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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189503060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18950306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18950306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-06
- Monat1895-03
- Jahr1895
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1895
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Riesaer G Tageblatt ««d Anzeiger (SltrUM md Lkyttrer). Telegrm»»».«drrM HP» iL 6 FU S*»IPE«»« ,r ,«b t« » «,» «, » der König!, «mtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StadtrathS z« Ries«. SS. Mittwoch, «. Mürz 189S, AvendS. 48. Jahr,. La» Riesaer Tageblatt erscheint jeden Ta, Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. BterteljLhrttcher Bez»,»Preis bei Abholung in den Expeditione» in «tcha und Strehla, d« AulWchchMU samt» am Schalt« der laiserl. Postanstalte» 1 Mart 2S Pf., durch die Trüg« frei in» Hau» 1 Mart SO Pf., durch den Briefträger frei in» Han» 1 Mart « Pf. >»»tt,«chlnnah«w pr die Mm»» de» Ausgabetage« bi» Vormittag S Uhr ohne Gewähr. »mck m» Verla, von La«,«« K «interlich vr Rias«. — Gefchäftsstellr: «aftauteustrah, t». — Mir die Redattim »«mttmratch: Har». GchmtS« M «tat» Die Militärdevatten wurden gestern im Reichstage fortgesetzt. Der Kriegswinister rechtfertigte zunächst mehrere gestern erwähnte Fälle. Bei der Besprechung des Berhaltens eines Offiziers in Hamburg ist'nach dem Bericht des „Vorwärts" von sozialdemokratischer Seite der Zwischenruf „Feigheit" gefallen. Ich habe das Wort nicht gehört. (Abg. Singer: Wir haben es gesagt und gehört!) Ich weiß nicht, wer es gesagt hat und bin deshalb zu meinem Bedauern nicht in der Lage, den abwesenden Of fizier zu vertheidigcn und dem betreffenden Herrn persönlich zu sagen, daß ich cs sür eine Feigheit halte, wenn man unter dem Schutz der Redefreiheit einen Abwesenden hier angreift. Herr Bebel hat mich gestern naiv genannt. Das ist sür ein junges Mädchen sehr schmeichelhaft; bei einem Manne heißt das so viel wie kindisch oder kindlich. Ich habe darauf nicht reagirt, eben so wenig darauf, daß Herr Bebel davon sprach, wie tief wir gesunken seien. Wern ich zu den Sozialdemo kraten sagte: wie tief sind Sie gesunken, so wü.de der ste nographische Bericht Tumult und Zwischenruf verzeichnen. Ich möchte Sie bitten, auch mir gegenüber maßvoller zu verfahren. Abg Beckh (fr. Vp.) erklärt eine Revision der Mili- tärprozeßordnung und die Einführung der Oeffentlichkeit des Verfahrens für dringend erforderlich In Friedenszeiten würde die Zuständigkeit der Civilgerichte in Militärstraf- fachen ausreichen. Es herrsche Mißtrauen gegen die Militär justiz. Abg. Bebel (Soc.) rechtfertigt seine gestrigen Ausfüh rungen. Er habe den Kriegsminister nicht naiv genannt. Jede Partei werde einmal in die Lage kommen, hier im Hause Abwesende zu nennen. Präsident v. Levetzow: Ich habe gestern nicht präsidirt. ES steht Jedem frei, Thatsachen von Abwesenden zu besprechen, aber keine Beschimpfung daran zu knüpfen. Hätte ich gestern das Wort Feigheit bezüglich Abwesender gehört, hätte ich es gerügt. (Beifall.) Abg. Bebel (Soc.) bespricht nochmals den Fall Ratzel. Die Sozialdemokraten wollten keine Gnade und bestritten das Gnadcnrecht. Ein Sozialdemokrat, der um Gnade bitte, würde sofort aus der Partei ausgeschlossen werden. Redner wendet sich sodann zur Militärprozeßordnung. Seit 25 Jah ren werde die Forderung nach Revision immer wiederholt und jährlich durch Vertröstungen erledigt. Es sei hier mit aller Energie vorzugehen ; damit hänge die Zahl der Sol- datcnmißhandlungen zusammen. Seit 25 Jahren sei eine Reihe von Erlassen dagegen erfolgt, aber alle seien außeror dentlich wenig wirksam gewesen. Unter dem jetzigen Kriegs minister sei auf Grund der neuen Beschwerdeordnung aller dings einiges besser geworden, allein es kommen immer noch zuviel Fälle von Mißhandlungen vor. Redner führt eine Reih; von Fällen an. Wenn Sie in der Armee die Stütze der heutigen Ordnung suchen, dann haben Sie alle Ursache, hier Wandel zu schaffen. Bei uns freut sich Niemand, wenn er zum Militär ausgehoben wird. (Lebhafter Widerspruch rcckus.) Abg. Lenzmann (freis. Bp.) führt aus, der Kriegs- mimstcr habe im vorigen Jahre die Erklärung abgegeben, daß ein Entwurf der Militärprozeßorrnung in Vorbereitung sei. Es gehe das Gerücht von drei Entwürfen, sowie davon, daß eine höhere Stelle den liberalen Entwurf nicht wünsche. Er bitie um eine Erklärung darüber, ob die Oeffentlichkeit und die Mündlichkeit des Verfahrens im Entwurf gewährt sei; sonst sei der Entwurf werthlos und unannehmbar. Noch wichtiger sei die Form des Beschwerdeweges. Sei nur ein Drittel der von Herrn Bebel angeführten Fälle wahr, so genüge das, um zu beweisen, daß es im Beschwerdewesen noch viel schlimmer stehe. Auch wir wollen eine strenge, stramme Disziplin in der Armee, wünschen aber gerade des halb richtige Rechtspflege und wahre Gerechtigkeit für das Heer. Kriegsminister Bronsart von Schellendorf: Ich habe meinen Aeußerungen vom vorigen Jahre nichts hinzu- zufügcn (Lachen links), aber auch nichts daran zu streichen. Sollte ich im Laufe der Berathung der Militärprozeßordnung einsehen, daß meine Kräfte nicht ausreichen, so würde ich Sie bitten, mir einen Nachfolger zu geben. Wenn der Herr Vorredner von Widerstand an höherer Stelle gesprochen, so muß ich ihm, falls er die Allerhöchste Stelle meint, dies ganz entichieden bestreiten. Selbstverständlich kann ich über einen Entwurf, der Gegenstand des Votums des Staatsministeriums ist, keine Einzelheiten mittheilen. Ich versage mir, auf die von Herrn Bebel angeführten Fälle von Soldatenmißhand- lungen einzugehen; ich könnte nur weiß sagen, wo er schwarz sagt. Herr Bebel ist eben zu leichtgläubig und weiß nicht, wie viel in der Presse und in Briefen gelogen wird. (Heiter keit.) Darüber ist nicht zu debattiren, so streitlustig ich auch sonst bin. Daß der Abg. v. Vollmar auch einen Offizier der Feigheit geziehen hat, ist mir nicht erinnerlich; ich halte ihn auch dessen nicht für fähig. Es wird nicht bestritten, ich scheine also Recht zu haben. (Heiterkeit.) Wir suchen ernst lich den Soldatenmißhandlungen zu steuern, und die Zrhl der Fälle ist auch schon geringer geworden. Aber ganz sie zu beseitigen, ist unmöglich; Sie können doch auch nicht Mord, Diebstahl, schwere Körperverletzung aus der Welt schaffen. (Sehr wahr!) Der Behauptung, es ginge eine außerordent lich geringe Anzahl Personen mit Lust und Liebe zur Armee, widerspricht die offenkundige Thatsache, daß seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit die Zahl der Mehrjährig-Frei willigen bei den Waffen, die noch dreijährige Dienstzeit haben, nicht, wie man meinen sollte, kleiner, sondern eher noch größer geworden ist. (Beifall.) Abg. v. Vollmar (Soc.) erklärt, daß seine Behaup tung überhaupt nicht irgend einer Person, am allerwenigsten einem Offizier, sondern den Militärmißhandlungen gegolten habe. Er habe gesagt, diejenigen Offiziere, die sich Miß handlungen zu Schulden kommen ließen, schienen keine Ver letzung ihrer Ehre darin zu erblicken, sondern zu glauben, daß es derselben keinen Eintrag thue. Er aber könne sich nichts Ehrloseres denken, als die bewußte Beleidigung und Kränkung eines Menschen, der nicht im Stande sei, sich zu verihcidigen. (Abg. Bebel: Hört! Hört!) Der Kriegsminister habe darauf das zugegeben und konstatirt, daß dieser Geist in der Armee nicht vertreten sei. Weiter bespricht Redner die Beschwerdeordnung und rügt gewisse Mängel derselben, so daß die Beschwerdeordnung, so wie sie vorliege, eher ab schreckend wirke, und die Erleichterungen, die sie gewähre, zum Theil wieder unwirksam mache. Redner stellt Betrachtungen darüber an, woher es wohl komme, daß die mit Recht soviel gerühmte Disziplin des deutschen Heeres gerade hier nicht stichhalte, wo es sich doch um Erlasse selbst von Allerhöchster Stelle handle, um Erlasse, deren Befolgung gerade am wich tigsten sei. Zum Theil liege hier die Schuld an der Ueber- arbeitung, an der außerordentlichen Ueberanstrengung nament lich d r Rekruten, die über das hinausgehe, was vernünftiger Weise als Leistung verlangt werden könne. Sodann liege die Schuld daran, daß der Unteroffizier sagen könne: Mir geschehen gleich schwere Drohungen von meinen Vorgesetzten. Sehr schlimm sei, daß die Mehrzahl der Uebergriffe nicht auf dem Exerzierplätze, sondern in der Mannschastsstube, wenn die anoeren ausgegangen sind, sich ereignen. Bet der Beschwerde bilden einen der heikelsten Punkte die Mittels personen, auf die sehr häufig das Hauptodium falle. Man denke sich die Lage eines Offiziers, der die Beschwerde eines Untergebene» entgegennehmen und wcitergeben müsse, und diese Beschwerde richte sich gegen einen königlichen Prinzen. (Heiterkeit.) Redner wünscht nebenher auch über andere Mängel eine Bemerkung zu machen. Trotz der Offenheit und Geradheit, die mit, einer gewissen Raschheit verbunden in der Armee als Vorzug gelten, kämen doch gewisse Dreh ungen und Wendungen vor, die dem widersprächen. So kenne er einen Fall, wo einem Offizier, als er Oberstlieutenant werden wollte, mitgetheilt wurde, er sei zu unansehnlich, zu klein, mache keine Figur vor der Front. Major habe er werden können, für den Oberstlieute.iant sei er zu klein ge wesen. (Heiterkeit.) Redner bittet schließlich, doch endlich mit den zur Disposition gestellten Offizieren awzuräumen. Bald seien sie Civilisten und könnten als Schöffen an der Rechtsprechung theilnehmen, bald seien sie Militärs und wür den der Rechtsprechung entzogen. Kriegsminister Bronsart von Schellendorff: Ich bin den Ausführungen des Vorredners mit großem In teresse gefolgt und erwidere auf einzelne Punkte Folgendes: Erstens, die neue Strafprozeßordnung wird ein Verbot, daß sich der Soldat keinen Rath bei anderen Personen darüber holen darf, ob er sich beschweren soll oder nicht, nicht ent- halten. Ein solches Verbot besteht auch zur Zeit nicht. Ueber die Beschwerdeordnung können sich die Leute selbst unter richten; sie befindet sich auf jeder Mannschaftsstube und in der Instruktion. Was das Qualifikationsurtheil über einen Offizier anbelangt, so steht es jedem Offizier frei, wenn er etwas Angenehmes hören will, seine Vorgesetzten darum an- zugehen. Er wird eine offene und gerade Antwort erhalten. Allerdings muß ich bemerken, es wird Manche geben, die nicht das Bedürfniß fühlen werden, eine solche Frage zu stellen. (Heiterkeit.) Ich für meinen Theil habe niemals den Wunsch gehabt, von meinen Vorgesetzten ein Urtheil über mich zu hören. Was den letzten Wunsch betrifft, so glaube ich nicht in Aussicht stellen zu können, daß bei einer even tuellen Aenderung der Militärstrafprozeßordnung die zur Disposition stehenden Offiziere dem Militärgerichtsstande entzogen werden würden. Der Redner deutete dabei auf einen besonderen Fall hin. Ich habe kein besonderes In- teresse daran; es war für mich nur insofern bedeutsam, als er für gewisse Blätter in der Sauren Gurkenzeit und da rüber hinaus den Stoff lieferte, für eine Sensationsgeschichte, deren gewisse phantasiereiche Gemüther bedürfen, um an die absurdesten Voraussetzungen noch absudere Schlußfolgerungen zu knüpfen. Abg. Dr. v. Marquardsen (nl.) gab der Hoffnung Ausdruck, daß die neue Strafprozeßordnung allen daran ge- knüpften Erwartungen entsprechen werde. Abg. Bebel hielt alle von ihm vorgebrachten Beschwerden vollkommen aufrecht und führte einzelne Fälle noch weiter aus. So erwähnte er namentlich einen Fall, wo ein Soldat bestraft worden sei, weil er keine Beschwerde erhob. Bevollmächtigter zum Bundesrath General-Auditeur v. Ittenbach erklärte einen Fall wi: den lctztgedachten für vollkommen ausgeschlossen, weil die Beschwerdeordnung eine Strafe wegen Nichlerstattung einer Beschwerde nicht kenne. Der Abg. v. Vollmar habe bedauert, daß die Beschwerdeordnung eine Strafbestimmung enthalte für den Fall einer Anzeige wider besseres Wissen. Es sei dies ein Jrrthum. An der Stelle, wo von der An zeige wider besseres Wissen die Rede ist, solle damit ein Hin weis auf die schweren Strafen der Strafprozeßordnung ent halten sein. Was die Mißhandlungen betreffe, so seien die- selben in qualitativer Beziehung entschieden geringer geworden, im einzelnen kämen sie allerdings noch in größerer Zahl vor. Das bedeute doch aber einen wesentlichen Fortschritt. Jeden falls habe der Abgeordnete Bebel, wofür er ihm dankbar sei, anerkannt, daß Fortschritte zu verzeichnen sind. Was den Kanonier Becker betrifft, der erst zu 3 Tagen verurtheilt war und schließlich drei Jahre erhielt, so handle es sich hier um einen Fall von Agitation im Lazareth, was sich erst während der Verhandlung herausstellte. Bundeskommissar Generallieutenant von Gemmingen wies einige Bemer kungen des Abg. Bebel als der thatsächlichen Unterlagen ent behrend, zurück. Abgeordneter v. Kardorff (Rp.) bedauerte, daß bei der ganzen Debatte wenig herauskomme und wünschte nur dagegen zu protestiren, daß die Leute nicht mit Lust und Liebe Militärs seien. Jeder behalte diese Zeit unvergeßlich als seine schönste Erinnerung im Gedächtniß und rechne cs sich zur Ehre, in der Armee gestanden zu haben. Abg. Graf von Roon (kons.) gab eine Erklärung in demselben Sinne ab und hob hervor, daß man in Bezug auf die Behandlung der Leute nicht zu schwarz sehen und zu schwarz schildern sollt-'. Seien denn in anderen großen Gemeinschaften nur Musterknaben? Schon auf der Schule würden die ^üngcrcn von den Aelteren gepiesackt, und jene machten es spärcr ebenso. Der Geist in der Armee sei ein vorzüglicher, davon könne man sich nach vielen Jahren in den Kriegervereincn überzeugen. Die Absicht der Sozialdemokraten gehe dahin, Unzufriedenheit in die Armee zu tragen und auf diese Weise zu agitiren. Es müsse dies endlich einmal gesagt und laut dagegen protestirt werden. (Beifall rechts.) Abg. Bebel widersprach letzterem Gedanken. Die Mili tärverwaltung habe es ja in der Hand, der Unzufriedenheit zu steuern; sie solle Mißstände einfach abschaffen. Die von dem Generalauditeur behauptete qualitative Abnahme der Mißhandlungen sei auch nicht weit her. Die Offiziere der Soldatenmißhandlungen zu zeihen, sei ihm gar nicht ringe- fallen. Er zweifele auch gar nicht daran, daß der General von Roon ein guter Vorgesetzter gewesen sei, aber er habe doch hier die Mißstände zur Sprache bringen müssen, über welche er Kenntniß erlangt habe. Nachdem Abg. v. Kardorff nochmals unter Hinweis auf den Erlaß des Kaisers, der eine werthvolle Bürgschaft der Gerechtigkeit enthalte, die Fruchtlosigkeit der ganzen De-
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