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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990601027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899060102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899060102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-01
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Aldreellt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Lodei't Greiner, Zweinaundorfer Straße 18, - Connewitz Frau Rlseder, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Robert Altuer, Buchhandlung, Delitzscher Straße 6, - GohliS Herr Robert Altner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße b, - Lindenau Herr Albert Hullner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr Raul Luek, Auuoneen-Rxpeäitlou, Eisenbabnstraße 3, Ranftfche Gaffe 6 Herr Rrlellr. Reeller, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. LuZelmaun, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr ^ul. Hekümleden, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr ü. vlttrlek, Cigarrenhandlung, Aorkstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr R. >V. Rletr, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, Plagwitz Herr 6. KrütLmauu, Zschochersche Straße 7^ Reudnitz Herr Rusmauu, Marschallstraße 1, - Herr 0. 8ebiuiät, Kohlgartenstraße 67, - Herr Lerud. >Veber, Mützengeschäft, Leipziger Straße II, Thonberg Herr L. üiintsob, Reitzenhainer Straße 58, Bolkmarsdorf Herr keorx Alemann, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Für ^««it kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanstalten des deutschen Reiches und Oesterreick-Ungarns zum Preise von 2 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man für 1 65 mit Bringerlohn 2 und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Harrvtexpedition: Johannisgaffe 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstraße 3 Kaiser Wilhelm I. und die Begründung des Reiches. Die amtliche „Karlsruher Zeitung" veröffentlicht jetzt die Rede, die der Großherzog Friedrich kürzlich in Pforzheim gehalten hat. Die Stelle, deren Wiedergabe durch den Telegraphen Befremden erregt hatte, lautet wörtlich: Die letzte Rede, die wir gehört haben» bewegte sich in dem Gedanken an das Jahr 1870. Der Herr Vorredner hat den Mann genannt, dem wir am meisten heute zu verdanken haben, Kaiser Wilhelm I. Meine Herren, e« ist nur zu wenig be kannt, wa« wir ihm Alle« verdanke». E« wird vielfach versucht, da» Verdienst dessen, was geworden ist, Anderen zu geben. Er war e» und nur er, der den Gedanken fest, zehalten und hochgehalten hat nach dem Siege de» Heere», den Gedanken an «in Deutsche» Reich und einen Deutschen Kaiser. Die» Vermächtnis Kaiser Wilhelm» l. ist r», auf da» ich heute Ihre Aufmerksamkeit richten möchte. . . ." 'Die irrthümliche Geschichtsauffassung, von der diese Worte zeugen, wird durch ein urkundliches ZeugnißKaiserWilhelm'sl. selb st widerlegt. Am 18. Dccember 1870 schrieb König Wilhelm seiner Gemahlin: „Ich kann Dir nicht sagen, in welcher morosen Emotion ich in diesen letzten Tagen war, theil» wegen der hohen Verantwortung, die ich nun zu übernehmen habe, thcils und vor Allem überden Schmerz, den preußischen Titel verdrängt zu sehenl In der Eonferenz gestern war ich zuletzt so moros, daß ich drauf und dran war, zurückzutreten und Fritz Alle» zu über- tragen! Erst nachdem ich ia inbrünstigem Gebet mich an Gott gewendet habe, hab, ich Fassung und Kraft gewonnen." AuS diesem Bekenntniß geht hervor, daß für Wilhelm I. dasjenige, was uns an dem großen Jahre als das Erfreulichste und Höchste erscheint, die Begründung deS Reiches, die schwersten innerlichen Nöthe und die schmerzlichste Entsagung bedeutete. Dafür die geschichtlich-psychologische Erklärung zu finden, hat Prof. Erich Marcks in seiner vortrefflichen Kaiser-Wilhelm- Biographie versucht. Wir geben aus der Darstellung des ge nannten Historikers das Wesentliche mit Aebergehung von Einzel heiten wieder. Marcks schreibt: „Nach dem Siege von Sedan sprach er (Wilhelm) zu seinen Offieicren — insbesondere auch bayerische waren dabei — von dem Bande, das dieses Blut um Nord und Süd geschlungen haben müsse; di« gutgesinnten unter den süddeutschen Unter händlern in Versailles ehrte er und über den bayerischen Wider stand urtheilte er weiterhin mit Bitterkeit. Natürlich, der Macht zuwachs und auch di« Einheit waren ihm erwünscht, ein deutsches Empfinden hatte er stets gehabt, aber stets auf dem Grunde seines preußischen Empfinden»; der Enthusiasmus de» 48er Frühlings hatte ja nicht lange in ihm angehalten und hatte diesem nur eben zurückgedrängten preußischen Empfinden bald wieder den Platz geräumt: eS je wieder zu beschränken, unterzu ordnen, sein Preußen in Deutschland aufgehen zulassen, war er jetzt nach den Erfahrungen dieser 22 Jahre und als ein Siebziger, ganz und gar nicht geneigt. Da aber war ihm der Kaisername das Anstößigste vonAlIem: preußischer König war er, das war ihm der ehr würdigste Titel in der Welt, ihn aufzugeben oder zurücktreten zu lassen, ein überaus harte» Opfer. Wenn er es aber bringen müßte, so weigerte er sich unbedingt, es den Ge danken der Paulskirche darzubringen. . . . Wie weit König Wilhelm in der deutschen Frage von sich auS gegangen wäre, weiß Niemand; in seinen Bedenken war ein großer Theil guten Rechtes; die bestehenden Kräfte in Deutschland wollte er berück sichtigen. Sein Sohn vertrat dieses Mal im Ganzen ihm gegen über sicherlich das Besser« und da» Nothwendige, aber mit gefähr lichen Uebertreibungen, die da» Bestehende und Hemmend« unter schätzten. In ihnen Beiden aber überwog, antreibend oder zu rückhaltend, im Sinne de« alten PreußenthumS hier, deS jungen deutschen Libcralismn» dort, da» Gefühl. Zwischen ihnen Beiden stand Bismarck, von der gefühlsmäßigen Einseitigkeit Beider frei, mit beiderlei Empfindungen vertraut, so gut deutsch wie gut preußisch, von der Nothwendigkeit der Einigung und des Kaiserthums völlig durchdrungen, vor Allem aber der Mann der ganzen Wirklichkeit und des staatsmännischen Handeln». . . . Der wahre Wegfinder und Wegbahner war oben er. Der Strom der Ideen, der die Zeit ringSnm erfüllte und der auch den Kron prinzen mitriß, ging auch durch 2i»marck'» Seele; in ihr traf er mit dm politischen Bedürfnissen und Möglichkeiten de« Augen blicks zusammen; erst hier entstand wieder die schöpferische That., Sie führte Über den Standpunkt Wilhelm'S hinaus und machte I lange vor dem des Prinzen Halt. Sie rechnete mit den Kräften I der Königreiche und verschmäht« jeden unmittelbaren Zwang; sie schuf ein ungleichmäßiges Gebilde, das den wirklichen Verhält nissen entsprach, auch wo eS hinter den Wünschen des Bildner» nothgedrungen zurückblieb; sie suchte, wie schon 1867, nun auch im weiteren Reiche Altes und Neues zu vereinigen, zu vermählen." 'Marcks theilt in seiner weiteren Darstellung den von uns Eingangs wiedergegebenen Brief deS Kaisers an seine Gemahlin mit und bemerkt zu den erschütternden seelischen Kämpfen, unter denen der greife Monarch vom alten Preußen Abschied nahm, u. A. Folgender: „Wer dürfte dies« innerlichen Siege, diese erneute schwere Selbstüberwindung gering schätzen? ES war wieder der Segen dieser zähen Treue, daß sie erwies, wie stark und sittlich lebensvoll das Alte war; weil eS nicht leichthin sich selber darangab, eben darum blieb es in dem jetzt gegründeten, ehrlich von ihm ergriffenen neuen Reiche eine triebkräftige und leistungsfähige eigene Macht. Es behauptete sich, indem es sich einordnete, und wirkte fort. Niemals i st König Wilhelm ehrwürdiger gewesen, nie mals hat sich sein ganzes historisches Wesen natürlicher entfaltet und seinen positiven, mandarftrotzAllemgeradehiersagen,schöpfe rischen Kern deutlicher bethätigt, als in diesen MonatendeSscheinbarnutzlosenWider- strebensundderSelbstbezwingungundUnter« Weisung: nur dem oberflächlichen Blicke wird cs als eine Niederlage veralteter Bildungen erscheinen." So Erich Marcks in der 3. Auflage seines Werkes. (Leipzig, 1899. Duncker L Humblot.) „Graf HoenSbroech, fein proceß und die öffentliche Meinung" ist der Titel einer kleinen Schrift, welche Graf Wintzinge rode-Bodenstein soeben (Leipzig, Verlag der Buch handlung deS Evangelischen Bunde») veröffentlicht. Der Verfasser erwähnt einleitend, daß der Heirathsvermittler von Pokorny gegen die Entscheidung des Kammergerickt», welche ihn mit seinen Ansprüchen abwicS, dann noch den obersten Gerichtshof, das Reichsgericht, angerufen bat. „Er bat aber seine trübe Sache selbst im Stiche gelassen; der Urtbeilsspruch deS KammcrgcricbtS ist endgiltig geworden." Deshalb sei nunmehr der Zeitpunkt da, auf die Angelegenheit, welche im vorigen Jahre viel besprochen wurde, zurückzukommen. Graf Wintzingerode giebt eine Darstellung derselben im Sinne der s. Z. von dem Grafen Hocnsbroech gemachten Andeutung, daß eS sich bei der Pokorny'schen Klage um eine Jntrigueder Jesuiten gehandelt habe, die Graf Hocnsbroech nicht in der Oeffentlichkeit habe klarstellen können, weil er sich in der Hoffnung, die Jntriguantcn entlarven zu können, mit Pokorny eingelassen hatte und weil er außerdem durch das Beichtgebeimniß an einer erschöpfenden Erörterung der Sache verhindert war. Wir beben aus der Wintzingerode'schen Schrift folgende Stellen hervor: Bon den in der „Germania" facsimilirten Schriftstücken lautete der erste Brief: „Berlin, Potsdamerstr. 20, den IS. September 1894. Geehrter Herr! Einliegend schicke ich Ihnen den Revers, wie Sie ihn aufgesetzt haben, und ersuch« Sie, di« Angelegenheit weiter zu betreiben. Hochachtungsvoll und ergebenst Graf Paul von HoenSbroech." Da» zweite Autogramm dagegen, da» nur al» Bruchstück rinr» Briefe» ohne Datum und Unterschrift erscheint, sagt«: „Meine Schriften könnten Sie dem Vater zeigen. Ich sprech« flüssig Französisch und Englisch und bin sehr musikalisch. Diesen Herbst werde ich auf direkten Befehl de« Kaiser« im diplomatischen Dienst angestellt. Diesen letzteren Umstand bitte ich äußerst dtScret zu behandeln, da ein vorzeitiges Bekanntwerden desselben mich in die größten Unannehmlichkeiten bringen könnte." Zunächst ist sestzustrllen, daß dir grundlegende Behauptung, zu der sich alle» Weitere al» stützende Einzelausführunqen verhält: — ein Heirathsvermittler habe gegen den Grafen Hoen»bro,ch die Provision au» einer erfolgreichen HeirathSvermittrlnng eingeklagt I — unerwirsen und nachweislich falsch ist. Di« Art, wie Graf I HoenSbroech seine Gemahlin kennen gelernt bat und in da» Hau» I ihrer hochangesehenrn Eltern eingeführt ist, ist die denkbar unverfänglichste. Eine Vermittelung durch einen Agenten hat dabei nicht im Entferntesten stattgefunden. — Darau« allein folgt schon, daß der vermeintliche Vermittler keine Provision zu fordern hatte, daß ihm eine solche auch nicht unter einer falschen Vor spiegelung durch den Grafen HoenSbroech versagt oder verkürzt, daß der Proceß, den der vermeintliche Vermittler angestrengt hat, auch nicht deshalb abgewiesea sein kann, weil „HeirathSvermittelungS- gebühren nicht klagbar sind". Er ist abgewiesea — wie schon oben vermerkt — weil materiell unbegründet. Auf da» Bestimmteste be. stritten und gänzlich unrrwiese» ist ferner die Behauptung, die HeirathSannonce rühre vom Grafen HoenSbroech her. Für jeden, der den Grafen kenut, ist diese Annahme eine Ungeheuerlichkeit. Die von der „Germania" in Faksimile producirtrn Briefe, von denen der zweite sich al» ei» au« drm Zusammenhänge gerissene« Priefstück erweist, sind bestenfalls geschickt combinirt und benutzt. Daß sie in der HeirathSvermittelungSsache geschrieben, daß sie an den Pokorny gerichtet seien, ist weder behauptet noch erwiesen; jedenfalls haben die in dem Heirathsvermittlungsprocesse erkennenden Gerichte auf diese Briefe nicht den geringsten Werth gelegt. Weiter ist kein Zweifel, daß jener Herr von Pokorny ein an- geblich au» Oesterreich stammender, in England oder Belgien lebender Herr, jedenfalls Ausländer, sich, als Graf HoenSbroech nach seinem Austritt au» dem Jesuitenorden — ober noch al» Katholik, was die „Germania" vergeblich zu bestreiten versucht hat — in Berlin lebte, diesem genähert und Anerbietungen gemacht Hot. Die Annäherung soll auf Grund jener HeirathSannonce er« folgt sein, woraus wir schließen müssen, daß der genannte Herr der Annonce entweder nicht fern stand oder von anderer Seite auf die Fährte desjenigen geführt wurde, auf den eS abgesehen war. Nicht unerwähnt darf hier bleiben, daß bald nach dieser ersten Annonce eine zweite erschien, deren Wortlaut nur auf den Grafen HoenSbroech paßte; er war darin so deutlich beschrieben, daß nur der Name fehlte. Niemand wird wohl annehmen, daß Gras HoenSbroech sich selbst so bloßgcstellt haben würde. UeberdieS war in dieser Annonce als Ort, wohin Offerten gesandt werden sollten, Weimar genannt. Weimar war aber damals der Wohnort de» Pokorny! Tie Frau von Pokorny hat brieflich eingestanden, daß sie den Grafen HoenSbroech durch DctectiveS habe beobachten lassen. Ich glaube nicht, daß die» ein bei HeirathSvermittelungSgeschäften sonst gebräuchliche» Verfahren ist. ES zwingt zu dem Schluffe, daß die Pokorny'» mehr wollten, al- nur rin Geschäft im gewöhnlichen Sinne machen. Die Frau von Pokorny ist fanatische Katholikin, eine englische Convertitin, die zu Jesuiten in Beziehungen steht. Wer alles dieS erwägt, kann der Annahme nicht auSweichen, daß die Pokorny'« recht eifrig« Werkzeuge in den Händen Anderer waren. Au» dem Gedankengange de» Grafen HoenSbroech erklärt sich, daß er sich durch daS Bewußtsein gelähmt fühlte, die wirksamsten Mittel, um die wahren Gegner zu entlarven, nicht gebrauchen zu dürfen. Daran, daß er den Schlüssel zu den gegen ihn gesponnenen Jntriguen vertraulichen Mittheilungen verdankte, deren Urbrrbringer er, gegenüber den gemeinsamen Gegnern, nicht com- promittiren durfte, ja, die er zum Theil dem entnahm, wa« er Brichtgeheimniß nennt, kann kein Zweifel sein. Wenn di« „Germania" dem entgegengestellt hat, von einem Beicht- geheimniß könne gar nicht mehr die Rede gewesen sein, denn Graf Hocnsbroech habe nach seinem Austritte au» dem Jesuitenorden, mit dem di« „Germania" fälschlich auch den Ueber- tritt zum Protestantismus in nächsten zeitlichen Zusammenhang brachte, nicht mehr Beichte hören zu können, so ist da» eine unzu treffende Angabe gewesen, über di« zu streiten indeß müßig ist. Die Priestereigenschast, welche da» Recht gewährt, Beichte zu hören, ist nach katholischer Auffassung eine dauernd«; die Pflicht, das Beichtgebeimniß zu wahren, wird «rst mit dem Tode gelöst. Und wenn darüber wirklich verschiedene Meinungen bcstehen sollten, wie in der Tbat das große Publicum an dirsrr Berufung aus da» Beicht- sieg«! den größten Anstoß genommen hat, so werden wir doch den Grafen HoenSbroech unmöglich tadeln könne», daß ihm auch hierin seine eigen« Ueberzeugung maßgebend blieb. Ich gehr noch einen Schritt weiter nnd stelle die Frage, ob z. B. ich selbst zu tadeln s«in würde, wenn ich al« einfacher Laie einer Person, dir mir vertrauliche, für mich wichtige I Mittheilungen machen will, mir aber vor dem Beginn ihrer Er- > ösfnungen da« Versprechen der Verschwiegenheit abvrrlangt, dir« Versprechen halte und lieber nach anderen Beweismitteln suche, um jene» Versvrechen nicht brechen zu müssen? Kann unter uns Li« Antwort zweifelhaft sein? Nicht vom Standpunkt eine» Richters, aber vom Standpunkt der rechten Würdigung eines Menschen ist nicht» einleuchtender, als daß Graf HoenSbroech daS Gebot seines Gewissens höher anschlug, als irgend welche andere, in erster Linie persönliche Rücksichten. Er hatte den ihm gebotenen Komps aus- genommen in der Hoffnung, gegen die hinter dem Heiraths- Vermittler agirenden Gegner Beweismittel in die Hände zu be- kommen, die vor der Oeffentlichkeit verwendbar wären. Er hat den Kampf aufgegeben, als er sich zu dem Gebrauche ihm unerlaubter Waffen gedrängt sah. Deutsches Reich. /?. Berlin, 31. Mai. (DerBundderLandwirthe und die Polen.) Für die bevorstehende Landtags- Ersatzwahl in Konitz-Tuchel-Schlochau haben die Vertrauensmänner des Bundes der Land wirt h e folgenden Beschluß gefaßt: „Die . . . Vertrauens männer des Bundes der Landwirthe bleiben bei dm früher bei dieser Wahl abgeschlossenen Compromissen in der Hoffnung, daß der Bund sich für die Zukunft nicht wieder spaltet." — Durch diesen Beschluß hat der dortige Bund der Landwirthe die schmäh liche Verbrüderung mit den Polen aufs Neue proclamirt. Eine vernichtende Beurtheilung des Zusammengehens mit dem natio nalen Gegner bedeutet die Thatsache, daß fast sämmtliche Wahl- männerdes Bundes der Landwirthe ihr M a n d a t n i e ber ge l e g t haben. Es hat sich also die Erkenntniß der Unzulässig keit einer Verbrüderung mit den Polen seit der Hauptwahl er freulicher Weise weiter verbreitet. Bekanntlich hat schon bei der Hauptwachl ein Theil der Wahlmänner des Bundes, beeinflußt durch Pfuirufe der Conserdativen während der ersten Abstim mung, sich bei der damaligen Stichwahl der Abstimmung ent halten. Wie die Vertrauensmänner des Bundes der Landwirthe in Konitz-iTuchel-Schlochau, so tritt auch Vie „Deutsche Tageszeitung" für den Pakt mit den Polen ein, und das um so lebhafter, als der dritte Genoss« dasEent m ist. Die „Deutsche Tagesztg." vertheidigt daS bllndlerisch-polnisch-kleri- kale Bllndniß mit folgender Begründung: „Wenn man cs aus nationalen Gründen für Unrecht hält, für den Pfarrer Gehrt (den klerikalen Compromiß-Candidaten) zu stimmen, da er den Polen nahestehe, so genügt eS, dem gegenüber darauf hinzuweisen, daß die meisten polnischen Blätter ihre Wahlmänner auffordern, unter keinen Umständen für den CentrumScandidaten zu stimmen. Da mit dürfte denn doch bewiesen sein, daß Pfarrer Gehrt durchaus Nicht zu den Polen zu rechnen ist." — Leichtfertiger kann man sich über nationale Bedenken nicht hinwegsetzen. Denn einmal sind es nur kleine westpreußisch« Blätter welche di« Candida!::: deS klerikalen Pfarrers bekämpfen; der „Dzennik" und de: „Kuryer PoznanSki" dagegen treten lebhaft für d e WahldeS CentrumsmanneS ein. Sodann aber stellt der „Kurv- Poz." ausdrücklich fest, daß die westpreußischcn polnischen A: griffe nicht gegen di« Person Gehrt's, sondern gegen o Allgemeinheit der deutschen Katholiken sich richten. Bei: konnte die „Deutsche Tageszeitung" heute Morgen auS der „Ger mania" erfahren. DaS bündlerischc Organ zieht es aber trotzdem vor, heute Abend ein «loyale»" Festhalten am Bündnisse mit den Polen zu predigen! Nationale Bedenken fallen eben für die ex tremen Leiter deS Bundes der Landwirthe nicht kn» Gewicht. * Berlin, 3l. Mai. Die Nothwendigkeit eines wirksameren gesetzlichen Schutze» Arbeit» williger gegen TerroriSmu» begründen die „Berl. Pol. Nachr." in dem folgenden, anscheinend offtciösen Artikel: Aus der deutschen Criminalstatistik erhellt, daß im Jahr« 1897, also in einer noch vergleichsweise friedlichen Zeit, nicht weniger als 264 Berurtheilungen auf Grund der k 163 der Gewerbe ordnung stattgefunden haben. Die Verurtheilung ist erfolgt, weil Arbeiter durch Anwendung körperlichen Zwange», durch Drohung, durch Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung be stimmt oder zu bestimmen versucht wurden, an Verabredungen behufs Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen theilzunehmen, oder ander« Arbeiter mit gleichen Mitteln hindert worden sind, von solchen Verabredungen zurückzutreten. In zwei Fällen hat auf da» höchste Strafmaß, drei Monate Gefängniß, in 64 Fällen auf Gefängniß von einem Monat od r mehr erkannt werden müssen. Damit ist die List« der Ber - urt Heilungen wegen Vergewaltigung Ar beitswilliger noch nicht entfernt erschöpft, denn gerade die schwersten Fäll« werden nicht nach dem betreffenden Paragrapbea der Gewerbeordnung abgeurtheilr, weil sie nach dem allgemeinen
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