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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990610026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarts. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabr: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expeditim» zu richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig, 281. Sonnabend den 10. Juni 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Juni. Der Reichstag hat gestern einen tüchtigen Schritt vor wärts gethan. Zunächst wurde die JnvalivitätSnovelle in zweiter Lesung ohne erhebliche Debatte erledigt. Nachdem die Bestimmungen über die Schutzvorschrifteu der Ver sicherungsanstalten auS dem Gesetz entfernt sind, wird die Berathung in dritter Lesung nur noch bei den Puncten, welche die Ausdehnung der freiwilligen Versicherung bis zu Ein kommen von 3000 und weiterhin daS eigene VersickeruugS- recht der KnappschastSvereine betreffen, eine lebhaftere Färbung erhalten. Der Rest der zweiten Lesung hätte noch rascher erledigt werten können, als es geschah, wenn nicht von socialdemo kratischer Seite der Versuch gemacht worden wäre, durch Angliederung eines besonderen neuen Artikels in die Gesetzes vorlage gewisse Reformen auch des Kranken-Vcrsicherungs- GesetzeS gleich vorwegzunebmcn. Tie Absicht der Social demokraten hierbei ging namentlich dabin, auch die land- und forstwirtbschastlichen Arbeiter kraukeuversicbernngSpflichtig zu machen, die Careuzzeit zu beseitigen, die Vcrpflichtungsdauer der Krankcucassen von l3 auf 26 Wochen auszndcbnen und den der Rcntenberechnung zu Grunde zu legenden Mindestsatz deS orts üblichen TagclohncS auf anderthalb Mark zu normiren. Der Ver such mißlang, weil selbst Freunde dieser Reformen unter den anderen Parteien deS Hauses von einer solchen Verquickung von Jnvaliditäts- nnd Krankenversicheryngö-Gesetzen nichts wissen wollten. Dem Präsidenten erschien es daher anfänglich sogar fraglich, ob er die Beratbnng eines solchen Annexes zur Jnvalititäts-VersicheruugS-Vorlage überhaupt zuzulassen habe. Der Antrag wurde, wie gesagt, abgelehnt, nachdem er zu einem stellenweise sebr erheiternden Wortgefechte zwischen socialdemo kratischen Rednern und demAbg. Grasen Kl in kow ström über Arbeiterwohnnngcu und Arbeiterbchandlung ans dem Lande ge führt batte. Angenommen dagegen wurde derCommissionSanlrag auf Vorlegung einer KrankenversichcrungSnovelle, dem ein Versprechen der Regierung bereits entgegcngekommen ist; be zweckt wird besonders die Beseitigung der Carenzzeit. Weitere Anträge auf Einführung der Witlwen- und Waisen versicherung wurden bis zur dritten Lesung zurückgestellt. Im Handumdrehen wurden dann die zweite Berathung deS Gesetzentwurfs» betreffend die Unterstützung von Veteranen :c.» die zweite Lesung der Vorlage über die Gebühren auf dem Kaiser-Wilhelm-Canal, die dritte Beratbnng deS Gesetzentwurfs über daS Flaggen- recht der Kauffahrteischiffe erledigt und dann noch über einige Wahl Prüfung en Beschluß gefaßt. Unter Anderem auch über das Mandat deS antisemitischen Ab geordneten Lotze im Wahlkreise Pirna. Sein Freund und Gesinnungsgenosse Liebermann v. Sonnenberg setzte alle Hebel an, um die Cassirung deS Lotze'schen Mandats, die von der Commission beantragt war, zu verhindern. Aber Herr v. Liebermann hatte gestern kein Glück. Sein Wunsch, diese Wahlprüsungsfrage ganz von der Tagesordnung abzusetzen, fand keine Gegenliebe und auch sein Antrag, den Gegenstand auS mühsam zusainmengcsuchten Gründen an die Commission zurückzuverweiscn, wurde nach heißer Debatte abgelehnt, lind als er dann die Cassirung deS Mandats Lotze durch eine schon vorher von ihm angedrohte Anzweiflung der Beschlußfähigkeit verhindern wollte, da hatte er das Unglück, mit seinem Zweifel zu spät zu kommen, indem daS HauS schon in die Abstimmungen, deren mehrere nvthig waren, eingetrctcn war. In Pirna wird man also zu einer Neuwahl schreiten müssen. Heute fällt die Sitzung auS. Am Montag soll an die dritte Lesung der Vorlage über die Ge bühren auf dem Kaiser Wilhelm-Canal die zweite Berathung des Nachtragsctatö und des Hypothekenbankgesetzes sich an schließen. Im prcutzlschcn Abgcordnctenhanse ist gestern die erste Lesung deS Communalwahlgesctzes überraschend schnell und ruhig erledigt worden. Die schwerwiegenden Bedenken, die besonders von der liberalen rheinischen Presse gegen die Vorlage geltend gemacht worden waren, wurden nur vom Abg. Vorster berührt. Vielleicht kommt daS daher, baß die rheinischen Canalfanatiker die Annahme der Mittelland canal v o r l a g e für gesichert halten und dafür eine Steigerung deS ultramontanen Einslnsses in den rheinischen Städten in den Kauf nehmen; vielleicht ist cS darauf zurückzuführen, daß ein in der Presse bereits angedeuteter und gestern von Rednern verschiedener Parteien ausgenommen« Vorschlag, den Gemeinden die Mitwirkung bei der Bildung der Ab- theilungen zu verstatten, zur Verminderung der Besorgnisse beiträgt. Finauzminister vr. v. Miquel, der sich mit dem Minister deS Innern in die Vertretung der Vorlage tbeilte, bat gegen diesen Vorschlag keinen grundsätzlichen Wider spruch eingelegt, wenn er auch hcrvorhob, daß das Staats ministerium einer derartigen Abänderung der Vorlage noch nicht nahe getreten sei. Wohl aber würde sie, wie die Aus lassungen deS CcntrumsrednerS erkennen ließen, mit dem ent schiedenen Widerspruche des CentrumS zu rechnen haben. Er war auch der Einzige, der rückhaltlos seiner Freude über die Vorlage Ausdruck gab und damit verrieth, wem sie den meisten Vortheil verspricht. ES fragt sich nun, ob es in der Commission gelingt, trotz der Wünsche des CentrumS den Entwurf so abzuändcrn, daß er den Charakter einer Hätsche lung deS Klerikalismus wenigstens einigermaßen einbüßt. — In der vorgestrigen Sitzung nahmen sich die nationalliberalen Abgg. Hausmann und KaselowSki besonders lebhaft deS conjervativen Antrags, betr. die Fürsorge für Arbeits lose, an. Das ist um so mehr zu begrüßen, als seit der Vorlegung des Gesetzentwurfs über die Verpflegungs stationen vom Jahre 1885 auf diesem Gebiet socialpolitischer Fürsorge in Preußen nichts geschehen ist. Wie nothwcndig aber daS Eingreifen der Gesetzgebung in der gedachten Richtung ist, geht aus zwei Thatsachen mit genügender Deutlichkeit hervor. Einmal betrug die Zahl der von den deutschen Verpflegungsstationen im vorigen Jahre gewährten Nachtquartiere, wie am 19. April d. I. auf der Jahres versammlung deS Gesammtverbandes deutscher Verpflegungs stationen mitgetheilt wurde, 1617 382; sodann umfaßte der Gesammtverband im deutschen Reiche 1898 nur noch 1l50 VerpflcgungSstationen gegen 1957 im Jahrs 1890. Trotz deS Rückgangs der Vcrpflegungsstationcn, wie er auS den vorstehenden Zahlen sich ergiebt, und trotz der günstigen Arbeitsverhältniffe stellen die 1 617 382 im Jahre 1898 gewährten Nachtquartiere eine beträchtliche Leistung dar, zumal wenn man sich erinnert, daß die im Jahre 1890 so viel zahlreicheren Verpflegungsstationen im genannten Jahre 1 936 091 Nachtquartiere gewährten. Kann dem nach über das Bedürfniß nach Verpflegungöstationen kein Zweifel bestehen, so ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht minder klar, daß die Sache dieser Stationen auf dem Wege der Freiwilligkeit, ohne Unterstützung durch den Staat, dem sicheren Verfall entgegengcht. Vor Allem in Preußen sind die Verpflegungs stationen sehr zurückgegangen. 1892/93 bestanden in 362 von den 545 Kreisen der Monarchie und in einem Hohenzollern- schen Oberamtsbezirk 897 Verpflegungsstationen, deren von den Kreisen getragener Gesammtkostenaufwand 1 300 000 betrug. Die Absicht der Arbeitsvermittlung führte dazu, die Stationen so zu legen, daß der Strom der Wanderer dahin gelenkt wurde, wo ein Bedarf an Arbeitskräften zu erwarten stand. Infolgedessen vermehrten sich in manchen Kreisen die Stationsgäste und damit die Kosten sehr erheblich, während andere, mehr abseits gelegene Kreise wesentlich entlastet wurden. Dies Mißverhältniß wird dann besonders fühlbar, wenn infolge ungünstiger wirthschaftlicher Zustände die Zahl der arbeitsuchenden Wanderer zunimmt. Unter solchen Um ständen haben sich die preußischen Kreise in der Zeit von 1892 bis Frühjahr 1895 dazu entschlossen, 153 Stationen aufzuheben; seitdem sind noch mehr Verpflegungsstationen cingegangen. Der Gesetzentwurf über die Verpflegungsstationen, der am 4. Mai 1895 im Abgeordnetenbause zur ersten Berathung gelangte, suchte die Sache der Verpflegungsstationen dadurch aufrecht zu erhalten, daß er die Kreise zur Einrichtung der Stationen verpflichtete; nur die Hälfte der ihnen daraus erwachsenden Kosten sollte von dem Provinzial- verbande ersetzt werden, der außerdem eine Er höhung der den Kreisen zu erstattenden Kosten be schließen durste. DaS Abgeordnetenhaus beschloß aber, daß der Staat ein Drittel dec Koste» für die Stationen tragen solle. Da die Regierung diesen Beschluß für unannehmbar erklärte, das Abgeordnetenhaus dagegen den Negierungs entwurf ablehnte, ist damals nichts zu Stande gekommen. Daß jetzt die vom Abgeordnetenhause beschlossene Commissions- berathung des conservativen Antrags ein positives Ergebniß haben wcrve, muß nach den Erklärungen deS Ministerial direktors Bitter leider bezweifelt werden. Die preußische Regierung scheint über Erwägungen noch nicht binauS- gekommen zu sein. ES ist aber dringend zu wünschen, daß eö bei den platonischen Sympathien, die Ministerial direktor Bitter dem conservativen Anträge entgegenbrachte, nicht sein Bewenden bat. Es ist unmöglich, daS unbedingte Bettelverbot des H 361 des Strafgesetzbuches festzuhalten und durchzuführen, wenn nicht verhindert wird, daß fort während Tausende in die Zwangslage kommen, zu betteln. Die theoretische Fürsorge des 8 28 des UnterstützungSwohn- sitzgesetzeS ist den mittellosen Wanderern gegenüber praktisch nicht von Bedeutung. Ueber die angeblichen Absichten Deutschlands auf Fer nando Po wird der „Kölnischen Zeitung- aus Madrid mitgetheilt: Der „Liberal" deröffentlicht ein Telegramm aus Barcelona, in welchem behauptet wird, eine von der deutschen Regierung ernannte Commission sei auf der Insel Fernando Po, um den Werth dieser Insel abzuschätzen, üb« deren Berkaus an Deutschland Ver handlungen schweben. Laut Erkundigungen, die ich an zuver lässiger Stelle eingezogen habe, ist diese Nachricht durchaus falsch. Spanien denkt nicht an einen Verkauf seiner afrikanischen Besitzungen. Es handelt sich wahrscheinlich um PrivatverhanL- lungen wegen einiger Pflanzungen. Die „Kölnische Zeitung" bemerkt ihrerseits dazu: Man hat erst seit einigen Jahren auf der Insel mit der An- legung von Pflanzungen begonnen, und zwar haben die Erfolge mit den Cacaopslanzungen an den Abhängen des Kamerungebirges den Anstoß dazu gegeben. Es mag auch der Umstand, daß der von der Reichsregierung zu wissenschaftlichen Forschungen nach den spanischen und portugiesischen Inseln gesandte vr. Esch sich auf Fernando Po aufgehalten hat, Anlaß zu dem vom „Liberal" ver zeichneten Gerücht gegeben haben. Nachdem vr. Esch seine um fassenden Forschungen in der Gegend des Kamerungebirges beendet hatte, verließ er unsere Colonie, um von den Inseln zunächst Fernando Po zu berühren. Es muß ihm daran gelegen sein, den unstreitig vorhanden gewesenen Zusammenhang dieser Insel mit dem Festlande zu erforschen, vr. Esch muß übrigens bald nach Europa zurücklchren. In colonialpolitischen Kreisen weiß man sich zu erinnern, daß die Insel Fernando Po von Spanien vor mehr als 20 Jahren dem deutschen Reiche zum Kaufe angeboten worden ist, daß daS Angebot jedocb dankend abgelehnt wurde. Deutsch land hat daS Recht, auf Fernando Po eine Kohlenstation zu errichten, hat aber keinen Gebrauch davon gemacht. Alles daS — auch das Madrider Dementi — schließt noch nicht auS, daß deutscherseits di« Absicht besteht, die werthvolle Insel zu erwerben. Wenn auch noch keine Verhandlungen schweben, so kann die spanische Regierung doch von Berlin auö wegen deS Ankaufs sondirt worden sein. Auch die Ver handlungen wegen der Carolineninseln wurde wiederholt ofsiciöS abgeleugnet. Der Vice-König Tschang-Tschich-Tung hat, wie gemeldet, die „deutsche Fr«ge in Lchantttng" aufgeworfen. Er hat eine» beweglichen Schreibebrief nach Peking gerichtet, in welchem er das deutsche Gespenst an die Wand malt, die Deutschen als die eigentlichen Landräuber in China denuncirt und von ihnen einen großen Schaden für das Ansehen der Krone Voraussicht. Offenbar ist dem würdigen Herrn der Schreck über die deutsche Art in die Glieder gefahren, mit welcher unser bisheriger Gesandter Baron Heyking, nicht die Integrität deS Reiches bedroht, wohl aber in der Lotterwirthschast Wandel geschaffen hat, welche er in Schantung vorfand. In einer Meldung deS Vertreters deS Neuter'schen Bureaus in Peking — eine in diesem Falle sehr unverdächtige Quelle — heißt cS über Baron Heyking: „Daran kann nicht ge zweifelt werden, daß die Politik, die er gegenüber den Chinesen befolgt hat, von gründlichster Wirksamkeit gewesen ist. Die deutsche Negierung scheint mit ihrer hiesigen Vertretung die erste gewesen zu sein, die erkannte, daß China aufgehört hat, als Nation zu cxistiren. Der riesige grüne Tisch, die prah lerischen Titel und die thörichte Selbstüberhebung der Chinesen wurden alle von Baron Heyking auf ihren inneren Werth abgeschätzt. Schroff unterdrückte er das System deS unauf richtigen Spiels mit leeren Vertröstungen, daS im Orient zu solch hoher Vollkommenheit gediehen ist, und bestand zu jeder zeit auf einen, sofortigen „Ja" oder „Nein". Mit seinem System gingen die Verhandlungen so glatt wie nur möglich vor sich, und die Chinesen gelangten zur Einsicht, daß es nutzlos sei. ihre altbewährte Taktik der Verzögerung am deutschen Gesandten zu probiren. Er hinterläßt zu Peking den Ruf eines vortrefflichen Diplomaten." Zur Streitfrage auf tknba wird uns aus Madrid berichtet: Nach den neueste» auS Havanna eingetroffenen Drahtmcldungen ist die Lage auf Cuba folgende: Die Junta der ehemaligen cubanischen AufstandSarmee hat dem nordamerikanischen Gouverneur General Brocke eine längere, in sehr bestimmtem Tone gehaltene Denkschrift übersandt, in welcher sie ihre Forderungen mit großer Klarheit darlegt. Die Junta erklärt, sie babe den zwischen Maximo Gomez und dem Unterhändler Porter abgeschlossenen Vertrag über die Auslieferung der cubanischen Waffen niemals anerkannt. Sie wolle sich jedoch, um der Insel endlich Frieden zu schaffen, auf den Boden dieses Vertrages stellen,falls sich die Nord amerikaner zu einer loyalen Innehaltung desselben verpflichten würden. In dem Vertrage aber heiße cS, die Waffen der Cubancr seien au die von der Regierung der Bereinigten Staaten auf der Insel eingesetzten oder bestätigten Behörden abzuliefern. Hierunter könnten jedoch nur Civil- behörden verstanden sein, und zwar solche, welche auf Grund einer verfassungsmäßigen Ordnung ernannt seien. Augenblicklich aber beständen derartige Behörden noch nicht; nur in Havanna und Santiago sei eine vorläufige militärische Verwaltung eingesetzt, deren Machtbereich jedoch nicht über das Weichbild der Stadt hinauSreiche. Die Junta verlange daher zunächst die bindende Verpflichtung, daß binnen zwei Monaicn in allen Bezirken der Insel örtliche Behörden und Mnuicipalvertretungen ein gesetzt werden, wobei den Eingeborenen unter allen Umständen zwei Drittel aller Bcamtenstellen einzuräumen seien.. Sobald diese Behörden endgillig in Thätigkeit getreten, würden dir Cubaner in den einzelnen Bezirken die Waffen abliefern; Feuilleton. Äußer Diensten. Lös Roman von Ernst Wichert. Nachdruck verbct u. Ottomar sprang auf. „Ich?" „Bleibe da ganz ruhig, wo Du bist. Ich verrathe Dich nicht. Und auch von dem gnädigen Herrn hast Du nichts zu befürchten. Wer ich hoffe, daß Du wenigstens nicht so jämmerlich bist, mir etwas vorzulügen." „Ich — ich?" rief er. ,Mi« kommst Du darauf? Also auch daS noch." Er krampft« die Hände zusammen. „Nein, das ist doch zu toll. Mir so etwas auf den Kopf zu sagen!" „Habe Dich nur nicht so. Es hat doch zwischen Dir und dem Freiherrn in der Försterei Streit gegeben." „Streit? Ich wüßte nicht. Mr waren verschiedener Meinung — Deinetwegen. Er wollte mich übfchieben, und ich hatte keine Neigung, mir das gefallen zu taffen." „Ntun also." „Untd weil ich merkte, daß mir Vas Blut kochte und herbe Worte vermeiden wollte, ging ich fort." „Ja, und lauertest ihm nicht weit von der Försterei auf." „Pfui, wenn ich so etwas auch nur in Gedanken... Ich will nicht selig werden, wenn ich das gethan habe." Gmma belegte sich vor. Der strenge Zug von ihrem Gesichte schwand plötzlich und dir Augen leuchteten freundlicher. „Du hast nicht geschossen, Ottomar?" fragte sie wie erleichtert. „Gewiß nicht. Wie kannst Du mir das nur zutrauen. Und er glaubt'» wohl auch?" „Natürlich." ,-AH, das ist zu arg. Ich habe mein Gewehr unabgcschossen nach Hause gebracht. Frag' den Vater." „Du könntest es wieder geladen haben." Sie bkickte finster zur Erde. „Nein, auf Dein Wort verlasse ich mich nicht. Wenn Einer so rachsüchtig ist . . . Du hast gedroht. „Ja, wie man so in der Wuth . . ." „Und dann thut man's auch in der Wukh." „Nein — das wäre eine Schurkerei. Emma, Du solltest mich doch besser kennen. Daß ich aus Eifersucht ganz wilo war, da- mtuß ich ja bekennen, und daß ich Dir gut bin trotz Allem . . ." „Was, trotz Allem?" „Lassen wir das, lassen wir das. Ich will's vergessen." Er kaute die Lippen und schlug von Zeit zu Zeit mit der Hand auf sein Knie. „Ich möchte Dir ja so gern glauben, Ottomar", sagte sie nach einer Weile unschlüssig. „Aber es spricht so viel gegen Dich. Wenn Du nur irgend einen Beweis hättest . . ." „Den hätt' ich allenfalls", antwortete er. „Unten an den Lärchen — 's ist eine gute Stunde von der Försterei — hab' ich den Schuft, den Becker getroffen und angerufen. Er ging aber auf dem Wege nach dem Dorf und hatte auch kein Gewehr bei sich, deshalb mußt' ich ihn laufen lassen. Wir haben mit einander gesprochen, daher weiß er, daß ich's gewesen bin." „So muß er Dir's bezeugen." „Gewiß, wenn die Sache vor Gericht kommt." „Sie kommt aber nicht vor Gericht. Der Herr Freiherr wird nicht wollen . . ." „So bring' ich sie dahin." „Das laß bleiben. Wenn es bekannt wird, welchen Grund Du gehabt haben sollst ... Du kannst Dir wohl denken, daß dann Alles zu Ende ist." „Aber es ist mir nun Ehrensache, Dich zu überzeugen —" „Schaff' mir den Becker zur Stelle", fiel Emma rasch ein. „Er soll's vor Zeugen bestätigen. Ich will den Herrn Doctor von Jungenheim bitten, daß er zugegen ist. Der weiß ja doch von Allem." Ottomar stand auf. „Und wenn das seine Richtigkeit hat, Emma —" „Dann wollen wir weiter sehen. Geh jetzt." „Und giebst Du mir nicht die Hand?" „Nein, — noch nicht." „Auf Wiedersehen dann!" Er stürmte fort. Gleich nachdem er in der Försterei Mittag gegessen hatte, begab er sich ins Dorf, Becker aufzusuchen. Er traf ihn aber in dem Hause, in dem er seine Schlafstelle haben sollte, nicht an. Das alte Weib, das ihn beherbergt hatte, sagte, er sei früh Morgens fortgegangen und hätte auch seine Habselig keiten mitgenommen. Er habe sie ausgelohnt uns geäußert, daß er gar nicht mehr wiederkommen werde; er gehe nach Amerika. Das wußte auch ein anderer Schlafsteller, der schwarze Huber, der sein guter Freund war. Es hätt' ihm auf den Nägeln ge brannt, meinte der, seit der Förster ihn an der Gurgel gehabt und dem Gericht angczeigt; eine schwere Strafe wär doch un vermeidlich gewesen, der hätt' er sich wahrscheinlich entziehen wollen. Randolf trat unwillig mit dem Fuß auf. Er werde ein Fuhrwerk nehmen und ihm nachsetzen, so weit könne der Mensch noch nicht sein. Huber lachte. Der gehe wohl auch auf der offenen Landstraße! Wenn er sich nicht finden lassen wolle, werde man ihn nicht finden. Es sei noch nicht 'mal gewiß, welche Richtung er eingeschlagen habe. Er hatte recht. Es blieb nichts übrig, als dem Gerichte An zeige zu machen, daß er vor der Strafe geflüchtet sei. Dann würde wohl ein Steckbrief hinter ihm erlassen werden: Aber das brauchte Zeit, und ob man ihn aufgreifen würde, stand dahin. Ottomar kehrte in verzweifelter Stimmung nach der Försterei zurück. Am Abend ging er wieder aufs Schloß und ließ durch den alten Berner Emma zu sich bitten. Sie erschien auch. „Nun, kommst Du allein?" fragte sie. Er berichtete, wie es ihm gegangen sei. „Das ist ja ein sehr merkwürdiger Zufall", meinte sie und entfernte sich gleich wieder. — Am dritten Tage kam eine Depesche von Westerland-Sylt. Frau von Jttenüorn wollte mit dem nächsten Dampfboot ab reisen und ohne Aufenthalt nach Hause zurückkehren. Sie er bat umgehend Telegramm, wie es dem Kranken gehe. Jungen heim konnte sie beruhigen. Das Fieber war schwach und die Wunden zeigten kein bedenkliches Aussehen. Auch die Schmerzen waren erträglich. Er schrieb das Telegramm am Krankenbett und gab es dem Boten gleich mit. Dann nahm er davon Anlaß, mit dem Frei herrn die Wahlangelegcnheit zu besprechen. Er meinte, auch bei günstigstem Verlauf des Heilungsprocesses würden immerhin Wochen vergehen, bis der Freiherr wieder Geschäfte übernehmen könn«, die aufregender Art feien. Er fühle sich deshalb hier zur Zeit überflüssig und bitte um d'i Erlaubniß, nach BerU" zurück kehren zu dürf-n, wo er nötlsig gebraucht wervc. Künftig steh: er wieder zu Diensten. Zunächst müsse man alle Mühe auf wenden, durch die Presse auf oie Wahl günstig einzuwirken, da der Candidat sich in Wahlversammlungen nicht mehr werde prä- sentiren können. Er wünschte, schon vor dem Eintreffen der Frau von Jiten- born und der Töchter abgereist zu sein, um Irmgard nicht mehr zu sehen. Das verschwieg er ober. Der Freiherr schien eine Weile zu überlegen. Dann nahm er seine Hanlo und sagte mit ruhiger Abwägung jedes Worte-: „Mein lieber junger Freund, täuschen wir uns nicht über die Folgen dieses Zwischenfalles. Ich will's ununtcrsucht lassen, ob meine Sache vorher gut stand. Wahrscheinlich hatte ich vielen meiner noch keineswegs festen Anhänger durch mein Verhalten bei der großen Wahlversammlung wenn nicht Aergcrnih, so doch Bedenken erregt. Jedenfalls bin ich jetzt gänzlich außer Stande, die Scharte bis zum Wahltermin auszuwehen. Es scheint daher nur eine Sache der Klugheit, freiwillig zurückzutrcten und cs nicht auf eine Niederlage ankommen zu lassen, die mir — ich kann 'das nicht verschweigen — aus mehr als einem Grunde etwas sehr Verdrießliches hätte. 'Mine Stellung, nicht nur in der Oeffentlichkeit, sondern auch — Dir kann ich es ja ver trauensvoll sagen — hier in meinem Haicke würde dadurch unter graben." Jung-enheim erhob Einwendungen, wenn auch nicht sehr nach drückliche. Es sei noch keineswegs sicher, daß die Aussichten sich verschlechtert hätte». Bei seiner Abneigung, sich öffentlich hören zu lassen, dürfte es gerade von Vortheil sein, sich auf die Un möglichkeit des Auftretens ohne eigene Verschuldung berufen zu können. Jttenborn ließ sich dadurch nicht umstimmen. „Es waren mir ohnedies schon schwere Zweifel gekommen, ob ich wirklich der ge- eignete Mann für diese politische Action sei. Nein, nein, ganz aufrichtig und ohne falsche Bescheidenheit. Ich besitze so viel Selbsterkenntnis!, um wenigstens zu prüfen, Pb mir behaglich zu Muthe ist, wenn ich mich cmf den Kopf stelle. Es kann Jemand ein ganz kluger und leidlich gebildeter Mensch und sogar ein recht brauchbarer Minister gewesen sein, ohne sich für eine Partei rolle in großem Stil zu eignen. Und es klebt mir nun einmal allerhand an, was mir diese Thätigkeit erschwert und bald ver-
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