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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990523022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899052302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899052302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-23
- Monat1899-05
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Bezusis-PrekS K der Hauptexpedition oder den tm Gknbt- krzirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^»4.50, kei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus ./t ö.ü0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirccte tägliche Kreuzbandt«ndu.".a ins Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-Ausgabe erscheint u« '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um b Uhr. Le-aciiouLr-eöitu«: -ohaunt-sssse S. Di« Expedition ist Wochentags uuuutert» röche« geöffnet »ou früh 8 bis Abend« 7 Uhff. Filiale«: ktt, Meww'e Tatim. tAlsratz -atz»), Universitätsstraße 3 (Paulinum/. LsaiS LSsche, Katharinenstr- 14, pari, und KsptgSplatz 7, M. - Abeud-Ausgabe WIger TkgMM Dierrstag den 23. Mai 1899. Anzeiger. Amtsölatt des königlichen Land- und Ättttsgerichles Leipzig, des Ruthes und Nolizei-Nmtes der Stadt Leipzig. AnzeigeuPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pf-. Necla«»» unter dem Redacüonsstrich (4 ge spalten) bO/>L, vor den Familien Nachrichten («gespalten) 40^. Größere Schrift«» laut uuserem Preis- verzejchniß. Tabellarischer und Merysa» nach höherem Lartf. ffrtr»-Beilage» (gesalzt), n,r mtt her Worgen-AnSgade, ahne Postbesörderuug SO.—, «tt Postbeförderuu, 70.—. L««th»rscht»ß fiir A«M-e«r Ab«»H.Au-sass«: Vormittag» U) Uhr. Morgea-Agsgabe: Nachmittag» »Phi. »ei den Filiale» und Aruuchm-stestm je »ine halb» Stu«d« fxStz-ss. Anzeige» sind stet» »n die GsstzeVtton zu richte». Druck und Verlag von E. Pol» i» tzrtpztch 93. Jahrgang, Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Mai. „Und als der Tag der Pfingsten erfüllet war, waren sie alle einmüthig bei einander." Dies Wort aus der Apostel geschichte gilt auch von de» Vertretern der Mächte, die im Haag zur Friedenskonferenz sich versammelt haben. Wie lange aber die Diplomaten der civilistrten Welt einmüthig bei einander sein werden — das ist jetzt die Frage. So unsicher die Antwort hierauf auch lauten muß, so unzweifelhaft ist e», wie immer wieder betont werden muß, daß daS deutsche Volk in dem Wunsche, die Conferenz möge Erfolge haben, die den russischen Herrscher befriedige», sich eiuö weiß mit seinem Kaiser. Es giebt kaum eine ungerechtfertigtere Behauptung als die, di« skeptischen Auslassungen der deutschen Presse bewiesen den Mangel an redlichem Willen Deutschlands, auf eine» güastigr» Erfolg hinwirken zu helfen. ES sind immer die heißest«» Wünsche, an deren Erfüllung mau zu zweifeln sich gezwungen sieht. Und daö eifrigste und erfolgreichste Hiyarbeiten auf eine solche Erfüllung darf man immer von Denen erwarten, die sich am klarsten über die entgegenstehenden Schwierigkeiten und Hindernisse zu werden suchen. Wenn die im Haag ver sammelten Diplomaten mit der gleichen grundlosen Zuversicht und der gleichen Unterschätzung der zu überwindenden Hinder nisse an ihr Werk gingen, die in den meisten Versamm lungen männlicher und weiblicher „Friedensfreunde" zu Tage treten, so würde man schon beute sagen dürfen, daß tue Eongreßarbeiten nicht «inen Schuß Pulver, geschweige denn die darauf verwendeten Mühen und Kosten Werth wären. Gerade aber die Skepsis, die auS dem ganzen Programm und aus der Fülle der in Betracht gezogenen Fragen herausspricht, steigert die Hoffnung, daß au» den Be- rathungen mehr und Besseres hervorgehen werde, als aus Tausenden und Abertausenden von Resolutionen sanguinischer „Friedensfreunde". Ungleich weniger sicher, als die redliche Friedensabsicht Deutschlands ist die jener Macht, die am eifrigsten dem Frieden dienen müßte, wenn ihr Wesen von Grund auS ander- wäre, al» e» ist: der römischen Curie. Ihr Vertreter in den Niederlanden ist bekanntlich unmittelbar vor der Eröffnung der Conferenz nach dem lieblichen Luxemburg abgereist, weil ihm die Thür deS Huis ten Bosch verschlossen bleibt, aller heißen, bis in die zwölfte Stunde hinein fortgesetzten Bemühungen zum Trotz. Daß aber die Curie von der Theilnahme an der Conferenz mit Recht ausgeschlossen wurde, das macht — von allen sonstigen Gründen abgesehen — di« IubiläumSbulle Papst Leo's XIII. einleuchtend. Wer den Katholiken der Erde befiehlt, Gott „aus ganzem Herzen" um „Ausrottung der Ketzer" anzuflehen, der hat auf einer Friedensconferenz nichts zu suchen; denn er schleudert die Brandfackel confessio- neller Zwietracht in die Welt. Auf die Tagesordnung der ersten Sitzung des Reichst»»» nach den Pfingslferien hat der Präsident zuerst dir ersten Lesungen der Nachtragsetats, der NeichSschulbeuordnung und des Gesetzentwurfs wegen Verwendung von Mitteln des ReichSinvalivenfonds und dann erst die Fortsetzung der zweiten Berathung deS InvalidenversicherungSgesetzes ge setzt. Daraus geht hervor, daß der Präsident am 6. Juni auf ein beschlußfähiges Hau» rechnet. Nachdem man aber vor dem Feste gesehen hat, wie mächtig die Sehnsucht der Mehrheit des Reichstags nach der Heimath war, obgleich die Herren wußten, daß die Geneigtheit d«r Regie rung, in eine spätere Vertagung zu willigen, auf die Voraus setzung der Erledigung der zweiten Lesung deS Iuvaliden- versicherungSgrsetze- vor Pfingsten sich gründete, so wird man den Eifer dieser selben Mehrheit, diese selbe zweite Lesung zu fördern, so hoch wie Graf Bellestrem nicht schätzen können. Die Wahrscheinlichkeit spricht vielmehr dafür, daß am 6. Juni der Sitzungssaal de» ReichstagS ebenso viele Lücken aufzuweisen haben wird, wie am letzten Donnerstag. Aber auch wenn wider Erwarten das Haus am 6. Juni beschlußfähig sein sollte, würde dir Regierung au- der unangenehmen Lage, in die sie durch die Abbrechung der zweiten Berathung der Vorlage versetzt worden ist, nicht herauskommen. Wäre diese Berathung zu Ende geführt worden, so hätte die Regierung während der Pfingstferien Stellung zu den gefaßten Be schlüssen nehmen können. Später muß die- in überhastender Weise geschehen. Kaum je ist ein Gesetz von so weittragenden Folgen wie die Invalidenversicherung in seinen Grundlagen und Zielen durch die langwierigen CommissionSarbeiten (32 Sitzungen) und die Berathungen im Plenum (l t Sitzungen) derartig verschoben worden, wie diese Regierungsvorlage. Ma» erkennt die Absicht deS Gesetzgeber» aus der Gestalt, die der Entwurf allmählich durch die Berathungen und Ab stimmungen erhalten hat, kaum wieder. Und dabei vollzog sich eine große Anzahl wichtiger Abstimmungen mit so zweifel basten und zufälligen Mehrheiten, daß sich die Minder heiten bei den Ergebnissen schwerlich beruhigen und höchst wahrscheinlich bei der dritten Lesung die früheren Anträge wiederholen oder es auf die scharfe Probe nament licher Abstimmungen ankommen lasse» wird. Länger al» bis Ende Juni ist aber der Reichstag auf keine» Fall zusammen zuhalten. Bis dahin sollen also die wiederholt aufgezählten Hauptgesetze dieser Tagung und überdies die Nachtragsetats und die Vorlage wegen Verwendung des IuvalidenfondS be endet sein. Wie da- möglich sein wird, bleibt vorläufig «in Räthsel, daS erst die beiden mittleren Juniwochen lösen können. Die Vertagung ist aber ein verhängnißvolles AuskunftSmittel, da», abgesehen von manchen anderen Un zuträglichkeiten, am meiste» dir Männer der Regierung be lastet. Für sie dehnen sich die parlamentarischen Arbeiten iuS Unendliche auS; nutzlos müssen sie, wenn sie nicht Bor würfe ernte» wollen, ihre Zeit uud Kraft durch Theil- nahme au laugen Debatte» vergeuden, anstatt beides für nützlichere Zwecke in ihrem Verwaltungsgebiete verwenden zu könne». Und wo bleiben Muße und Zeit zu durchgereifte» Vorbereitungen für die Gesetzentwürfe der neuen Session? Etwas besser würde sich die parlamentarische Lage wohl gestaltet haben, wenn die Entschließungen der Regierung mit den Beschlüssen des Reichstags über da- In- validenversicherungSgesrtz gleichen Schritt gehalten hätten; aber das ist nun einmal nicht geschehe», und so wird sich die Regierung einen Theil der Schuld an ihrer eigene» fatalen Lage selbst beimessen müssen. Die Pariser Briefträger, welche mit ihrem eintägigen Streik die ganze Seinemetropole in Verwirrung brachten und der Geschäftswelt einen auf mehrere Millionen berechneten Schaden verursachten, sind Staatsbeamte. Das französische Ge setz versagt den Staatsbeamten da» CoalttionSrecht und verfolgt strafrechtlich als eine Auflehnung gegen die staatliche Gewalt jedes Einvernehmen, das bezweckt, ihrem Dienste, wozu sie bestellt sind, nicht nachzukommen oder ihm Hindernisse in den Weg zu stellen. Die Briefträger sind meistens altgediente Soldaten und als solche in den Postdienst in der Voraussetzung übernommen, daß in ihnen das Gefühl der Disciplin besonders lebendig und wach ist. «Trotzdem haben sie plötzlich mit einem Schlage zu mehreren Tausenden ihren Dienst eingestellt, einfach, weil der Senat ihnen eine Gehaltserhöhung verweigerte, die die Kammer als recht und billig anerkannt hatte. Die Sache war damit nicht ab geschlossen, sondern es stand ihnen frei, auf gesetzlichem Wege dahin zu wirken, daß Kammer, Senat und Regierung sich schließ lich dennoch über die Erfüllung ihrer Wünsche verständigten. Es genügten aber die Uebrrrkdungskünste einer Hand voll Kame raden, um sie zu der That zu bringen, plötzlich stehenden Fußes ihren Dienst für ganz Paris einzustellen und zu versuchen, ihrer Behörde, der Regierung und der Volksvertretung ihre Forde rungen mit ungesetzlichen Mitteln abzutrotzen. Die Festigkeit der Kammer und die Einmüthigteit der öffentlichen Meinung haben zwar diesen Versuch schnell zum Scheitern gebracht, und die Aufhetzer werden entlassen werden, dennoch bleibt er als Bei spiel eines Mangels an Disciplin und einer Neigung zur Auf lehnung bestehen, welche bei einer Beamtenclasse, die in dem Dienste des öffentlichen Verkehrs steht, doppelt bedenklich ist. Es ist das erste Mal, daß ein derartiger Versuch eines regulären Ausstandes unmittelbarer Staatsbeamten auftritt, und insofern bedeutet er auch ein geschichtliches Ereigniß. Uebrigens ist, wie die „Köln. Ztg." bemerkt, die Besoldung der Pariser Brief träger nicht so schlecht, wie man in Anbetracht des Gewalt mittels, durch das sie eine Erhöhung durchzusetzen suchten, an nehmen sollte. Sie beginnt mit 1000 Frcs., wozu sich 160 Jrcs. jährlich als Zulage für den Unterhalt, 50 Frcs. für das Schuh werk und zwei vollständige Uniformen gesellen. Die Auf besserung erfolgt von drei zu drei Jahren mit je 100 Frcs. Bei 1500 Frcs. jährlich tritt Stillstand ein; aber die älteren Brief träger werden dann in die Stadtviertel versetzt, wo die Neujahrs gelder am reichlichsten fließen; diese „Etrennes" werden für den Einzelnen auf durchschnittlich 1000 Frcs. berechnet. Die meisten Briefträger sind civilversorgungsberechtigte Militärpersonen, die wegen ihrer erprobten Rechtschaffenheit überdies leicht An stellung als Portiers finden. Ihre Frauen versehen dabei den Dienst in dem Hause, ersparen die Wohnungsmiethe und ver dienen noch einige Hundert Franken. In dieser Lage sollen sich drei Viertel oder wenigstens die Hälfte der 3000 Pariser Brief träger befinden. Die Führer der Ausständischen stellten die Forderung, daß die feste Besoldung von Anfang an auf 1200 Frcs. und die Aufbesserung von drei zu drei Jahren auf 200 Frcs. angesetzt werde, daß das höchste Gehalt also 2200 Frcs. statt 1500 Frcs. betrüge. Manche andere Staatsdienrr, die auf einer höheren hierarchischen Stufe stehen, nicht in Portierstuben wohnen können und ihre guten Tuchkleider selbst kaufen müssen, dürften die Briefträger der reichen Stadtviertel um ihr Ein kommen beneiden. Der Zudrang zu diesen Aemtern ist denn auch so groß, daß nur 5 Proc. der Anmeldungen berücksichtigt werden können. Die Conferenz, betreffend die Abschaffung »er Verbannung nach Sibirien, welche vom Zaren auf den 19. einberufen war und unter seinem Vorsitze abgehalten wurde, fiel nahezu mit der Eröffnung der Haager Abrüstungskonferenz zusammen, und sie ist von manchen Seiten ebenfalls als ein Triumph der Civili- sation und der Humanität gefeiert worden. In mehrfacher Hin sicht könnte eine solch« Neuerung auch in diesem Sinne aufgefaßt werden. An sich war die Verbannung nach Sibirien und die Verurteilung zur Zwang-arbeit in den dortigen Bergwerken für schwere Verbrecher, wie Mörder und dergleichen, eine nicht un angemessene Strafe, nachdem für solche Verbrechen in Rußland die Todesstrafe abgeschafft war. Aber ganz menschenunwürdig war di« Art deS Transporte- der Gefesselten zu Fuß. Wochen lang marschirten sie durch weglose Gegenden, um in «lenden Stationshäusern, die meist viel zu wenig Raum boten und von Schmutz starrten, Nächte, Tage oder auch Wochen und noch länger untergebracht zu werden, bis sie endlich ans Ziel ihrer Reise ge langten, wo denn Manche noch an einen Schiebkarren geschmiedet wurden, der Tag und Nacht ihr unzertrennlicher Begleiter blieb. Krankheiten und tiefste Unsittlichkeit wurden durch diese Art des Transportes gefördert; die Stationsspitäler waren schlecht und ganz ungenügend ausgestattet. Aber es kam noch dazu die Ver bannung auch politischer Verbrecher, anständiger Menschen au! der gebildeten Gesellschaft, und di« administrative Verschickung durch die Polizei oder die Dorfgemeinden, welche allen möglichen Mißbräuchen Thür und Thor öffnete. Nach überstandener Strafe wurden die Verbrecher in Sibirien selbst angrsiedelt, und dasselbe geschah mit den administrativ Verschickten. Solche An gesiedelten konnten, allerdings unter Polizeiaufsicht, ihrem Er werb nachgehen; in manchen Städten bestand in Gasthäusern da ganze Personal aus solchen Angcsiedelten. Dieses Bild ergiebt sich noch aus Kennan's Schilderungen. Seitdem soll sich Manches gebessert haben, besonders seit, wenigstens für einen Theil des Weges, die Eisenbahn dem Transport zu Fuß ein Ende gemacht hat. In neuerer Zeit ist nun aber im Gefolge des Eisenbahn baues die systematische Colonisirung der benachbarten Gebiete in Angriff genommen worden, und da tritt jetzt noch mehr als früher die schädliche Wirkung der bisherigen Besiedelung des Landes hauptsächlich mit Verbrechern hervor. Unter ihnen sich niederzulassen, will manchem sonst zur Uebersiedelung nach Sibirien geneigten Russen nicht gefallen. Dieser Umstand haupt sächlich ist es, welcher den Zaren veranlaßt hat, die Berathung der Frage, ob und wie die Deportation durch andere Strafen ersetzt werden könne, einer Commission aufzugeben. Es wird auf diese „anderen Strafen" ankommen, ob die Neuerung als ein Fortschritt auf dem Wege der Civilisation zu beurtheilen sein wird. Daß der gegenwärtige Zar auch diesen Zweck mit ihr ver bunden sehen möchte, darf man annehmen. Jedenfalls werden mit dem Aufhören der Deportation viele von dieser kaum trenn bare Uebelstände von selbst wegfallen. Die in nächster Zeit bevorstehende Fertigstellung zweier - großer Schlachtschiffe, der „Kearsage" und der „Kentucky", lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rapidität, mit welcher die KrirgS- flotte Vcr Vereinigten Ltanteu im Wachsen begriffen ist. Ist es doch eine nicht allgemein bekannte Thatsache, daß gegenwärtig nicht weniger als 46 Kriegsschiffe für die Vereinigten Staaten im Bau sind, deren Fertigstellung, nur für Schiffskörper und Maschinerie, laut den betreffenden Con- tracten einen Kostenaufwand von mehr als 30 Millionen Dollars verursacht. Einschließlich ihrer vollständigen Ausrüstung werden für diese Kriegsschiffe die Kosten sich zusammen auf etwa 50 Millionen Dollars stellen. Acht davon sind Schlachtschiffe von modernstem Typus (zu 5 bereits vorhanden) und größt möglicher Schnelligkeit bei stärkster Armatur, 16 sind Torpedo boot-Zerstörer von durchschnittlich 29 Knoten Fahrgeschwindig keit, 4 sind Monitors für Küstenvertheidigung und 18 sind Torpedoboote. Bei diesem enormen Flottenausbau ist die Ber- theilung der neuen Schiffsbauten besonders bemerkenswerth, als Beweis für die Aenderungen, die sich in der amerikanischen Schiffsbau-Industrie vollzogen haben, seitdem zur Gründung einer amerikanischen Kriegsflotte der Bau der ersten vier Schiffe einer einzigen Firma übertragen wurde. Die Herstellung der gegenwärtig im Bau befindlichen Kriegsschiffe vertheilt sich auf 14 Werften; zehn davon liegen an der atlantischen Küste zwischen FeurHetsn Äußer Diensten, sf Roman von Ernst Wichert. »i-chtruL vrrbct r. Sechstes Capitel. Doctor HanS Junge, wie er nun einmal heißen wollte, er innerte sich eines angenehmen Restaurants nicht weit vom Schloß „im Graben", also in der künstlichen Erdsenkung, die von den früheren Festungswerken übrig geblieben war. DaS Haus stand eigentlich oben am Rande, unmittelbar von der Wallstraße au» zu betreten, verfügte aber auf der Rückseite über einen, sein« ganze Länge einnehmenden, auf Holzstützen ruhenden, die Gra benböschung deckenden Balcon, von dem Holztreppen nach der mit schattigen Bäumen bestandenen Grabensohle hinabführten. Man pflegte auf dem Balcon zu essen und bet Hitze unten „im kühlen Grunde" den Kaffee einzunehmen. So richtete sich auch der Doctor ein. Da er unter den anderen Mittagsgästen keinen Be- kanntenhatteundwenigLust verspürte, mit gleichgilttgen Menschen über gleichgiltige Dinge zu reden, nur um den Mund in Be- wegung zu setzen, häufte er um sich alle Zeitungen, «deren er habhaft werden konnte, und hielt sogar in den älteren Nummern Nachlese. Besonders intereffirte ihn die städtische Presse, obgleich der po litische Theil bloße Scheerrnarbeit und gewöhnlich selbst der Leit artikel einer Correspondenz entnommen war; der locale Theil gab ihm rasch wieder ein« Art von Hrtmathsgefühl für Stadt und Land, und selbst die Inserate in dir hier üblichen Fassung und mit vielen, dem Gedächtniß noch nicht ganz entschwundenen Namen beschäftigten ihn eine ganze Weil«. Er wollte auch die heißen Stunden voritb«rgehen lassen, und wehrte sich daher durchaus nicht gegen den Schlaf, der ihn unten im Gärtchen überfiel, al» «r sich an den Stamm der alten Lind« gelehnt und die Beine über einen Stuhl vor sich gestreckt hatte. Es schlug vom nächsten Kirchthurm bereits Drei, al» er sich auf raffte, die Cigarre aufhob, die ihm au» der Hand gefallen war, und seine Zeche bezahlte. Nun ging er nach dem Bahnhofe zurück, verabredete mit dem Portier, daß er den kleinen Koffer bi» zur brieflichen oder münd lichen Abforderung aufbewahren soll», schnallte daS Ranzel auf den Rücken und machte sich auf den Weg landeinwärt». Er gelangte bald querfeldein zu der prächtigen Lindenallee, die vom Residenzschloffe nach einem herzoglichen Lusthause führte. Die Bäume waren über hundert Jahre alt und gaben köstlichen Schatten. Von der unvermeidlichen „Eremitage" aus hatte man den Forst ganz nahe, der sich dann eine Stunde weit hinzog. Auch weiter war die Wanderung durch das hügelige und wald reiche Ländchen sehr genußreich. Der Weg führte durch einige gutgehaltene Dörfer und eine kleine Stadt, die sich noch ihr Thor mit Zinnen und zwei mächtigen THUrmen bewahrt hatte, dann wieder an Fabriken und Gutshöfen vorüber. Es war be reit» sieben Uhr, als der Doctor aus einem Eichenwäldchen trat und auf einer geringen Erhöhung de» Erdbodens ein Viereck von Gebäuden vor sich hatte, das sich von ähnlichen Anlagen durch den zackigen Giebel des alten Herrenhauses und ein Glocken- thürmchen auf dem Stalle unterschied. „Marka", sprach er halb laut vor sich hin. Es war der Name de» Rittergutes, wie bald auch von einer Grenztafel abgelesen werden konnte. Besitzer war sein Schul-, ein paar Semester auch Univer sitätsfreund Rllttger von Blanden. Ihn wollte er, wenn er ihn zu Hause träfe, um ein Nachtquartier bitten; sich vorher bei ihm anzumelden, hatte er sich nicht entschließen können, um ganz freie Hand zu behalten. Er sah ihn schon unterwegs seitwärt» auf dem Felde, hoch zu Roß, «inen langen Menschen, mit blondem Schnurrbart, einer Jockeykappe auf dem kurzgeschorenen Haar, dunkelblauem, sehr eng schließendem Jacket, gelblichen Tricot» und hohen, ge spornten Stiefeln, die Uber den Bauch deS nicht kleinen Gaul» htnabhtngen. Er paffte eine Cigarre und zirkelte mit der Reit peitsche in der Luft herum, indem er einigen Arbeitern Anweisun gen gab, die neben einer »ingebrochenen Brücke von rohen Bohlen standen. Jungenheim blieb stehen, bi» jener auf ihn aufmerksam wurde, und schwenkte dann den Arm mit dem Stock durch die Luft, al» ob er ein Rapier im Handgelenk drehte. „Ho, ho — Rüttger!" Der Angerufrn« schob sich auf dem Sattel vor, um besser zu sehen, ritt langsam ein paar Schritte und gab dann plötzlich dem Pferd« di» Sporen, daß e» in wilden Sätzen über da» Feld raste. „Han», mein Junge, bist Du'» wirklich?" rief er ihm ent gegen, sprang ab und fiel ihm um den Hals. „Wo, zum Teufel, kommst Du denn her, und zu Fuß wie ein Handwerksbursch? Hättest doch eine Postkarte an mich wenden können. Würde Dich mit Vergnügen vierspännig von der Bahn abgeholt haben. Na, thut nichts. Du bist da und sollst mir nicht so bald wieder fort. Marka hat lange nicht einen lieben Gast gesehen." Er streifte den Zügel über den Arm, so daß er die Hand frei hatte, und zog den Gaul nach sich, während er neben dem Freunde herging und ihm von Zeit zu Zeit auf die Schulter klopfte. Der Doctor gab kurz über sich Auskunft. „Bist Du verheirathet?" fragte er. „Nein, noch nicht, die Mutter führt mir die Wirthschaft", lautete die Antwort. „Aber e» wird Zeit. Und Du?" „Bewahre — so ein Vogel auf dem Ast! Noch nicht einmal ernstlich verliebt gewesen." „Wer das glaubt!" „Als Vorstadium zur Verlobung, meine ich. Man kann sein blichen Freiheit gar nicht eifersüchtig genug hüten." „Ein Landwirth kann doch auf die Dauer gar nicht ohne Frau auskommen." „Da magst Du recht haben." „Um so mehr wundert eS mich... Du hast doch die Wahl unter den Töchtern des Landes." „Na — glaube das nicht. Ich gelte in den Kreisen, an die da zu denken ist, als enkant terribls wegen meiner politischen Gesinnung. Ich gehöre nämlich zur Opposition nach link» und thue auch sonst» waS ich will. E» ist also gefährlich, sich mit mir zu verschwägern." Sie gelangten in munterem Gespräche zum Gutshause. Herr von Blanden stellte den Freund seiner Mutter vor, einer würdigen Matrone mit etwas strengem Gesicht. „Ein freiherrlicher Feder fuchser", fügte er hinzu. „Wenn Dir Herr Junge besser gefällt, kannst Du ihn auch haben." „Ich halte mich einfach an den Herrn Doctor", sagte sie, „da- mit komme ich für alle Fälle auS." „Ich bin'» ganz zufrieden", antwortete dieser. „ES ist ge- wissermaßen die Flagg», die Schiff und Ladung deckt." Er mußte versprechen, wenigsten» noch den ganzen nächsten Tag über zu bleiben. DaS wurde ihm um so weniger schwer, als sich auch noch zwei unverheirathete Schwestern deS Gutsherrn rinfanden, stille und freundliche Mädchen, die der Mutter fleißig zur Hand gingen und so gut zuzuhören verstanden, wenn di« Männer sprachen. Am Abend wurde im Garten, der aber im Wesentlichen nur aus breiten Grandwegen zwischen schmalen, mit Obstbäumen besetzten Blumenstücken, Gemüsebeeten, ein«in Abschnitt für Turngeräthe nebst Kegelbahn und einem großen Bleichplatz bestand, munter gespielt. Di« im kleinen Garteosalon ausliegenden neuesten Nummern einiger Familienblätter be- wiesen, daß man sich auch mit der schönwissenschaftlichen Lite ratur beschäftigte. Rüttger, der behauptete, daß seine politischen Zeitungen auch auf diesem Gebiete alles Wissenswerthe brächten, behandelte diese „Bilderbücher" sehr verächtlich. Die beiden Männer waren viel miteinander allein. Der Guts herr hatte seine Freude, dem Gast seine» trefflichen Pferde- und Viehbestand, den Schafstall, die gefüllte Scheune, die landwirth- schaftlichen Maschinen aller Art zu zeigen, mit ihm auf den Feldern hcrumzureiten. „Man muß sich heutzutage sehr an strengen", sagte er, „aus dem Boden einen lohnenden Ueberschuß herauszubringen; die Concurrenz mit der ausländischen Zufuhr ist schwer und die Arbeitskraft theuer. Aber wenn man fleißig ist und nicht unsinnige Ausgaben macht, geht^s ja noch immer. Ich gehöre nicht zu den Heulmeiern und Klageweibern. DaS ist mit ein Grund, weshalb man mir aus dem Wege geht. Von meinen Leuten verlange ich, daß sie im Schweiße deS Angesichts ihr Brod essen; aber ich behandle sie als Menschen und halte sie deshalb fest; aber Herr bleibe ich doch immer." E» kam die Rede darauf, was Jungenheim für Aussichten in der Zukunft hab«. Er mrint«, einmal der Chefredacieur eines großen Blattes zu werden, könne schon für etwa» geltr», wenn es ihm bei seiner zerstreuenden Thätigkeit doch nicht gelingen sollte, in der Wissenschaft festen Fuß zu fassen. „Ach was!" rief Rüttger in seiner derben Weise, „Professor kann am Ende mit einem Halbwegs guten Kopf und kräftigem Sitzfleisch Jeder «er den. Uns fehlt's an tüchtigen und womöglich genialen Politikern nach englischem Schlagt. Durch die Journalistik in» Parlament, das ist der richtige Weg für den Freiherrn von Jungenheim. Du solltest Deinen ganzen Ehrgeiz darauf stellen, irgendwo eia Man dat für den Reichstag zu erhalten. Auf den Bänken der Oppo sition wird man Dich bald beachten, und weiter ist mir dann um Dich nicht bange." Jungenheim lacht«. „Köust' ich nur da» »öthig« Geld in meinen Beutel thua." „Sparen, sparen!" rieth Blanden; „m Deutschland ist mit ein paar Tausend Mark noch allerhand auszurichten. Und Du hast ja auch gute Freunde." „Zum Beispiel Dich." Llaudeu schlug mit der Hand auf den Tisch. „Einer so guten Sache zu Lieb« schreib« ich Wechsel. Marka wird's aushalten. Aber Dein Programm will ich vorher sehen." „Jcb möchte Dich doch nicht in Versuchung führen", ant wortete der Doctor in scherzende« Tone. „Ich könnt« ja auch ein» gute Partie machen." „Pfui, das laß bleiben, HanS!" rief Rüttger. „Die findet sich nachher ganz von selbst."
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