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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189905287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990528
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990528
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-28
- Monat1899-05
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1899
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riWM TaMalt Anzeiger Druck und Verlag vou E. Polz irr Leipzig. 93. Jahrgang. 286. Sonntag den 28. Mai 1899< loilvo Iiattvi» ^twas zu kurz scheint beim Ameisenigel der Gesichts- I Garten wie die Hündchen nach und liebten es ganz besonders, r gekommen zu sein, aber dafür haben wir es auch I auf dem Arm nach Art der Schooßhündchen getragen zu werden. ^eirilletsn Nachdruck »erboten. «.v. »0. 8. 8. Di« Morgeu-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr» dir Abend-Ausgabe Wochentag- um b Uhr ,-v. «.o. »o. «.0. ».v. k-N r s. - 6. - 8 ' U.1b0S, sinn gekommen zu sein, mit einem nächtlichen Bodenthier zu thun. Der Aug apfel ist verhältnißmäßig klein, mit einem Durchmesser von nur 12 Millimeter. Die Lider umschließen zu sammen einen kreisrunden Augenspalt und sind sehr stark zu sammenziehbar und sehr erweiterungsfähig. Trotz ihrer Klein heit machen die Aeugelchen doch einen klugen Eindruck und scheinen auch gar nicht so übel zu functioniren, wenigstens beobachtete ich, wie unser lebendes Leipziger Exemplar einige um seinen Kasten herumlaufende Hunde mißtrauisch und scharf fixirte. Eine Stimme hat man bis jetzt beim Ameisenigel noch nicht beobachtet, und eS wäre wunderbar, daß, wenn er eine hätte, Garnot, Bennett, Semon, Saville Kent u. A. m., die monatelang solche Thiere und oft in größerer An zahl um sich hatten, sie nie vernommen haben sollten. Ueber daS geistige Leben der Ameisenigel fällt Semon kein sehr günstiger Urtheil, er sagt, sie machten einen ziemlich dummen und stumpfsinnigen Eindruck und ihre große Furchtsamkeit ver hindere, daß sie eigentlich zahm würden, obwohl sie sich allmählich an ihre Pfleger gewöhnen. Aber solche Urtheile sind mit Vorsicht aufzunehmen, sie find einseitig, und man darf vor allen Dingen nicht vergessen, daß daS Derhältniß zwischen einem Menschen und einem Thier eben zwischen zweierlei Betheiligten stattfindet, und daß er bei seiner Gestaltung nicht bloi auf da» Thier, sondern auch auf die In dividualität der Menschen, der mit ihm umgeht und e« behandelt, ankommt. Derselbe Hund, der bei dem ersten Besitzer eine nicht»- nuhige Bestie war, kann bei einem zweiten zu einem prächtigen, intelligenten, anhänglichen Freunde werden. Weshalb sollte da» nicht auch bei den Ameisenigeln der Fall sein können? Ganz anders als Semon äußert sich Saville Kent über unsere Thiere, und nach ihm vergalten sie die an sie ge wendete Sorge und Pflege sehr. In den ersten Tagen waren sie sehr scheu und rollten sich bei dem geringsten verdächtigen Ton und bei jeder Bewegung ihrer Besitzers sofort zusammen, versuchten auch nach Kräften, sich der Gefangenschaft durch Graben zu entziehen. Schmeicheleien, für die sie sehr empfäng lich waren, machten sie aber bald zutraulich. Nach kurzer Ge fangenschaft schon liefen sie ihrem Herrn durch Hau», Hof und 8 Nedactlon und Expedition: Johau«i»»afie 8. DK Expedition ist Wochentag» nnuntrrbrochen gevffuet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Frankreich nach -em Vreyfus-Processe. B Am 30. Mai soll nunmehr die Schlußverhandlung dem DreyfuS - Processe beginnen. Ueber die Entscheidung Annahmrschluß für Anzeigen? Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr- Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. 6. s. ) 6. i 6. ) 6. Ameisenigel (Schloß.) Da» Gehirn der Ameisenigel ist für solche doch recht niedrig auf der Stufenleiter der Säugethiere stehende Geschöpfe hochent wickelt, e» ist groß und seine Oberfläche mit einer reichen Ent faltung von Furchen und Windungen versehen. Seiner relativen Größe und seinem Baue nach steht es höher als daS Gehirn der Beutelthiere. Auch die Sinnesorgane lassen theilweise auf ein feines Wahrnehmungsvermögen unserer Thiere in verschiedener Richtung schließen. Die weichhäutige Schnauze ist reich an Nervenendigungen und gewiß der Sitz eines vorzüglichen Tast vermögens. An ihrem Ende liegen oben die schlitzförmigen Nasenöffnungen, die in die durch einen horizontalen Zwischen boden in zwei Räume getheilten Nasenhöhlen führen. Der untere Raum enthält den Gang, der zu den Hinteren Nasenlöchern oder Ehoanrn, weiter zur Oeffirung de» Kehlkopfe» in die Luftröhre und schließlich in die Lungen führt, im oberen befindet sich daS sehr hoch, weit höher al» beim verwandten Schnabelthier, ent faltete Geruchsorgan. Auch der Riechnerv ist sehr groß und bildet zahlreiche Aeste. Da» Geruchsvermögen dürfte daher auf einer hohen Stufe der Entwickelung stehen, und dafür spricht auch die Thatsache, daß unser lebender Ameisenigel, wenn er nicht schläft, fortwährend Alles mit seiner Schnauze betastet und durch schnüffelt. Nach dem Bau des Gehörorgans zu schließen, dürfte auch da» Hörvermögen vortrefflich sein. Sein Eingang, das Ohrloch, ist ein langer Schlitz von Gestalt einer vorn offenen Halbmond», der hinten von einer niedrigen knorpeligen Muschel begrenzt wird. Dieser Schlitz ist (bei einem 43 ein langen Ameisenigel) 2,6 am weit und geräumig genug, die Spitze eine» Mann»fingers aufzu nehmen. Daß die Schnecke eine einfache, etwa» gekrümmte, nicht aufgerollte, kegelförmige Röhre ist, thut dem Hörvermögen al» solchem keinen Abbruch, denn ebenso verhält sich die Sache bei den Vögeln, und wie gut diese hören und wie fein sie Töne ver schiedener Höhe zu unterscheidrn wissen, lehrt un» jeder Singvogel. Extra-vetlaaen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ließ man sie im Garten laufen, so suchten sie sich das sonnigste Plätzchen auf, um hier in den wärmenden Strahlen lang ausge streckt behaglich zu faulenzen. Im Hause zeigten sie eine hervor ragende, inquisitorische Begabung, sie krochen in alle Winkel und bekletterten und untersuchten alle Möbel, auf die sie nur ge langen konnten. Der schon erwähnte Garnot, der al» Schiffsarzt und Naturforscher die berühmte Reise der französischen Fregatte „Toquille" mitmachte, theilte drei Monate seine Kajüte mit einem lebenden Ameisenigel, der schließlich verhungerte, weil man ihm geeignete Nahrung nicht zu geben wußte. Sobald sichGarnot an seinem Schreibtische niederließ, erschien das Thier, um seine Stiefeln zu schnuppern und sich an seinen Füßen zu reiben, was sein höchste» Vergnügen war. In einem Punkte spricht sich auch Semon anerkennend über den Charakter der Ameisenigel au», nämlich über die außerordent liche Regsamkeit und erstaunliche Willenskraft, di« die Gefangenen in der Nacht entwickelten. Aus offenen Kisten kletterten sie leicht heraus, lose aufliegende Deckel hoben sie mit Leichtigkeit, und nicht festgefugte verstanden sie meisterlich zu sprengen, indem sie mit ihren Krallen, von den klaffenden Spalten zwischen den Brettern ausgehend, ihre Befreiungsversuche begannen. Dem Freiheitrtrieb dieser Thiere, der ihm unangenehm war und auf den er daher mehr als auf andere Eigenschaften derselben seine Aufmerksamkeit richtete, zollt Semon alle Anerkennung und er berichtet über ein merkwürdiger Beispiel desselben: „Ein gefangener Ameisenigel, erzählt mein Gewährsmann, wurde aus seinem Scrub 6 Irin weit bi» zu meinem Lager in einem Sack getragen. Ueber Nacht gelang ei ihm, sich zu be freien. Einer meiner Schloarzen ging seinen Spuren nach, die in gerader Richtung zu dem fast eine Meile entfernten Punkte zurllckführten, an dem das Thier gefangen worden war. In der Nähe der alten Fangstelle fand es sich denn ruhig schlummernd in einer selbstgegrabenen Höhle. Erwägt man, daß daS Thier in einem Sacke in mein Lager getragen worden war, und daß eS in gerader Richtung zu seinem alten Aufenthalt zurückging, so liegt e» am nächsten, an den Geruchfinn zu denken, von dem e» sich zurückleiten ließ." Die relativ hohe Entwickelung des Gehirns und der Sinnes organe, die Angaben Saville Kent's und schließlich Semon's eigenen lassen denn doch die Ameisenigel nicht so durchaus „dumm" und „stumpfsinnig" erscheinen. Nach meinen eigenen Beobachtungen, so gering sie auch sind, habe ich sie als sehr gutmiithig und aufmerksam beobachtend kennen gelernt. Auch darf man nie vergessen, daß man es mit einem nächtlichen Thiere zu thun hat, dessen wahren geistigen Eigenschaften doch nur in der Nacht zur rechten Geltung kommen können. Ich stelle sie über die meisten Beutelthiere im Allgemeinen und über die wirklich stumpfsinnigen und dabei doch bösartigen, intraitablen Opossums im Besonderen. Es bliebe uns jetzt noch der interessanteste Punkt in der Naturgeschichte der Ameisenigel zu erörtern übrig, ihre Ver mehrung und ihre Brutpflege. Eingangs wurde schon gesagt, daß ihre Weibchen Eier legen, gleichwohl aber Milchdrüsen und einen Beutel haben und ihre Jungen auch in der ersten Zeit mit Milch nähren. Die männlichen Kloakthiere unterscheiden sich durch den nicht unbedeutend größeren Körper von den Weibchen, sowie dadurch, daß sie an der Innenseite der Ferse der Hinterfüße einen krummen Sporen haben, durch den ein sich nach außen öffnender Canal, die Fortsetzung des Ausführungsganges einer am Schenkel ge legenen Drüse, durchtritt. Die Bedeutung dieser Vorrichtung ist noch nicht bekannt, wahrscheinlich wird sie aber im Geschlechts leben der Thiere zu suchen sein. Sie als eine Waffe auffassen zu wollen, hat sein Bedenklicher. Daß die Thiere mit ihren Sporen unter Umständen Verwundungen beibringen, und daß diese bei der Gestalt der SporenS, der doch wohl auch meist schmutzig sein wird, einen gefährlichen Charakter annehmen können, ist unbedingt zuzugeben, deswegen braucht aber der ab geschiedene Stoff der Drüse noch nicht giftig zu sein. Einen Fall, in dem aber rin männliches Schnabelthier, kein Ameisenigel der Urheber war, erzählt Saville Kent. Er sah am Muronyfluß bei Echuca einen Knaben, der ein solches in einem Fischnetz gefangenes Thier ungefaßt und in die Höhe gehoben hatte. Das Schnabelthier hatte, wie natürlich, gestrampelt, bei der Gelegenheit die Hand des Knaben zwischen die Hinterbeine bekommen und nun jedenfalls versucht, sich festzuhalten. Dabei war die Handfläche zwischen die beiden Sporen wie zwischen die Svitzen eine» Tastcirkel» gerathen, dies« hatten sich mtt solcher t.v. i.o. l. o. l.0. l.0, Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4gv- spalten) üO^L, vor den Familirnnachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis' verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Filiale«: Dtts >le«m» Porti«. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße S (Paulinum), Laut» Lösche, Kathariuenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. »o. l.0. l.v. t.0. »v. l.0. l.0. »0. w.OpLS l.0. l.0. l.0. 6 6. 6. d» 6. 8. 6. 6. 6. 8 8. 6. U. 6. b» 6. 8. 6. lw0,4Ü8 > 6. 8. 6. 6. . 8. > 8. > 6. Nl-L > ö. - 6. Amisklatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Polizei-Amtes der Ltudt Leipzig. dritte Clafse heruntergedrückter Wähler in den vorigen Stand handle. Würde man, so wird auSgeführt, bei der Abgrenzung der zweiten und der ersten Classe so verfahren wie bei der der dritten und der zweiten, so kämen erheblich mehr Wähler in die erste Classe, als dieser bis zum Jahre l89l angehört haben. In Wahrheit würde, wie au» den Be rechnungen und Begründungen selbst hervorgcht, die Ver mehrung mehr als Bruchlheile eines Procentö weder bei den größeren noch bei den kleineren Städten, noch auch bei den Landgemeinden auSmachen. Aber eS soll eben nicht sein. Die Sicherung der Canalvorlage durch die zu diesem Zwecke aber gar nicht nökhig gewesene Entlohnung des Centrum» hat wenigstens daS Gute, daß die Forderung nach Bedrohung eventuell Maßregelung der der Volksvertretung angehörigen, gegen den Canalbau opponirenden Beamten in den Hintergrund tritt. Die schlimme Folge davon, daß sie in liberalen Preßorganen überhaupt anflaucken konnte, wird deshalb bei gelegener Zeit doch nicht auf sich warten lassen. Liberale Blätter sind in diesem Falle wie vormundschafts- bedürftige Verschwender mit dem konstitutionellen Pfunde ver fahren und haben den augenblicklich gerade nicht stark be merkbaren, darum aber nicht rastenden Drängern nach einem vollständigen Autokratenthum Waffen geliefert, die gut aufbewahrt werden. Da übrigens die Gesaminthcit der beiden konservativen Fraktionen für die Canalvorlage vielleicht auch jetzt noch nicht vollständig entbehrt werden kann, so ist man vor einer Wiederaufnahme der Beamten hetze nicht sicher, wenn nickt die besonnenen Freunde des Mittellandkanal» ihren Einfluß nach der Richtung einer besonnenen publicistiscken Vertretung des Projektes geltend machen. Sie würden dies nöthigen Falles unseres Erachtens dem deutschen Liberalismus, nicht nur dem preußischen, schuldig sein. Man denke nur au Baden, wo ein klerikales oder dock klerikalisirendeS Regiment im Bereiche einer nicht allzuweit entfernten Möglichkeit liegt. Welche Position hätte dann der UltramontaniSmuS, wenn er unter Berufung auf preußische liberale Politiker einen Feldzug gegen die liberalen und darum unter einer klerikalen Regierung oppositionellen Beamten in der zweiten Kammer eröffnen würde! Daß derCongreß imHaag sachliche Beweggründe für die Fernhaltung von Berichterstattern von seinen Verhand lungen geltend machen kann, ist hervorgehoben worden. Jedenfalls hat die ernsthafte Presse keinen Anlaß, sich über den Eingang dieses Materials zu beschweren. Ihr kann vielmehr der Ausschluß der Oeffentlichkeit nur willkommen sein, da er in einer großen Anzahl deutscher Zeitungen einen Umschwung zu Gunsten einer nüchternen Beurtheilung der Aussichten der Conferenz herbeigefübrt hat. Stolz kann sie allerdings nicht auf eine Collegenschaft sein, die mit einem Male oder nur weil ihr sensationeller oder vermeintlich sensationeller Stoff vorent- halten wird, nicht nur die bisher so hochgepriesenen diploma tischen Bemühungen um den „ewigen Frieden" sehr bagatell mäßig behandelt, sondern sich sogar über die noch gestern angebetete Halbgöttin Bertha vou Suttner lustig zu machen beginnt. Schön ist diese professionelle Auffassung öffentlicher Angelegenheiten nicht, aber im vorliegenden Falle ist sie nicht unerwünscht. Denn die Erweckung falscher Vorstellungen über daS im Haag Erreichbare kann nirgends von Nutzen sein. Daß vom Haag auS falsche, Deutschland verdächtigende Nachrichten in die Welt gehen, ist dem Ausschluß der Oeffent lichkeit der Conferenzvrrhandlungen absolut nicht zuzuschreiben. Diese- Treiben war lange vorher im Gange und würde durch die Anwesenheit eines TribünenpublicumS bei den Berathungen nicht hintangehaltrn worden sein. Man darf sich nur nicht zu viel daraus macken. Die von unS wiederholt erwähnten Vorschläge auf Regelung deS Reichstagswahlrechtes nach Altersstufen sind auf dem 5 6. s 6. s o. s 8 - «4 - s. - 6. - 6. - 6. k ». S 6. - O. iS 8. X) 6. .0 6. >0 U - 6. >0 6. >0 «. >0 6. 15 <4. >0 6. iS 6 >0 ». >0 S. rs 8. - 8. w 6. ro 8 - 6 - 8. Bezugs-Preis tz« Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oavrstellen abgeholt: vierteljährlich 4.L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau»^lb.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrtrstährlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbandlendung tu» Ausland: monatlich 7.50. Aus -er Woche. Während eS sich trotz einiger Ableugnungsversuche zu bestätigen scheint, daß der Reichstag vor Ab lauf deS Juni — vielleicht sogar ohne die Postgesetze erledigt zu haben — bis zum Herbst vertagt wird, hat die Pfingsiwoche dem preußischen Landtage neuen ArbeitSstoff gebracht. DaS neu emgebrackte Communalwahlgesetz wird, wie eS bereits heute den Anschein hat, keinen ernsten Schwierig keiten begegnen. Aber studirt, in einer Commission durch- beratheu und dort von Technikern der Regierung erläutert will es doch sein. Darüber darf aber nicht viel Zeit ver gehen, denn daS Centrum drängt. Schwierigkeiten in der Hauptsache werden sich deshalb kaum erheben, weil man an mancken Stellen, wo daS Gegentheil zu erwarten war, zu dem Gesetze dsns, optims sagt. Die» wenigstens in dem Theile der Presse, der sich in der Canalfrage so verrannt bat, daß er eine Compensation für das Centrum nicht bekämpfen darf. Wenn die sofortige Inangriffnahme des Baues des Mittellandkanals über Alle» geht, so muß sie auch über daS liberale Schul- und Bildungsintcresse geben. Auf dieser Seite Hilst man sich, indem man sagt, die Gemeindcwahlvorlage sei gar keine Compensation, ihre Annahme verstehe sich für die Liberalen wie für die Klerikalen ganz von selbst und unab hängig von anderen Fragen. Daß cs sich aber dennock um eine Gegenleistung für den Canal handelt, tritt schon äußer lich stark hervor. Wir haben vorgestern gesehen, daß die Centrumspresse ein Gemeindewahlgesetz als Bezahlung für die Wasserstraße ohne Scheu und Scham öffentlich verlangt hat, und heute sehen wir, daß daS vorgelegte Gesetz gerade dasjenige ist, was die klerikale Partei wollte. Die Centrumspresse be müht sich vergebens, ihre hohe Befriedigung zu verbergen. Daran» läßt sich erkennen, waS man aber schon vorher wußte, daß eS nämlich den Ultramontanen nicht so sehr um eine Ausgleichung der durch die große Steuerreform zu Be ginn des Jahrzehnts verursachten plutokratischen Verschiebung deS Wahlrechts, als vielmehr um einen Parteiprosit zu thun ist. Denn gerade der plutokratische Charakter bleibt bestehen, da die vorgestern geschilderte Abgrenzung nach dem Durch schnitt des Steuerbetrages des einzelnen Gemeindewählers nur zwischen der zweiten und dritten Classe Platz greift, die beiden oberen Classen aber im Wesentlichen auf die bisherige Weise, nach der Quote der Steuersumme, von ein ander geschieden werden sollen. DaS ungeheure Uebergewicht der Wähler erster Classe wird nicht angetastet. Auch künftig wird man in 75 Städten mit einer Steuerleistung von 1000 nicht in die erste Classe gelangen und in manchen davon noch nicht mit 12 000, ja mit 14 000 Nach wie vor bleibt die Wählerzahl der ersten Classe eine winzige: auch in Zukunft bleibt der Fall möglich, daß ein Einziger eia Drittel de» gesammten Wählergewichts in die Waagschale wirft. WaS aber die Vermehrung der Wähler in der zweiten Classe anlangt, so hat man die Vorlage ganz richtig dahin charaktcrisirt, daß sie den Mittelstand auf Kosten des Mittelstandes begünstigen wolle. DaS in jeder Beziehung werthvolle Element der bisherigen zweiten Wählerclafse wird einen außerordentlichen Verlust an Einfluß erleiden, da sich die Zahl dieser Wähler durch den Zuzug aus der dritten Classe von etwa 19 000 auf ungefähr 31 000 steigern dürfte. An diesem Punkte liegt die Annehmlichkeit für das Centrum. Die Begründung der Vorlage darf natürlich die so kraß ungleiche Behandlung der Reichen und der Wohlhabenden nicht verkennen. Aber sie begegnet den vorau-gesehenen Einwänden mit der Hervorhebung de- sehr mechani schen Standpunktes, daß e» sich bei dem Gesetze nickt eigentlich um eine Reform, sondern um eine Wieder einsetzung einer großen Anzahl seit der Steuerreform in die in kann kaum noch ein Zweifel herrschen, nackdem der General- procurator Manau gestern den Bericht des Referenten Ballot- Baupre erhalten hat, in dem eine Revision deS Proccfses mit Verweisung an ein neue- Kriegsgericht beantragt wird. Dem Vcrurtheilten wird jedenfalls Gerechtigkeit ge schehen. Vielleicht wird, wie eine starke Partei unter den Rächen des AppellbofeS will, der ganze Proceß einfach cassirt. Auf alle Fälle wird der Gefangene der TeufelSinsel zurück kehren, denn wenn auch nur der Antrag deS Referenten an genommen wird, so muß DreyfuS doch persönlich vor seinen neuen Richtern erscheinen. Für den Politiker aber tritt nunmebr die Frage, wie die französischen Zustände nach dem Abschlüsse dieser Affäre zu beurtheilen sind, beherrschend in den Vordergrund. Der DreyfuShandel hat, wie einer jener Scheinwerfer, die plötzlich auftauckend die dichte Finsterniß jäh erhellen, auf die inneren Zustände deS Landes ein grelles Licht ge worfen. Er hat die Welt mit der Thatsache bekannt gemacht, daß in Frankreich zwei mächtige Parteien mit einander verbündet eifrig am Werke sind, um sich die Macht zu erringen. Diese Parteien sind die Militärpartei und der KlerikaliSmuS. Daß der KlerikaliSmuS eifrig bei der Arbeit und auf der ganzen Linie im Vordringen ist, hatte man sckon in den Zeiten deS Ministeriums Meline annehmen müssen; man weiß jetzt, daß die Jugend der höheren Stände zum ganz überwiegenden Theile unter seinem Einflüsse aufwächst. WaS die Militärpartei angeht, so hat der Verlauf deS DreyfuShandelS gezeigt, welche außerordentliche Mackt sie sich bereits im Lande zu ver schaffen gewußt hat. ES wird in diesem klerikal-militaristischen Lager ein ganz bestimmtes Ideal ausgestellt, das deS „französischen Frankreich»", wie man eS auch au- den Schriften der sattsam bekannten Baronin de Märtel, genannt Gyp, ersehen kann; und die» französische Frankreich ist eifrig katholisch, antisemitisch, militärfreundlich, um nicht zu sagen: kriegs lustig, eS ist konservativ und knüpft gern an das „gute alte Delrgirtentag evangelischer Arbeiter in Altona zwar nicht an sich, aber unter dem Gesichtspunkte der Frage nach der Berech tigung zur DiScussion der Verbesserungsfähigkeit de» Stimm rechtes im Allgemeinen erörtert worden. Diese Berechtigung steht trotz Socialdemokraten und Nationalsocialeu außer Frage. WaS die jüngsten Vorsckläge anlangt, so ist ihnen auch in diesem Blatte der Vorzug eines nicht ver letzenden Systems zuerkannt worden. Und mit Recht; denn das Aelter- und Altwerden ist, insofern Freund Hein nicht sein Veto einlegt, unser Aller LooS. Fragt sich nur, ob nicht eben gerade deshalb die Bevorrechtung deS Aelter- und Alt- seins ebenfalls als eine Gleichmacherei, als eine Nicht berücksichtigung der Qualität anzusehen wäre. Man kann die scknöven Worte über daS Alter, deren sich der famose Vaccalaureus in der Tragödie zweitem Tbeil „erdreistet", sehr wohl für das nehmen, was sie sind, und braucht doch noch nicht die politische Ueberlegenheit der Aclteren, die sich sonst nicht von der Menge unterscheiden, zu überschätzen. ES ist auf Wilhelm I., Bismarck und Moltke hingrwiesen worden, aber in dem Großen Kurfürsten, in Friedrich II. und Napoleon I. sind jung als Staatsmänner und Feldherrn bewährte Persönlichkeiten aufgetreten. Diese wie Jene beweisen nichts, wo ein Allen zuaedachteS Recht in Frage kommt. Nur er scheint eS nicht sicher, daß in dem national so kalten und zaudernden Deutschland die Bevorrechtung deS höheren AlterS nicht eine solche der Philisterhaftigkeit wäre. 8. > 6. 8. > ». > ». » n s. » » r n. ; 6. > s i L r v. ; 6 »v. l <r. »o. Z8.«.2E-»r-v. )S «arv»«»r o. r LkUcir 8. 8. 8. 8. 8. 6. 6. ?ro««ot 8. Frankreich" an; es acceptirt rückhaltlos und bewußt den französischen Nationalcharakter und will auch seine Schwächen, die Unbesonnenheit, die Eitelkeit, die Launenhaftigkeit nicht missen. Es leuchtet ein, daß von dieser Auffassung bis zur Wiederherstellung der Monarchie nur noch ein kleiner Schritt ist. Und zwar dürften diese „französischen Franzen" für den Roy noch mehr Attachement besitzen, als für den Empereur. Andererseits haben die Bonapartes immer durch den militärischen Ruhm ihres Hauses, sowie dadurch, daß der Bruder deS Prätendenten russischer Oberst und bald wohl General ist, einen Pas voraus. Jndeß hat ja noch keiner der Thronbewerber sich als den Mann ge zeigt, der seiner großen Aufgabe gewachsen wäre. Da ader ist nach dem Verlaufe deö DreyfuShandelS kaum zweifelhaft, daß die große Masse der republikanischen Politiker als im schlechten Sinne opportunistisch zu bezeichnen ist und daß sie, der Energie wie der lebendigen Ideen bar, einem ernsthaften Angriffe auf die Republik kaum einen starken Widerstand entgegen zu setzen vermöchte. So etwa steht es um die leitenden Kreise. Wie verhält sich nun hierzu die große Masse des französischen Volkes? Schon Willebrand hat den merkwürdigen Gegensatz hervorgehoben, der zwischen dem Durchschnittsfranzosen und der traditionellen Politik seines Landes besteht. Gerade jetzt hat allem Anscheine nach dies nüchterne, sparsame, friedliche und durchaus praktisch verständige Frankreich, daS man Wohl im Wesentlichen al» ehrlich republikanisch ansehen kann, in Emil Loubet einen berufenen Vertreter auf den Präsidentenstuhl der französischen Republik entsandt, und unmöglich wäre eS nicht, daß dieser Mann auf das französische Staatsleben einen wohlthätigen Einfluß auSübte. Im Allgemeinen aber ist es dock höchst merkwürdig, in wie geringem Maße sich der Einfluß des eigentlichen KernS und der Masse der Bevölkerung auf das öffentliche Leben geltend macht. Es ist keine Frage, daß der französische Normalbürger streng an Gesetz und Recht hängt, und doch hat er jenen wilden Hexentanz der Rechtsbrüche und Gesetzesverletzungen, der in der Geschichte als die DrcyfuSaffäre fortleben wirk, mit gemacht oder geschehen lassen. Geschehen lassen ist aber Wohl das zutreffendere Wort. Während des Krieges 1870/71 hat Bismarck den franzö sischen Unterhändlern, speciell Jules Favre, wiederholt eS offen ausgesprochen, daß der Krieg hauptsächlich von den Journalisten gemacht worden sei. Die allgemeine Wahrheit, die in dieser Beobachtung liegt, trifft nock heute auf Frankreich zu. Noch beute besitzt dort die Presse im öffentlichen Leben eine Stellung verhängnißvoller Art. Sie hat die Berührung mit dem lebendigen Volke ver loren und zwischen das Volk und die Regierenden als rin eigener Körper sich eingeschoben. Dadurch ist denn auch die unmittelbare Beziehung zwischen den Regierenden und dem französischen Volke unterbrochen und die Presse hat der alleinigen Leitung des Volkes sich bemächtigt. So konnte eS in der Panama-Angelegenheit geschehen, daß sie die Diebe deckte und ihnen ihre Opfer zutrieb; so hat sie — in ihrem überwiegenden Theile — die Meinung der gesunken Elemente Frankreichs in der DreyfuS-Affaire nickt zu Worte kommen lassen. In dieser schroffen Thcilung des französischen Volkes in eine kleine Gruppe von Berufs politikern, die die Regierung führen, und in eine große, aber nicht zur Geltung kommende Masse der Bevölkerung, sowie in der Abhängigkeit dieser beiden Factoren von einer oft interessiere» und jedenfalls dem gesunden Volks leben fremden Presse liegt so reckt eigentlich jenes beun ruhigcnde und uncontrolirbare Moment der französischen Politik, das Fürst Bismarck mit Recht stets betont bat. lteu. LtUelr »Lik >8.v,lt.L22008 6. le-O- 8. I - > S. »v.
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