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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990605023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899060502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899060502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-05
- Monat1899-06
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Directe tägliche Krruzvandiendu.ng ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion »nd Expedition: Johannisgasse 8. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: ttto Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinuni-. Lont« Lösche, Katharinenstr. 14, pari, uud Künlg«plah 7. 281. Abend-Ausgabe. WpMcr TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes «nd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Montag den 5. Juni 1899. Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRrdaction-strich (4z*» spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/4. Größere Schriften laut unserem Prei«- verzeichniß. Tabellarischer ünd Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Äunahmeschluß für Äazeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 83. Jahrgang. Revision des Dreyfus-Proceffes. —p. Der CassationShof bat gesprochen und wie es scheint einstimmig gesprochen und cassirt ist daS Urtheil des Kriegs gericht« von 1894, cassirt und annullirt; die Unschuld deS CapitänS Dreyfu« ist von dem höchsten Gerichtshof der Republik als absolut erwiesen bezeichnet worden, der Schuldige, Esterstazy, hat, als der Thäter entlarvt, selbst vor Zeugen eingestanden, das berüchtigte Bordereau, das Verzeichniß der wirklich oder angeb lich an Deutschland ausgelieferten, für die Landes- vertheidigung wichtigen Schriftstücke geschrieben zu haben und ein neues Kriegsgericht mit neuen Richtern hat die Aufgabe, den nicht mehr zweifelhaften Freispruch zu vollziehen, DreyfuS seine bürgerliche und militärische Ehre wieder zugeben, ihn in seinen vorigen Rang als Ossicier einzusetzen und die Tressen, die ihm einst vor der Front des Regiments von den Schultern gerissen wurden, ihm wieder anzuheften. Schon ist der Kreuzer, der DreyfuS von der Teufelsinsel unverzüglich nach Frankreich zurückführen soll, bestimmt und während wir dies schreiben, dürfte die „Sfax" bereits die Anker gelichtet haben und auf der Fahrt vom Cap Martinique nach den Iles du Salut unterwegs sein. Etwa am 26. Juni wird, wie gemeldet, der endlich aus dem Bagno befreite Märtyrer in Brest landen, um dann sofort dem Kriegsgericht in Rennes zugeführt zu werden. Diese Stadt ist Wohl des halb gewählt worden, weil sie dem Brester Hasen am nächsten liegt und weil somit ein weiterer Transport deS Gefangenen, der zu bedenklichen Kundgebungen der Volks leidenschaft Anlaß geben könnte, vermieden wird. Der Hafen Rantes liegt zwar Rennes noch näher und ist Sitz eines Armeecorps-CommandoS und eines Kriegsgerichtes, doch nahm man von seiner Wahl wohl Abstand, weil der dortige Armee- corps-Commandant, General Renouard, als früherer Unterches des Generalstabes Anlaß gehabt hat, persönlich in die DreyfuS- Asfäre einzugreifen. Wenn die Blätter deS Generalstabs und der ihnen ver bündeten antisemitischen Liga recht unterrichtet sind, werden die früheren fünf Kriegsminister, Mercier, Billot, Cavaitznac, Zurlinden und Chanoine, die Alle nach einander drmisfio- nirten, um die Revisionsverhandlungen vor dem Cassations hofe nicht in Fluß bringen zu müssen, verlangen als Zeugen vor dem Kriegsgericht in Rennes vernommen zu werden. Sie tbeilen bekanntlich Alle, die bürgerlichen sowohl, wie die militärischen, die Ueberzeugung von der Schuld des DreyfuS und auch Esterhazy beharrt, obgleich er sich als Urheber des Bordereaus bekennt, auf der Behauptung, daß Dreyfus ein Landesverräther war und daß die Fälschung nur den Zweck hatte, einen greifbaren Beweis der Schuld herzustellen, nachdem man ideell sie für erwiesen halten mußte. Selbstverständlich kann Dreyfus dem Spruch des Kriegsgerichts mit voller Ruhe entgegensehen, denn die Richter werden eben greifbare Beweise, nicht ideelle verlangen: jene aber fehlen eingestandener maßen — sonst hätte man nicht zu einer Fälschung nach der anderen greifen müssen — und diese haben keinen Werth. Allerdings ist eS auffallend, daß alle in Betracht kommenden Kriegsminister Dreyfus, nachdem sie Einblick in die Acten genommen, für schuldig hielten, aber sie kannten den Nachweis der Fälschungen durch den Cassationshof noch nicht, sie waren betrogene Betrüger; und wenn sie auch jetzt noch an ihrer angeblichen Ueberzeugung festhalten, so beweist daS eben nur, daß sie nicht zugestehen wollen, geirrt zu haben, daß sie immer noch bemüht sind, von dem Prestige der Armer zu retten, was noch zu retten ist und daß dazu ihnen jedes Mittel, selbst daS der Verdächtigung deS Gerichtes höchster Instanz recht ist. Ihnen ist eS Wohl auch, und zwar nicht in letzter Linie, darum zu thun, die Erregung der Nation nicht zur Ruhe kommen zu lassen und dies können sie nicht besser als dadurch, daß sie glauben zu machen suchen, das oberste Gericht habe nicht um deS Rechtes willen seinen Spruch gefällt, sondern um der Armee einen Schlag zu versetzen, es sei eben auch Partei in dem großen Kampfe, der in Frankreich um die höchste Macht entbrannt ist. Thatsächlich ist dieser Kampf schon seit dem Ester hazy- und Zola - Processe in vollem Gange und drängt jetzt der Entscheidung zu. Schon ist DreyfuS vom Stand punkt deS Politikers in den Hintergrund getreten, wenn auch der Philanthrop ihn als die Hauptperson in dem ganzen Drama zu feiern geneigt ist. Auch wir bringen dem armen Dulder uneingeschränkte Sympathie entgegen, auch wir zollen ihm tiefstes Mitleid und bewundern die Seelen stärke, mit der er fern vom Vaterland und den Seinen, ent ehrt und verachtet, die Qualen einer fast fünfjährigen Verbannung auf öder, ungesunder Insel ertragen und dafür gebüßt hat, daß er der Sproß einer hochintelligenten aber bestgehaßten Rasse ist. Auch wir athmen mit auf und empfinden als Menschen eine aufrichtige Genugthuung darüber, daß der Wahrheit und der Gerechtigkeit trotz aller List und Lüge, trotz alles Drohens mit dem Säbel und alles Tobens der Straße, doch der Sieg geblieben ist und nicht zuletzt darüber, daß, woran man leider lange zu zweifeln berechtigt war, eS auch in Frankreich noch Richter giebt. Aber das ist eS nicht, worauf es in diesem Augenblicke ankommt. Das ist die Frage: auf Weicker Seite wird die ausschlaggebende Macht sich finden, auf der des bestehenden republikanischen Staatssystem-, das sich nur unter furchtbaren Kämpfen und Ringen lebensfähig gezeigt hat, oder auf der der militärisch-klerikalen Reaction, die die Zeit für eine soldatische Dictatur und die Neuaufrichtung der Monarchie gekommen glaubt? Niemand vermag vorauszusagen, welchen Gang die Ereignisse nehmen werden, aber sicher scheint, daß Frankreich mitdcrFreisprechungdcSHauptinannSDrcysuSunpdemTriumph der Gerechtigkeit noch nicht am Ende der Wirren, in die der Dreyfushandel es verwickelt, angekommen und daß es noch weit von der Beruhigung der Geister entfernt ist, welche der Präsident der Republitik Loubet bei seinem Einzug inS Elysse in Aussicht gestellt hat. Die Freisprechung Döroulöde'S, die Aeußerungen hoher Officiere vor dem Schwurgericht, das Auf treten Marchand's, der, um gefährliche Kundgebungen zu vermeiden, Paris auf Befehl bei Nacht verlassen muß, das Attentat, das gestern auf dem Rennplatz bei Auteuil auf den Präsidenten, den Friedekündiaer, verübt worden ist, verübt von fanatischen Royalisten, deren Namen der Grafentitel ziert, Alles daS — wir berichten über das letztere Vorkommniß ausführlich an anderer Stelle — läßt erkennen, daß man in den der Republik feindlichen Kreisen in dem Spruch deS CassationsbofeS nichts Anderes als einen wieder wettzumachenden Sieg der Gegenpartei, als eine neue unerhörte Provocation derer betrachtet, die zwar noch nicht die formelle, aber die thatsächliche Macht in den Händen zu haben meinen. Geht nun vollends die Regierung noch weiter, begnügt sie sich nicht damit, einem Unschuldigen zum Rechte verhalfen zu haben, sondern zieht sie die Consequenzen, welche die Logik, daS Selbst- und Ehrgefühl und auch die wohl verstandene StaatSraison ihr aufdrängen, greift sie mit festem Griffe durch und überantwortet die wirklich Schuldigen dem Richter, so hoch sie auch stehen mögen — und diese Schuldigen finden sich bekanntlich in den Reihen der Armee — dann ist Wohl mit Sicherheit zu erwarten, daß, wenn der Vorhang sich wieder bebt, der Schlußact der Tragödie menschlicher Irrungen und Vergehungen mit dem ersten Acte eines politischen Dramas sich verschmolzen hat, daS für unS in Deutschland von weit größerem Interesse sein wird als jene. DaS republikanische Frankreich bedeutet für Deutschland Frieden, wenn auch luter arwa, das cäsaristische aber den Krieg. Politische Tagesschau. * Let-zig, 5. Juni. Die „Franks. Ztg." weiß zwar ebensowenig wie andere Blätter, unter welchen Bedingungen die australischen Co lonien Spaniens für Deutschland erworben worden sind, aber sie schließt nicht nur aus der Aufnahme, welcke die Nachricht von dieser Erwerbung in der deutschen Presse gefunden bat, daß die Genehmigung des Reichstags zu dem Vertrag „so gut wie sicher" sei, sondern sie ergiebt sick auch in das Unvermeidliche und schließt sich sogar, ohne zu murren, den Folgerungen an, welche die „Kreuzztg." an die neue Erwerbung knüpft: „Bei aller Genugthuung soll man die eine entschieden gebotene Folge erweiterter Lolonialpolitik nicht vergesse». Sie bedingt auch eine fortschreitende Vervollkommnung der Mittel zum Schutze unserer Colonien; denn kann das deutsche Reich ihnen einen solchen nicht gewähren, so ist ihr Besitz zum Mindesten ein sehr problematischer. Das Eine geht mit dem Andern unweigerlich Hand in Hand, und die, welche jetzt lauten Jubel erklingen lassen über den neuesten deutschen Zuwachs, sie sollen auch dann nicht murren, wenn das Reich von ihnen das verlangt, was es braucht, um seinen überseeischen Bestand zu schützen." Wen» also der Staatssekretär v. Bülow demnächst im Reichstage um nähere Mittheilungen über den „Kosten punkt" ersucht werden sollte und aus Rücksicht auf die noch ausstehenden parlamentarischen Verhandlungen in Madrid ausweichend antworten müßte, so würde er doch von der süddeutschen Demokratie ebensowenig Vorwürfe zu gewärtigen haben, wie von der norddeutschen, die ibren Oppo sitionsgelüsten gegen die neue Erweiterung unseres ColonialbesitzeS selbst einen Zügel angelegt hat da durch, daß sie der Versuchung erlag, Herrn v. Bülow auf Kosten des Fürsten Bismarck herauszustreichen. So erwünscht aber auch diese politische Folge des demokratischen Bismarckhasses ist, so entschieden muß gleichwohl Einspruch erhoben werden gegen die Herabsetzung des Altreichskanzlers zu Gunsten deS jetzigen Staatssekretärs des auswärtigen Amtes, wie sie besonders das „Berliner Tageblatt" sich nicht versagen kann. ES schreibt nämlich: „Was also der Staatskunst de« Fürsten Bismarck nicht gelungen ist, hat Herr v. Bülow mit raschem glücklichen Griff erlangt . . . Herr von Bülow ist eben ein Staatsmann, der den Erfolg auf seiner Seite hat, und da« ist e« doch schließlich, worauf es ankommt, und so kann sich Herr von Bülow, in dem Bewußtsein, seinem Vaterlande einen neuen Dienst erwiesen zu haben, gern trösten, wenn von Seiten seiner gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Gegner und Verkleinerer lediglich als ein Glückstreffer hingestellt wird, was doch nur da« wohlverdiente Resultat eines raschen Blickes und einer festen Hand gewesen ist." Wir sind die Letzten, die Herrn v. Bülow im Allgemeinen und im vorliegenden Einzelfalle bestreiten, daß er einen raschen Blick und eine ebenso feste wie geschickte Hand besitze, die sich besonders darin gezeigt hat, baß er die noch vor Kurzem in außerordentlichem Grade gegen unS aufgereizten Amerikaner mit der neuen Lage der Dinge auszusöhnen verstand. Wenn man aber den unbestreitbaren Erfolg, den Herr v. Bülow jetzt davongetragen hat, ohne Weiteres gegen den Fürsten Bismarck ausspielt, so muß doch an einige Puncte erinnert werden, die das Urtheil deö „Berliner Tageblattes" Kälten beeinflussen sollen. Sogar die „Vos fische Zeitung" ist so gütig, darauf hinzuweisen, daß die jetzige Erwerbung der Carolinen „unter ganz anderen, wesentlich günstigeren Umständen" sich vollzog, als Fürst Bismarck sie vorfand. Diese wesentlich anderen und günstigeren Umstände, die daS „Berl. Tagebl." übersieht, besleben in der Kleinigkeit, daß Spanien einen Krieg gegen die Union und durck ihn fast seinen ganzen Colonialbesitz verloren hat! Im Jahre 1885 dagegen Halle Spanien keinen Krieg verloren, und hätte cS ihn unter dem Eindruck französischer Auf hetzung — die auch das „Berl. Tagebl." erwähnt — damals gegen Deutschland begonnen, so hätte es ohne Zweifel auf die Unterstützung Frankreichs zählen können, das vor 14 Jahren unleugbar revanchelustiger war als heute. Der Sturm der öffentlichen Meinung Spaniens war eben im Jahre 1885 eine Thatsache, mit der Fürst Bismarck rechnen mußte. Waö hätte Wohl das „Berliner Tagebl." gesagt, wenn Fürst BiSmarck um der Carolinen willen den Krieg begonnen hätte? Waren etwa die Carolinen damals für das Reich wertbvoller als heule Samoa? Zu einer Zeit aber, da in Deutschland Niemand wissen konnte, in wie weit »eben den deutschen Interessen auch die deutsche Ehre auf Samoa berührt worden wäre, erinnern wir uns nicht, im „Berl. Tageblatt" das Mittel empfohlen gesehen zu haben, dessen Verwerfung in der Carolinenfrage daS „Berl. Tagebl." jetzt dem Fürsten Bis marck indirect vorwirft. Doch wie könnte nian Conseqnenz von einem Blatte verlangen, das zu den gewerbs- und ge wohnheitsmäßigen Gegnern und Verkleinerern zwar nicht des Herrn v. Bülow, aber deS Fürsten BiSmarck gehört? Ueber den von der Negierung gemachten Versuch, das gewerbliche ArbettSverhältnitz gegen jedwede gewaltsame Beeinflusiung, sowohl von Seiten der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, sicherzustellen, hat nun der in Aussicht gestellte socialdemokratische Preßlärm bereits begonnen. Wie hohl das ganze Getrommel ist, geht aus folgendem Vor wurfe hervor, der in dem socialdemokratischen Centralorgan gegen die Kritik erhoben wird, die die Vorlage in ter national- li beraten Presse gesunden habe: diese feiere „Orgien der Lust ob deS lieblichen Geschenkes". Stellt man daneben, daß die Organe des gemäßigten Liberalismus durchweg betont haben, die vorgeschlagenen Strafbestimmungen müßten sorg fältig darauf geprüft werden, ob sie auch wirklich, ohne das Coalitionsrecht zu beeinträchtigen, jeden Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegen unzulässige Beeinflussung seiner persönlichen Freiheit, sei es durch Mitarbeiter oder Arbeit geber, schützen, dann wird man auch durck diese neue socialdemokratische Irreführung bestätigt finden, daß auf eine sachgemäße Auseinandersetzung mit der Social demokratie im vorliegenden Falle so wenig zu rechnen ist. FertZlleton. Äußer Diensten. 20s Roman von Ernst Wichert. Nachdruck »erbet u. Diese energische kleine Person! dachte er. Will eine Un bedachtsamkeit meinerseits ertrotzen. Und nun hat sie wirklich Grund, böse zu sein, wenn ein« Antwort ausbleibt. Sie hat sich so weit vorgewagt, daß die Enttäuschung beschämend wirken muß. Und doch —! Nein. Es ist besser, sie bricht mit dem unartigen Menschen, als daß ihr der Gewissenlos« ernstlichen Kummer be reitet. Die Briefe brannten ihm auf dem Herzen, aber er biß die Zähne zusammen und schwieg. Fast eine Woche war wieder vergangen, als nochmals von Sylt ein Brief anlangte, aber mit der Aufschrift von anderer Hand. Jungenheim öffnete ihn mit nicht geringem Herzklopfen. Rüttger von Blanden schrieb, oder kritzelte vielmehr: „Du wirst verwundert sein, mein lieber Alter, von mir aus diesem Bade ein Lebenszeichen zu erhalten. Vielleicht auch nicht, wenn Dir er innerlich sein sollte, daß hier sich Frau von Jttenborn mit ihren Töchtern befindet. Denn ich sagte Dir doch kurzum, ich bin hier und habe mir alle redliche Mühe gegeben, unausstehlich liebenswürdig zu sein, um mir nach Deinem wohlbedachten Rath festen Grund unter die Freiersfüße zu schaffen. Ich gestehe Dir ganz aufrichtig, daß Irmgard, die etwas zu merken schien, mich anfangs recht schlecht behandelte, so daß ich immer bedenklicher wurde, ob ich nicht ein rechter Narr sei, mich da um einen Korb zu bemühen, während ich vielleicht ganz in der Nähe —??? Dies« drei Fragezeichen haben wirklich ihre Bedeutung. Denn Armgard ist ein sehr liebes, verständiges Mädchen, und gewinnt bei näherer Bekanntschaft ungemein, intereffirt sich auch für die Landwirth- schaft, was man ihrer Schwester nicht nachrühmen kann, und hat eine freundliche Art, sich für jede Aufmerksamkeit dankbar zu be weisen. WaS soll ich Dir sagen, lieber Bruder — ich hätte wünschen können, sie wäre von Anfang an allein dagewesen, dann würd' ich mich wahrscheinlich keinen Augenblick besonnen haben . . . Das heißt, so ungefähr dacht ich vor einigen Tagen, und nur ein unausstehlicher Eigensinn, der in meiner Natur liegt, zwang mich trotz Allem immer wieder zu meinem ersten Ge danken zurück. Da geschah denn etwas — ja, ich muß es Dir nun schon «rzählen, da sie selbst eS so will, Irmgard nämlich. Ich ging mit ihr so gegen Sonnenuntergang am Strande, und ich weiß nicht, wie es kam, die Beiden blieben zurück, und wir Beide gingen immer weiter auf die untergehende Sonne zu. Sonst war sie in ähnlichen Fällen allemal gleich umgekehrt, nun schien sie gar nicht zu bemerken, daß wir allein waren. Und ich ver sichere Dich, sie war auch so ganz anders als sonst, eher schwer- müthig als ausgelassen, merkwürdig ernst und sagte allerhand Verse auf, in denen von der scheidenden Sonne die Rede war und vom endlosen Meer und so etwas. Da wurde mir ganz weich zu Muth, und ich dachte: jetzt ist's Zeit! Läßt sie Dich ab fallen, so lacht sie Dich wenigstens nicht aus. Und da besann ich mich auch auf ein paar Verse, die so ungefähr paßten, und sagte sie sehr schön auf, daß es mich selbst rührte, und darauf sah sie mich so an, Laß ich meinte: nun wartete sie, daß es kommt. Und da könnt ich doch nun unmöglich zurück und sagte ihr, daß ich ganz toll verliebt in sie sei und nur ihretwegrn hergekommen wäre, und fragte sie, ob ich es wagen könnte, um ihre Hand anzuhalten. Darauf antwortete sie eine ziemlich lange Weile gar nichts, und dann sagte sie nicht gerade sehr ermunternd: „Ich glaube, Herr von Blanden, Sie täuschen sich. Aber wenn Sie meinen, daß wir Beide ... Ich habe nicht gerade etwas gegen Sie, und lasse es auf Papas Entscheidung ankommen. Fratzen Sie ihn doch, sobald wir wieder in Horseln sind." — Nun wollte ich natürlich ihre Hand küssen, aber nicht einmal den kleinen Finger bekam ich. Sie kehrte sogleich um, lachte plötzlich hell auf und lief mit eiligen Schritten eine Strecke weit vor mir her. Ich meinte, sie wolle sich Haschen lassen, und folgte ihr ebenso. Als sie dann aber stehen blieb und mir das 'Gesicht zuwandte, schien es mir, daß si« geweint hätte. „Sie reisen morgen ab, Herr von Blanden", sagte sie, als verstehe sich das von selbst. Auf meine dringendeBitte, bleiben zu dürfen, entschied sie endlich: „Gut, aber unter einer Bedingung: Sie thun so, als ob ich gar nicht auf der Welt wäre. Und Sie schreiben gleich Ihrem Freunde, Herrn vr. Junge, was geschehen ist, und daß ich Ihnen erlaubt habe, mit dem Papa zu sprechen. Sonst erfährt keine Menschenseele davon — auch nicht Ihre verehrte Frau Mutter." Nun hielt sie mir die Hand hin. Ich erlaubte mir, meiner Verwunderung über dieses doch sehr sonderbare Verlangen vorsichtig Ausdruck zu geben, aber sie brach kurz ab und rief: „Wollen Sie oder nicht?" Sie schien mir nervös aufgeregt und wieder dem Weinen nahe. Natürlich schlug ich nun in ihre Hand ein, die sich dann gleich wieder zurückzog. Und da halte ich nun mein Wort, lieber Bruder, und gebe Dir einen treuen Bericht, so schwer es mir wird. Denn auf mein« Errungenschaft stolz oder über meine Er- folge vergnügt zu sein, hab« ich, wie ich glaube, keine rechte Ursache. Weißt Du, mir dämmert so etwas auf — aber davon vielleicht einmal später. So viel steht fest: Wenn ich mich Armgard erklärt hätte, würde die Sache jetzt ein anderes Gesicht haben. Entweder sie hätte „nein" gesagt, und ich säße dann schon wieder in Marka, oder sie hätte „ja" gesagt, und dann wäre ich jetzt heimlich glücklicher Bräutigam. So aber ... Ich muß nämlich noch hinzufügen, daß Irmgard sich unter allerhand Vorwänden meist unsichtbar macht, oder, wenn sie doch nicht aus weichen kann, sich lieber mit irgend einem zurGesellschaftgehörigen Köter abgiebt als mit mir. Ich bin daher eigentlich ganz auf Armgard angewiesen und kann mich da über unfreundliche Be handlung nicht beklagen. Sie bleibt sich immer gleich uno scheint Launen gar nicht zu kennen. Wirklich ein vortreffliches Geschöpf Gottes! Wenn sie wollte, könnte sie sich einbilden . . .Ah! wäre sie nicht, ich reiste wahrhaftig mit dem nächsten Dampfer ab. Was sagst Du nun zu alledem, bester Freund? Ich wollte . . . Aber die Dinge müssen nun ihren Lauf haben. Ehe ich mich dem Alten eröffne, hoffe ich Dich jedenfalls zu sprechen. Leb' wohl indeß! In brüderlicher Treue Dein — Rüttger von Blanden." Auch dieser Brief blieb unbeantwortet. Er erweckte bei Jungenheim sehr gemischte Empfindungen. Irmgard durchschaute er leicht. Aber was für Folgen konnte ihr Trotz haben? Für sie selbst und für den wankelmüthigen Freund! Was ihm gesagt sein sollte, wußte er sehr wohl; aber er glaubte es nicht hören zu dürfen. Der Freiherr bestürmte ihn wieder täglich mit Mahnschreiben, sobald als irgend möglich einen neuen Urlaub zu nehmen und ihm zu Hilfe zu kommen. Di« Vorversammlungen waren meist bereits ausgeschrieben. Besonders die für die Residenz angesagten verursachten ihm große Sorgen und stimmten ihn schon im Vor aus verdrießlich. Verachtete er auch den Haufen der Wähler nicht, so lebte doch in ihm etwas von dem Stolz des Aristokraten, nicht um die Würde, die verdient schien, bitten zu wollen. Als Gegenkandidat war der alte Graf Ulrich Gunzenstein auf gestellt, Vater des Ministers und des Kammcrjunkers, Majorats herr auf Gunzenstein und Drossel, ein einflußreicher Agrarier und Bimetallist, particularistisch gesinnt und orthodox, deshalb vom Hofe und von der Landesgeistlichkeit unterstützt, verwandt und verschwägert mit einem großen Theil des eingesessenen höheren Adels, Führer der Zünftler, übrigens als persönlich liebenswürdig gerühmt — wahrlich kein verächtlicher Gegner. Der Freiherr von Jttenborn war ihm befreundet gewesen und trat jetzt ungern gegen ihn in di« Schranken; «r fürcht«te von jener Seite Vor würfe, die leicht sein reizbares Ehr- und Standesgefühl verletzen konnten. Seine Bewerbung um Emma'» Gunst hatte er, wovon freilich Jungenheim nichts ahnte, mit vermehrtem Eifer fortgesetzt. Er konnte sich nun nach Wunsch frei bewegen, denn Comteffe Hertha war den größten Theil des Tages über mit der Abschrift ihres Romans beschäftigt und ließ die Wirthin mehr als «sonst frei schalten und walten. Der Capitän hatte nach der Ernte mit der Ackerbestellung zu thun, ruhte dann am liebsten in seiner Cajüte aus und wartete ab, bis er zur Kartenpartie gewünscht wurve. Er sah absichtlich nicht einmal so viel, als er auch ohne zu spioniren leicht hätte sehen können. Es fehlte dem Freiherrn nicht an Gelegenheit, mit Emma zu sammenzutreffen und zu plaudern. Im Garten reifte jetzt vas Obst, und sie machte sich viel unter Len Bäumen zu schaffen, Vie abgefallenen Früchte zu sammeln und Nachlese zu halten, wenn der Gärtner geschüttelt hatte. Sie schickte der gnädigen Frau nach Sylt täglich eine kleine Kiste. Auch an den Gemüsebeeten hinter der Hecke hielt sie Auswahl, und der Blumenstrauß, den der Ver walter dem Freiherrn jeden Morgen in sein -Arbeitszimmer stellte, war von ihr am Abend vorher gebunden. Er konnte sie von seinem Fenster aus im Garten beobachten und fühlte dann ge wöhnlich das Bedürfniß, sich ein wenig in der freien Luft zu ergehen. Emma wich ihm nicht aus. Ihre Eitelkeit schien sich darin zu behagen, von dem gnädigen Herrn immer wieder auf gesucht und durch ein vertrauliches Gespräch ausgezeichnet zu werden. Er bückte sich auch wohl selbst nach einem Apfel oder einer Birne, die in ihrer Nähe im Grase lag, und legte sie ihr in die Hand, wenn sie ihm nicht eiligst zuoorgekommen war, wobei es dann ohne eine kleine Carambolage selten abging, die immer zu lachen gab. Sie war stets bei guter Laune und hatte eine neckische Art, ihn abzuweisen, wenn er einmal zu dreist wurde, und zog sich auch zurück, wenn sie ihre Arbeit verrichtet hatte. Er wurde ungeduldiger und ließ sie den Wunsch merken, auch «inmal von ihr durch einen Besuch in seinem Zimmer er freut zu werden, oder Abends spät ihr Stübchen unverschlossen zu finden. Dies schien sie aber nicht zu verstehen, und auch die Lockung zu einer Begegnung im Park blieb zu seinem stillen Ver- druß unbeachtet. So standen sie einmal auch, als eS schon dämmerte, unter dem großen Apfelbaum, der dicht an der Hecke seine Aeste zum Theil über den trockenen Graben dahinter ausbreitete. Emma hatte eine Harke mitgebracht, um damit die reifen Früchte abzureißen od«r die höheren Zweige zu fassen und zu schütteln. Der Frei herr nahm sie ihr ab und versuchte sich bei dieser Arbeit selbst. Als Knabe habe er keine Harke gebraucht, sich die Aepfel herunter zuholen, erzählte er; da sei er auf den Daum geklettert bis zur höchsten Spitze, einmal freilich auch unfreiwillig herunter»
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