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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990613014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-13
- Monat1899-06
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Die strengen Bestimmungen dieses Gesetzes, das sich also nur auf Personen, nicht aber auch auf Sachen bezieht, sind zwar später durch die Unfallversiche rungsgesetze hinsichtlich der Unfälle von Betriebsbeamten und Arbeitern in ihrer Anwendbarkeit ganz erheblich eingeschränkt worden, sie entfalten aber nach wie vor ihre ganze Wirksam keit bei Unfällen betriebsfremder Personen, und sind vor Allem für di« Passagiere der Eisenbahnen und Straßenbahnen von größter Bedeutung, da diesen das Gesetz einen unbedingten An spruch auf Schadloshaltung gegenüber dem Bahnunternehmer giebt. Nur der von dem Unternehmer erbrachte Beweis, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Getödteten bezw. Verletzten entstanden ist, hebt seine Verpflichtung zum Schadenersatz auf. In gleicher Weise wie die Fahrgäste sind alle diejenigen Personen geschützt,, die beim Ueberschreiten der Gleise oder auf andere Weise mit dem Bahnbetrieb in Be rührung kommen und hierbei einen Unfall erleiden. Dies fällt insbesondere bei Straßenbahnen ins Gewicht, da hier eine relativ weit größere Gefährdung von Paffanten eintritt, als bei Ferneiscnbahnen mit separat angelegter Schienenstraße. Als man das Haftpflichtgesetz schuf, hatte man natürlich den damaligen Stand des Verkehrs imAuge, der lediglich mitRücksich: auf Schienenbahnen besondere Gesetzesbestimmungen erforderte. Es darf aber wohl angenommen werden, daß der Gesetzgeber, wenn damals schon andere mechanisch bewegte Beförderungs mittel in fühlbarer Weise die Verkehrssicherheit beeinträchtigt hätten, jedenfalls den Rohmen des Gesetzes weiter gefaßt hätte. Die» ist unterblieben, und so ist, wie dankenswerther Weise der „SchwLb. Merk." hervorheit, heutzutage, wo Hunderte von R a d- fahrerndie Straßen der Städte durcheilen und der Motor wagenein typischer Bestandtheil des Straßenbildes zu werden anfängt, das Publicum auf die allgemeinen gesetzlichen Bestim mungen über Haftpflicht verwiesen, wenn durch die Verwendung solcher modernen, di« Verkehrsgesohr ganz wesentlich erhöhenden Fortbewegungsmittel Schaden angerichtet wird. Wird daher Jemand durch einen Motorwagen oder ein Fahrrad verletzt und will er hierfür Schadenersatz erlangen, so muß er dieSchuld des Wagenführers bezw. Radfahrers beweisen, d. h. er muß darthun, daß von diesen Personen die im Verkehr erforder liche Sorgfalt außer Acht gelaßen wurde. Daß ein solcher Schuldbeweis bei der Schnelligkeit, mit der sich dergleichen Vor gang« abspielen, mehr oder weniger schwer zu erbringen ist, liegt auf der Hand, und der Verletzte wird in Folge dessen häufig außer dem Schaden auch noch die Kosten eines fruchtlos an gestrengten Proceffes zu tragen haben, obschon das Recht auf seiner Seite liegt. 'Nach dem Inkrafttreten des Bürger!. Gesetzbuchs, also vom 1. Januar nächsten Jahres ab, wird hierin kein Wandel ein treten, denn auch nach diesem Gesetzbuche hat im Princip Jeder, der einen Anderen für einen Schaden haftbar macht, dessen Ver schulden zu beweisen (8 823). Sofern jedoch ein Angestellter in Ausführung seiner Verrichtungen Jemanden geschädigt hat, worunter also Versehen der Motorwagenführer, sowie der Führer von Tansporträdern fallen, haftet nach dem Bürgert. Gesetz buch der Geschäftsherr schlechthin, sofern er nicht den Beweis liefert, daß ihn kein Verschulden trifft (z 831). Hierdurch ge staltet sich die Position des Geschädigten gegen jetzt günstiger. Der Vollständigkeit halber bemerkt das genannte Blatt, dem wir auch im Weiteren folgen, daß Fahrgästen, die mit einem Motor- wagenbesitzer oder sonstigen Fuhrherrn einen Beförderungsvertrag abgeschloffen haben, desgleichen Kunden eines Frachtführers nach dem B. G.-B. (Z 278) bezw. dem Handelsgesetzbuch (8 431) «in unbedingter, durch keinen Entlastungsbeweis zu entkräftender Anspruch gegen den Fuhrherrn aus dem Verschulden seiner An gestellten zusteht. Diese Erleichterungen -der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Unternehmer sind aber nicht mit Rücksicht auf die Verwendung von Fahrrädern oder Motorwagen getroffen, vielmehr gelten sie für das ganze Gebiet des Fährbetriebes bezw. des sonstigen 'Verkehrs. Eine verschärfte Haftbarkeit für die durch mechanisch bewegie Beförderungsmittel herbeigeführten Unfälle ist, wie gesagt, nur hinsichtlich der Eisen bahnen, d. h. auf Schienen mittelst elementarer oder animalischer Kraft bewegter Fahrzeuge, vorgesehen. Diese L ü ck« in der Ge setzgebung wird um so augenscheinlicher und fühlbarer, wenn man die Haftbarkeit des Fuhrherrn, der sich gewöhnlicher, b e - spannter Wagen bedient, ins Auge faßt. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt nämlich in Abweichung von dem Verschul- dungsprincip, daß Jeder, der ein Thier hält, ohne Weiteres ver pflichtet ist, für den Schaden aufzukommen, den das Thier an richtet, selbst wenn er darzuthun vermag, daß von ihm jede nur denkbare Sorgfalt beobachtet wurde. (8 833.) Wenn also durch das Scheuwerden eines Pferdes Schaden verursacht wird, so hat der „Thierhalter" ohne Weiteres hierfür Ersatz zu leisten. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht überhaupt keinen Entlastungsbeweis vor; cs ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß der Beweis, der Schaden sei durch höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verletzten h«rbeigeführt worden, den Thierhalter von der Haf tung befreit, denn auch di« analoge strenge Bestimmung des fran zösischen Rechts wird von den Gerichten, insbesondere dem Reichs gericht, in diesem Sinne ausgelegt. Dem Besitzer bespannter Fuhrwerke ist demnach «ine ähnliche rechtlich« Position zug«wiesen, wie d«m Ersenbahnunternehmer, ja er ist sogar noch ungünstiger gestellt, da er auch für Sachschäden, die von Thi«r«n an gerichtet werden, unbedingt haftet. Erklärt sich die strengere Haftpflicht der Eisenüvhnunternehmer aus der Complicirtheit des Betriebes, der Verwendung bedeutender, zum Theil ganz gewal tiger Kräfte, der erhöhten Fahrgeschwindigkeit der Züge bezw. Wagen, der fortwährenden Berührung zwischen dem Betrieb und dem auf ihn zum Theil völlig angewiesenen Publicum, so rechtfertigt sich die erhöhte Haftpflicht des Fuhrherrn als Thier halters durch die Thatsache, daß die weitaus meisten Fuhrschäden durch das Scheuwerden der Pferde entstehen, ferner aber auch durch das Beißen und Schlagen der Pferde die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. 'Gewissermaßen als Mittelglied zwischen den Eisenbahnen und dem bespannten Fuhrwerk stehen di; zwar mechanisch, nicht ak-r auf Schienen bewegten Fahrzeuge, die Motorwagen und Fahrräder. Auch sie beeinträchtigen die Verkehrssicherheit in hohem Maße: die Motorwagen durch die vergrößerte Schnellig keit der Fortbewegung, ihren Mechanismus, der dem Versagen ausgesetzt ist, ihre Explosionsgefahr und ferner insbesondere da durch, daß der Kutscher fortdauernd seine Aufmerksamkeit in Anspannung erhalten, insbesondere unablässig die Richtung des 'Wagens dirigiren muß; die Fahrräder durch den geräuschlosen Lauf, durch den Anreiz, den ihr Gebrauch zum Schnellfahren giebt, durch die Massenhaftigkeit ihrer Verwendung, wozu noch kommt, daß das Fahrrad auch solchen Personen zugänglich ist, die, sei es in Folge ihres Bildungsgrades, ihres Alters oder ihrer sonstigen physischen und intellektuellen Eigenschaften nicht im Stande sind, «in Rad mit der im Verkehr gebotenen Vorsicht zu benützen. Trotz dieser unverkennbaren Gefahren für den öffentlichen Verkehr nehmen Fahrräder und Motorwagen eine bevorzugt« Sonderstellung gegenüber den Eisenbahnen und dem bespannten Fuhrwerk ein. Der Eisenbahnunternehmer haftet unbedingt, wenn ein Zug entgleist, der Pferdebesitzer, wenn sein durchgehendes Pferd Schaden anrichtet, der Motorwagenbesitzer hingegen, desgleichen der Radfahrer, durch die Jemand zu Schaden gekommen ist, verlangen den Schuldbeweis, wenn sie auf Ersatz in Anspruch genommen werden. Dieser Zustand ist so unhaltbar, daß mit aller Sicherheit darauf gerechnet werden kann, daß über kurz oder lang in Form eines besonderen Reichs gesetzes oder einer Novelle zum Bürgerlichen Gesetzbuch hier Wandel geschaffen wird; es wäre nur Wünschenswerth gewesen, daß die Gesetzgebung diese Lücke schon bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ausgefüllt hätte. Ein derartiges Gesetz wird keineswegs umfangreich werden, ein einziger Paragraph etwa folgenden Inhalts genügt: „Wenn in Folge der Benützung eines Fahrrades oder eines Motorfuhrwerks ein Mensch getödtet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder ein« Sache beschädigt wird, so haftet der Benützer bezw. der Führer des Fahrzeuges, sowie dessen Eigentümer, wenn er die Benützung bezw. Führung einem Anderen überläßt, dem Ver letzten für den entstehenden Schaden, sofern er nicht beweist, daß das Schadenereigniß durch höhere -Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten bezw. des Geschädigten verursacht ist." Ein zweiter Absatz hätte zu bestimmen, daß be züglich des Umfanges des Schadenersatzes, der Regreßnahme des Eigentümers gegen den Benützer bezw. Führer u. s. w. die ent sprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Platz greifen. Ein solches Gesetz dürfte ganz außerordentlich segen bringend wirken, denn eswürdenichtnureinengerechterenAusgleich in Schadenfällen verbürgen, als er zur Zeit möglich ist, sondern es würde auch besser als umfangreiche und lästige Polizeioerord nungen zur Hebung der Verkehrssicherheit beitragen; das Inter esse an der Vermeidung von Unfällen würde dadurch auf Seiten der Radfahrer und Motorwagenbesitzer ganz bedeutend gesteigert. Hieraus würden diese selbst nicht an letzter Stelle Nutzen ziehen. Es darf allerdings nicht vergessen werden, daß die Haftpflicht- Versicherung Gelegenheit bietet, die civile Haftbarkeit illusorisch zu machen. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 12. Juni. (Die Nichtbestätigung Singer'S zum Mitgliede der städtischen Schul deputation.) Der Magistrat hat den Stadtverord neten die gesammten Aktenstücke wegen der Nichtbestätigung des Stadtverordneten Singer zum Mitgliede der städtischen Schulveputation zugesandt und in der Sitzung am Donnerstag wird heiß um diese Angelegenheit gestritten werden. Der Magistrat bat um Vornahme einer ander weitigen Wahl ersucht, da die Schuldeputation nicht nur eine städtische Verwaltungs-Deputation, sondern gleichzeitig eine staatliche SchulaussichtSbebördc sei und der Magistrat das Bestätigungsrecht hinsichtlich der in dieselbe ge wählten Mitglieder nicht auf Grund der städtischen Ver fassung, sondern auf Grund des ihm durch die Verordnung vom 20. Juni 1829 von der Staatsbehörde ertbeilten Auf trags auSzuüben habe. Der von der Stadtverordnelen- Bersammtung gewählte Ausschuß hat beschlossen, den Antrag drS Magistrats auf Vornahme der Wahl eines anderen Mit gliedes ter Schulveputation abzu lehnen. Ein außer ordentlich eingehendes Referat des bekannten Stadtverordneten vr. Preuß über diese Angelegenheit ist den Mitgliedern der Stadtverorbncten-Versammlung zugegangen. vr. Preuß kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: „In Erwägung, daß das dem Magistrat durch die Verordnung vom 20. Juni 1829 beigelegte Beslätigungsrecht seine gesetzliche Begründung lediglich im tz 175 der Städteordnung vom 19. November 1808 fand, daß diese gesetzliche Grundlage aber durch die Städte ordnung vom 30. Mai 1853 aufgehoben ist, daß an den Bestimmungen des Grundgesetzes unserer Gemeindeverfassung Verordnungen und Ministerialrescripte nichts zu ändern vermögen und daß daher der Erlaß des Cultusministers vr. Bosse vom 29. August 1898 ebenso wie die auf das gleiche Ziel ge richteten Erlasse seiner Herren Amtsvorgänger v. Raumer vom 17. Februar und 8. September 1854 und v. Mühler vom 10. September 1866 dem Gesetz widersprechen und dem gemäß für die städtischen Behörden unverbindlich sind, lehnt die Stadtverordneten-Versammlung den An trag des Magistrats auf Vornahme einer anderweiten Wahl in die Schuldeputation ab, erklärt vielmehr, daß die am 17. Juni 1898 vollzogene Wahl des Stadtverordneten Singer rechtsgiltig ist, ohne einer Bestätigung zu bedürfen, und ersuckt den Magistat, nunmebr baldigst die Einführung des Gewäblten in fein Amt zu veranlassen." Sollte der Magistrat die bier vorzetragene Recktsauffassung nicht thcilen können, so läge ihm ob, diese Beschlußfassung auf Grund des tz 56, 2 der Städteordnung, als die Be- fugniß der Stadtverordneten-Versammlung überschreitend, zu beanstanden, wogegen die Versammlung auf Grund des tz 15 des ZuständigkeitSgesetzeS die Klage beim Oberverwaltungs gerichte zu erheben hätte. Es wäre dadurch die Möglichkeit gegeben, die seit 45 Jabren strittige Frage zur obersl-richwr» lichen Entscheidung zu bringen. * Berlin, 12. Juni. Gegen die Hinausschiebung des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches um ein oder zwei Jahre nach dem 1. Januar 1900, der bekanntlich in einem anscheinend ossiciösen Artikel dcS „Hamb. Eorr." das Wort geredet worden war, richtet sich eine der „Berl. Börsenztg." zugcgangene Zuschrift, in der Folgendes aus- gcfübrt wird : „DieserVorschlag uiuß auS verschiedenen Gründen bekämpft werden und ist schon in Nr. 6 der „Deutschen Juristen- Zeitnng" (Jahrgang 1899) vom Herausgeber Juslizrath Staub mit Recht zurückgewiesen. Von einem Bankerott der Rechtspflege kann, wenn der einmal gesetzlich feststehende Termin beivehaltcn wird, gar keine Rede sein. Abgesehen davon, daß sich Preußen ein vollständiges ArmuthSzeugniß allen übrigen deutschen Bundesstaaten gegenüber ausstellen würde, wenn es mit seinen Ausführungsgesetzen nicht mehr fertig werden könnte, wird völlig übersehen, daß die Richter gar nicht in die Lage kommen, den gesammten Stoff des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Handelsgesetzbuchs und der sonstigen Nebengesetze sofort nach dem 1. Januar 1900 zur praktischen Anwendung zu bringen. Tie neuen Rechtsverhältnisse geben erst allmählich Anlaß zu Processen, und die einschlagenden Rechtsfragen können in jedem einzelnen Falle mit Ruhe studirt werden. In den ersten Jahren werden die Processe sich hauptsächlich noch im Rahmen des alten Rechts bewegen und die Ucbergangssragen im Vordergründe sieben. Wenn auch die Rechlsnmwälzung am 1. Januar 1900 eine größere ist, als am 1. Oktober 1879, so bebt Staub doch zutreffend hervor, daß die Aendernng des Verfahrens, weil eS sofort bantirt werden muß, empfind-» licker und plötzlicher in daS Gewohnte eingreift, und daß der deutsche Juristcnstand dielen Sturm auch überwunden bat. Außerdem zeigt ein Blick auf die juristische Literatur des neuen Rechts, daß neben den Theoretikern auch die Praktiker, also die Richter und Anwälte, im erfreulichen Wett eifer bemüht sind, das Studium desselben durch Eommentarc, Lehrbücher, Einzelsckriften, Abhandlungen rc. zu fördern und zu erleichtern. Wenn auch aus dieser Hocbfluth nicht Alles von dauerndem Wertbe ist, so zeigt sie doch zur Genüge, daß der deutsche und besonders auch der preußisch« Juristenstand sich der ihm bevorstehenden Aufgabe voll bewußt ist. Von dieser Seite liegen also unüberwind liche Schwierigkeiten nicht vor. WaS die zeitige Fertigstellung der preußischen Ausfübrungsgesetze betrifft, so möge man siä> in der Eommission des Abgeordnetenhauses mit den Abäntc- rnngSanträgen dock einige Zui ückhaltung auferlegen, bei einiger maßen gutem Willen könnte die Beratbnng auch beschleunigt werden. Schlimmsten Falles müßte die Eommission nach dem Vorgänge der Reichs-Justizcommission bis zum Herbst in Per manenz bleiben. Die preußischen Ausfübrungsgesetze sind überdies wirklich ein so tüchtiges Werk, daß nicht allzu dringende Aende- rungen unterbleiben können. Jedenfalls ist ihre rechtzeitige Fertigstellung durchaus möglich, so daß auch aus diesem Grunde die Hinausschiebung nicht zu rechtfertigen wäre. Endlich ist die Ansicht nicht zutreffend, daß diese Aendernng LeS Geltungstermins keine Nachtheile nn Gesolge hätte; zahl reiche Verhältnisse im Publicum sind im Hinblick auf das neue Recht schon jetzt darauf eingerichtet und dementsprechend geordnet. Die Hinausschiebung könnte also nur Verwirrung bringen. Das deutsche V^tt bat auch ein Recht, die Wohl- thaten des einheitlichen Rechtes nun endlich zn erhalten, dasselbe darf ihm nicht weiter verkümmert werden!" * Berlin, 12. Juni. lieber die Finanzlage des deutschen Reiches und die steigende Wob Iba ben- beit des deutschen Volkes lesen wir in den Mittbei» lungen des „Deutschen Flotten-Verein S" : „Die Erträgnisse der Zölle und Berbrauchsa bgaben bilden die weitaus wichtigste Einnahmequelle zur Bestreitung des Reichs» auSgabcbedarss. Von Len rund 973 Millionen Mark, welche der Reichshaushaltplan außer den Beiträgen der Bundesstaaten zur Deckung der ordentlichen Ausgaben des Reichs vorsieht, entfallen nicht weniger als 742 Millionen oder mehr als drei Viertel auf Zölle und Verbrauchssteuern. In der Entwickelung der Zölle und Verbrauchssteuern spiegelt sich daher die finanzielle Lage im Reiche am treuesten wider und zivar um so mehr, als die meisten übrigen Reichseinnahmen regelmäßig der Auf» und Abwärtsbewegung dec Zölle und Verbrauchssteuern sich onschließen. Die Erträge aus jenen Einnahmequellen weisen in dem nunmehr abgeschlossenen Jahrfünft vom 1. April 1894 bis 31. März 1899 eine stetige, starke Zunahme auf. Sie sind in diesen fünf Jahren von im Ganzen 642 aus im Ganzen 782 Millionen, d. h. um FenLU-toir. Sein College. Humoreske von Marie Prigge-Brook. Nachdruck vcrdoten. Die kleine Stadt A. im Thllringerlande beherbergt unter ihren Einwohnern eine ganze Anzahl Kunstenthusiasten. Es gehört dort gewissermaßen zum guten Ton, für Wagner und seine unsterblichen Werke zu schwärmen und dem Beispiel des kunstsinnigen Fürsten des kleinen Ländchens folgend, besucht wohl Jeder, der Anspruch auf Bildung macht, zur Winterszeit ein oder mehrere Male die Oper, die in der Residenzstadt un gewöhnlich gut besetzt ist. Die A.er erfreuen sich auch eines Gesangvereins, den ein städtischer Musikdirektor leitet, der sich mit größter Kühnheit an die bedeutendsten Werke wagt. Alljährlich findet ein Conccrt statt; ein jedes Mitglied trommelt dazu seine sämmtlichen Ver wandten und Bekannten herbei und freut sich, dann am nächsten Tage im Wochenblatt zu lesen, wie groß die Zahl der Zuhörer war. In diese Idylle schneite im Jahre 189 . der Referendar Hugo Köhler herein, dem der fidele Bruder Studio noch in illen Gliedern lag. Er war über seine Berufung nicht wenig unglücklich. Berlin verlassen zu müssen, um sich an einen Ort zu vergraben, wo e» weder Balllocale noch Restaurants mit fidelen Stammtischen, noch einen Luca» Bols' gab, wo man zn allen Zeiten die Freund« traf, da» war hart. Es tröstete ihn nur wenig, daß ihm ein Freund, der die Musikwuth der A.er kannte, davon erzählte und ihm zu bedenken gab, daß er mit seiner hübschen Stimme Furore machen und bald der Held des Tages werden würde. Der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, machte sich unser Held indessen eines schönen Tages auf, sagte der Reichs hauptstadt Valet und dampfte seinem Bestimmungsorte zu. Bis D. ging Alles ganz gut, von da aus packte man den Ahnungslosen in eine Secundärbahn, die sich so vorsichtig fortbewegte, daß der Referendar, den die Natur mit langen Gehwerkzeugen begabt hatte, ganz gut im Schritt nebenher laufen konnte. Wohl weislich auf den Luxus verzichtend, sah er sich lieber die Gegend an. Zwischen dichten Wäldern, die leider jetzt entlaubt dastanden und hohen phantastisch gebildeten Felsen schlich der Zug dahin, und beifällig nahm Köhler das schöne Naturbild in sich auf. „Jetzt wenn es Sommer wäre", murmelte er vor sich hin. „Wie schön könnte das sein. Durch den Wald, den dunkeln, ziehen, in holder Frühlingsmorgenstunde, das wäre so was für Dich, Hugo, aber im Winter! A., mir graut vor Dir!" Am Bahnhofe lungerten ein paar halbwüchsige Buben herum, von denen sich einer nach längerem Parlamentiren dazu bewegen ließ, daS Handgepäck des Ankommenden zu nehmen, und diesen in den Gasthof zur Post zu führen. Die freundliche Wirthin wußte den neuen Gast gleich unter zubringen. Krampfhaft redete fie ihn mit „Herr Assessor" an, um, als er bescheidentlich diese Ehre als verfrüht von sich wies, ihm wenigstens den Doctor anzuhängen, was er denn auch nach dem Motto: „Man solle Niemandes Kreise stören" geduldig über sich ergehen ließ. Früh am nächsten Tage machte der Herr Referendar sich auf den Weg, um sich seinem zeitweiligen Vorgesetzten, dem Amts richter, vorzustellen. Der empfing ihn erfreut. Ein Referendar aus Berlin, den konnte man sich gefallen lassen. Wenigstens hört man wieder einmal, wie e» in dem fidelen Neste zugehe und ob noch Alles beim Alten sei. Da der Amtsrichter auch längere Zeit in Berlin zugebracht, war bald ein Gespräch im Gange, das den Vorzug hatte, von allen möglichen Berliner Localen, nur nicht von den einschlägigen Geschäften der beiden Herren zu handeln. Plötzlich schlug sich der Amtsrichter an die Stirn. „Donnerwetter, daß ich's nicht vergesse!" sagte er. „Meine Frau wird wissen wollen, ob Sie musikalisch sind. Auch was es in den Berliner Theatern Neues giebt, das heißt, wirklich Sehenswerthes, vorzüglich im Opernhaus, darauf ist man hier wie versessen! Sie sind doch orientirt?" Köhler nickte überlegen. „Und ob. Ich bin leidenschaftlicher Theaterenthusiast. Zweimal wöchentlich zum Mindesten im Opernhaus. Habe selbst manchmal mitgemimt, so zum Spaß, wissen Sie! Klein« Partie gesungen, wenn gerade einer der Herren erkrankt war." Der Amtsrichter betrachtete seinen jungen Eollegen beinahe mit Respect. Das müßte ja ein Teufelskerl sein! „Sie haben wohl eine großartige Stimme?" fragte er ganz kleinlaut. „Es läßt sich halten", erwiderte Köhler. „Bulb sagt freilich immer zu mir: Hängen Sie Ihr Studium an den Nagel und kommen Sie zu uns. Ein Kerl mit Ihren Gaben vergräbt sich nicht Hinterm grünen Tisch. Aber Familienrücksichten rc., na, Sie wissen ja, schließlich bin ich doch Jurist geblieben." Der Amtsrichter staunte noch mehr. „Sie kennen Bulß?" „Wie mich selbst", war die Antwort. „Und viele Andere noch, Alvary, Götze, Alle haben mich singen gehört und sprachen günstig über mein Talent." „So kennen Sie vielleicht auch Ernst K.?" Damit nannte der Amtsrichter den Namen eines Künstlers, der oft durch lange Wochen ein Gast des Herzogs war und den A.ern wohlbekannt. Ein paarmal hatte er sich sogar Herbtigelaffen, ihr berühmtes Concert durch seine Mitwirkung zu einem wirklichen Kunstgenuß zu gestalten, und seitdem zählten die A.er ihn als zu sich ge hörig. „Mit dem bin ich sogar einmal aufgetreten", antwortete der Referendar mit unnachahmlicher Keckheit. Der Amtsrichter stand auf. „Herr Referendar", sagte er fast feierlich, „ich wünsche unserer Stadt von Herzen Glück zu Ihrer Ankunft. Sie haben uns gerade noch gefehlt. Wir A.er erfreuen uns in der ganzen Gegend des Rufes, ein musikalisches Völkchen zu sein. In letzter Zeit jedoch ist unser Ruhm im Schwinden, es muß eine neue frische Kraft hinzu, und die haben wir in ihnen gefunden. Nochmals Glück auf für Sie und für uns!" Er reichte Köhler seine Hand und preßte sie so, daß der am liebsten aufgeschrien hätte. „Teufel", dacht« er, „den habe ich ja gründlich angesohlt. Na, schadet nicht», singen können wir ja zur Noth." Der Amtsrichter drängte ihn, recht bald die nöthigen Besuche zu machen, denn schon am nächsten Musikabend müsse er dabei sein. „M, w.", dachte der ingeniöse junge Herr, warf sich in seinen besten Wichs und klapperte etwa zwanzig Visiten ab. Zu Tode erschöpft warf er sich, zu Hause angekommen, auf einen Stuhl. „Hugo, Hugo, mein alter Sohn, WaS hast Du Dir ein gebrockt!" stöhnte er. Zwanzig Besuche und zwanzigmal hatte er aus dem Munde der Hausfrau, des Hausherrn oder der höheren Tochter dieselbe Geschichte gehört, die stets mit der Frage einleitete: „Jst'i wahr, daß Sie mit Ernst K. zusammen aufgetreten sind?" Ein paarmal war er versucht gewesen, ganz grob dem Frager ein „Nein" entgegen zu schleudern, aber er faßte sich zur rechten
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