An einem bevorzugten Plage in der Kunstausstellung, die 1946 in der Morißburg stattfand, hing ein großes Bild des jungen Malers Hermann Bach mann, das unter den nicht wenigen Bildern von Belang ganz besonders Be achtung verlangte. Es war nicht durchaus die Größe des Formates, keines wegs die Auszeichnung der Plaßzuweisung, die bei diesem Bilde auf- merken ließ. Es war auch nicht eine besondere Kühnheit, eine frap pierende Fortschrittlichkeit in der Form und Farbwahl, die dieser Tafel einen Plaß in dem Erinnerungsbild der Ausstellung angewiesen haben. Frauenakte unter Bäumen, ein Thema ins Mythologische gewendet, seit der Renaissance immer wieder neu aufgegriffen und abgewandelt, aber erst seit Marees und Cezanne mitten in der späten Blüte des Im pressionismus, dem die Aktion des Dargestellten bei seiner legten stoff lichen Verfeinerung ebenfalls unwichtig geworden war, ohne Einbindung ins eng Thematische rein als Daseiendes, als unmittelbar Gemeintes mög lich. In dem Bachmannschen Bilde freilich war — wenn einzelne große Namen als Bezugspunkte zu seßen erlaubt ist — noch mehr von Marees als von dem durch Traditionalismen weniger gehemmten Cezanne. Noch spielt das Eicht, wenn auch nicht das formauflösende Licht der Sonne, auf den weichgerundeten Körpern. Die Verschattung unter dem Baumlaub schafft ihnen einen Raum, der noch dem jahrhundertealten, bis ins Leßte durchlebten und sich daher auslebenden Raumgefühl angehört. Aber schon ordnen sich die Figuren des Bildes zu einem zwingenden Muster der Formen und der Farbe, das durch seine vom Sinn ab strahierende Erscheinung dem im Bilde Dargestellten, dem Thema, Ord nung und Gefühlswert mitteilt, eine Kongruenz, die nun freilich jedes Bild, das ein Kunstwerk ist, seit jeher erfüllen mußte, nur in einem anderen durch die Zeiten wechselndem Verhältnis von Form und Inhalt. Nicht von ungefähr hat die Kunstgeschichtsschreibung seit der Jahr hundertwende dem Sinn der Form immer mehr Gewicht zugemessen. Das Thematische, alle kulturellen und rein historischen Fragen, die um ein Werk der Kunst lagern, wurden immer weniger in Betracht gezogen und schließlich über die Form hin zu erklären versucht. Auch die Wissenschaft wurde von dem gleichen Sinnwandel erfaßt, wie die Kunst und jede kulturelle Äußerung. Befangen in der Welt des empirisch erfahrbaren Raumes, der Anordnung der Körper in ihm hatte das Bild von 1946 noch einen Ton von Über kommenem und Abklingendem. 1947 sahen wir dann in den Figuren bildern der Frühjahrsausstellung jene Klärung einseßen, die von der be deutenden Formanordnung des früheren Bildes schon zu erwarten war.