmslos auf Jugendliche beschränkt, und auch hier in der Voraussetzung, daß die Personen zu höchstens drei Monaten ver urtheilt sind und noch keine Freiheitsstrafe erhalten haben. In den 671 Fällen der drei Jahre war die Verurthcilung in 344 Fällen wegen Diebstahls, in 108 Fällen wegen Körperverletzung, in 45 wegen Sachbeschädigung, in 22 wegen Unterschlagung, in 17 wegen Betrugs, in 12 wegen Hehlerei erfolgt. In 80 Fällen ist Widerruf des Strafaufschubs ausgesprochen worden, L. i. im Vergleich mit Preußen sehr oft. Im Großherzogthum Hiessen hat das Ministerium den Justizbehörden empfohlen, von den Anträgen auf Begnadigung nach Verbüßung von drei Diertheilen der Strafe häufiger als bisher Gebrauch zu machen. Den Aufschub der ganzen Strafe erklärt es besonders zur Bekämpfung des jugendlichen Verbrecher- thumS für zweckmäßig. Die Bewährungsfrist wird hier überall auf fünf Jahre bemessen. Von Len 93 Fällen der Bewilligung LeS Strafaufschubs sind 10 widerrufen. Die bei uns bestehende bedingte Begnadigung ist der in anderen Ländern bestehenden „bedingten Verurtheilung" nachgebildet. Bei der letzteren erfolgt die Entscheidung nicht vom Justizministerium lediglich auf Grund der Acten, sondern sofort bei der Urtheilsfällung Lurch das erkennende Gericht. Ein zweiter Unterschied ist, daß der schließliche Erlaß der Strafe bei der bedingten Verurtheilung lediglich davon abhängt, daß nicht eine weitere Bestrafung innerhalb der gesetzten Frist erfolgt, nicht aber, wie bei dec bedingten Begnadigung, außerdem noch von guter Führung in der sogenannten Bewährungszeit. Schließlich ist auch die bedingte Verurtheilung nicht wesentlich auf jugend liche Verurtheilte beschränkt. Die bedingte Verurtheilung besteht seit 1878 im Staate Massachusetts und seit 1886 und Len folgenden Jahren in sämmt- lichen englischen Colonien. Als Grund für die Einführung wird von den wenig idealen Amerikanern und Engländern eine große Ersparniß an Haftkosten und Gefängnißbauten angeführt. Erst in zweiter Linie wird darauf hingewiesen, daß auch der Besse rungszweck der Strafe wirksamer erreicht werde. Unserm deut schen Volkscharakter entsprechend wurde bei der Forderung der Einführung der bedingten Verurtheilung überall nur der letztere Gesichtspunkt betont. In Europa hat zuerst Belgien 1888 di« bedingte Verur theilung eingeführt. Sie ist nur bei Strafen bis zu sechs Mo naten zulässig; die Bestrafung wird bis zu fünf Jahren aus gesetzt. Frankreich folgte 1891. Die bedingt« Verurtheilung ist hier zulässig, selbst wenn auf fünf Jahre Gefängniß erkannt ist, doch regen sich gegen diese Ausdehnung viele Stimmen, weil das öffentliche Rechtsbewußtsein durch Aussetzung der Strafe auch bei schweren Strafthaten oft verletzt ist. 1892 ist sie in Luxem burg, 1893 in Portugal und 1894 in Norwegen gesetzlich ein geführt. Das norwegische Gesetz faßt in kurzer und klarer Weise die Voraussetzungen für bedingte Verurtheilungen zusammen. Ohne den Gerichten eine ziffernmäßige Grenze irgendwie zu setzen, verleiht es ihnen die Befugniß, die Vollstreckung „bei be sonders milden Umständen" bis auf drei Jahre auszusetzen, und schreibt vor, hierbei einerseits auf das Alter und Las Vorleben des Derurtheilten, anderseits auf die Geringfügigkeit der Straf- that und Len erforderlichen Falls als Bedingung aufzustellenden Ersatz des Schadens Rücksicht zu nehmen. Deutsches Reich. Berlin, 2. Mai. (Eine neue Verwarnung des Professors Schell.) Bekanntlich hat Professor Schell in den Münchener „Hochschulnachrichten" eine Erklärung ver öffentlicht, in welcher er von seiner Unterwerfung unter die Entscheidung der Eongregation deS Index sagt, daß sie weder unmittelbar noch mittelbar die Preisgabe einer wissenschaft lichen Ueberzeugung oder einen Widerruf in sich enthalte. ES scheint, als ob man im Lager der jesuitischen Gegner Professor Schell'- eine derartige Auffassung ans Seiten Professor Schell'S geahnt habe. Denn da-neueste Heft deS Jesuiten- organS „Stimmen au- Maria Laack" enthält einen Artikel des Jesuiten Hilgers, dessen eine Stelle einer Ver warnung deS Professors Schell gleichkommt. Der fragliche Artikel handelt über den Index der verbotenen Bücher und die betreffende Stelle lautet folgendermaßen: „Es versteht sich auch ganz von selbst, daß. wenn zum Beispiel rin rein theologische- Werk mit neugearteter Doctrin, mit neucm System, wenn auch noch so epochemachend und bahnbrechend, hervor tritt und nun vom Index als verboten bezeichnet wird, die Folge rungen über die Kirchlichkrit oder Unkirchlichkrit, die Gefährlichkeit oder Uagefährlichkeit eilirr solchen Neuerung in der Lehre auf der Hand liegen. Diese unberücksichtigt lassen oder umgehen wollrn, hieße Vogelstraußpolitik treiben nach Art der Anhänger des Jansrnius in früheren Zeiten, nach Weise der Kermesianer in unserem Jahr- hundert. So lange der Papst nicht als unfehlbarer Lehrer über »in Buch, «ine Lehre urtheilen will, bleibt da- Decrrt, welches derselbe Papst als oberster Vorsteher jeder Eongregation namentlich gut heißt und veröffentlichen läßt, in vollen Würd«n, dos heißt, es ist für gelehrt und ungelehrt der sicherste Wegweiser in der Glaubens- und Sittenlehre, nach dem jeder gläubige Katholik vorangehen muß. In erster Linie sind diese Verbote .. diSciplinare Vorschriften. ES ist jedoch für jeden Gläubigen nicht blos moralisch einzig richtig, sondern auch intellrcturll einzig ver nünftig, sich diesen Vorschriften in Gehorsam zu fügen. Nicht den Professoren der Hochschulen, nicht den Gelehrten und Schriftstellern, sondern der Kirche übertrug Ehristu» die Hirten- gemalt. Ihr allein liegt es ob, nach ihrem Ermessen die Gläubigen auf gute Weide zu führen und vor giftiger gefährlicher Nahrung sicher zu stellen." Professor Schell wird nicht im Zweifel darüber sein, daß die vorstehenden Sätze gegen ihn gerichtet sind; ein Wider spruch ist von seiner Seite umsoweniger zu erwarten, als er nur unter einem beträchtlichen Aufwande jesuitischer Dialektik die Behauptung aufzuskellcn vermochte, daß seine Unterwerfung unter die Eongregation deS Index weder unmittelbar noch mittelbar die Preisgabe einer wissenschaftlichen Ueberzengung oder einen Widerruf in sich enthalte. * Berlin, 2. Mai. Eine Reform deS deutschen EonsularcorpS wird in der „Köln. Ztg." angekündigt: die Regierung beschäftige sich augenblicklich mit der Frage, ob und in welcher Weise unser Consularwesen mit Verbesserungen auSgestattet werden könne, die eS noch mehr als jetzt befähigen, dem auswärtigen Handel diejenigen Dienste zu erweisen, um derentwegen es in erster Linie da ist; wenn diese Er wägung sich in der Richtung bewege, die kaufmännische Tüchtigkeit unserer Consulate zu stärken, so ergebe sich schon daraus, daß die Möglichkeit oder vielmehr die Noth- wendigkeit vorliegt, die bessernde Hand anzulegen. Für eine solche Reform wird folgender Plan entwickelt: Die juristische Vorbildung erscheint als allgemeine Regel auS einer ganzen Reihe von Gründen angezeigt, jedoch würde auf das Assessor-Examen nicht nur verzichtet werden künnrn, sondern verzichtet werden müssen. Es erscheint nöthig, daß die jungen Leute — nennen wir sie Consular-Eleven oder ähnlich — schon in jungen Jahren nach dem AuSlande kommen, um sich dort an ihrem zukünftigen Wirkungskreise praktisch «inzuarbeilen. Man würde sich also mit dem Referendar-Examen zu begnügen haben und sie nach dessen Bestehen unmittelbar ins Ausland schicken, wo sie einem Consulate auf drei Jahre zugetheilt werden müßten. Sir sind dann noch zu jung, daß ihnen die Einarbeitung leicht werden muß, namentlich was die Erlernung der Landes sprache anbetrifft, die wir als unbedingte Voraussetzung betrachten. Bei Sprachen von der Schmierigkeit der japanischen oder chinesischen ist eine grammatikalische oder literarische Er- lernunq unnöthig, auch wohl nur schwer zu erreichen, es wird vielmehr genügen, daß sie sich etwas Umgangssprache aneignen, wie es ja auch die jungen Kaufleute thun, die hinausgeschickt werden. Wenn die Gelegenheit sich bietet, könnte man diese Lonsulareleven auch für eine gewisse Zeit in einem der an Ort und Stelle befind lichen kaufmännischen Comptoirs arbeiten lassen, im klebrigen aber Frrsilleton. Schaufenjierftlldie» eines Leipziger Naturforschers. II. Schiltzkr-t. PliniuS erzählt in Lew 9. Buch seiner Naturgeschichte, Carvilius Pollio, ein römischer Ritter, habe zuerst Lie Schalen Ler Schildkröten in Plättchen zerschneiden und mit diesen Ruhebetten, — wir würden auf gut Deutsch sagen: Couchetten — d. h. vermuthlich nicht g«raLe dieTheile, auf denen man ruhte, und riiyzsörmig« Uirtersätze, auf Lie bei festlichen Gelagen die heißen Schüsseln gestellt wurden, damit fourniren lassen. PliniuS giebt «dem Men Ritter daS Zeugnitz, er habe sehr vielen Sinn für feinen LuxuS und „Geräthschaften der Ueppigkest", Gegen stände des Kunstgewerbes würden wir sie nennen, gehabt und macht ihn mit für den Sullanischen Krieg, der eine Strafe der Götter für die allzu große Ueppigkeit der Römer war, verantwort lich. Danach mag Pollio etwa um das Jahr 100 v. Ehr. ge lobt haben. Wahrscheinlich war er aber gar nicht der Erfinder des Schildkrots, sondern verpflanzte nur eine ursprünglich egyptische oder punffche Sitte nach Rom. Jedenfalls gefiel trotz Les göttlichen Strafgerichts Len Römern die Sache, und der Gebrauch des Schildkrots nahm immer mehr zu, so daß unter der Regierung LesAugustus die vornehmen, oder Lesser die reichen Leute die Thüren und daS Säulenwrrk ihrer Prunkgemächer mit dem kostbaren Stoff bekleiden ließen. Julius Cäsar er beutete bei der Einnahme Alexandria- eine große Menge von Schikdkrot, das er in seinem Triumphzug einhertragen ließ. Auch die Chinesen haben von Alters her eine große Vorliebe für daS SchilLkrot unL sie sind es wahrscheinlich auch, die es zuerst zu gewinnen und zu benutzen verstanden und von denen der Gebrauch desselben auf dem langen Weg über Persien und Egypten oder Karthago nach Rom gelangte, wohin schließlich, wie bekannt, alle Wege, auch manchmal die der Politik, geführt haben und leider! noch viel zu häufig führen. WaS ist denn nun Schildkrot oder Schildpadd? „Nun", höre ich antworten, „was soll eS denn weiter sein, ei kommt eben von den Schildkröten her." Ganz recht, die Schildkrötensuppe auch, man kann deswegen aber doch noch keine Kämme auS ihr machen. Die Antwort ist mir denn doch «in wenig gar zu allgemein und unbestimmt. Ein Anderer sagt „eS ist Ler Schild der Schild kröten". Der gute Mann hat läuten hören, weiß aber nichr, wo die Glocke hängt. ES ist keineswegs der Schild, aber wohl der hornige Ueberzug, Lie Oberhaut desselben. Die Schildkröten sind höchst seltsame Kriechthiere oder Rep tilien, und wären wir nicht so vertraut mit ihnen, so würde viel mehr Aufhebens über ihren wunderlichen Bau gemacht werden. Man denke sich, sie wären Naturforschern und Laien völlig un bekannte Thier«, auf einmal würde «ine im innersten Innern des schwarzen, jetzt so beliebten Erdtheils oder Australiens auf gefunden, — das Halloh, Las darüber erschallen würde, wäre un geheuer. Der Körper der Schildkröten ist gedrungen, meist nur wenig länger als breit und das Wunderbarste an ihm ist seine Schutz bewaffnung, ein richtiger knöcherner Küraß, nur ist bei ihm im Unterschied zu diesem die Rllckenseite stärker als die Brustseit«, die Natur ist mehr fiir's Praktisch« und hat kein zartes, ritter liches Ehrgefühl, für sie sind Wunden eben Wunden, die gerade so weh thun und gerade so gefährlich sind, ob sie von vorn oder von hinten empfangen werden. Der Panzer besteht auS zwei Hauptstücken, dem Rückenschild oder Karapax und dem Brust« lcbild oder Plastron. Beide sind meist, aber in verschiedenem Umfange und immer nur an den Seiten zwifchen den beiden Gliedmaßenpaaren mit einander vereinigt. Unter allen Um ständen aber, und wenn der Rücken- und Brusttheil seitlich voll- kommen verwachsen sind, bleibt vorn und hinten zwischen ihnen je ein Spalt. Di« Schildkröten bewohnen theilS daS Land, theils daS süße Wasser und theils daS Meer, aber auch die Wasserbewohner sind bis zu einem gewissen Grade amphibisch, unter Umständen müssen sie gelegentlich doch an das Land, und wenn eS blo- die weiblichen Individuen wären. Alle legen nämlich hartschalige Eier, die sich nicht wie der Laich Ler Fisch« und Lurche im Wasser, sondern nur auf dem Lande entwickeln können. Nun sind aber die Schildkröten unbeholfen«, schwerfällige und nur selten wehrhafte Thiere, und auch die Seeschildkröten, so flink sie immerhin im Meere sind, machen auf dem Lande keine Ausnahme von der Regel. Wenn ihnen «ine Gefahr droht, so können sie sich derselben nicht durch die Flucht entziehen, sie ver mögen sich auch kaum gegen eine solch« zu Vertheidigen, die An- greiser kommen einfach von hinten her, und bevor sich die Schild kröte einmal umgedreht Hot, sind sie zwanzig Mal um sie herum voltigirt. Da zieht sich denn das bedrängte Reptil auf sich selbst zurück, d. h. eS zieht Hals, Kopf und Vorderbein« in den vorderen, Schwanz und Hinterbeine aber in den Hinteren Spalt ein, sehr langhalsig« Formen klappen den Hals und Kopf wohl auch ein fach seitlich um, wie man ein Taschenmesser in sein Heft klappt. So können sie getrost manchem Sturm des Lebens trotzen, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man «inen Hund gegen ein« gewöhnliche griechische Landschildkröte, wie man sie zu Hunderten in den Thierhandlungen zu kaufen bekommt, losläßt. Der Panzer darf nun nicht so ohne Weiteres als ein Theil des Skeletts angesehen werden, er besteht vielmehr wesentlich aus verknöcherten Theilen der Lederhaut, d. h. jenerHaut, aus der man vonPferden.Rindern und Kälb.rn Stiefel und Schuhe, von letzteren auch die heiligen Trommelfelle macht, — die Löffelgarde der alten französischen Republik benutzte dazu wohl auch einmal eine Aristokratenhaut, die billiger war — die Lederhaut der Ziegen und Hunde wird zu Handschuhen, Lie der Esel zu allerhand kostbaren, ehr- und erhaltungswürdigen Dokumenten ver wendet u. s. w. Rücken- und Brustfchild sind aber erst secundäre Einheiten, so zu sagen, Las heißt: jede von ihnen besteht aus einer größeren oder kleineren, durch Nähte mehr oder weniger innig verbundenen Anzahl von Täfelchen, stellt also ein Mosaik Lar. Für daS Plastron ist di« typische Zahl der Knochrnstückchen 9, sie kann indessen ViS auf 23 steigen, bleibt aber stets ungerad. Auch die Zahl Ler knöchernen Karapaxstück« ist Schwankungen unterworfen. Meist finden sich acht, eine mittler« LängSreihe bildende, mit ihren Unterseiten mit den oberen Dornfortfätzen den Rücken wirbel verwachsende Neural- oder Wivbelplatten, nach vorn schließt sich eine seitlich verbreitert« Nackenplatt«, nach hinten eine (öder zwei bis drei) Steißplatt« an. Seitlich an je eine Wirbel platte fügt sich rechts und links eine yuer verlängert«, mit der darunter gelegenen Rippe vollkommen verwachsene Rippenplatte und der Rand wird jederseitS von einer von der Nacken- zur hintersten Steißptatte in einem nach außen convexen Bogen ver laufenden Reihe von elf Randplatten gebildet. Aber auch diese Verhältnisse unterlieg«n vielfachen Ver schiedenheiten. DaS abweichendste Verhalten tritt bei der das Meer bewohnenden Lederschildkröte, die bis zwei Meter lang werdende, riesenhafteste aller Schildkröten, auf, Lei der das RückenfchilL aus einer sehr großen Zahl von meist sechseckigen Täfelchen besteht, die nicht in jenen bestimmten Reihen an geordnet sind wie bei den anderen Land- und Wasserformen. Der ganze Panzer wird von Ler Oberhaut überzogen, die nur selten, wie eben bei der LeLerschildkröte, weich und gleich mäßig entwickelt ist, in der Regel aber auS einer Anzahl von eckigen, mit einander vereinigten Horntaseln besteht, di« aber, eigenthllmlich genug, in Gestalt und Zahl nicht den unter ihnen gelegenen Knochenplatten entsprechen, wenn sie auch in ähnlichen Reihen an-geordnet sind. Jede Hornplatt« erscheint etwas ge buckelt und ihr mittelster Theil ist der dickste, denn er ist der älteste, außerdem verlaufen auf ihr eine Anzahl ihren Außen rändern paralleler Streifen oder Leisten. Die Schildkröten häuten sich nämlich nicht wie Lie Eidechsen und Schlangen, jede Hornschuppe wächst vielmehr durch eine von unten her erfolgende Anlage von Horwsubstanz, die mit dem Alter entsprechend breiter wird. Jene Leisten auf der Oberseite der Schuppe sind die An wachsstreifen, die zeigen, daß das Wachsthum ein periodisches ist. Diese Hornbekleidung des Panzers ist LaS SchilLkrot oder Schikd- padd, -das aber nur von der Supp«n- und Karettschildkröte wirklichen Werth hat, beide groß« Seethiere und beide Be wohnerinnen der tropischen und subtropischen Meere, die sich aber auch im Mittelmeer finden und gelegentlich bis an Eng lands Süd-küste vorkommen. Beide sind nähe mit einander ver wandt und gehören zu einer Gattung, Lie Suppenschildkröte (Okelons Ll.vctas) wird aber durchschnittlich 1,5 bis 1,6 Meter lang und ist eine Vegetarierin strengster Observanz, die Karett schildkröte (Öliolono imbrieata) hingegen erreicht nur eine größte Länge von 0,73 Meter, ist aber weit lebhafter, energischer und kühner, lebt aber auch ausschließlich von Fischen, Weichthieren und Krebsen. Die Gattung der Chelonen hat eine auS 37 Stücken be stehende Horndrcke des RückenpanzrrS. Entlang der Mitte des Rückens verläuft eine Reihe von 5 Hornplatten, an Liese schließt sich jederseitS eine auS 4 Stücken bestehende Seitenreihe an und diese 13 Platten, die in Ler Terminologie der Schildkrothändler zusammen als „der Kopf" bezeichnet werden, werden nach außen von zwölf Randschildern, die „Füße" oder „Nasen" heißen, um geben. All« diese Platten greifen mit ihrem Hinterrand etwas über den Vorderrand der folgenden weg, sind also ähnlich wie Dachziegel oder Lie Schuppen eines Tannenzapfens angeordnet. Von allen jenen 37 verschieden großen Schikdkrotfiücken sind die zweite und dritte Seitenplatte die werthvollsten, denn sie sind Lie größten und dicksten, die „Hufe" oder ,Klauen" genannten, mittleren RUckenplatten und die vorderste und hinterste Seiten platte haben verhältnißmäßig weniger Werth. Die den „Kopf" bildenden Platten, auf die eS hauptsächlich ankommt, sind im Durchschnitt etwa 0,5 bis 1 Centimeter dick, je nach Größe und Alter deS Thieres und wiegen zusammen 2—3 Kilogramm. Bei einer Karettschildkröte von etwa 70 Centimeter Länge und
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