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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990610016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeicbaiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ 60.—, mit Postb«sörd«rung 70.—. Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen jr eine halbe Stunde früher. Anreißen sind stets an die Expeditian zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. 299 Sonnabend dm 10. Juni 1899. Die Arbeiterbewegung in Rußland. V. 8. Juden charakteristischen Erscheinungen der Regierung des Zaren Nikolaus II. gehört eine ungewöhnliche Entwickelung der Arbeiterbewegung. Diese Bewegung trägt die Kennzeichen «iner planmäßigen Organisation an sich, sie nimmt, je länger sie an« hält, einen entschiedenen Charakter an und wächst sich mit der Zeit zu einer sicheren Gefahr für die bestehende Ordnung in Rußland au«. Bereits gleich nach der Zarenkrönung ver« anstatteten die Arbeiter mehrerer Petersburger Fabriken einen bedeutenden Au»ftand, der nur mit Mühe unterdrückt werden konnte und schließlich eine derartige Ausdehnung gewann, daß der feierliche Einzug des Herrscherpaares unterbleiben mußte. Dieser ersten größeren Kundgebung der russischen Arbeiter bevölkerung sind verhältnißmäßig rasch eine Reihe weiterer Lebensäußerungen gefolgt, die sämmtlich Ausschreitungen im Gefolge hatten und di« Regierung über das Umsichgreifen socialistischer Tendenzen nicht im Zweifel lassen konnten. Wir wollen hier nur an die mehrfachen Arbeiterausstände im Süden Rußlands erinnern, von denen der Eisenbahnstreik in der Tifliser Gegend empfindliche Verkehrsstörungen mit sich brachte und da durch einen großen Theil der Gesammtbevölkcrung in Mit leidenschaft zog. Gegen die Unordnungen, welche die Arbeiter veranlaßten, hat sich die Polizei stets als machtlos erwiesen, und selbst das Militär war an mehreren Orten anfangs nicht im Stande, die Ruhe wieder herzustellen. Ebenso waren die höchsten Regierungsvertreter genöthigt, auf dem Schauplatz der Ausstände zu erscheinen, um den Arbeitern zuzureden und wenigstens theilweise die cklarminte Bevölkerung zu beruhigen. Man ist schließlich zwar immer als Sieger hervorgegangen, aber es wurden nicht geringe Opfer gebracht. Die jüngsten Arbeiterunruhen in Riga fallen zum Theil in das gleiche Gebiet. Wie im Innern des Reiches, bildeten Lohnstreitigkeiten den Ausgangspunkt des Ausstandes. Auch dort trieb der aufgeregte Pöbel Unfug auf den Straßen und ging dann zu Plünderung und Brandstiftung über. Theilweise aber es handelt sich um völlig Neues, um eine Bewegung anti deutschen Charakters, die von den russischen Studenten des Baltischen Polytechnikums geschürt worden ist. Die „Vorzüge" der Russificirung der Ostseeprovinzrn sind bei dieser Gelegen heit grell genug ans Tageslicht getreten. Wer hat früher in Livland von offenen Gewaltthaten gehört, die einerseits gegen die deutsche Bevölkerung, andererseits gegen die Regierung ihre Spitze richteten und nur unter Aufgebot einer größeren Truppenmenge bezwungen werden konnten? So lange sowohl Riga, als namentlich Dorpat Pflanzstätten 'deutscher Wissenschaft waren, fand der Socialismus slawischer Studenten in den Ost seeprovinzen keinen Boden und blieb höchstens auf einige national russische Kreise beschränkt. Jetzt ist er dagegen ein Factor ge worben, mit dem di« Regierung rechnen muß. Niemand kann gleichwohl leugnen, daß die Unzufriedenheit weiter Kreise der russischen Arbeiterbevölkerung nicht ohne Be rechtigung ist. In kaum einem anderen Lande Guropas ist bisher so wenig für diese Classe geschehen, auf die in den großen In dustriestaaten von den Regierungen bei der Gesetzgebung in hervorragender Weise Rücksicht genommen wird. Die Aus beutung der Arbeiterschaft erfolgt in geradezu unerhörter Weise; ein staatlicher Arbeiterschutz existirt nicht, ja bisher hat man nicht ein Mal «ine geordnete Sonntagsruhe einführen können. Die Unternehmer sind zu zählen, welche auch dem „vierten Stande" Rechte zuerkennen und freiwillig Einrichtungen ge schaffen haben, die den Arbeitern bei Erkrankungen und Un fällen im Dienste die Sicherheit bieten, nicht sofort und absolut brodlos zu werden. Rußland hat in den letzten Jahren «inen gewaltigen indu striellen Aufschwung genommen. Die Zahl der Fabriken ist rasch gestiegen, die Ausfuhr wächst zusehends und naturgemäß beginnt" die Arbeiterbevölkerung auch ihrerseits Rechte und Ver günstigungen zu fordern, welche sie bisher nur in geringem Maße besaß. Dieser Frage schenkt die russische Regierung seit einiger Zeit ihre Aufmerksamkeit, und namentlich wünscht der Finanz minister die Arbeiter vor Ausbeutung besser als bisher zu schützen. Auf die Anregung Herrn v. Witte's wird jetzt ein Arbeiterschuhgesrtz ausgearbeitet, welches berechtigten Forde rungen dieser großen Bevölkerungsclasse Genüge leisten soll. Aber wann dieser weit angelegt« Plan Thatfache wird, läßt sich heute noch nicht bestimmen. Vom eigentlichen Entwürfe, der die verschiedensten Instanzen durchlaufen muß, ist bisher so gut wie nichts bekannt. Russische Commissionen pflegen langsam zu arbeiten, und hier handelt es sich nicht nur um LommiffionS- beschlüsse, sondern Reichsrath und Ministercomitö müssen eben falls sprechen und ihr abschließendes Gutachten abgeben. Es können daher noch Jahre vergehen, bevor Rußland wirksame Ge setze erhält, di« die socialen Gegensätze zu mildern vermögen und namentlich den Arbeitern zu Gute kommen. Die Verhetzung der Massen nimmt inzwischen eine immer bedrohlichere Wendung an, und es besteht kein Zweifel, daß die rothe 'Internationale auch in Rußland mehr und mehr an Boden gewinnt. «Geht es so fort, so wird das Sengen und Plündern in den großen russischen Jndustrieoentren bald einen derartigen Umfang annehmen, daß die zur Verfügung stehenden Truppen kaum im Stande sein dürften, die unbotmäßigen Massen zu bewältigen, wenigstens nicht, ohne ein förmliches Blutbad anzurichten. Die Erscheinungen der jüngsten Ver gangenheit, die Erregung des Proletariats und die häufigen Ausschreitungen, auch dort, wo sonst nur Ruhe und Ordnung herrschte, sind ungemein bedrohliche Momente für die Stetigkeit des russischen Staatswesens. Wird es den leitenden Persönlich keiten Petersburgs gelingen, die Bewegung der russischen Ar beiter ebenso gewaltsam niederzuzwingen, wie die berechtigte Entwickelung der „anderssprachigen" und „andersgläubigen" Nationalitäten unterdrückt worden ist? Das ist nicht sehr wahr scheinlich. Hier treten wilde und entschlossene Massen in den Kampf, die ein glücklicheres Dasein sich erringen wollen, die nichts verlieren können und deshalb mit vollendeter Rücksichts losigkeit auf ihr Ziel losgehen. Die Arbeiterbewegung ist zu dem nicht auf einzelne Landestheile beschränkt, sondern sie er streckt sich schon heut« auf viele Provinzen und wird mit der zunehmenden Erstarkung der russischen Industrie an Einfluß wachsen und immer größere 'Bevölkerungsgruppen in ihre Kreise ziehen. Auf die Dauer ist hier mit Waffengewalt nichts aus zurichten. Nur grundlegende Reformen, ja eine vollständige Umkehr in der inneren Politik werden im Stande sein, einer drohenden Krisis in Rußland vorzubeugen, die in ihren un absehbaren Wirkungen alles Frühere in Schatten stellen könnte. Die überseeischen Stationen derkriegsmarine. Bekanntlich ist die deutsche Marine nach Maßgabe der über seeischen deutschen Interessen auf 6 überseeischen Stationen und 1 europäischen, der Mittelmeerftation, durch sogenannte Stations kreuzer (kleine Kreuzer) vertreten. Auf der australischen Station, die gegenwärtig in den Vordergrund des Interesses gerückt wird, befinden sich die kleinen Kreuzer „Falke", Eommandant Cor- vetten-Capitän Schönfelder, zur Zeit in Samoa, und „Cor- moran", Eommandant Corvetten-Eapitän Emsmann, sowie das zu Dermessungszwecken dienende Speciakschiff „Möwe", Com- mandant Corvetten-Eapitän Dunbar. Durch den Uebergang der bisher spanischen Carolinen, Palau-Inseln und Marianen oder Ladronen in deutschen Besitz gewinnt von den überseeischen Stationen der deutschen Kriegs marine die austra 1 ische eine erhöhte Bedeutung. Die australische Station erstreckt sich über den größten Theil des westlichen Stillen Oceans und umfaßt ganz Australien mit Neuseeland. Die Mehrzahl der Inselgruppen des Großen Oceans wird von ihr eingeschlossen; hervorzuheben, weil für Deutschland von besonderer Bedeutung, ist die Gruppe der Samoa-Inseln, ferner das Reichsschutzgebiet von Neu-»G-uinea mit dem Bismarck-Archipel und den Marschall-Inseln und das daran sich jetzt anschließend« Gebiet der Carolinen, Marianen und den Palauinseln. Es ist ohne Weiteres einleuchtend, daß in einem Gebiet von so ungeheurer Ausdehnung, das sich in ostwestlicher Richtung über 120 Längengrade und in nordsüdlicher über 70 Breitengrade «rfiveckt, die Vertretung eines Staates, wie das deutsche Reich, durch nur zwei Kreuzer kleinster Art als eine sehr geringfügige erscheint. Im Gebiet der australischen Station endet die Reichspostdampferlinie nach Australien, deren Fort setzung nach den Samoa- und den übrigen Inseln der Südsee durch fremdländische 'Schiffe besorgt wird. Ferner enden im Ge biete der australischen Station die Anschlußlinien an die Reichs- postdamipfer noch Ostasien, die, von Singapore ausgehend, durch den hinterindischen Archipel nach den Häfen von Neu-Guinea und des Bismarck-Archipels führen. Durch die neuen deutschen Erwerbungen im westlichen Stillen Ocean wird die deutsche Interessensphäre daselbst der ostasiatischen Küste wesentlich näher gerückt. Unmittelbar an die australisch« Station schließt sich die ost- asiatische an, die, im Norden bis zum ISO. Grade östlicher Läng« reichend, die ganze Ostküste Asiens mit Japan, den Philip pinen, den hinterindischen Archipel bis einschließlich Sumatra umfaßt. Sie reicht im Süden bis zum 10. Grade südlicher Breite. Auf ihr sind als überseeische Stationsfahrzeuge zwei Kanonenboote stationirt, und zwar das Kanonenboot „Iltis", Eommandant Corvetten-Eapitän Lans, und das auf der Ausreise nach Ostasien befindliche Kanonenboot „Jaguar", Eommandant Corvetten-Eapitän Kinderling. Räumlich ist die ostasiatische Station bei Weitem nicht so ausgedehnt wie die australische, je doch umfaßt sie dafür um so wichtigere, für den deutschen See handel und die deutsche Schifffahrt sehr bedeutungsvolle Küsten gebiete; in ihr endet die Ostasiatische Reichspostdampferlinie, deren Endstation bekanntlich Shanghai ist, von wo aus vermittelst deutscher Postdampfer «ine Verbindung mit Kiautfchau und Tientsin ftattfindet, während von Hongkong aus eine Zweiglinie der Reichspoftdampferlinie nach den japanischen Häfen bis zur Hauptstadt Tokio hinaufführt. Außerdem wird an der Küste Ostasiens von deutschen Schiffen eine außerordentlich lebhafte Küstenschifffahrt betrieben, die bei Weitem den Antheil aller anderen Nationen an der chinesischen Küstenschifffahrt überwiegt. Es sind vorwiegend Hamburger und schleswig-holsteinische Rhede- reien, die diese Küstenschifffahrt schon seit Jahrzehnten ausüben. Das Küstengebiet des afrikanischen Erdtheils ist für die Schiffe der deutschen Kriegsmarine in 2 Stationsbezirke ge trennt. Der o st afrikanische reicht vom 60. Grade östlicher Länge bis zum 20. Grad Ostlänge an der Südspitze Afrikas und umfaßt Vas Gebiet der ostafrikanischen Inseln, Madagaskar, Zanzibar u. a. Außerdem liegt in ihm das Küstengebiet der deutschen Colonie Ostafrita. Auf dieser Station befindet sich der kleine Kreuzer „Condor", Eommandant Corvetten-Eapitän von Bassel und der kleine Kreuzer „Schwalbe", Eommandant Cor- vetten-Capitän Höpner. In das Gebiet der ostafrikanischen Station führt bekanntlich die deutsche Reichspostdampferlinie nach Ostafrika mit ihren Fortsetzungen bis zu den Häfen in der Cap- colonie. Die west afrikanische Station geht vom 20. Grad Ostlängr bis zum 20. Grad westlicher Länge und reicht im Norden über die Carrarischen Inseln hinaus bis zum 30. Grade nördlicher Breite. An ihrem Küstengebiet befinden sich die drei deutschen Colonien von Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika, die bekanntlich noch nicht durch eine Reichsvostdampserlinie mit der Heimath in Verbindung stehen. Es findet aber ein sehr zahl reicher deutscher und fremdländischer Dampfschifffahrtsverkchr zwischen der Westküste Afrikas und Europas statt. Als Stations fahrzeuge befinden sich auf der westafrikanischen Station daS Kanonenboot .Habicht", Eommandant Corvetten-Eapitän Graf von Oriola und das Specialschiff ,Molf", Eommandant Cor vetten-Eapitän Weber. Der amerikanische Continent wird von 2 Stationsbezirken eingefaßt, und zwar von der ostamerikanischen Station, die von Labrador im Norden bis zum Cap Horn im Süden führt, und der we st amerikanischen Station, die einen der west amerikanischen Küste parallel laufenden Meeresstreifen vom SS. Grade nördlicher Breite bis zur Südspitze Südamerikas um faßt. Beide Stationen sind außerordentlich langgedehnt, da sie sich über das östliche bezw. westlich« Küstengebiet von fast ganz Amerika erstrecken; beide sind aber trotzdem lange Jahre hindurch auS Mangel an Stationskreuzern unbesetzt geblieben, und zur Zeit ist auch nur «in einziger Kreuzer auf der amerikanischen Station überhaupt im Dienst; es ist dies der kleine Kreuzer „Geier", Eommandant Corvetten-Eapitän Jakobsen, der bekannt« lich während des spanisch-amerikanischen Krieges den deutschen Interessen in Westindien sehr werthvolle Dienste geleistet hat. Auf der M i t t t e l m e e r st a t i o n, und zwar im Hafen von Konstantinopel stationirt befindlich ist das Stzrcialschiff „Loreley", Eommandant Capitän-Leutnant v. Levetzow. Unter den auswärtigen Stationen ist die seit langen Jahr zehnten wichtigste stets die o st a s i a t i s ch e Station mit einem größeren deutschen Geschwader besetzt gewesen, daS aus de« Heimath dorthin entsendet und stets mehrere Jahre unter all mählicher Ablösung der einzelnen Schiffe in den Gewässern unter halten wird. Gegenwärtig steht das ostasiatische Kreuzer geschwader bekanntlich unter dem Befehl des Contre-Avmiral- Prinzen Heinrich, der sechs Kreuzer unter seinem Commando vereinigt. Deutschland verfährt in dieser Hinsicht ähnlich wie die übrigen Seemächte, die mehr oder weniger starke Geschwader in den für die wirthschaftlichen Beziehungen ihrer Staaten wich tigen ostasiatischen Gebieten und der Südsee unterhalten. Es ist selbstverständlich, daß die auf den auswärtigen Stationen befindlichen Schiffe nur als Vorposten heimischer, in Conflictsfällen dorthin zu entsendender Geschwader aufzufassen sind, und daß nicht ihre eigene, specielle Gefechtskraft in die Waagschale fällt, sondern ihre Bedeutung als Sendlinge einer kräftigen heimischen Marine. Die Kraft der letzteren ist maß gebend für Vas Ansehen der von den Stationifahrzeugen in über seeischen Gebieten gezeigten deutschen Flagge. Deutsches Reich. I-. Leipzig, 9. Juni. (Der Si mplicissi»i uS-Proce ß vor dem Reichsgerichte.) DaS Landgericht Leipzig bat bekanntlich am l9. December v. 2. den Kunstmaler Theodor Heine aus Leipzig, zuletzt wolmhaft in München, wegen Beleidigung des Kaisers zu sechs Monaten Gefängmß verurtheilt, den Mitangeklagten Druckern Friedrich Augusl Max Hesse und Alwin Decker in Leipzig dagegen wegen PreßrergehenS nach H 21 dcS PreßgesctzcS je eine Geirstrafe von 30o auferlegt. Gegen Heine sind zwei Majestäts beleidigungen festgestellt, die in den Nummern 20 und 3l deS „Simplicissimns" gesunden wurden. Heine bat die incrinii- uirten Bilder gezeichnet und auch den Tert dazu geliefert. Den Druckern wurde außerdem noch daS Gedicht von Frank Wedekind (gegen den erst demnächst verbandelt werden wird) in Nr. 32 über die Meerfahrt deS Kaisers auf da- Schuldconto geschrieben. — Die Revision der Angeklagten, welche von Rechtsanwalt vr. Felix Zehme vertreten wurde, kam heute vor dem 4. Strafsenate deS Reichsgerichtes zur Verhandlung. Auf Antrag des Reichsanwaltes wurde für die Dauer der Verhandlung die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. DaS Urtheil lautet- auf Verwerfung der Revision. /S. Berlin, 9. Juni. (Herr Richter als verlassen« Ariadne.) Es vergebt kein Tag, ohne daß die „Frei sinnige Zeitung" die Werthlosigkeit der neuesten deutschen Erwerbung darzuthun sich bemühte. Herr Richter ver schmäht dabei sogar nicht eine Anleihe bei dem von ihm bekanntlich so verehrten Fürsten Bismarck, der im Jabre 1887 die Karolinen eine „Lumperei" genannt habe. Herr Richter bemüht sich dann, weiter darzuthun, daß die Karolinen heute noch viel werthloser feien, als zur Zeit drs Bismarck'schen Ausspruches, denn damals hätten zwei deutsche Handlungshäuser auf den Karolinen existirt, heute aber be stehe nur noch eins. Es wäre ein LrickteS, die Scheingründe der „Freisinnigen Zeitung" zu widerlegen, wir halten es aber für wirkungsvoller, hier an Stelle einer Widerlegung einige Abschnitte des Artikels eines Blattes zu citirrn, das Herrn Richter parteipolitisch sehr nabe steht. In einem Artikel über die „Erwerbung in der Süds«" schreibt die „Vossische Zeitung" u. A.: „Es geht eine leise Ahnung durch die Welt, daß wir in einem Zeitabschnitte leben, bei welchem die Geschichtschreibung späterer Lope Le Vega. Don vr. Max Mendheim. Um die Wend« des 16. Jahrhunderts lebten und schrieben zwei Bühnendichter, wie sie die Welt seitdem nicht wieder ge sehen, hat der Eine, William Shakespeare, im Norden, auf dem britischen Jnselreiche, der Andere, Lope Felix de Vega Earp io, in Spanien, dem Sitze der Habsburgischen Welt monarchie. Und was daS Merkwürdige ist. Beide haben später in ihrem Ansehen, in ihrer Stellung in der Weltliteratur so ziemlich dasselbe Schicksal gehabt, wie di« Reiche, denen sie an gehörten, in der Geschichte. Zu ihren Lebzeiten haben ja Beide großen Ruhm genossen, den größten allerdings Lope de Bega, wie denn auch sein Vaterland damals die bedeutendere Stellung unter den europäischen Reichen einnahm; und wie dessen Macht, so war auch sein Einfluß zunächst der weitergehende und nach haltigere. Aber im Laufe der Jahrhunderte änderte sich daS gewaltig. Spanien» Weltmacht ging immer mehr in Stücken, sein Einfluß im Concert der Völker nahm immer mehr ab, und heute ist rs fast zu einem Staate zweiten, wenn nicht dritten Ranges gesunken, der sich im Innern kaum noch zu hatten vermag und nach außen eine wenig beachtet« Rolle spielt, während da» britisch« Reich nicht nur räumlich da» größte der Erde geworden ist, sondern auch überall die eigentlich herrschende Macht ist und sehr oft den LuSschlag giebt im Rathe der Völker, wenigsten» wo e» sich um internationale Verhältnisse handelt. Und diese Wandlung im äußeren Ansehen haben auch jene beiden zeit genössischen Dichter durchgemacht. Während Shakespeare im Laufe des 18. Jahrhunderts erst in seinem Vaterland? und dann Lis in unser« Tage hinein in der ganzen Wett zu dem gefeiertsten Dramatiker geworden ist, in Lope de. Vega'» Ruhm immer mehr gesunken und verblaßt, und heute ist das „Wunder des Erd kreises, die Glorie der Nation, der Glanz des Vaterlandes, daS Orakel der Sprache, der Mittelpunkt des Ruhms, der Gegenstand des Neides, der Geliebte des Glückes, der Phönix der Jahr hunderte, der Fürst der Verse, Homer der heroischen, Pindar der lyrischen, Sophokles der tragischen, Terenz der komischen Dichter", wie ihn sein phantastischer Biograph Montalban einst genannt hat, fast vergessen, kaum noch von Literarhistorikern gekannt, auf der Bühne so gut wie ausgestorben, indeß der „Ruhm jenes Univerfalkopfes von einem Pole zum andern fliegt". Und was das heißen will, wird erst klar, wenn man bedenkt, daß bei seinem Tode „mehr al» 100 allein italienische Dichter — nicht zu gedenken der spanischen Reimer — das Hinscheiden diese» Phönix in Oden, Sonetten, Canzonen, Hymnen und allen erdenk lichen kunstgerechten und formlosen Gesängen besangen und sein dramatischer Nachlaß, der gewiß nicht vollständig auf uns ge kommen ist, reicher ist als die gesammte dramatische Verlassen schaft einer ganzen Blütheperiode irgend eines anderen Volke« — das spanische allein ausgenommen". Und doch vergessen! Shakespeare aber noch heute lebendig auf allen Bühnen der Welt! Ueber Shakespeares Leben, da» zum Theil genau so dunkel vor uns liegt wie da» Lope de Vega'», ist eine schier unendliche Fluth von Schriften, seine Werke sind vielhundertfach edirt, übersetzt, bearbeitet und commentirt, durchforscht und zum Gegenstände deS lebhaftesten Streite» der Philologen, Literar historiker, Philosophen, Theologen, Juristen, Naturforscher und Aerztr geworden, Lope de» Vega'» Werke nur sehr unvollkommen und dürftig herausgegeben, nur wenig übersetzt und behandelt, über sein Leben kaum ein paar Bücher erschienen, die höchsten» den Romanisten von Fach näher bekannt sind. Wie wenig diese Vernachlässigung gerechtfertigt, wie inter essant seine Lebensgeschichte ist, wie einflußreich s-in Wirken auf sein« Zeitgenossen des In- und Auslandes war und in gewisser Beziehung noch ist — hat doch neben Anderen Grillparzer dem Studium Lope's außerordentlich viel zu danken —, das zeigt uns jetzt ein vor Kurzem erschienenes, hochinteressantes, lehrreiches und auf den besten Quellen fußendes Werk*), aus dessen klarem, knappem, und doch überaus reichem Inhalt hier Einiges mit- g«kh«ilt sei. Lope Felix de Vega Carpio, geboren am 25. November 1562 zu Madrid, gestorben ebendaselbst am 27. August 1635 nach ganz kurzem Krankenlager, war von einer Fruchtbarkeit, wie sie wohl in der ganzen Weltliteratur nicht zum zweiten Mrle zu finden ist. Die Zahl seiner Komödien wird auf mehr als 1500 ge schätzt — einige seiner Biographen geben sogar 1800 an, die alle aufgeführt worden seien —, von denen uns, die Manu- script« der ungedruckten Wit eingerechnet, etwa 4S0 erhalten sind; dazu kommen noch ca. 400 Autos Sakramentale», das sind geistliche Dramen, die an bestimmten religiösen Festen öffentlich, meist mit Processionen, aufgeführt wurden, zwei Epopöen, fünf mythologische Gedichte, vier größere historische Gedichte, ein komisches Heldengedicht, mehrere beschreibende und didaktische Gedichte, eine große Zahl von Sonetten, Romanzen, Oden, Elegien, Episteln u. s. w., sowie mehrere andere Werke in Versen und in Prosa, Romane und Novellen, kurzum eine Fülle von Dichtungen aus allen Gebieten der Poesie, wie sie leicht kein zweiter Dichter aufzuweisen haben wird. Diese schier un glaubliche Fruchtbarkeit ist aber auch nur aus der nicht minder fabelhaften Geschwindigkeit zu erklären, mit der Lope producirte; berichtet er doch selbst, daß mehr al» 100 seiner Komödien in 24 Stunden au» seinem Geiste auf die Bühne gingen. Mont alban, sein Biograph, erzählt zum Beweis für die Schnelligkeit, mit der Lope arbeitete, die Entstehung einer Komödie, die Beide gemeinschaftlich im Auftrage eines Theaterdirector» schrieben. Er sagt: „Lope nahm den ersten Act auf sich, ich den zweiten. Diese schrieben wir an einem Tage. Vom dritten schrieb jeder acht Blätter, und da schlechtes Wetter war, blieb ich jene Nacht in seinem Hause. Da ich einsah, daß ich ihm in der Schnellig- ") Lope de Deqa nnd seine Komödien. Bon Wolfgang von Wurzbach Mit Porträt. Leipzig. Verlag von vr. Trete L Co. I8SS. Prei» 4 4l leit nicht gleichkommen konnte, wollte ich es ihm wenigstens im Fleiße gleich thun, und um dies zu erreichen, stand ich um zwei Uhr des Morgens auf und war um elf Uhr mit meinem Theile fertig. Ich ging nun, ihn zu suchen, und fand ihn in seinem Garten, eifrig mit einem Pomeranzenbaum beschäftigt, der dem Erfrieren nahe war. Als ich ihn fragte, wie es mit dem Dichten ginge, antwortete er mir: „Ich begann um fünf Ubr zu schreiben, aber ich bin schon seit einer Stunde mit dem Act fertig, frühstückte eine Speckschwarte, schrieb einen Brief in 50 TercetoS und begoß den ganzen Garten, was mich nicht wenig müde gemacht hat."" Diese ungeheure Schnelligkeit im Produciren selbst größerer Dichtungen ist aber wiederum nur möglich durch die überaus große Gewandtheit, mit der Lope de Vega die Sprache beherrschte. In der Mannigfaltigkeit der metrischen Formen übertriff! er Cakdcron; dabei ist der Stil seiner Komödien ein anmuthiger, heiterer, doch gelingen ihm, sagt sein neuester Biograph, die. Prunkhaften Thronreden der Monarchen nicht minder gut als die zärtlichen Zwiegespräche der Liebenden. Dabei versäumte es Lope als echter Spanier bei keiner Gelegenheit, sein Vaterland zu rühmen, seine wirklichen oder vermeintlichen Vorzüge vor andern Länder hervorzuheben, seine Bewohner vor jenen anderer Staaten auszuzeichnen, ihnen aber gelegentlich auch ihre Fehler recht deutlich unter die Ncrse zu reiben. Und obwohl in seinen Stücken oft die delikatesten Situationen Vorkommen, sind sie doch weder lasciv noch roh. Natürlich muß man fich häufig ge nug in die Sitten und Anschauungen jener Zeit hineindenken, um keinen Anstoß daran zu nehmen, daß oft Dinge, die wir heut' zutage ,'n der guten Gesellschaft au» unseren Gesprächen möglichst fern halten, wie z. B. die niedlichen Thierchen Laus uckd Floh, ganz ungenirt sich in dar Spiel der Hekdrn und der Liebenden mischen können. Die Charaktere seiner Komödien entnimmt Lope allen Ständen; Edelleut« und Bauern, Kaufleute und Priester, alle si^d mit derselben Meisterschaft gezeichnet. Die Frauen legen bei ihm in der Liebe eine weit heftigere Leiden schaft an den Tag als di« Männer. Sie lassen kein Mitt«l un-
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